Public Private Partnerships sind out. Zu oft sind sie gefloppt, zu oft wurden sie von den Rechnungshöfen als extrem nachteilig für die öffentliche Hand enttarnt. Und dennoch möchte Sigmar Gabriel wieder auf dieses Instrument vor allem für den Autobahnbau zurückgreifen.
Mittlerweile liegt nach Angaben der TAZ vom 27.02. ein Berichtsentwurf einer “Expertenkommission” hierzu vor:
Hiernach belegt der Entwurf, dass Gabriel die Schaffung einer „Bundes-Autobahnen Infrastrukturgesellschaft“ anschieben will. Diese soll „sämtliche Kompetenzen im Bereich der Straßeninfrastruktur in einer Hand bündeln und verfügt über Schnittstellen zu Staat und Bauwirtschaft sowie privaten Anlegern“. Es gehe dabei um eine „konsequente Umsetzung einer Nutzerfinanzierung“ durch Mautgebühren – die Autofahrer sollen für die Autobahnen zahlen. Der Vorteil liege für die Investoren in „lang laufenden Anlagemöglichkeiten für institutionelle Anleger“.
Über die Hintergründe dieses Vorhabens haben wir bereits in unserem Blogbeitrag “PPP: MILLARDEN GEGEN DEN STAU?” berichtet. Es geht darum, den Versicherungskonzernen (die in seiner Kommission prominent vertreten sind!), angesichts des durch die niedrigen Zinsen hervorgerufenen “Anlagenotstandes” unter die Arme zu greifen – durch privatisierte risikolose Erträge aus Infrastrukturmonopolen – dies sind ökonomische Renten.
Die Infrastruktur soll also in Form von Anlageprodukten veräußert werden, um den bestehenden Investitionsstau zu verringern. Der wird im Bericht auf 7,3 Milliarden Euro geschätzt. Allein der Bedarf für die Bundesfernstraßen wird auf jährlich 1,3 Milliarden Euro beziffert. In Eigenregie wäre das deutlich billiger und besser zu kontrollieren. Dem steht jedoch im Rahmen der konventionellen Finanzierung die Schuldenbremse im Wege. Und wirklich unkonventionelle Wege mag man bisher nicht denken: Wir haben in diesem Blog immer wieder darauf hingewiesen, dass die Fixkosten der Infrastruktur nach dem Henry George-Prinzip im Wesentlichen durch die Bodenrenten finanziert werden könnten. Diese sind in Deutschland aber privatisiert – eine heilige Kuh hierzulande. Hinzu kommt, dass man die angedachte Ausweitung der Maut durchaus anders gestalten könnte: Als engpassbasierte Gebühren, wie dies u.a. auch der Wissenschaftliche Beirat im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) jüngst befürwortete (s. unseren Beitrag “WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT: FINANZIERUNG VON INFRASTRUKTURINVESTITIONEN”). Diese beiden Finanzierungssäulen wären nicht nur effizienter, sondern auch gerechter als Gabriels “Lösung”. Die TAZ vermutet aber, dass sich Gabriel als neuer “Genosse der Bosse” profilieren möchte – auf Kosten der Allgemeinheit.
Daher ein ernstes Wort an die ehrwürdige Tante SPD: Autobahnprostitution in deinem Alter ist ein unappetitliches Schauspiel.
Der Koalitionsausschuss hat diese Woche getagt. Das Ergebnis ist nach Angaben der Süddeutschen Zeitung u.a., dass der Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) zur Mietpreisbremse und dem Bestellerprinzip bei Immobilienmaklern durchgewinkt wurde.
Der Entwurf sieht einmal vor, dass bei Neuvermietungen die Miete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen soll. Ausgenommen von der Regelung sind Neubauten und zunächst auch grundsanierte Wohnungen, damit der Bau neuer Wohnungen nicht abgewürgt wird. Der Wohnraummangel gilt in gefragten Gegenden als Hauptgrund für Preissteigerungen. Die Festlegung der Gegenden mit Mietpreisbremse obliegt dabei den Bundesländern. Das Kabinett hatte den Entwurf zwar schon Anfang Oktober beschlossen. Im Bundestag hatte es dann aber Widerstände bei der Union gegeben.
Es bleibt zudem wie vereinbart bei dem sogenannten Bestellerprinzip bei Maklern. Am Grundsatz, dass künftig derjenige den Makler bezahlt, der ihn bestellt – also meist die Vermieter statt bisher die Mieter -, soll nicht gerüttelt werden. Die Maklerbranche fürchtet um Aufträge, weil Vermieter aus Kostengründen die Wohnungsvermittlung selbst übernehmen könnten.
Wir haben zu diesen Regelungen bereits u.a. in unserem Blogbeitrag “MIETPREISBREMSE: ICH MACH MIR DIE WELT, WIE SIE MIR GEFÄLLT … ” Stellung bezogen. Im Kern geht es hierbei um eine Politisierung von Preisen, wie sie auch im Beitrag von Eckhard Behrens “STUTTGART: POLITISIERUNG DER BODENPREISE” gerügt wurde. Die zweifelhafte Logik: Gefallen uns die ökonomischen Gesetze nicht, setzen wir sie einfach per Dekret außer Kraft. Mag man beispielsweise Mietpreissteigerungen als Resultat der Knappheiten auf dem Wohnungsmarkt nicht, handelt die Politik mit einer Mietpreisbremse. Das Gleiche gilt für das Bestellerprinzip. Dass es hier zu massiven Ausweichhandlungen kommen wird, ist abzusehen. Problem gelöst? Machen wir doch so weiter: Bekämpfen wir die Arbeitslosigkeit, indem wir ein Recht auf Arbeit in das Grundgesetz schreiben. Bekämpfen wir das Lohndumping durch einen Mindestlohn (wenngleich dies von allen genannten Maßnahmen vielleicht noch am meisten Sinn ergibt).
Warum machen Merkel, Gabriel & Co. nicht gleich auch mit den physikalischen Gesetzen weiter: Steigen sie am frühen Morgen auf die Waage und erleiden ihren täglichen Schock – warum setzen sie nicht einfach per Dekret die Ergebnisse der Gravitationsgesetze außer Kraft? Im Kabinett wird sich schon eine Interessenskoalition an politischen Schwergewichten zu diesem Zwecke finden. Und auch manch ein Bürger wird sich am Selbstbetrug erfreuen.
Das ist “Pippi-Langstrumpf-Politik”: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.
Selbstverständlich gilt der Einwand: Märkte sind soziale Konstrukte, auf die man einwirken kann. Ja. Aber die Gestaltung sollte sich bitte auf den Ordnungsrahmen, also die Spielregeln konzentrieren – diese müssen so gesetzt werden, dass die Knappheiten (und nicht das Ergebnis dieser Knappheiten) beeinflusst werden und sich als Folge das erwünschte Ergebnis einstellt. Nicht Ziel führend ist es hingegen, bei unveränderten Spielregeln fallbezogen direkt das Ergebnis der Marktkräfte zu manipulieren, wenn dieses der Politik dann (ob zu Recht oder nicht, sei hier nicht diskutiert) nicht passt. Also: Bitte Ordnungspolitik anstatt Marktinterventionismus!
Über interventionistische Eingriffe, die zudem am Marktergebnis ansetzen, werden nämlich die Preise politisiert. Im Endeffekt erfolgt die Allokation politisch. Den Vorzug bekommt dann derjenige mit dem richtigen Parteibuch, der richtigen Gesinnung, der Angehörige der richtigen Wählerklientel etc. Oder es kommt zu Umgehungen: Die Maklergebühren werden über eine erhöhte Miete wieder eingefahren, und der Mindestlohn wird für Angestellte eines Sonnenstudios in Vouchers für eben dieses Studio gezahlt.
Wie James Bond strebt auch er den Doppelnullstatus an: Wolfgang Schäuble. Und wie James Bond hinterlässt auch er eine Schleifspur der Verwüstung – mit einem zweifelhaften Konsolidierungskonzept für den öffentlichen Haushalt. Insbesondere Public Private Partnerships sind da auch keine Lösung, sondern verschärfen das Finanzproblem noch weiter – v.a. zu Lasten künftiger Generationen. Wir haben auf diese Zusammenhänge mehrfach hingewiesen:
… und unser Bond-Girl “Angie” unternimmt leider wenig, um den Wahnsinn der “schwarzen Null” Namens Wolfgang Schäuble zu stoppen. Leider gibt es noch viele andere (und nicht nur schwarze) Nullen auf Ebene der Länder und auch der Kommunen. Die dickste davon ist rosarot und sitzt an Schäubles Kabinettstisch: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der wieder einen PPP-Tsunami in Bewegung bringen will. Mal sehen, was dieser Tsunami langfristig vom öffentlichen Vermögen noch übrig lässt.
Die Gewinne der großen Energieversorgungsunternehmen (RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW) aus Kohlekraftwerken: In unserem Beitrag „Gewinne und Renten: Beispiel Stromproduktion“ haben wir gezeigt, dass es sich hierbei im Kern um ökonomische Renten handelt – also um Erträge, denen keine einzelwirtschaftlichen Aufwendungen gegenüberstehen. Diese ökonomischen Renten sind – aufgrund der geringen Grenzkosten – bei den Grundlastkraftwerken am höchsten: Nach Abschaltung der Atomkraftwerke glänzen hier vor allem die Braunkohlemeiler. Gerade bei den alten, schon abgeschriebenen Kraftwerken gehen die sog. „Produzentenrenten“ nahezu voll in den Gewinn – es handelt sich um die „Cash Cows“ der Energiekonzerne.
Kohlekraftwerk (Quelle: ARD Tagesschau)
Wenn auch den ökonomischen Renten keine einzelwirtschaftlichen Aufwendungen gegenüberstehen, so gilt dies nicht für die Volkswirtschaft als Ganzes: So nimmt beispielsweise die Braunkohleproduktion die wenigen infragekommenden Standorte samt Kohlevorkommen sowie die Atmosphäre als CO2-Deponie zu einem lächerlich niedrigen Tarif in Anspruch, der die Allgemeinheit auch nicht annähernd für den verursachten Verlust an Ressourcen und Umwelt entschädigt. Die diesbezüglichen Kosten werden also auf die Allgemeinheit abgewälzt.
Speziell zu den zuletzt genannten Kosten gehören auch die Folgen des Klimawandels, die allerdings bisher größtenteils in anderen Ländern anfallen. Im Beitrag „… und die Kohle fällt nach oben: Deutschland verfehlt das Klimaziel“ hatten wir dargestellt, dass Deutschland im allerbesten Falle statt der bis 2020 angepeilten 40-prozentigen CO2-Reduktion allenfalls 33 Prozent realisieren kann. Dieser für die Ökologie beste Fall tritt allerdings nur ein, wenn Wachstumsschwäche und Wirtschaftskrise nachhelfen (vgl. Knuf 2014). Das 40-Prozent-Ziel geht übrigens auf Gabriel zurück; es wurde 2007 von der großen Koalition vereinbart, in der Gabriel das Amt des Umweltministers innehatte.
Allerdings verstehen sich in Deutschland Ministerien offenbar als verlängerter Arm der einschlägigen Interessengruppen – anstatt als Sachwalter des Gemeinwohls. So hält Gabriel in seiner derzeitigen Rolle Wirtschaftsminister nunmehr in einem jüngst veröffentlichten Positionspapier zur Energiepolitik ausdrücklich an der Kohle fest (s. hierzu den Beitrag in der Tagesschau (ARD) vom 11.11. „Positionspapier zur Energiepolitik: Gabriel will mittelfristig an Kohle festhalten“ – bitte klicken). Zustimmung erfährt er dabei nicht nur von den großen vier Energieversorgern, sondern auch von der Gewerkschaft IG BCE. Diese hatte zuvor vor Jobverlusten in Kohlemeilern gewarnt. Ihr Chef Michael Vassiliadis lobte prompt Gabriels Positionierung.
Die Frage, welche Kraftwerke am Netz bleiben und welche stillgelegt werden, “sollten die Unternehmen entscheiden und nicht der Staat”, betonte Gabriel im besagten Positionspapier. Wer neben dem schrittweisen Atomausstieg bis 2022 auch noch aus der Kohleverstromung aussteigen wolle, sorge für explodierende Stromkosten, die Abwanderung großer Teile der Industrie und Versorgungsunsicherheit in Deutschland (o.V. / ZeitOnline 2014). Kohle- und Gasverstromung werde auf längere Sicht noch als „Rückendeckung der Energiewende“ für Zeiten benötigt, in denen es nicht genug Wind- oder Solarstrom gebe (o.V. / FAZnet 2014).
Gabriel hat sicherlich insoweit Recht, dass die Stilllegung deutscher Kohlekraftwerke in Europa nicht zu einer einzigen Tonne an Einsparungen bei den CO2-Emissionen führen würde. Dadurch freiwerdende Verschmutzungsrechte würden nämlich im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems zu anderen Kraftwerken abwandern, die entsprechend mehr Treibhausgase ausstießen (o.V. / Handelsblatt 2014). Statt einer Abschaltung der alten Meiler plädiert Gabriel für eine weitere Verknappung der Emissionsrechte; viele Kohlekraftwerke würden von ihren Betreibern freiwillig vom Netz genommen, wenn man die Emissionsrechte so verknappen würde, wie es für die Erfüllung des 2-Grad-Zieles erforderlich ist. Dieser Weg ist allerdings nicht der eines klimapolitischen Vorreiters. Zudem kann Gabriel mit dieser Position natürlich hervorragend Verantwortung auf die EU abschieben, das für die Kontingentierung im Rahmen des Europäischen Emissionshandels verantwortlich ist. Und er kann sichergehen, dass andere – allen voran Polen – die Drecksarbeit in Sachen Lobbyismus zugunsten der Kohle übernehmen werden – soweit er dies nicht schon selber tut.
Gabriel geht mit seiner Politik auch auf Konfrontationskurs mit Parteifreundin und Umweltministerin Barbara Hendricks. Diese will – ebenso wie die Grünen und die führenden Umweltschutzverbände – in einem ersten Schritt die alten Kohlemeiler einmotten, um das deutsche Ziel doch noch zu schaffen (o.V. / Sueddeutsche.de 2014). Vor allem die alten Braunkohlekraftwerke sind nämlich die schlimmsten Dreckschleudern. Ein Ausstieg aus der Kohle sollte hier – und zwar bei den alten Kohlekraftwerken – beginnen. Angesichts der Überkapazitäten des deutschen Kraftwerkspark sehen die Protagonisten der sukzessiven Abschaltung der alten Kohlemeiler die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gefährdet. Allerdings bringen – wie oben erwähnt – gerade die alten Meiler die höchsten Gewinne für die großen Betreiber. Die Lobby wird also alles in Bewegung setzen, um deren Abschaltung zu verhindern.
Nach Meinung vieler Experten kann aber außer durch neue Anreize für energetische Gebäudesanierungen das Klimaziel nur mit weniger Emissionen im Energiesektor noch geschafft werden. Am 3. Dezember sollte das Kabinett ein von Hendricks erarbeitetes Klima-Aktionsprogramm beschließen, um die bestehende Lücke noch zu schließen. Gelingt ihr dies, würde Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen. Man kann gespannt sein, ob Hendricks sich gegen Gabriel durchsetzen wird – oder nicht viel mehr ein Ergebnis herauskommt, das den großen Energiewirtschaftskonzernen nicht weh tut.
Es geht um die zunehmend verrottende Infrastruktur. Nichts weniger als der Standort Deutschland steht auf dem Spiel. Seit Jahren wird in Deutschland viel zu wenig in Straßen, Brücken und Schulen investiert.
Schultoilette
Allein für die Sanierung der Verkehrswege sind schätzungsweise pro Jahr rund sieben Milliarden Euro zusätzlich nötig; der Etat sieht für die gesamte Legislaturperiode aber nur fünf Milliarden vor. Vor allem durch das Fahren auf Verschleiß will Schäuble also auf die schwarze Null kommen (s. unseren Beitrag „Die ´schwarze Null´: Schäubles Mogelpackung“).
Dass es dies alleine aber nicht sein kann, weiß auch Schäuble. In unserem Beitrag „PKW-Maut: Lichtblick am Horizont“ haben wir erläutert, warum eine PKW-Maut daher grundsätzlich nicht verkehrt ist. Allerdings nicht so, wie sie Verkehrsminister Dobrindt ausgestalten will. Und auch in finanzpolitischer Hinsicht ist die umstrittene PKW-Maut ein Rohrkrepierer. Selbst wenn die Koalitionspartner noch einen Gesetzentwurf zustande bringen, wird die Abgabe bei Weitem nicht genug Geld einbringen, um einen nennenswerten Beitrag zur Lösung des Infrastrukturproblems zu erreichen (Schieritz 2014).
Schlagloch
Also greift man erneut auf ein Konzept zurück, das schon in der Vergangenheit wiederholt versagt hat: Öffentlich-Private Partnerschaften (Public Private Partnerships, PPPs). Finanzminister Schäuble kalkuliert bereits, wie viel ein privater Betrieb von Autobahnen kosten würde. Der Rechenschieber wird ihm dabei von Wirtschaftsminister Gabriel gehalten, der eine diesbezügliche Arbeitsgruppe eingesetzt hat. In dieser Arbeitsgruppe sitzen unabhängige Experten wie der Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen, Allianz-Vorstandsmitglied Helga Jung und Torsten Oletzky, Vorstandsvorsitzender der Ergo Gruppe (o.V. 2014).
In dieser Gruppe sollen verschiedene Modelle geprüft werden, um v.a. die unter den derzeit niedrigen Zinsen leidenden Versicherungen ein wenig glücklicher zu machen: U.a. geht es darum, wie die strengen Kapitalanlagevorschriften für Versicherer modifiziert werden können, damit diese besser in Infrastrukturprojekte investieren können, um sich an den Infrastrukturrenten während der Niedrigzinsphase schadlos zu halten. Es wird u.a. darüber nachgedacht, den Bau von Straßen oder Brücken im Rahmen von PPPs an Betreiberunternehmen auszulagern. Diese könnten die Infrastrukturanlagen dann über 30 Jahre und mehr betreiben; sie könnten sich über privat eingenommene Nutzungsgebühren finanzieren. Ebenfalls ist ein Fonds im Gespräch, der bei Banken und Versicherungen Geld einsammeln soll, mit dem der Straßen und Brückenbau sowie –sanierung finanziert werden soll.
Man muss jedoch kein Prophet sein, um die Auswirkungen derartiger PPPs abzuschätzen: Sattsam bekannt ist, dass privates Kapital ist teurer als öffentliches, weil Risikoprämien bezahlt werden müssen. Allein dieser Effekt stellt in der Regel sämtliche Effizienzvorteile von privaten Betreibern in den Schatten (Löhr 2013). Selbst, wenn sich der Staat noch weiter verschulden würde, wäre dies in der derzeitigen Niedrigzinsphase wahrscheinlich wesentlich wirtschaftlicher als die Heranziehung von Kapital im Rahmen von PPPs.
Kurzfristig wird so über PPPs zwar der Haushalt geringfügig entlastet, langfristig kommen aber umso größere Summen auf die Allgemeinheit zu – allerdings sind Schäuble und Gabriel dann voraussichtlich nicht mehr im Amt. Diese Kosten und Mehrkosten können in der Zukunft entweder über
höhere Gebühren (wenn die Autofahrer zur Kasse gebeten werden);
höhere Steuern (wenn die Belastungen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden);
Einsparungen bei anderen staatlichen Leistungen (z.B. im Rahmen des Sozialsystems) oder
zusätzlicher Verschuldung eben in der Zukunft
eingefangen werden.
Wie die Landesrechnungshöfe sieht denn auch der Bundesrechnungshof die PPPs, wie sie u.a. im Straßenbau um sich greifen, kritisch. Beispielsweise sind beim Ausbau der A 8 von Augsburg nach München im Vergleich zu einer “konventionellen Realisierung” die Kosten explodiert. Fünf der bisher sechs realisierten Projekte in privater Hand sind um insgesamt mehr als 1,9 Milliarden Euro teurer gewesen als eine herkömmliche Finanzierung über den Haushalt (Kröger 2014a; Kröger 2014b).
Dennoch greift Vater Staat gerne auf PPPs zurück. Bei der herkömmlichen Kreditaufnahme in staatlicher Eigenregie müssten die Kredite für das geplante Bauwerk nämlich sofort als Schulden verbucht werden. Dagegen steht jedoch die Schuldenbremse. Bei einer PPP fällt hingegen nur die jährliche Rate an den privaten Partner an. Die Schuldenbremse wird so wirksam umgangen (vgl. auch den Blogbeitrag „Milliardengrab: Autobahnbau via Public Private Partnership“ ).
Dabei gibt es Alternativen jenseits von PPPs und höherer Verschuldung. Ein effizientes öffentliches Finanzierungssystem würde nämlich (auch für öffentliche Güter) diejenigen bezahlen lassen, die von den öffentlichen Gütern profitieren. Dies auf Basis von Grenzkostenpreisen, nicht anders als bei privaten Gütern. Dabei sind die Nutznießer der Investitionen in öffentliche Güter nicht unbedingt mit den unmittelbaren Nutzern der Einrichtungen identisch: Eine neue Straße oder ein Hochgeschwindigkeitszug reduziert Transportkosten. Nun sind die Bodenrenten ein Residuum, das verbleibt, nachdem alle anderen Produktionsfaktoren bezahlt wurden (s. die Tabelle unten). Daher schlagen sich reduzierte Transportkosten in erhöhten Bodenrenten und Bodenwerten nieder. Eine neue Straßen- oder Zugverbindung wertet beispielsweise eine angeschlossene Ortschaft auf. Die dortigen Bodenrenten und Bodenwerte steigen. Wird jedoch die Straße nicht aus einer Abgabe auf die Bodenrente finanziert, zahlt nicht der Grundstückeigentümer für den erhaltenen Gegenwert. Weil diesem die erhöhte Bodenrente überlassen wird, blutet stattdessen i.d.R. der Steuerzahler.
Gegen dieses Prinzip der Rentenökonomie steht das der Reziprozität, also der Verbindung von Leistung und Gegenleistung: „Pay for what you get!“ Hiernach müsste der Grundstücksbesitzer für seinen Vorteil – den höheren Grundstückswert – bezahlen, und der Nutzer einer Infrastrukturanlage für die Grenzkosten, die er der Gemeinschaft aufbürdet.
Diese Forderungen führen zum Henry George-Theorem. Gemäß dem Henry George-Theorem (auch bekannt als George-Hotelling-Vickrey-Theorem) könnten unter idealen Bedingungen (optimal Bevölkerungsgröße etc.) alle öffentlichen Güter in einem Gemeinwesen allein aus ihrer (Boden-) Rente finanziert werden, ohne dass auf Steuern zurückgegriffen werden müsste (dabei wird vorausgesetzt, dass externe Kosten durch geeignete Abgaben internalisiert werden).
Das Henry George-Theorem kann aber auch anders herum gelesen werden: Danach werden (Boden-) Renten erst durch öffentliche Güter und Dienstleistungen geschaffen. Die (Boden-) Renten entstehen aufgrund ökonomischer Vorteile von Agglomerationen und der Arbeitsteilung, den Opportunitätskosten durch die Nutzung knapper Standorte durch bestimmte Nutzer, und nicht zuletzt durch die Infrastruktur, die durch die Öffentlichkeit geplant und finanziert wird. Ohne öffentliche Infrastruktur könnten die Vorteile von Agglomerationen nicht genutzt werden. Öffentliche Infrastruktur macht erst die Produktion von privaten Gütern und Dienstleistungen möglich. Wenn man überhaupt – neben Arbeit, Boden und Kapital – noch eine Kraft in den Rang eines vierten Produktionsfaktors erheben will, so die öffentliche Infrastruktur (dies ist jedenfalls wesentlich sinnvoller als die Einführung eines vierten Produktionsfaktors „Wissen“, was ja auf nichts anderes als eine Aufwertung des Produktionsfaktors „Arbeit“ hinausläuft). Alfred Marshall erkannte schon den Zusammenhang zwischen Bodenrenten und öffentlichen Leistungen und beschrieb die Bodenrenten als “the annual public value of the land” (vgl. Löhr 2013). Dementsprechend kann der Staat als eine „rentengenerierende Institution“ („rent creating institution“) gesehen werden. Dies läuft auf die Erkenntnis von Adam Smith hinaus, dass – da Bodenrenten durch eine „gute Regierung“ erzeugt werden – dieselbe Regierung auch diese Bodenrenten zum Zwecke der Finanzierung der öffentlichen Güter einsammeln sollte. Es ist die Öffentlichkeit, die die rententragenden Vermögensgegenstände eines Gemeinwesens in Wert setzt.
Tabelle: Henry George-Theorem (vereinfachte Version, eigene Darstellung)
Volkseinkommen
Zusammensetzung
Verteilung
Charakter
Private Güter und Dienstleistungen
<=>
Löhne (Arbeit)
<=>
Kosten
Zinsen (Kapital)
Öffentliche Güter und Dienstleistungen
<=>
Renten aus Land und Natur
<=>
Sozialer Überschuss
Würden die Kosten für die Finanzierung der öffentlichen Güter aus den Bodenrenten finanziert, ließe sich eine natürliche Kopplung zwischen Nutzen und Kosten herstellen. Wenn jedoch – wie heutzutage der Fall – die Bodenrenten privatisiert werden (durch private Grundbesitzer und Unternehmen), können sie nicht für die Finanzierung öffentlicher Güter verwendet werden. Als Konsequenz müssen die Produktionskosten der öffentlichen Güter auf die Steuerzahler abgewälzt werden – mit der Folge der Entkopplung von Nutzen und Kosten im Steuerstaat.
Eine solche Entkopplung liegt auch bei PPPs vor. Auch hierbei werden die ökonomischen Renten privatisiert mit der Folge, dass sie nicht zur Finanzierung der Infrastruktur zur Verfügung stehen. Die Folge sind Ineffizienzen, die über die herkömmlicherweise in den Medien diskutierten Aspekte weit hinausgehen:
Viele der diskutierten Infrastruktureinrichtungen haben den Charakter eines natürlichen Monopols. Über an sich wohlfahrtsoptimale Grenzkostenpreise könnten daher die gesamten Kosten gar nicht abgedeckt werden; der Steuerstaat muss immer auf Kosten der Allgemeinheit zuschießen. Dies gilt umso mehr, wenn die Anlagen durch Private betrieben werden.
Finanziert der Staat den privaten Betreiber einer Infrastrukturanlage über Steuern, hat dies zudem Entmutigungseffekte (steuerliche Zusatzlasten) zur Folge. Zudem wird der soziale Überschuss durch die höheren Kosten, die den mobilen Produktionsfaktoren auferlegt werden, gedämpft. Der volkswirtschaftliche Kuchen wird durch das Zusammenwirken dieser beiden Effekte wesentlich kleiner, als er sein könnte.
Schließlich besteht das Problem der Überlastungen der Infrastruktur, wenn diese – weil über Steuern finanziert – kostenlos zur konkreten Nutzung zur Verfügung gestellt wird.
Will der Staat diese Probleme der Steuerfinanzierung vermeiden, muss er den privaten Betreibern die Vereinnahmung von kostendeckenden Gebühren gestatten (die auch die erhöhten privaten Kapitalkostenforderungen abdecken). Bei vollkostenorientierten Gebühren besteht aber die Gefahr, dass die Nutzung der Infrastruktureinrichtung so weit zurückgeht, dass eine Refinanzierung nicht mehr möglich ist. Konkret wird in der o.a. Arbeitsgruppe über eine streckenabhängige Abgabe der Autofahrer nachgedacht. Die Ballungskosten sollen hingegen offenbar nicht eingefangen werden (so dass man unabhängig davon dieselbe Abgabe für eine Straßenstrecke zahlen würde, ob diese während der Hauptverkehrszeit oder mitten in der Nacht benutzt wird). Die Fehlallokation des Verkehrs ist hier vorprogrammiert.
Die gebührenorientierten Finanzierungsmodelle bergen übrigens auch für den privaten Betreiber die Gefahr in sich, dass sie sich nicht rechnen, weil die Bodenrente durch andere Private abgeschöpft wird. Dennoch ist es verlockend, die Infrastrukturrente abzugreifen – schließlich befinden sich Infrastrukturanlagen ja außerhalb der Konkurrenz. Wie viele private Betreiber sich neben der öffentlichen Hand auch noch eine blutige Nase holen werden, hängt somit davon ab, ob das Gebühren- oder das Steuermodell in den Ausgestaltungen überwiegt.
Die o.a. Liste könnte fortgesetzt werden. Der Weg zur Lösung der Infrastrukturmisere ist also ein gänzlich anderer als Gabriel und Schäuble ihn gehen wollen:
Die Infrastruktureinrichtungen sollten einerseits verursachungsgerecht über die Bodenrente finanziert werden, die durch diese entsprechend erhöht wird. Die Abschöpfung setzt natürlich politischen Mut und ökonomische Einsicht voraus. Beides ist derzeit in den politischen Parteien und ihren Beratern nicht vorhanden.
Die Nutzung der Infrastruktureinrichtungen sollte andererseits gegen eine Gebühr erfolgen, welche die Grenzkosten der Nutzung bzw. die Ballungskosten wiederspiegelt. Im Falle einer Autobahn sollte jemand, der eine Fahrt während der Hauptverkehrszeit und auf einer viel befahrenen Strecke vornimmt, somit einen höheren Obolus entrichten.
An anderer Stelle hatten wir noch ein rentenbasiertes Grundeinkommen vorgeschlagen, um jedermann in gleichem Maße die Nutzung öffentlicher Einrichtungen zu erlauben (Beitrag “EinsPlus: Nie wieder arbeiten? Das Grundeinkommen für jeden“). Ein solches Grundeinkommen könnte bequem aus den Bodenrenten finanziert werden.
Andere Steuern könnten hingegen zurückgeführt werden – im Extremfall bis auf Null, wenn das genannte Konzept konsequent umgesetzt wird.
Dieses Finanzierungskonzept spiegelt finanzpolitische Vorstellungen wieder, wie sie u.a. von Joseph E. Stiglitz vertreten werden (Beitrag „Steuerreform – Vorschläge von Joseph E. Stglitz“). Sie beinhalten als wesentliche Stützen des Abgabensystems ein verallgemeinertes Henry George-Prinzip (Abschöpfung der ökonomischen Renten) und eine konsequente Internalisierung externer Effekte – zum Wohle der öffentlichen Hand. Die Ideen sind eigentlich nicht schwer zu verstehen. Und, Herr Schäuble und Herr Gabriel: „Denken tut doch gar nicht weh!“
Deutschland hat sich viel vorgenommen. Bis zum Jahr 2020 soll der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid um 40 Prozent gesenkt werden – gemessen am Niveau von 1990. Dieses Ziel – das muss nun auch die Bundesregierung kleinlaut einräumen – ist leider nur ein frommer Wunsch. Im besten Falle wird eine Reduktion von 33 Prozentpunkten erreicht werden, so dass eine Lücke von 7 Prozent besteht. Im besten Fall, wenn Wachstumsschwäche und Wirtschaftskrise nachhelfen (vgl. Knuf 2014).
Warum diese Zielverfehlung? Seit dem Ausstieg aus der Kernenergie brummen die Kohlekraftwerke umso mehr. Von den zehn europäischen Kohlekraftwerken mit dem höchsten CO2-Ausstoß befinden sich sechs in Deutschland. Wir haben das System „Kohle“ im Blogbeitrag „Gewinne und Renten: Beispiel Stromproduktion“ eingehend dargestellt. So erzielen Braunkohlekraftwerke (als Grundlastkraftwerke) die höchsten ökonomischen Renten von allen Kraftwerken – die im Kern aber nichts anderes als Bodenrenten sind: Braunkohlekraftwerke können nämlich nicht irgendwo und überall betrieben werden, sondern nur an bestimmten Standorten, die diese für die Kraftwerksbetreiber besonders wertvoll machen: Man benötigt u.a. Nähe zu Verbrauchsschwerpunkten, man braucht Schienen, Übertragungsnetze, am besten noch schiffbare Flüsse, und last but not least Braunkohlevorkommen – die Standorte mit der Kombination dieser Eigenschaften werden den Kraftwerksbetreibern von der Allgemeinheit für eine lächerliche Gegenleistung zur Verfügung gestellt. Das gleiche gilt für die Atmosphäre, die von den Kraftwerksbetreibern als Deponie genutzt wird – die Preise der CO2-Zertifikate sind derzeit viel zu gering, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Die Lobby stellte sich immer wieder erfolgreich gegen eine Reduzierung der Zertifikate im Europäischen Verschmutzungsrechtehandel – doch nur eine solche Reduzierung könnte die klimapolitisch erforderliche Preiserhöhung bewirken. Denn bei einer – mit Blick auf das 2-Grad-Ziel – adäquaten Bepreisung der Verschmutzungsrechte würde sich wohl kaum mehr ein Braunkohlekraftwerk am Netz befinden – Kohlekraftwerke würden unrentabel (Löhr 2013). Wegen der vielen Kohlekraftwerke gehen die Gaskraftwerke (als Spitzenlastkraftwerke), die mit wesentlich höheren Grenzkosten produzieren, kaum mehr ans Netz und können daher nicht rentabel betrieben werden (o.V. 2014). Doch gerade die flexibel regelbaren Gaskraftwerke wären in einer Übergangsphase für die breite Einführung der Erneuerbarer Energien wichtig. Bislang stehen die Speichertechnologien nämlich noch nicht in dem erforderlichen Ausmaß zur Verfügung, um die Schwankungen bei der Produktion von Strom aus Erneuerbaren Energieträgern (v.a. Wind und Sonne) auffangen zu können. Zumal die Kohlekraftwerke nicht flexibel herunter geregelt werden können, exportiert man derzeit den überschüssigen Strom.
Die Energiewende ist nicht mit dem Atomausstieg beendet (Weiß 2014). Deutschland benötigt vielmehr auch einen Kohleausstieg – hiervon ist aber weit und breit noch nichts zu sehen. Bei gutem Willen könnten zwar auch auf nationaler Ebene entsprechende Instrumente (zusätzliche Abgaben, Ordnungsrecht) angewendet werden (Deutsche Umwelthilfe / BUND 2013). In unserem Blogbeitrag „Internationale Umweltpolitik in der Sackgasse?“ haben wir allerdings beschrieben, dass solche Alleingänge im internationalen Wettbewerb nur bei einem Umbau des Abgabensystems möglich und durchzuhalten sind.
Auch der Netzausbau wird ein einer Weise vorangetrieben, die weniger die Erneuerbaren Energien, dafür aber umso mehr die Renaissance der Kohle unterstützt – natürlich tragen die Verbraucher auch hierbei die Lasten (des Netzausbaus).
Energiewende pervers. Und die Kohle fällt nach oben:
Die ökonomischen Renten aus der Kohlestromproduktion werden von starken Gruppen – nämlich den Kraftwerksbetreibern – privatisiert, die ökologischen und sozialen Kosten hingegen auf die Allgemeinheit abgewälzt. Doch es sind nicht „nur“ die Umweltkosten: Weil die Standortrenten nicht abgeschöpft und die Verschmutzungsrechte nicht sachgerecht verknappt und versteigert werden, entgehen dem Staat enorme Einnahmen – die dafür den Eigentümern der Kraftwerksbetreiber zufließen. Der finanzielle Lückenbüßer ist der Steuerzahler (Löhr 2013). Möglich machen dies u.a. die zuständigen Minister Hendricks und Gabriel, deren sozialdemokratische Partei mit der Kohlelobby traditionell auf’s Engste verbandelt ist. Kein Wunder, dass gerade die SPD immer besonders laut nach Steuererhöhungen schreit – ermöglichen diese doch erst die Geschenke an die Industrie-Klientel. Unsere Kanzlerin sollte es eigentlich – aus ihrer Zeit als Umweltministerin – besser wissen. Doch auch sie hört auf das Gezeter der Lobby. Dennoch tut unsere Regierung am Ende auch den Unternehmen nichts Gutes: Wenn man zu lange an der Droge der staatlich garantierten ökonomischen Rente hängt, wird man abhängig. Die unternehmerische Performance geht dann auf kurz oder lang flöten. So geriet RWE u.a. deswegen ins Straucheln, weil es an überreifen rententragenden Dinosauriertechnologien zwanghaft fest hielt und eine Umorientierung der Unternehmenspolitik viel zu spät einleitete.