Das Internet gehört dem Kommerz

Anton Weber*

Früher, 1989 als Tim Berners-Lee das World Wide Web beim CERN erfand, ging es um Informationsaustausch und Informationsbeschaffung.

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Dr. Anton Weber

Und nur darum. Das Web, das Internet war damals eine rein akademische Sache. Man diskutierte in News-Groups und schrieb Texte, meist ohne Bilder. Heute sind ca. 70% des Internet-Traffics Videodaten!  Nur zur Erinnerung: 1989 regierte noch die VHS-Kassette in der Videothek die Welt der Videos.

Internet: Marktliberalisierung in Reinform.

Heute geht es im Internet ums Shoppen und  Glotzen. Vereinfacht  gesprochen. Da das Internet, die Online-Handelsplattformen  keine lästigen Zollkontrollen, keine Einführbeschränkungen, keinerlei Zugangskontrollen kennt, ist das Internet ein Eldorado hinsichtlich völlig unregulierten Geschäftsgebarens. Es bietet immer schon das was TTIP, TTP, TISA oder CETA, und wie sie alle heissen, diese bestehenden oder geplanten  Freihandelsabkommen, erst jetzt bieten.

Der Defaultwert, die Werkseinstellung beim Internet heisst eben „keine Grenzen“ und „keine Sperren“. Es dominieren überwiegend US-amerikanische Firmen wie Amazon, Google und Facebook. Das hat auch seinen Ursprung darin, dass das Internet eine US-amerikanische Erfindung ist und die USA bis heute großen Einfluss auf die Verwaltung und die Technik beim Internet haben.

Eine Folge dieses Ansatzes von einem Netzwerk ohne jegliche Limitationen und nationale Kontrollen ist es auch, dass sich marktliberale Parteien und Bewegungen schwer damit tun, Restriktionen für das Internet zu fordern.  Damit würden sie ja letztendlich ihre eigenen marktliberalen Grundsätze zur Disposition stellen – so wird es zumindest von den US-Internetfirmen-Lobbyisten häufig unterstellt.

Das Internet kennt keine Landesgrenzen.

Die heisst aber nicht, dass man den Internetverkehr nicht kontrollieren könnte. Man kann, wenn man will. China, genauer die chinesischen Zensurbehörden führen vor, wie man dies großflächig macht.  Da werden zu tausenden IP-Adressen gesperrt, IP-Pakete, also die Nutzlast, werden einer Deep Packet Inspection unterworfen, verschlüsselte Internetverbindungen wie VPN (Virtual Private Network) werden schon mal unterbrochen, wenn man schon nichts lesen kann. Aber all dies bedeutet eben einen relativ hohen Aufwand an Personal und IT-Infrastruktur . Diese Zensur ist im Falle von China rein auf politische Inhalte ausgerichtet. Man kann Zensur auch handelspolitisch denken.  Die klassischen Zölle sind nichts anderes als eine Art Zensur – für den Warenverkehr, für den Handel.

Planspiel: Nationale Internets.

Das geht. Man weist Firmen und Organisationen eindeutige  feste IP-Adressen oder sogenannte Autonome Systeme (AS) zu.  AS das sind große Gruppen von IP-Adressen. Damit hat man das weltweite Internet mit geografischen Orten, mit den Standorten der Firmen verdrahtet. Dies geschieht bereits heute schon.  Nur wissen viele außerhalb der Internet-Community nicht, dass dies so ist und dies wurde und wird auch nicht staatlich reglementiert. Diese IP-Adressenvergabe wird auf privatwirtschaftlicher Basis zwischen ICANN [1] und verwandten Organisationen, den regionalen Internet Service Providern und anderen großen Unternehmen geregelt.

Man führe nun die deutsche .de-Domain mit definierten IP-Adressen oder noch besser mit den Autonomen Systemen (AS) und diese wiederum mit Firmen und Organisationen in einem Register zusammen. Dann lasse man an den großen Internetknotenpunkten, sogenannten IXP, wie z.B. den DE CIX in Frankfurt nur die IP-Pakete zu den End Usern in Deutschland passieren, die von Organisationen stammen, die in Deutschland a) registriert sind und b) Abgaben und Steuern zahlen. Dann hat man de facto Kontrolle im Internet eingeführt, die auch als Handelsbarriere genutzt werden kann [2].  Der Staat hat wieder Zugriff auf die Transaktionen dieser Internetfirmen und kann sowas ähnliches wie Umsatzsteuer oder Maut einfordern. Der Aufschrei wäre sicher gewaltig.

IPv6 – unendlich viele IP-Adressen für alle.

Steigen wir für einen Moment etwas tiefer in die Technik ein. Das Internetprotokoll wie der Name Protokoll schon andeutet, legt  fest  wie Rechner, generell alle internetfähigen Geräte miteinander kommunizieren. Das ist die Basis. Ohne IP-Protokoll gibt es kein Internet. Aktuell wird in etwa 90% aller Fälle noch das Internetprotokoll IPv4 genutzt, obwohl die IP-Adressen mittlerweile schon sehr knapp sind. Das Internetprotokoll IPv6 bietet hier einen Ausweg. Aber so ein vollständiger Umstieg von IPv4 auf IPv6 kostet eben auch Geld.

IPv6 bietet 340 Sextillionen IP-Adressen (3,4 mal 10 hoch 38) – wir könnten  damit de facto jedem Ding auf der Welt, jeder Person, jedem Auto, ja jedem Kugelschreiber eine eindeutige und eigene IP-Adresse zuweisen. Im Branchen-Slang heißt dies dann oft Internet of Things. IPv6 erleichtert ganz nebenbei die Authentifizierung von IP-Adressen. Also die Antwort auf die Frage: Ist diese IP-Adresse tatsächlich die IP-Adresse der Firma F oder eben nicht. Weiterhin beschleunigt IPv6 das Routing im Internet und beschleunigt damit eben auch den Datentransfer. Das IPSec-Protokoll als Ende-zu-Ende-Verschlüsselungsstandard ist de facto vorimplementiert.

Die Umstellung auf dieses aktuellere Internetprotokoll erlaubt ein schnelleres und sichereres Internet. Aber es würde eben auch erlauben, die Teilnehmer an diesem Netz eindeutiger zu identifizieren und damit auch den Zugang zu kontrollieren, zu blockieren und zu protokollieren. Diese Protokollierung betrifft nicht nur die End User sondern alle Teilnehmer, auch die Internetfirmen, die das Internet als Geschäftsplattform nutzen.

Anmerkungen

[1] ICCANN: Internet Corporation for Assigned Names and Number. Weitere Internetorganisationen: IANA, RIPE NCC, ARIN, etc.

[2] Die gilt zumindest für die Mehrheit der End User. Über Techniken wie Tunneling, Nutzung von TOR-netzwerk o.ä. wird es immer Lücken und Möglichkeiten geben, eine solche Sperre zu umgehen.

 

*Dr. Anton Weber ist Datenschutzbeauftragter der Grammer AG.

Spritsteuer zur Finanzierung der Flüchtlingswelle: Goldener Vollpfosten mit Schleifchen für Wolfgang Schäuble

Dirk Löhr

In dem schönen Andenstaat, in dem ich derzeit weile, kann ich meine deutsche Herkunft nicht verbergen. Das liegt weniger an der Hautfarbe und den sehr ausbaufähigen Spanischkenntnissen, als vielmehr an dem Kainsmal, das ich seit vorgestern auf der Stirn trage – in Form einer Hand. Meiner Hand, um genau zu sein. Der Reflex, der diese kürzlich bei der Zeitungslektüre in Zuckungen versetzte, war nicht mehr beherrschbar.

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Schäubles Haus wartete mit einem neuen Vorschlag auf. Der deutsche Staat braucht Geld, um die Flüchtlingsfrage zu bewältigen. So weit richtig. Andere Staaten auch. Auch richtig. V.a. geht es um die Finanzierung der Sicherung der europäischen Außengrenzen, aber das ist bei weitem nicht alles. Und die Spritpreise sind derzeit billig. Warum also nicht die Ausgaben, die aufgrund der Flüchtlingswelle entstehen, durch einen steuerlichen Aufschlag auf den Benzinpreis finanzieren – am besten europaweit?

Die Flüchtlingswelle wird – zumindest, was die Folgeunterbringung angeht – voraussichtlich weniger auf das flache Land gespült. Dort gibt es zwar Leerstände, aber weder Infrastruktur,  noch ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten, noch die notwendige Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung. Ein großer Teil der Flüchtlinge wird dort landen, wo es schon viele Menschen gibt – das sind die Agglomerationen. Die Bevölkerungsdichte wird dort noch weiter steigen, ebenfalls die Konkurrenz um den Wohnraum. Die Folge werden weiter steigende Bodenrenten sein – und in der Folge steigende Mieten. Die Profiteure sind die Grundstückseigentümer in den Agglomerationen. Bezahlbares Wohnen wird in Zukunft nicht einfacher darzustellen sein.

Wer Solidarität bei der Finanzierung der Flüchtlingswelle bemühen möchte, müsste hier ansetzen: Die steigenden Bodenerträge sollten eben nicht in die privaten Kassen der Grundstückseigentümer fließen – und damit auch die Flüchtlingswelle nicht nur durch Steuern v.a. der abhängig Beschäftigten und Konsumenten finanziert werden. Das Mittel der Wahl auch für die Finanzierung der Flüchtlingswelle wäre daher eine Bodenwertabgabe, die wir in diesem Blog wie ein Ceterum Censeo fordern (Grundsteuer: Zeitgemäß!).

Stattdessen möchte das Finanzministerium den Sprit steuerlich verteuern. Dies erhöht die Transportkosten und die Kosten des Pendelns. Die urbanen Bodenrenten hängen aber v.a. von drei Faktoren ab: Dem Radius der Agglomarationen (derzeit wird wieder verstärkt Bauland ausgewiesen, auch als Folge der Flüchtlingswelle), der Bevölkerungsdichte (diese steigt aufgrund der Migrationswelle) und den Transportkosten – die Schäuble nun künstlich, über die Erhöhung der Steuer auf Sprit, erhöhen möchte.

Also: Nicht nur, dass Schäuble nichts gegen die migrationsbedingte Bereicherung der Grundstückseigentümer in den Zentren und der damit einhergehenden Umverteilung von Vermögen und Einkommen unternimmt. Mit der angedachten Spritsteuer möchte er sogar noch einen Wirkungsverstärker einbauen. Was die Akzeptanz der Migranten angeht, könnte sich dieser dann als Brandbeschleuniger erweisen.

Man verstehe mich nicht falsch: Die Erhöhung der Steuer auf Sprit ist durchaus bedenkenswert – aus ökologischen Gründen. Eine solche Steuer wirkt aber regressiv – sie trifft die Einkommensschwachen und die ländlichen Regionen vergleichsweise härter als die Einkommensstarken und die raumwirtschaftlichen Zentren. Aus diesem Grunde haben wir in diesem Blog auch immer für eine Rückverteilung derartiger Abgaben im Rahmen eines ökologischen Grundeinkommens plädiert, um sie überhaupt politisch durchsetzbar zu machen.

Mittlerweile schrillen aber genau aus diesen verteilungspolitischen Gründen auch in der CDU-Parteizentrale die Alarmglocken. Die Kakophonie ist im vollen Gange; es scheint, dass Schäuble wieder zurückgepfiffen wird. Julia Klöckner beispielsweise vertritt auch Pendler aus dem strukturschwachen Rheinland-Pfalz, denen der Schäuble-Vorschlag gar nicht schmecken dürfte. Und bald möchte sie dort Wahlen gewinnen.

Gratulation, Herr Schäuble. Ihr Vorschlag ist zwar einstweilen auf Eis gelegt, würde sich aber durchaus sehr gut in den Reigen der vielen steuerpolitischen Schwachsinningkeiten in Deutschland einreihen. Mich würde es daher gar nicht wundern, wenn dieser Zombie demnächst wieder aufersteht. Darum geht der Goldene Vollpfosten mit Schleifchen an Sie. Sie haben ihn sich redlich verdient.