Energiewende: Sinn und Unsinn der Vorreiterrolle Deutschlands

Dirk Löhr

Ein zentrales Ziel der gegenwärtigen Energiewende in Deutschland ist die Einsparung von CO2. Unser Land trägt rd. 1,8 % des CO2-Ausstoßes an diesem Planeten bei; zu wenig, um im Rahmen eines Alleingangs “die Welt zu retten”. Die Bundesregierung möchte allerdings eine Blaupause zeichnen, an der sich andere Länder orientieren können. Gegenwärtig dürfte jedoch die Art und Weise, wie die Energiewende vollzogen wird, eher als abschreckendes Beispiel dienen (Wall Street Journal: World’s dumbest energy policy). Schieben wir dies aber einmal beiseite und gehen wir nachfolgend kontrafaktisch von der Annahme aus, dass andere Länder sich unserem Modell der Energiewende anschließen.

Entscheidend für den Erfolg der Energieeinsparung ist der Umgang mit fossilen Energieträgern. Was hierbei an Kohlenstoffen in den Verkehr kommt, landet früher oder später wieder in der Atmosphäre. Die Bundesregierung verfolgt nun einen Ansatz, der mittels der Substitution von fossilen durch erneuerbare Energien auf eine Reduktion der Nachfrage nach fossilen Energien abzielt. Das Problem hierbei ist, wie nachfolgend skizziert wird, dass die Angebotsseite vernachlässigt wird.

Die Angebotsseite von nicht erneuerbaren Ressourcen (hier: von fossilen Energiequellen) kann durch die sog. Hotelling-Regel beschrieben werden. Die Zielfunktion des Eigentümers ist dabei die Maximierung seines Vermögens. Grob vereinfacht dargestellt beschreibt die Hotelling-Regel folgende Zusammenhänge:

Im Laufe der Zeit, mit zunehmender Verknappung durch Ressourcenextraktion steigt der Wert der Ressourcen in situ V an, und zwar in Höhe des Zinssatzes r. Dieser Satz beschreibt auch den Ertrag, der durch Förderung der Ressourcen und Anlage des Erlöses am Kapitalmarkt erzielt werden kann. Erhöht sich der Wert der Ressourcen in situ V stärker als die Rendite aus der Ausbeutung (bzw. der Zinssatz) r, lassen die Eigentümer der Ressourcen im Boden – so kann der Wert des Vermögens V maximiert werden: v > r, mit v = dV/V (große Buchstaben stehen nachfolgend für Bestände, Kleinbuchstaben für Veränderungsraten). Ist umgekehrt der Zins höher als der Wertzuwachs des Ressourcenvermögens in situ (r>v), geht es anders herum. Es kommt zu verstärkter Extraktion (und CO2-Belastung), bis sich knappheitsbedingt der Wert der Ressource V wieder nach oben angepasst hat. Die Rendite aus der Ausbeutung bzw. der Satz r, zu dem sich die Gewinne aus der Ausbeutung verzinsen, bestimmen somit den langfristigen Gleichgewichtspfad. Im Gleichgewicht steigt der Wert der Ressource in situ mit dem Zinssatz an: v = r.

Obwohl das Hotelling-Theorem für die Ressourcenökonomie bahnbrechend war, wurde es aus mehreren Gründen kritisiert. Einer davon war der empirische Befund, dass sich der Preis bestimmter wichtiger Ressourcen (wie Rohöl) nicht mit der Dynamik entwickelte, die nach der Hotelling-Regel zu erwarten gewesen wäre – wenngleich der Preis im Trend gestiegen ist.

Um dieser Kritik zu begegnen, muss man die Hotelling-Regel jedoch nicht verwerfen, sondern lediglich modifizieren. Hintergrund ist, dass die Hotelling-Regel auf herkömmlichen Kapitalwertüberlegungen basiert. Ausbeutungsrechte an Ressourcen lassen sich jedoch viel besser als Realoptionen verstehen: Sie gewähren das Recht, aber nicht die Pflicht, die Ausbeutung innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorzunehmen. Man kann also die Ausbeutung von Teilen der Ressourcen in die Zukunft schieben. Dieses “Warten-Können” stellt eine Flexibilität dar, die einen eigenständigen – und erheblichen – Wert hat. Ausgebeutet werden die Ressourcen nur dann, wenn der Preis der Ressource so hoch ist, dass er die Förderkosten und den bei Ausbeutung verlustig gehenden Wert des “Warten-Könnens” überkompensiert, also bei r>f.

Die o.a. Gleichgewichtsüberlegung von Hotelling kann durch die Veränderung des Wertes des “Warten-Könnens” f ergänzt werden . Das Gleichgewicht ergibt sich dann als:

r + f = v

Die Veränderungsrate des Werts der Ressource bzw. entspricht in dieser einfachen Modifikation also der Rendite bei Ausbeutung und der Veränderung des Wertes des “Warten-Könnens” (wobei der Wert des “Warten-Könnens” nur bei Nicht-Ausbeutung der Ressource realisiert werden kann).

Diese Perspektive kann zusammen mit der Entdeckung weiterer Ressourcenvorkommen und technologiebedingten Effizienzsteigerungen eine Erklärung dafür liefern, warum der Bestand an nicht erneuerbaren Ressourcen höher ist, als nach der Hotelling-Regel zu erwarten wäre. Beispiel Erdöl: So betrug im Jahre 1940 die Reichweite der Erdölreserven mit 6 Mrd. Tonnen rd. 21 Jahre. Bis 2007 erfolgte ein Anstieg auf 46 Jahre (180 Mrd. Tonnen). Heute liegt die geschätzte Reichweite bei ca. 40 Jahren. Prognosen wie “Peak Oil” haben sich bislang nicht erfüllt.

Die Rohstoffpreise schwanken und folgen einem stochastischen Pfad. Wenn aber die Gewinne aus der Rohstoffextraktion den hierbei verlustig gehenden Wert des “Warten-Könnens” nicht mehr überkompensieren können (r<f), wird die Expansion der Rohstoffförderung vorübergehend ausgesetzt. Die Knappheit und die knappheitsbedingten Preissteigerungen (sowie die sog. Ressourcen-Renten) werden dann gegenüber dem nach der Hotelling-Regel zu erwartendem Pfad längerfristig gedämpft.

Was sind die Konsequenzen dieser Ergänzung des Hotelling-Theorems für die Energiewende? Die Verbreitung grüner Technologien hat eine Entwertung des Ressourcenbestandes in situ zur Konsequenz – so dass f fällt, ja sogar negativ werden kann (in der Terminologie des Realoptionsansatzes erhöht sich die “Dividende”). Das Gleichgewicht r + f = v wird hierdurch gestört gestört, weil r>f. Der Ressourceneigentümer kann sein Vermögen dann nur maximieren (Zielfunktion), wenn er das negative f durch ein entsprechend steigendes r ausgleicht. Weil die Nachfrage nach nicht erneuerbaren Ressourcen infolge der grünen Transformation sinkt, geht auch deren Preis zurück. Um den Vermögenswert zu maximieren, muss dann der sinkende Preis durch eine steigende Extraktionsmenge ausgeglichen werden. Auf gut Deutsch: Die Konsequenz aus der sinkenden Nachfrage nach nicht erneuerbaren Ressourcen ist, dass mehr (fossile) Ressourcen aus dem Boden geholt und auf den Markt gebracht werden. Dann aber tritt genau das ein, was Hans-Werner Sinn als grünes Paradoxon bezeichnete. Folgendes ist also zu erwarten:

  • Die grüne Transformation führt zu einer sinkenden Nachfrage nach nicht erneuerbaren Ressourcen und bedrohen langfristig deren Werthaltigkeit.
  • Entwicklungs- und Schwellenländer fragen verstärkt die im Preis gesunkenen Ressourcen nach.
  • Diese Länder treten an die Stelle der verzichtenden grünen Transformationsländer, so dass deren Anstrengungen bzgl. Energiewende konterkariert werden.
  • Je weiter f in den negativen Bereich abrutscht, umso mehr unterliegt die Angebotsseite einem Druck in Richtung beschleunigter Ausbeutung der Ressourcen.

Oder, wie Hans-Werner Sinn es sinngemäß ausdrückte: Wenn der Scheich merkt, dass der Wert seiner Ölvorkommen wegen der grünen Transformation sinkt, holt er so viel wie möglich aus dem Boden, solange der Preis noch einigermaßen anständig ist. Im Endeffekt erweist sich die – sehr teure – Vorreiterrolle der westlichen Transformationsökonomien somit als für das Klima desaströs: “Gut gemeint” ist dann wieder einmal das Gegenteil von “gut”.

Was wäre die Lösung? Sinn spricht von einer Stärkung der Eigentumsrechte der Ressourceneigentümer. Dies könnte das fallende f bremsen; aus allokativer Perspektive ist der Gedanke folgerichtig. Dennoch stößt er auf verteilungspolitische und ethische Bedenken (die hier nicht weiter vertieft werden können). Eine weitere Möglichkeit wäre die Kompensation des fallenden f durch Zahlungen der Transformationsländer an die Ressourceneigentümer. Die Scheichs müssten also durch uns kompensiert werden, damit diese auf die beschleunigte Ausbeutung der Ressourcen verzichten – und die Kompensationen müssten im Zeitverlauf steigen. Diesen Weg, den Edenhofer diskutiert, dürfte die Kosten der Energiewende in den Transformationsökonomien schnell bis in einen Bereich jenseits der Tragfähigkeit treiben und zudem kaum auf politische Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen.

Ein weiteres Instrument wäre eine Besteuerung fossiler Energien in den Transformationsländern. Sinn lehnt dies konsequenterweise ab – zu Recht, da diese den Verfall von f beschleunigen könnten. Eine Quellensteuer bei der Anlage der Gewinne aus der Ressourcenextraktion hält er hingegen für möglich – politisch dürfte dies allerdings kaum machbar sein.

Eher gangbar scheint ein “Klima-Club” zu sein, in dem die großen Ressourcenverbraucher (und vielleicht auch Erzeuger) vereint wären: Die USA, die EU, China und vielleicht auch Russland (weil Rohstoff-Supermacht). In diesem Klima-Club würde nach gemeinsamen Regeln gespielt. Diese sind ein gemeinsamer CO2-Cap und ein Emissionshandel, idealerweise auch mit einem “Klimageld” bei der Versteigerung der CO2-Zertifikate. Es gibt ein Cross-Border-Adjustment: Wer in das Club-Gebiet mit seinen Waren will, muss sich den dort geltenden Regeln anschließen oder zahlen. Umgekehrt werden die Club-Mitglieder bei Exporten außerhalb des Club-Gebietes entlastet. Der Club hätte Erfolg, wenn immer neue Mitglieder hinzutreten, die sich seinen Regeln dauerhaft unterwerfen. Allerdings setzt auch ein solcher Klima-Club mit dem CO2-Handel zunächst an der Nachfrageseite an. Dennoch könnte man seine Wirkungskraft auch auf die Angebotsseite ausdehnen. Beispielsweise könnte könnte man – vorübergehend – auf ein Klimageld verzichten und die Ressourceneigentümer statt dessen bei einer zukunftsfähigen Transformation ihrer Ökonomien unterstützen. Das Ziel wäre, diese von den Ressourcenrenten unabhängig zu machen – nicht aber, die versiegenden Ressourcenrenten zu stützen. Einige arabische Staaten machen schon heute ohne externe Unterstützung bemerkenswerte Fortschritte in diese Richtung.

Um einen Klima-Club zu installieren, bedarf es erheblicher diplomatischer Anstrengungen. Hier könnte Deutschland potenziell eine Rolle spielen – allerdings nicht mit einer Außenministerin, die zentrale potenzielle Clubmitglieder mit dem Etikett “Diktatur” belegt. Möglicherweise eröffnen gegenwärtige Probleme jedoch für die Zukunft auch Chancen: Beispielsweise könnte man Russland die Aussicht eröffnen, im Gegenzug für seine Kooperation in die Staatengemeinschaft zurückzukehren und den Status als Paria hinter sich zu lassen. So gering die Chancen für einen Klima-Club sind: Er hat eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit als Welt-Klimakonferenzen mit fast 200 teilnehmenden Staaten.

Deutschland könnte jedoch an anderer Stelle als Vorreiter aktiv werden: So bei neuen Technologien, die bei der Bewältigung der Herausforderungen helfen. Hierzu benötigte es jedoch der Technologieneutralität, auch bei der Forschungsförderung. Der Weg hierbei ist aber Ordnungspolitik, nicht Industriepolitik. Die gegenwärtige Bundesregierung (wie auch die EU-Kommission unter von der Leyen) ist jedoch genau umgekehrt unterwegs: Bestimmte Technologien (Wärmepumpe, Wind, Solar etc.) sind erwünscht, andere (Verbrenner, Kernkraft etc.) verpönt.

Es ist Zeit, die Richtung grundsätzlich zu korrigieren.

Energetische Gebäudesanierung: Suffizienz wird schon gelebt!

Dirk Löhr

In diesem Blog wurde schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Bestrebungen der EU wie auch von Teilen der Bundesregierung zur energetischen Gebäudesanierung zu einem erheblichen Teil redundant und überflüssig sind. Der Emissionshandel, der im Rahmen des EU ETS 2 ab 2027 auch für Gebäude gelten wird, ist als Leitinstrument ausreichend. Auf dieser Basis können die Eigentümer von Gebäuden selbst entscheiden, ob und – wenn ja – welche Art von Sanierung sich lohnt. Administrative Vorgaben, die v.a. in peripheren Regionen leicht zu wirtschaftlichen Totalschäden führen könnten (wenn die Sanierungskosten in keinem Verhältnis zum Gebäuderestwert stehen) könnten so vermieden werden.

Die grundsätzliche Beschränkung auf das Leitinstrument Emissionshandel wäre im Übrigen auch ein Beitrag zu den ökologischen Strategien der Effizienz und Suffizienz. Bestätigt wird dies ein weiteres Mal durch einen Beitrag von Daniel Stelter im Handelsblatt vom 14.04.2024. Stelter bezieht sich dabei auf mehrere Studien (v.a. mit Bezug auf Großbritannien), nach denen sich der modellierte Energieverbrauch gemäß Energieeffizienzklasse erheblich vom tatsächlichen Energieverbrauch unterscheidet (zu den Studien s. den Anhang). Die am wenigsten energieeffizienten Häuser verbrauchen deutlich weniger, energieeffizientesten Häuser deutlich mehr Energie als von den Modellen behauptet.

Stelter: “Im Vereinigten Königreich haben Studien gezeigt, dass der gemessene Gasverbrauch über alle Energieeffizienzklassen hinweg fast immer innerhalb des für Klasse C unterstellten Bereichs liegt. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen modelliertem und tatsächlichem Verbrauch in der schlechtesten Energieklasse. Der tatsächliche Energieverbrauch der Klasse G liegt ungefähr auf dem Niveau der Klasse C und nur wenig höher als in den Klassen A und B. Erzwingt man hier also eine Sanierung, dürfte sich am Energieverbrauch wenig ändern.”

Mit anderen Worten: Die Bewohner wenig energieeffizienter Wohnungen verhalten sich schon heute suffizient. Sie ziehen sich einen Pullover an oder heizen bestimmte, wenig genutzte Räume nicht mehr.

Ein ernsthaft umgesetzter CO2-Handel auch für das Gebäudesegment würde die entsprechenden Anreize noch verstärken, das Klimageld gleichzeitig für einen sozialen Ausgleich sorgen. Dies umzusetzen wäre die Aufgabe der Politik, nicht kleinteiliges Mikromanagement!

Anhang: Bezugnahme auf Studien über den Energieverbrauch

J. Few et al. (2023): The over-prediction of energy use by EPCs in Great Britain: A comparison of EPC-modelled and metered primary energy use intensity. Energy and Buildings Vol. 288. https://doi.org/10.1016/j.enbuild.2023.113024

M. Lees (2023): Why misleading EPC ratings are a national scandal. The Times, 27.02. Online: https://www.thetimes.co.uk/article/why-misleading-epc-ratings-are-a-national-scandal-ztc5ss2b0

M. Kumar (2023): Behind the scenes: Our resonse. Medium, 4. März. Online: https://madhuban-kumar.medium.com/behind-the-scenes-our-response-453c7d7b82ec

Planung von Gewerbegebieten – nachfrageorientiert!

Dirk Löhr

Zuweilen werden Gewerbegebiete von Kommunen “angebotsorientiert” geplant. Man macht eben und schaut dann, wer Interesse haben könnte. Ein solches “angebotsorientiertes” Vorgehen ist m.E. aber nicht empfehlenswert.

Nachfolgend wird aus gegebenem Anlass (Beteiligung an einem Planungsprozess) ein geradezu entgegengesetztes Vorgehen zur Diskussion gestellt:

Der Planung vorangehen sollte zunächst eine strategische Analyse, wohin es mit der Kommune überhaupt gehen soll. Welche Arten von Gewerbe sind nötig? Soll auf Clusterung, also die Zusammenballung sich ergänzender Gewerbezweigen gesetzt werden? Oder soll die Betonung eher auf Resilienz und Diversifizierung gelegt werden, für den Fall, dass es mit bestimmten Gewerbezweigen irgendwann bergab geht? Apropos Resilienz: Welche Rolle soll Redundanz bei den Infrastrukturen spielen? Im Zuge der energetischen Transformation der Wirtschaft sind dies wichtige Fragen.

Die Kommune sollte nach Beantwortung dieser Fragen ein Leitbild entwickeln – dies kann auch negativ gefasst sein in dem Sinne, welche Wirtschaftszweige auf keinen Fall gewünscht sind. Auf Basis dieses Leitbildes könnten dann durch die Kommune oder ein begleitendes Planungsbüro einschlägige Wirtschaftsverbände angesprochen und nach – so weit unverbindlichen – Interessensbekundungen gefragt werden. Aufgrund der Rückkopplung kann das Leitbild angepasst und gegebenenfalls eine weitere iterative Schleife gedreht werden. Zeigen sich potenzielle Interessenten, kann auf der Basis von dann verbindlich einzuholenden Interessensbekundungen das Gewerbegebiet konkret geplant werden. Hierbei geht es u.a. um die Art der Energieversorgung, die Verkehrsanbindung, die Ausdehnung von Kreiseln und auch um die Möglichkeit der Planung von Wohnraum in unmittelbarer Nähe (ggfs. als Mitarbeiterwohnungen), um die Wege zwischen Wohnen und Arbeit möglichst kurz und das Wohnen für die Arbeitnehmer erschwinglich zu gestalten. Im Zuge eines solchen Vorgehens nähert man sich einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan an (§ 12 BauGB), wobei jedoch die Kommune die Kontrolle über die Entwicklung nicht aus der Hand gibt.

Die Erfahrungen und Meinung der Leserschaft hierzu würden mich interessieren!

Baulandmodelle: Kommunaler Zwischenerwerb mit Erbbaurecht?

Dirk Löhr

Das Erbbaurecht erlebt eine Renaissance. Immer mehr Kommunen sind bestrebt, auch bei Zwischenerwerbsmodellen der Baulandentwicklung die Grundstücke über Erbbaurecht abzugeben. Ausschlaggebend sind hierfür zumeist soziale und städtebauliche Motive. Anders als bei herkömmlichen Sozialbindungen kann beim Erbbaurecht z.B. die Sozialbindung über die gesamte Vertragsdauer des Erbbaurechts aufrechterhalten werden (BGH, Urt. vom 08.02.2019, Az.: V ZR 176/17). Zudem kann nicht nur die Nutzung des betreffenden Grundstücks selbst, sondern auch die Zwischen- und die Nachnutzung gesteuert werden. Bei entsprechend großflächigen Vergaben über Erbbaurechte sind auch gesamthafte Überplanungen nach Ablauf der Vertragsdauer möglich. Die zuletzt genannten Aspekte sind nicht nur für Wohnbaugebiete, sondern auch für Gewerbeflächen interessant. Gewerbegebiete, die sich im Laufe der Zeit problematisch entwickelt haben, sind keine Einzelfälle.

Bei der Vergabe von durch die Kommune neu erschlossenen Baugrundstücken über Erbbaurecht ergibt sich allerdings ein zentrales Problem: Die Kommune musste mit der Entwicklung und Zwischenfinanzierung in Vorleistung treten. Dies erfordert oftmals neue Schulden, oder verhindert zumindest den Abbau von Altschulden. Das investierte Geld muss aber wieder hereingeholt werden. In einigen Bundesländern wacht die Kommunalaufsicht streng darüber – das gilt insbesondere bei Kommunen, die sich in Haushaltsschieflagen befinden.

Ähnliche Überlegungen gelten nicht nur für den Zwischenerwerb, sondern auch für andere Situationen, die mit einem kommunalen Durchgangserwerb korrespondieren (z.B. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen – s. hierzu F. Thiel, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen mit Erbbaurecht – ein bodenpolitisches Traumpaar, GuG 2/2023).

Die aus den Erbbauzinsen eingenommenen Zahlungsströme sind nun oftmals zu gering, um die Kosten der Baulandentwicklung in überschaubaren Zeiträumen abdecken zu können. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, warum Kommunen zumeist die Veräußerung wählen (oder von der Kommunalaufsicht auf diesen Weg gedrängt werden).

Allerdings gibt es einen Weg, um dieser Problematik zu begegnen: Der Erbbauzins darf dann nicht mehr in laufenden Raten kontinuierlich bezahlt werden, sondern muss in kapitalisierter Form in einem Einmalbetrag abgelöst werden.

Der Vorteil für den Investor besteht in vorteilhafteren Beleihungskonditionen – die Vorauszahlung des Erbbauzinses in kapitalisierter Form ähnelt einem Kaufpreis für das Grundstück. Allerdings wird der Investor nur zwischenzeitig, nicht aber endgültig von Aufwertungen des Standortes profitieren können, da ja das Grundstück i.d.R. nach Ablauf des Vertrages wieder an die Kommune zurückfällt (bedingte Ausnahmen sind die Verlängerung oder Erneuerung).

Die Kommune hingegen hat langfristig Zugriff auf das Grundstück und kann die o.a. Bindungen durchsetzen. Allerdings muss sie sich klar darüber sein, dass der kapitalisierte Erbbauzins regelmäßig unterhalb eines Verkaufspreises liegen wird.

Das Beispiel China, in dem für städtische Grundstücke die Einmalzahlung des (kapitalisierten) Erbbauzinses üblich ist, zeigt zudem, dass bei Vorab-Einmalzahlungen an die Stelle der Spekulation mit Baugrundstücken die Spekulation mit Erbbaurechten treten kann. Diese Gefahr ist allerdings umso geringer, je weitreichender die Sozialbindungen sind und je kürzer die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages ist (Erbbaurechte an Gewerbegrundstücken haben i.d.R. eine deutlich kürzere Vertragslaufzeit als solche an Wohngrundstücken). Üblich sind ohnehin Zustimmungsrechte des Erbbaurechtgebers (Kommune) beim Verkauf eines Erbbaurechts; ebenfalls sind Vereinbarungen über einen zukünftigen Verkaufspreis denkbar, wenngleich bislang unüblich (zu denken ist in Anlehnung an das Münchner Verfahren die Orientierung am Verkehrswert für Volleigentum abzüglich eines Abschlags).

Die Beispiele zeigen: Auch, wenn der Wind der Refinanzierungslasten den Kommunen ins Gesicht bläst, kann das Erbbaurecht als Gestaltungsvehikel der Bodenpolitik auch im Durchgangserwerb in Betracht gezogen werden.

Habecks Gasnetzstrategie: Politik der verbrannten Erde

Dirk Löhr

Fossile Energieträger sollen in gut 20 Jahren nicht mehr zum Heizen von Gebäuden verwendet werden, so die Vision von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Nach der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geht es nunmehr um die nötige Infrastruktur. Dabei sind v.a. die Erdgasnetze im Visier, die in Deutschland insgesamt 500.000 km lang sind – das ist mehr als die Distanz zum Mond. Ca. die Hälfte aller Haushalte ist hieran angeschlossen – hinzu kommen noch Teile der Industrie. Das Erdgasnetz in Deutschland ist über 100 Jahre lang gewachsen und dürfte gegenwärtig noch einen Wert von mehreren hundert Milliarden Euro haben. In einem sog. Green Paper des Bundeswirtschaftsministeriums wird nunmehr ein Rückbau des Gasnetzes erörtert. Der Umbau des Gasnetzes in Richtung Wasserstofftauglichkeit und die Nutzung von Wasserstoff zu Heizungszwecken wird generell mit großer Skepsis betrachtet – beides wäre derzeit unwirtschaftlich. Auch auf Biomethan werden nur beschränkte Hoffnungen gesetzt. Das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums entspricht dabei den Vorgaben der EU.

Durch die Presse ging ebenfalls das Vorhaben der Stadt Augsburg, in Überholung von Habecks Zeitplan die dortigen Erdgasnetze stillzulegen.

Wirtschaftlich sind die Überlegungen aus dem Hause Habeck teilweise verständlich, aber eben nur teilweise. Das Erdgasnetz erzeugt immense fixe Kosten, die wesentlich bedeutender als die (variablen) Kosten des Gases selber sind. Durch die gegenwärtig hohe Auslastung des Netzes kommt es zu einem erheblichen Fixkostendegressionseffekt, d.h. die fixen Kosten werden auf viele Schultern verteilt und sind für den einzelnen Verbraucher entsprechend gering.

Im Zuge der energetischen Transformation werden jedoch neue, zumindest zeitweise redundante Strukturen geschaffen, wie v.a. Fernwärmenetze. Diese werden zunächst sehr hohe Investitionskosten verursachen. Die Bereitstellungskosten fallen dann später ebenfalls als fixe Kosten an. Bezahlbar bleibt dies für die Verbraucher nur dann, wenn es auch hier zu Fixkostendegressionseffekten kommt. Hierzu müssen aber die Verbraucher auf die neuen Strukturen umgelenkt und von den alten abgezogen werden. Hierbei kommt der kommunalen Wärmeplanung eine Schlüsselrolle zu.

Nun ist den Versorgungsunternehmen nicht zuzumuten, zeitgleich Doppelstrukturen zu betreiben, bei keiner von denen die Fixkostendegressionseffekte genutzt werden können. Sie würden in wirtschaftliche Probleme gebracht, und für die Kunden wäre die Energie irgendwann nicht mehr bezahlbar. Um die Verbraucher auf die neuen Strukturen umzulenken, würde es allerdings ausreichen, dass bei fehlender wirtschaftlicher Zumutbarkeit des Betriebs der alten Infrastruktur die Versorgung der Kunden (mit entsprechendem Vorlauf und ggfs. auch unter Gewährung von Umstellungssubventionen) eingestellt werden kann. Ein Rückbau der alten Erdgasnetze ist hierfür nicht erforderlich.

Der Rückbau ist auch strategisch nicht klug: Niemand weiß, welche Technologien in Zukunft zur Verfügung stehen, über die das vorhandene Erdgasnetz nicht doch noch genutzt werden kann. Natürlich erzeugt das Erdgasnetz nach Stilllegung auch noch gewisse Kosten – diese dürften aber überschaubar sein. Doch auch der Rückbau des Netzes ist teuer. Wichtig ist: Es handelt sich beim vorhandenen Erdgasnetz um eine Option („Realoption“), die man – gerade angesichts der bestehenden Unsicherheiten bezüglich der eingeschlagenen Pfade – nicht unnötig aus der Hand geben sollte. Ganz im Gegenteil sollte man strategische Optionen in Zeiten der Unsicherheit gezielt aufbauen – selbst, wenn sie Geld kosten. Die Beibehaltung der Option „Erdgasnetz“ geht Hand in Hand mit einer Politik der Technologieoffenheit – als Gegenstück zu einer Industriepolitik mit der Anmaßung von Wissen (F. A. von Hayek) durch eine Exekutive, die eben nicht in die Zukunft blicken kann.

Transformation findet derzeit nicht nur im Wärmesektor statt, sondern auch bei der Stromerzeugung und der Mobilität. Überall entstehen angesichts der notwendigen redundanten Strukturen gewaltige Systemkosten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Politik irgendwann erkennt, dass die ursprüngliche Planung nicht einzuhalten ist, weil sie Bürger und Wirtschaft finanziell überfordert. Wenn dann aber die ursprünglichen Strukturen zerstört sind, gibt es kein Zurück.

Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Rieck verweist darauf, dass man mit dem Rückbau von Netzinfrastrukturen in früheren Zeiten keine guten Erfahrungen machte. Er nennt u.a. den Rückbau innerstädtischer Straßenbahnnetze unter dem Druck der Automobilindustrie als Beispiel. Heute setzt man wieder auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV); teilweise müssen die Infrastrukturen wieder reinstalliert werden.

Warum also dann Rückbau des Erdgasnetzes? Es dürfte sich, wie auch Rick schlussfolgert, um eine ganz einfache strategische Überlegung handeln: Erkennen zukünftige Regierungen, dass der eingeschlagene Weg ein Holzweg ist, der so nicht fortgesetzt werden kann, sind die Brücken hinter ihnen abgerissen. Es gibt kein Zurück; ein Beschreiten eines anderen Pfades ist unmöglich. Eine solche Politik der „verbrannten Erde“ ist nur verständlich, wenn man vom eingeschlagenen Kurs absolut überzeugt und diesen nicht mehr zu hinterfragen gewillt ist. Ein anderes Wort hierfür ist wohl „Ideologie“.

LNG-Gas statt Braunkohle: Ein Plus für das Klima?

Dirk Löhr

Ende März werden sieben weitere Braunkohle-Kraftwerksblöcke endgültig stillgelegt. Der Kohleausstieg nimmt Fahrt auf. Um die Lücke zu füllen und die Volatilität des Flatterstroms aus Erneuerbaren Energien auszugleichen, sollen vermehrt Gaskraftwerke zugebaut werden. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Fracking-Gas aus den USA. Während dieser Tausch viel Geld kostet (s. z.B. unseren Blogbeitrag vom 7. Januar 2024), wird die Klimawirksamkeit bezweifelt. Hierzu sei der Report “LNG-Gas: Rettung in der Energiekrise oder schlechtester Deal aller Zeiten” von “Breaking Lab” auf das Wärmste empfohlen. Es scheint, dass Klimaminister Habeck auch bezüglich seines Herzensprojekts, der Energiewende, nur auf Sicht fährt.

Bildquelle: Breaking Lab

Neue EU-Gebäuderichtlinie – überflüssig wie ein Kropf

Dirk Löhr

Seit 2021 arbeitet die EU an der Neufassung der Gebäudeeffizienzrichtlinie (im EU-Jargon “EPBD”). Die jüngste Entwicklung: Am 12. März 2024 hat das Europäische Parlament die Neufassung beschlossen.

Der Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln bis 2040 ist nunmehr lediglich ein „indikatives Ziel“. Die Mitgliedsstaaten haben damit zur Erreichung des Gesamtziels eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 entsprechende Spielräume.

Anders als in früheren Fassungen sind nun auch keine individuellen Sanierungspflichten für Wohngebäude mehr vorgesehen. Vielmehr werden allgemeine Vorgaben zur Reduktion des Energieverbrauchs über den gesamten Wohngebäudebestand gemacht. Wie diese konkret umgesetzt werden, wird darüber entscheiden, ob und inwieweit die Befürchtungen von Haus und Grund, nach der viele Eigentümer überlastet würden, gerechtfertigt sind. Offensichtlicher belastet sind die Eigentümer der energetisch schlechtesten Nichtwohngebäude, für die es auch in der nunmehr verabschiedeten Fassung der Richtlinie Sanierungspflichten geben soll.

Das ursprünglich drohende Szenario, das tatsächlich auf eine kalte Enteignung der Hauseigentümer hinausgelaufen wäre, wurde in diesem Blog im Herbst 2023 beschrieben. Die Weiterentwicklung der Richtlinie ist insofern positiv, dass die betreffenden Vorgaben gegenüber früheren Fassungen abgeschwächt wurden. Dennoch stellt sich nach wie vor die Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der Richtlinie: Reicht die Einbeziehung der Gebäude in den EU-Emissionshandel nicht für die Erreichung der Ziele aus, wenn man ihn entsprechend konsequent durchführt? Die Gebäudeeigentümer könnten dann selbstständig darüber entscheiden, welche Investitionen noch sinnvoll und vertretbar sind.

Wichtig wäre allerdings, die Ausweitung des Emissionshandels mit einem Klimageld zu verkoppeln, über das die Einnahmen aus der Vergabe der CO2-Zertifikate wieder an die Bürger zurück verteilt werden: Bei Wohngebäuden werden die Mieten ansteigen, sofern die Eigentümer die Modernisierungskosten wirtschaftlich umlegen können. Hierbei kommt es weniger auf die rechtlichen Vorschriften, sondern v.a. auf die Marktlage an: Soweit nicht die Nebenkosten (Heizkosten) in gleichem Umfang sinken, reduziert jeder Euro, der den Mietern für die Deckung von Modernisierungskosten abverlangt wird, die verbleibenden Reinerträge und damit auch den Wert der Immobilien. Die Mieter haben ja infolge der Verschärfung des CO2-Handels nicht mehr Geld in der Tasche und müssen daher in die Lage versetzt werden, die Beteiligung an den Modernisierungskosten auch aufzubringen. Die Gefahr des Wertverfalls betrifft im Übrigen auch selbst genutzte Immobilien (das wird deutlich, wenn man sich eine fiktive Vermietung an sich selbst vorstellt).

Angesichts der geplanten Ausweitung des Emissionshandelsregimes ist unverständlich, warum für Nichtwohngebäude nach wie vor eine Sanierungspflicht gelten soll. Was ist beispielsweise mit Lager- und Betriebshallen, die auch im Winter kaum oder gar nicht geheizt werden? Wenn man den vielfältigen möglichen Konstellationen gerecht werden wollte, entstünde ein bürokratisches Monster. Das CO2-Handelssystem regelt solche Konstellationen unbürokratisch von alleine: Heizt eine Firma bestimmte Hallen nicht, wird es auch keine energetische Sanierung vornehmen. Wird teilweise geheizt, beurteilt der Eigentümer vor dem Hintergrund der konkreten Situation, ob eine (teilweise) energetische Sanierung oder die Zahlung der (durch die CO2-Abgaben) erhöhten Energiekosten sinnvoller ist. Auch unnötige Sanierungen sind eine unökologische Verschwendung von Ressourcen. Zudem werden die Belastungen durch verpflichtende Sanierungen v.a. die Eigentümer von Nichtwohngebäuden in wirtschaftlich schwachen, peripheren Regionen besonders hart treffen.

Der Befund: Die Gebäudeeffizienzrichtlinie ist in weiten Teilen (v.a. mit Blick auf die verbleibenden Sanierungspflichten) überflüssig und bezüglich der Ausweitung des Emissionshandels auf den Verkehrs- und Gebäudesektor redundant – es reicht die konsequente Durchführung des Emissionshandels (bei Begleitung durch ein Klimageld) vollkommen aus. Die Richtlinie ist somit in weiten Teilen wieder einmal ein gutes Beispiel für eine sich verselbstständigende wie überflüssige Bürokratie, die in Sonntagsreden noch verdammt und am Dienstag darauf (der 12. März war ein solcher) dann doch vorangetrieben wird.

Bundesrechnungshof: Energiewende nicht auf Kurs

Dirk Löhr

Nach den Vorstellungen des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck sollen 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Damit dieses Ziel erreicht wird, bedarf es eines erheblichen Ausbaus der Solarenergie und Windkraft. Zudem müssen die Stromnetze massiv erweitert werden, denn der Strom muss ja auch transportiert werden. Beim Strom aus erneuerbaren Energien handelt es sich aber zumeist um “Flatterstrom”: Die Sonne scheint nicht immer, und der Wind bläst auch nur zeitweise. Problematisch sind dabei weniger die stundenweise auftretenden “Dunkelflauten”, sondern solche, die längerfristig auftreten – wie im vergangenen Herbst. Aus diesem Grunde benötigt man eine redundante Infrastruktur aus konventionellen Kraftwerken, die einspringen kann, wenn die erneuerbaren Energien ausfallen. Habeck setzt hierbei v.a. auf Gaskraftwerke, die auf Wasserstoff nachgerüstet werden können.

Nunmehr hat der unabhängige Bundesrechnungshof in seinem Gutachten vom 7.3.2024 die Politik des Bundeswirtschaftsministers stark kritisiert. Dabei werden noch nicht einmal die Ziele infrage gestellt: Es nutzt relativ wenig, wenn ein Land bei der “Klimarettung” voranschreitet. Der Anteil Deutschlands an den CO2-Emissionen ist mit ca. 2 Prozent viel zu klein, um im Alleingang nennenswerte Effekte zu erreichen – zumal die deutsche Wirtschaft ja schon relativ sauber produziert. Weniger deutsche Nachfrage nach fossilen Energieträgern erzeugt andererseits tendenziell einen – wenngleich ebenfalls überschaubaren – Druck auf die Weltmarktpreise. Was Deutschland nicht verbraucht, nehmen dann eben dankend Schwellen- und Entwicklungsländer. Sinn ergäbe die Habeck-Strategie im Rahmen eines Klima-Clubs, dem neben der EU auch China, die USA und Rohstoffsupermächte wie z.B. Russland (ja!) angehören müssten. Solange unsere Außenministerin aber den chinesischen Präsidenten als “Diktator” beschimpft, dürfte sich die diese Richtung wenig bewegen.

Der Bundesrechnungshof stellt aber die Sinnhaftigkeit dieser Vorreiterstrategie Deutschlands gar nicht infrage. Er kritisiert vielmehr die Umsetzung der Klimastrategie. Kernpunkte:

  • Die Versorgungssicherheit ist gefährdet. Stromspeicher können längere Schwankungen der Erzeugung und Last (Dunkelflaute) nicht ausgleichen. So haben seit der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke die Stromimporte massiv zugenommen, ironischerweise v.a. aus dem Kernkraftland Frankreich. Der Bundesrechnungshof bewertet dabei die Annahmen der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit als “wirklichkeitsfremd”. Dem Monitoring liegt ein einziges “best case-Szenario” zugrunde. Gefahren und Handlungsbedarfe werden so nicht sichtbar, das Monitoring verliert seine Eignung als Frühwarnsystem. Geleitet wird die Bundesnetzagentur von Klaus Müller, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet auch nicht schnell genug voran, Backup-Kapazitäten sind nicht gesichert. Das Gutachten: “Es ist absehbar, dass insbesondere Windenergie an Land nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgebaut wird. Es ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind; der Netzausbau liegt erheblich hinter der Planung zurück. Der Rückstand beträgt mittlerweile sieben Jahre und 6.000 km”. Das Thema Backup-Kapazitäten wurde in einem anderen Blog-Beitrag vom 7.1.2024 bereits behandelt. Es ist bemerkenswert, dass sich die Bundesregierung aus dem alten Energieversorgungs-Regime faktisch verabschiedete, ohne einen Ersatz parat zu haben.
  • Die wahren Kosten der Energiewende werden verschleiert. Mittlerweile hat es sich selbst bei den Grünen herumgesprochen, dass die Rechnung Jürgen Trittins aus dem Jahre 2004, die Energiewende würde den Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten, nicht aufgeht. Dennoch: Mit dem gängigen grünen Narrativ stellt man immer noch auf die geringen Grenzkosten der meisten Erneuerbaren ab. Das ist insoweit richtig, als z.B. eine Kilowattstunde zusätzlich erzeugten Stroms durch Windkraft kaum etwas kostet. Wahr ist allerdings auch: Die Systemkosten der Erneuerbaren sind enorm. Bis zum Jahr 2045 wird allein der Ausbau der Stromnetze 460 Mrd. Euro verschlingen. Das auch wegen des Flatterstroms erforderliche Netzengpassmanagement wird ca. 6,5 Mrd. Euro pro Jahr verschlingen. Zusammen mit der Stromerzeugung fallen bis 2045 voraussichtlich 1,1 Billionen Euro an Kosten an. Das Narrativ von der billigen grünen Energie ist also ein Märchen für Erwachsene. Schon heute sind die Strompreise in Deutschland mit die höchsten weltweit. Die Bundesregierung versucht derzeit, die hohen Energiekosten oder die Umstellung der Unternehmen auf die schöne neue grüne Welt nach Kassenlage und punktuell herunter zu subventionieren. Beispielsweise überreichte Habeck im Januar 2024 einen Scheck über 2,6 Mrd. Euro zur Umstellung der Stahlindustrie im Saarland. Die Subventionitis untergräbt jedoch – so der Bundesrechnungshof – die Transparenz und Steuerungswirkung der Preise. Für energieintensivere Unternehmen (Deutschland war einer der energieintensivsten Wirtschaftsstandorte weltweit) sind die Energiekosten nicht mehr planbar. Viele Unternehmen, zuletzt der Traditionshersteller Miele, verlassen den Standort bzw. reinvestieren nicht mehr.

Die Energiewende aus dem Hause Habeck ist sicher gut gemeint. Leider ist “gut gemeint” das Gegenteil von “gut”.

Das Vermächtnis von Antje Vollmer

Dirk Löhr

Am 16. März jährt der erste Todestag von Ante Vollmer. Sie war nicht nur eine grüne Ikone, sondern von 1994 bis 2005 auch Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Einst hatte ich anlässlich eines gemeinsamen Frühstücks eine intensive Diskussion mit ihr, die mir wohl immer in Erinnerung bleiben wird. Ihr “Nachlass” hat nichts an Aktualität verloren, und lässt sich gut in ihrem Artikel der Berliner Zeitung vom 23. Februar 2023 – also drei Wochen vor Ihrem Tod – veranschaulichen. Zum download bitte hier klicken.

Photo: Von Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland – Antje Vollmer, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=105858161

Immobilienbesteuerung – Sinn und Unsinn

Dirk Löhr

Zu Gast im Immoblick (Blog des Deutschen Vereins für Vermessungswesen) diskutierte ich mit Peter Ache und In dieser Folge begrüßen Peter Ache (Leiter des AK Immobilienbewertung des DVW e.V.) und Robert Krägenbring (Immobilien- und Bewertungsexperte) über Sinn und Unsinn der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer. 

Dabei wurde auch ein Blick auf die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz geworfen, die insofern das Potenzial »einer Bombe« hat, als sie mit Blick auf die Kritik an den Bodenrichtwerten das gesamte Bewertungswesen in Deutschland infrage stellen kann. Das Gericht hat die Vollziehung zweier Grundsteuerwertbescheide gestoppt, die nach den neuen Bewertungsregeln erlassen wurden. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen des Bundesmodells. In diesem Blog wurde schon im Dezember 2023 hierzu ausführlich Stellung bezogen. Ich plädiere außerdem für die Schaffung eines Oberen Gutachterausschusses Bund, der die Daten für alle sammelt und bereitstellt. Zum Podcast (bitte klicken)