Kommunale Erbbaurechte, Kreisumlagen und Finanzausgleich: Geht die Rechnung auf?

Dirk Löhr

Neulich hatte ich eine Diskussion mit einem Bürgermeister. Dieser meinte sinngemäß, die Höhe des Erbbauzinssatzes sei bei der Entscheidung, ob die Kommune eine Privatisierung von Grundstücken oder eine Vergabe via Erbbaurecht vornehmen soll, von nachrangigem Interesse. Die Argumentation:

Bei einer Privatisierung kann die Kommune neben Grundsteuern in der Zukunft mit Einnahmen aus Kommunalsteuern Seitens des Investors rechnen. Diese fließen der Kommune unmittelbar zu. Den größten Batzen macht dabei die Gewerbesteuer aus, wenn der Investor das Grundstück baulich nutzt. Diese fällt allerdings in vielen Fällen gar nicht an – so z.B., wenn Immobilien im Rahmen einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft (§ 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG) oder durch natürliche Personen zu Wohnzwecken vermietet werden. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer (wie auch aus der Grundsteuer, s. unten) würden aber durch Finanzausgleich und Kreisumlage erheblich gekürzt. Nach Mühlleitner (2015) kann es insbesondere bei Gewerbegebieten durchaus möglich sein, dass nahezu die gesamten Gewerbesteuereinnahmen abgeschöpft werden (die Abzüge durch Umlagen und horizontalem Finanzausgleich sind je nach Kommune jedoch sehr unterschiedlich). Der entscheidende Vorteil des Erbbaurechts sei nun, dass der Erbbauzins nicht durch Finanzausgleich und Kreisumlage gekürzt wird und voll in den Gemeindehaushalt eingeht. Allein dies mache das Erbbaurecht selbst bei einem geringen Erbbauzins deutlich interessanter als einen Verkauf des Grundstücks.

Von minderer Relevanz für die Entscheidung Privatisierung vs. Erbbaurecht sind hingegen die Einnahmenunterschiede bei der Grundsteuer, die einen deutlich geringeren Betrag zum kommunalen Haushalt als die Gewerbesteuer beiträgt. Ob Wohnnutzung oder gewerbliche Nutzung einerseits, Volleigentum oder Erbbaurecht andererseits macht hier ebenfalls wenig Unterschied. Die Grundsteuereinnahmen werden daher nachfolgend ausgeblendet.

Ganz ohne Relevanz für die Privatisierungsentscheidung sind schließlich die Zuweisungen aus Gemeinschaftssteuern (Einkommen- und Körperschaftsteuern). Hiervon profitiert die Kommune unabhängig, ob ein Grundstück privatisiert oder via Erbbaurecht genutzt wird.

Nimmt man noch die Vorteile des Erbbaurechts bezüglich der Steuerung des Geschehens auf dem Bodenmarkt und die Möglichkeit der Verdauerung von Sozialbindungen hinzu, läge die Vorteilhaftigkeit gegenüber der Privatisierung auf der Hand.

Als Freund des Erbbaurechts freut man sich natürlich, eine so positive Beurteilung Seitens eines Bürgermeisters zu hören. Aber stimmt sie auch?  Eine stark verkürzte Überlegung hierzu:

Bei der Privatisierung eines Gewerbegrundstücks ist anzunehmen, dass aus dem Erlös entweder teure Altschulden abgetragen werden oder eine Investition zum landesüblichen Zinssatz in eine Bundesanleihe stattfindet (auch, um Risikoaspekte auszublenden). Berücksichtigt man zusätzlich die Kürzung der kommunalen Steuereinnahmen durch Finanzausgleich und Kreisumlagen, stellen sich die kommunalen Erträge in der Privatisierungsvariante wie folgt dar [1]:

Grundstücksverkaufserlös * Zinssatz
+ Steuereinnahmen auf Untern. bei Volleigentum * (1 – Finanzausgleich/Kreisumlage in v.H.)

Würde die Kommune das Grundstück nicht veräußern und stattdessen im Erbbaurecht vergeben, erhielte sie einen Erbbauzins. Hinzu kommen auch hier Gewerbesteuereinnahmen auf die Gewinne des Investors, soweit dieser gewerbesteuerpflichtig ist. Diese fallen zunächst geringer als bei einer Privatisierung aus – der steuerpflichtige Gewinn wird ja durch die an die Kommune zu zahlenden Erbbauzinsen gekürzt. Allerdings kommt es im Rahmen des § 8 S. 1 Nr. 1e GewStG wieder zu einer hälftigen Hinzurechnung der Erbbauzinsaufwendungen bei der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage. Dies bedeutet, dass die Schmälerung des gewerbesteuerlichen Gewinns durch den Abzug der Erbbauzinsen nur beschränkt auf die Gewerbesteuereinnahmen durchschlägt. Die verbleibenden Steuereinnahmen verringern sich dann noch aufgrund des Finanzausgleichs und der Kreisumlage. Hinzugerechnet werden müsste allerdings noch der Bodenwertzuwachs, der allerdings als Aufbau stiller Reserven nicht in der kommunalen Doppik erfasst wird (Anschaffungskostenprinzip) und zunächst auch nicht liquiditätswirksam ist.

Die kommunale Ertragssituation in der Erbbaurechtsvariante ergibt sich also wie folgt [2]:

Erbbauzins + Bodenwertzuwachs + Steuereinnahmen auf Untern. bei Erbbaurecht * (1 – Abzug Finanzausgl./Kreisuml. in v.H.)

Das Erbbaurecht ist damit gegenüber der Privatisierung vorzuziehen, wenn [2] > [1].

Nun wurde in verschiedenen Abhandlungen (z.B. Löhr 2023, Forum Baulandmanagement 2023) dargestellt, dass sich ein marktgerechter Erbauzinssatz am langfristigen Fremdfinanzierungssatz orientieren sollte. Folgt man dem, gilt [3]

Grundstücksverkaufserlös * Zinssatz = Erbbauzins

Die betreffenden Größen kann man dementsprechend in beiden Varianten wegkürzen. Dann aber ist das Erbbaurecht nur von Vorteil, wenn gilt [4]

Steuereinnahmen auf Untern. bei Volleigentum * (1 – Finanzausgleich/Kreisumlage in v.H.)
< 
Bodenwertzuwachs + Steuereinnahmen auf Untern. bei Erbbaurecht * (1 – Abzug Finanzausgl./Kreisuml. in v.H.)

Nun ist, wie oben dargestellt, der Unterschied bei den Grundsteuereinnahmen zwischen Privatisierung und Erbbaurecht kaum existent, und bei den Gewerbesteuereinnahmen ebenfalls überschaubar. Diese Unterschiede werden durch die Abschöpfung (Finanzausgleich und Kreisumlage) noch einmal reduziert. Mit Blick auf die Steuereinnahmen sollte daher näherungsweise Indifferenz mit einem leichten Vorteil für die Privatisierung herrschen, was aber durch die gewonnenen bodenpolitischen Handlungsspielräume mehr als aufgewogen werden dürfte.

Als wirtschaftlich ausschlaggebend erweisen sich am Ende die zukünftigen Bodenwertsteigerungen.  Allerdings werden die aufgebauten stillen Reserven nicht in der kommunalen Doppik erfasst. Sie sind daher weder liquiditäts-, ertrags- und vermögenswirksam. Daher dürften die potenziellen Bodenwertzuwächse gegenwärtig ebenfalls nur beschränkt handlungsleitend sein. Um das Erbbaurecht zu befördern, wäre es daher erwägenswert, von den Kommunen eine Abschätzung der stillen Reserven verpflichtend vornehmen zu lassen und diese außerhalb der kommunalen Bilanz auszuweisen. Auf diese Weise könnte sichtbar gemacht werden, wie kommunales Bodeneigentum sich auf die Eigenkapitalsituation der Kommune auswirkt. Dies müsste dann aber auch weitergehende Konsequenzen haben (z.B. bei der Frage, wann eine Kommune unter die Haushaltssicherung fällt).

Die vorliegende Betrachtung war überschlägig – einige Aspekte konnten nicht berücksichtigt werden (z.B. unterschiedliche Möglichkeiten der Ausgestaltung der Finanzierung bei beiden Varianten).

Dennoch kann festgehalten werden: Die Abzüge durch Finanzausgleich und Kreisumlage sollten bei der Entscheidung Privatisierung oder Erbbaurecht regelmäßig eine untergeordnete Rolle spielen. Von potenziell weit höherer – wegen der fehlenden Abbildung stiller Reserven in der kommunalen Doppik tatsächlich aber ebenfalls eingeschränkter – Bedeutung sind die potenziellen Bodenwertzuwächse. U.a. deswegen liegt es nahe, v.a. Schlüsselgrundstücke in guter Lage im Erbbaurecht zu vergeben.

Literatur

Forum Baulandmanagement (Hrsg.) (2022): Der Einsatz des Erbbaurechts aus kommunaler Perspektive, Dortmund.

D. Löhr (2023): Erbbauzinssatz: Einfach marktgerecht. Agrarbetrieb 3, S. 177-184.

D. Mühlleitner (2015): Siedlungsflächenentwicklung und ihre Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt, Diss., Herzogenrath.

Wohnungsmarkt und Konsumentenrente

Dirk Löhr

Vor einiger Zeit warteten die drei Professoren Kühling (Jurist, Uni Regensburg), Siegloch (VWL, Uni Köln), Sebastian (Immobilienfinanzierung, Uni Regensburg, ZEW), mit einer provokanten Analyse und einem radikalen Vorschlag auf. Die Knappheit an Wohnraum hänge auch damit zu zusammen, dass aufgrund der wohnungspolitischen Regulierungen (ortsübliche Vergleichsmiete, Mietpreisbremse etc.) unterhalb des markträumenden Gleichgewichtspreises liegt. So kommt es zu Konsumentenrenten auf dem Wohnungsmarkt, und folglich würde auch zu viel Wohnraum wird von Bestandsmietern nachgefragt. Die ginge zu Lasten von Zuzüglern und Familien, die wachstumsbedingt eine neue Bleibe suchen. Außerdem sei die Regulierung nicht sozial zielgenau, zumal auch einkommensstarke Haushalte in ihren Genuss kommen, die einen entsprechenden Schutz nicht brauchen. Die Lösung des Trios: Die betreffenden Regulierungen sollten geschliffen werden. Dies würde natürlich zu einem Anstieg der Mieten führen. Die Differenz zur gegenwärtigen, regulierten Miete solle jedoch nicht bei den Vermietern bleiben, sondern über geeignete Maßnahmen abgeschöpft werden. Diese Mittel sollten wiederum verwendet werden, um gezielt bedürftige Haushalte zu stützen. Der mutige Vorstoß der drei Professoren wurde scharf kritisiert, und zwar sowohl von Mieter- wie auch Vermieterorganisationen. Ich meine allerdings, dass es keine Denkverbote geben sollte, und dass die Analyse des Trios nicht aus der Luft gegriffen ist. Aus diesem Grunde habe ich in einem Artikel im letzten Wirtschaftsdienst den Versuch einer Einordnung und konstruktiven Kritik an den Vorschlägen vorgenommen. Zum Link: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/9/beitrag/wohnungspolitik-das-paradoxon-regulierungsbedingter-konsumentenrenten.html. Die Kritik wurde zumindest von Prof. Sebastian auch positiv aufgenommen – ich bin gespannt, ob und welche Schlüsse das Trio daraus zieht.