Finanzausgleich – quod licet iovi, non licet bovi

Dirk Löhr

Was sich der Berliner Jupiter leisten kann, steht noch längst nicht dem kommunalen Ochsen an.  Und vor allem der Berliner Jupiter hat den Steuerstaat fest in der Hand.

Jupiter
Abbildung 1: Jupiter

Dieser Steuerstaat ist ein echter Reißer: Er reißt nämlich systematisch auseinander, was zusammen gehört – ein grundlegender Wesenszug der real-existierenden Rentenökonomie.

Auch der (kommunale) Finanzausgleich ist eine logische Folge einer mehrfachen Entkopplung:

  • Steuern bedeuten eine Privatisierung öffentlich geschaffener und zugleich eine Sozialisierung privat geschaffener Werte. Eine Konsequenz ist eine unnötige Reduktion der zur Verfügung stehenden Finanzmittel; das eigentliche Finanzierungspotential der öffentlichen Haushalte kann bei Weitem nicht ausgeschöpft werden (Niveaueffekt). Hieraus entsteht ein strukturelles Finanzierungsdefizit der öffentlichen Hand.
  • Der Steuerstaat bewirkt auch eine Entkopplung zwischen Entstehung und Verwendung der öffentlichen Finanzierungsmittel. Diese Entkopplung versucht der Finanzausgleich wieder zu heilen, was allerdings nur unzureichend gelingt (Struktureffekt). Eine Begleiterscheinung ist ein unwürdiges Gezerre zwischen den Gebietskörperschaften um die knappen finanziellen Mittel.
  • Die Entkopplung zwischen Entstehung und Verwendung der Finanzmittel führt zu einer unangemessenen Zentralisierung des öffentlichen Finanzwesens, das eigentlich ein Fremdkörper in einer freiheitlich-demokratischen Ordnung darstellt.

Nachfolgend werden diese drei Phänomene kurz erläutert.

 

Zum Niveaueffekt

Die erste Aussage, dass nämlich ausgerechnet der Steuerstaat als solcher zu einem strukturellen Finanzierungsdefizit führt, lässt sich nur von einem „archimedischen Punkt“ aus verstehen. Einen solchen archimedischen Punkt stellt das Henry George-Theorem dar (auch bekannt als George-Hotelling-Vickrey-Theorem oder als „Golden rule of local public finance“). Tabelle 1 illustriert zunächst einmal, dass die Preise aller produzierten Güter und Dienstleistungen sich aus Entlohnungen für die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zusammensetzen (zweite Spalte der Tabelle). Dabei sind die Entlohnungen für die mobilen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital volkswirtschaftlich als Kosten zu betrachten, sie gehen also mit Ressourceninanspruchnahmen einher. Die Standortrenten (also die Erträge, die man z.B. aus der Verpachtung von Land erzielen kann) hingegen sind ein Residuum – sie stellen den Überschuss dar, der bleibt, nachdem aus dem Volkseinkommen die mobilen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital entlohnt wurden. Im Sinne der alten Physiokraten kann man die Bodenrenten damit als „sozialen Überschuss“ interpretieren.

Nach dem u.a. von Arnott und Stiglitz (1979) formalisierten Henry George-Theorem könnten nun unter idealen Bedingungen (optimale Bevölkerungsgröße etc.) die Fixkosten der öffentlichen Leistungen allein aus der urbanen (Boden-) Rente finanziert werden, ohne dass auf Fiskalsteuern zurückgegriffen werden müsste. Die urbane Standortrente hängt u.a. von den Transportkosten, der Dichte und der Fläche (Radius) einer Agglomeration ab.

Tabelle 1: Henry George-Theorem (vereinfachte Version)

Volkseinkommen
Zusammen-setzung   Verteilung   Charakter
Kosten für private Güter u. Dienstleistungen  

<=>

Löhne (Arbeit)

Zinsen (Kapital)

 

<=>

Einzelwirtschaft-liche Kosten
Öffentliche Leistungen: Kosten der Inwertsetzung und des Verzichts  

<=>

 

V.a. (Boden-) Renten

 

<=>

Sozialer
Überschuss

(Residuum)

Das Henry George-Theorem kann aber auch anders herum gelesen werden: Danach werden Standortrenten erst durch die Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen geschaffen.

Wenn der Staat im Allgemeinen und die Bereitstellung von Infrastruktur im Besonderen die Kraft hat, einen sozialen Überschuss zu generieren, so liegt es nahe, diesen auch zur Finanzierung der Fixkosten von Staat und öffentlicher Infrastruktur abzuschöpfen. Dies ist z.B. das Prinzip der „sich selbst finanzierenden Infrastruktur“ (Harrison 2006). Erst durch die Abschöpfung der Standortrente zugunsten der Allgemeinheit wird sie (als positive Externalität) wieder ihrem Verursacher zugeführt und damit Nutzen und Kosten gekoppelt. Die Abschöpfung der Standortrenten ist damit nicht nur eine „neutrale“ Finanzierungsquelle des Staates (in dem Sinne, dass sie die wirtschaftlichen Entscheidungen der Akteure nicht beeinflusst); sie ist wegen der Zusammenführung von Nutzen und Kosten vielmehr „super-neutral“ (Dwyer 2014). Die Standortrenten werden nämlich ohnehin gezahlt – allerdings wandern sie so in öffentliche statt in private Kassen. Im Gegenzug können die schädlichen Fiskalsteuern reduziert werden.

Indessen ist die Realität anders: Gerade der Steuerstaat durchbricht das Henry George-Theorem. Genauso, wie die Entkopplung von Nutzen und Kosten im privaten Sektor ursächlich für Marktversagen ist, verursacht die Entkopplung von Staatseinnahmen und Staatsausgaben Staatsversagen. Im Steuerstaat besteht nämlich eine zweifache Entkopplung von Einnahmen und Ausgaben:

  • Steuern sind geradezu als Zwangsabgaben ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistungen Seitens des Staates definiert. Als Konsequenz versuchen sich die Bürger der Belastung so gut wie möglich zu entziehen; Steuerverkürzung wird zum Volkssport. Weitere Gründe für die strukturellen Einnahmendefizite werden weiter unten dargestellt.
  • Aufgrund des sog. „Nonaffektationsprinzips“ werden Steuern grundsätzlich nicht zweckgebunden verausgabt, sondern fließen in einen großen Topf. Aus diesem bedient sich die Administration, die häufig – ohne Rücksicht auf die Herkunft – das Geld in ineffizienter und ineffektiver Weise verausgabt.

Staatsversagen bezieht sich somit einerseits auf die einerseits auf die strukturellen Einnahmendefizite des Staates und damit auf seine Unfähigkeit, das notwendige Geld für Nutzen stiftende Verwendungen aufzubringen. Andererseits wird zu viel Geld mit geringem Nutzen für die Öffentlichkeit in intransparenter Weise „verballert“. Für die strukturellen Finanzierungsdefizite des Staates und die nicht nachhaltigen Staatsfinanzen (die sich in immer höheren Schuldenbergen manifestieren) existiert aber neben den weit verbreiteten Steuerverkürzungen noch ein weitaus gewichtigerer Grund. Dieser sei anhand der untenstehenden Abbildung 2 illustriert, die an die Sichtweise von David Ricardo (1772-1823) anknüpft. Ausgangspunkt hierbei ist die raumwirtschaftliche Unterteilung in Zentrum und Peripherie. Diese ist ubiquitär; sie lässt sich nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit global, kontinental, national, regional und bezogen auf eine einzelne Stadt anwenden. Entsprechend der ricardianischen Sichtweise werden die Löhne (für einfache, unqualifizierte Arbeit) an den Rändern des Wirtschaftsraumes bestimmt. In den zentraleren Lagen werden Aufschläge auf diesen „Grundlohn“ bezahlt, um die (wegen der Agglomeration von Fachkräften) hier besonders benötigten besseren Qualifikationen vor dem Hintergrund der hier ebenfalls höheren Lebenshaltungskosten binden zu können. In der untenstehenden Abbildung sind diese Zuschläge aus Vereinfachungsgründen nicht eingezeichnet. Stattdessen wird von einer vollkommenen Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital und einer homogenen Qualifikation beim Faktor Arbeit ausgegangen, was in der Realität natürlich nicht in dieser extremen Form zutrifft. Aufgrund von Faktorarbitrageprozessen ergibt sich somit für den Grundlohn und für Kapital ein Ausgleich der Kosten zwischen Zentrum und Peripherie (realiter laufen diese Ausgleichsprozesse beim Faktor Arbeit aufgrund von Immobilitäten wesentlich zäher als beim Faktor Kapital ab). Der Vereinfachung zuliebe wurden vorliegend Einkommen aus den mobilen Faktoren Arbeit und Kapital zusammengefasst. Die Differenz zwischen dem totalen Einkommen und dem Lohn (zuzüglich Kapitaleinkommen) stellt die Standortrente (als sozialer Überschuss) dar. Die Preise von Gütern und Dienstleistungen umfassen in der Gesamtsicht Löhne, Zinsen und Renten – allerdings werden davon nur Löhne und Zinsen als Kostenfaktoren abgebildet. Die Standortrente als Differenz zwischen den Einkommen und den Kosten der mobilen Produktionsfaktoren ist im Zentrum am höchsten. Die raumwirtschaftliche Peripherie endet im „Grenzland“; hier lassen sich gerade noch die Kosten der mobilen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital decken, aber kein sozialer Überschuss mehr erwirtschaften.

Fiskalsteuern werden nun aber immer aus dem sozialen Überschuss aufgebracht, sofern sie nicht zu Lasten v.a. der Entlohnung des Produktionsfaktors Arbeit gehen (Lohnsteuer, Sozialversicherung). Im Gegensatz zu einer einfachen Abschöpfung der Standortrente (etwa über eine Bodenwertsteuer oder über Auktionen, s. unten) schmälern Fiskalsteuern mit dem sozialen Überschuss aber gleichzeitig das staatliche Finanzierungspotential. Dies ist wiederum ein Gedanke, der sich ebenfalls bis hin zu den Physiokraten zurückverfolgen lässt. Hierbei wirken zwei Effekte zusammen:

Nach dem „ATCOR-Effekt“ (ATCOR: „All tax comes out of rent“; Gaffney 2009, S. 371 ff.) belasten sämtliche Steuern am Ende immer einen der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden oder Kapital. Wenig überraschend liegt die größte Bürde der Staatsfinanzierung mit 63,4 Prozent (2014) auf dem Faktor Arbeit; kapitalbezogene Steuern machen nur 12,4 Prozent der Staatsfinanzen aus (in den 60er Jahren waren es noch mehr als 20 Prozent; Ludewig et al. 2015). Der Faktor Arbeit kann schwerer ausweichen, abwandern oder sein Angebot vom Markt zurückziehen als der Faktor Kapital, so dass ihn die größte Last trifft. Werden Arbeit oder Kapital belastet, erhöhen sich deren Kosten (s. die Abbildung 2 unten).

ATCOR-Effekt

Abbildung 2: Strangulierung der Peripherie durch Abgaben (“ATCOR-Effekt”)

Der soziale Überschuss – als das Dreieck, das das Residuum (nach Zahlung der Kosten für die mobilen Produktionsfaktoren aus dem Einkommen darstellt), wird damit kleiner. Damit sinken auch Bodenrenten und Bodenwerte (vergleichbar entwickelte Hochsteuerländer haben gemeinhin niedrigere Bodenwerte als Niedrigsteuerländer). Gleichzeitig bewegen sich die noch kostendeckend zu bewirtschaftenden Standorte („Grenzland“) nach „innen“, Standorte in der Peripherie büßen ihre Wirtschaftlichkeit ein.

Der zweite relevante Effekt ist der „EBCOR-Effekt“ (EBCOR: „Excess burden comes out of rent“; Gaffney 2009, S. 376 ff.). Fiskalsteuern wirken wirtschaftlich entmutigend und verzerren die Allokation. Diesen Effekt, der den volkswirtschaftlichen Kuchen weiter schrumpfen lässt, wird von Ökonomen als positive „steuerliche Zusatzlast“ (engl.: „Excess burden“) bezeichnet. In der obigen Abbildung 2 würde sich aufgrund der steuerlichen Zusatzlasten die Einkommenskurve nach links verschieben und den zuvor diskutierten Strangulierungseffekt noch weiter verstärken (aus Platzgründen soll hier auf eine gesonderte Abbildung verzichtet werden). Je komplizierter ein Steuersystem und je höher die Steuerlast, umso kleiner wird auch der soziale Überschuss. Wird bei einer marginalen steuerlichen Zusatzlast von 20 Prozent z.B. eine staatliche Ausgabe von 10.000 Euro vorgenommen, kostet diese die Volkswirtschaft in Wirklichkeit 12.000 Euro. Es entstehen damit also Effizienz- bzw. Wohlfahrtsverluste.

Aufgrund des Zusammenwirkens von ATCOR und EBCOR bleiben also die öffentlichen Einnahmen im Steuerstaat weit unterhalb ihres Potenzials. Im Durchschnitt der kommenden 10 Jahre dürfte – sofern sich an den wirtschaftlichen Rahmendaten nichts Wesentliches ändert – der soziale Überschuss i.H.v. gut 20 % des Volkseinkommens belaufen. Hiervon werden rund 2/3 durch Steuern abgeschöpft, ca. 1/3 bleibt privatisiert. Dieses ungenutzte Einnahmenpotential des Staates dürfte im Durchschnitt der kommenden zehn Jahre gut 170 Mrd. Euro pro Jahr ausmachen, das ist mehr als ¼ der derzeitigen Steuereinnahmen. Ein Steuerstaat ist somit nicht nur ineffizient, er ist auch aus fiskalischer Sicht ineffektiv.

 

Zum Struktureffekt

Aus diesen ungenutzten Steuereinnahmen resultiert einerseits das strukturelle Finanzierungsdefizit der Städte, andererseits das Gerangel zwischen den größeren kreisfreien und den kreiszugehörigen Städten. Eigentlich ist nämlich dort, wo die größte Dichte an Wohn- und Arbeitsbevölkerung ist, das höchste Besteuerungspotenzial vorhanden: In den kreisfreien Städten und in den Stadtstaaten. Denn dort ist die Bodenrente, und damit der soziale Überschuss am höchsten. Hinzu kommen die finanziellen Potenziale aus engpassbezogenen Gebühren (Staugebühren) – v.a. durch die ein- und auspendelnden Arbeitskräfte.

Tatsächlich sind jedoch gerade die größten Städte (mit wenigen Ausnahmen) am höchsten verschuldet. Zum Verständnis dieses augenscheinlichen Paradoxons kann wiederum das Henry George-Theorem beitragen: Die Attraktivität der (kreisfreien) Städte ergibt sich aufgrund ihrer zentralörtlichen Funktionen. Hier stehen Infrastruktureinrichtungen wie Theater, Hochschulen, Krankenhäuser, hier gibt es auch Einkaufszentren und ein buntes Nachtleben. All dies treibt die Bodenrenten nach oben. Tatsächlich kommt dieses Finanzierungspotenzial aber den (kreisfreien) Städten nicht zugute. Oftmals profitieren vielmehr die Kommunen im „Speckgürtel“ des Umlandes, während die großen Städte die immens hohen fixen Kosten der zentralörtlichen Einrichtungen am Bein haben. Tabelle 2 stellt die Top-Five der pro Kopf am höchsten verschuldeten kreisfreien Städte denjenigen der kreisangehörigen Kommunen gegenüber:

Kreisfreie Städte (ohne Stadtstaaten) Kreisangehörige Kommunen
1 Darmstadt 12.662 Alb-Donau-Kreis 6.493
2 Kaiserslautern 12.334 LK Ravensburg 4.568
3 Offenbach am Main 12.136 LK Wesermarsch 4.451
4 Mainz 11.521 Bodenseekreis 4.236
5 Pirmasens 9.764 LK Friesland 3.847

Tabelle 2: Pro-Kopf-Verschuldung der kreisfreien Städte und kreisangehörigen Gemeinden im Vergleich (2012 – Top-Five; Quelle: www.haushaltssteuerung.de)

Die nicht zufällig hoch verschuldeten Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sind in dieser Aufstellung nicht enthalten. Während also die kreisangehörigen Kommunen v.a. unter dem Niveaueffekt (zu geringe öffentliche Einnahmen, s. oben) leiden, kommt bei den kreisfreien Städten und den Stadtstaaten noch der hier diskutierte Struktureffekt (Problematik der sachgerechten Rückverteilung) hinzu.

Der Steuerstaat zerreißt den Konnex von Entstehung und Verwendung des öffentlichen Finanzierungspotentials; hiermit ist er wesentlich für die Misere der kreisfreien Städte und der Stadtstaaten verantwortlich. Der Löwenanteil der Steuern, die den sozialen Überschuss mindern, fließt nämlich nicht in die Schatullen derjenigen Kommunen, in denen der soziale Überschuss (also das Finanzierungspotential des Staates) entsteht. Vielmehr wandert das Geld als Gemeinschafts-, Länder- oder Bundessteuern in gemeinschaftliche Töpfe. Im Jahr 2014 sah dies folgendermaßen aus:

Steueraufteilung 2014 In Mio. Euro In v.H.
Gemeinschaftl. Steuern (ESt, KSt, USt) 461.985 72 %
Bundessteuern (sonstige Gütersteuern, SolZ etc.) 101.804 16 %
Ländersteuern (ErbSt, GrESt etc.) 17.556 3 %
Gemeindesteuern 57.721 9 %
Gesamt 643.617 100 %

Tabelle 3: Steueraufteilung 2014 (Quelle: www.bundesfinanzministerium.de)

Trotz der Minderung des sozialen Überschusses durch Steuern bleibt aber immer noch genug davon übrig, um den privaten Rentenempfängern ein auskömmliches Einkommen zu bescheren (s. oben). Eigene Berechnungen haben ergeben, dass sich diese derzeit in etwa in der Größenordnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen befinden dürften. Privat vereinnahmte Standortrenten (= Privatisierung öffentlich geschaffener Werte) und die diese absichernden Steuern (= Sozialisierung privat geschaffener Werte) einerseits und öffentliche Armut andererseits sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Der Finanzausgleich dient nun dazu, die beschriebene Schieflage wenigstens zu lindern: Nachdem die kommunale Kuh zugunsten der Zentralverwaltungen gemolken wurde, bekommt sie über den Finanzausgleich wieder einen – ziemlich kläglichen – Anteil zurück. Vor allem die Serviceleistungen durch die zentralörtlichen Einrichtungen müssen ja wenigstens teilweise kompensiert werden – ansonsten würden die externen Effekte (Spillovers) ins Kraut schießen. Es wäre eine Frage der Zeit, bis die zentralen Einrichtungen in den großen Städten nicht mehr angeboten werden könnten.

Nachdem der Steuerstaat also in einem ersten Schritt den Entstehungs-Verwendungskontext des öffentlichen Einnahmenpotenzials zerrissen hat, versucht er sich anschließend mit einer Reparaturmaßnahme, den Riss wieder notdürftig zu kitten. Um die Fixkostenbelastung zu kompensieren, die mit den zentralörtlichen Funktionen einher geht, wird dabei beispielsweise der Einwohner der großen, kreisfreien Stadt stärker gewichtet als derjenige der kleinen, kreisabhängigen Kommune („Einwohnerveredelung“).

Auskömmlich ist dies indessen nicht, auch nicht für die kleineren, kreiszugehörigen Kommunen. Diese kämpfen daher für die Berücksichtigung der Fläche bei den Schlüsselzuweisungen, da in der Peripherie vergleichsweise höhere Kosten pro Einwohner z.B. in den Bereichen Straßenwesen, Landschafts- und Naturschutz, ÖPNV, Schülerbeförderung, Veterinärwesen, Landwirtschaftswesen, die Wasserwirtschaft oder das Feuerwehrund Rettungswesen entstehen. So zerreißt der Streit um die Brosamen der Zentralverwaltungen auch die “kommunale Familie”. Die Berücksichtigung dieser strukturell unterschiedlichen Bedarfe kann im Rahmen des Finanzausgleichs nur administrativ – im Rahmen von Schlüsselzuweisungen – in pauschalisierender, dem Einzelfall nicht gerecht werdender Art und Weise geschehen.

Es wäre sinnvoll, die finanziellen Potentiale zunächst einmal dort zu belassen, wo sie entstehen – also v.a. in den großen Städten. Auch wäre zu überlegen, Umlandgemeinden im unmittelbaren Speckgürtel administrativ den großen Städten einzugliedern, um „Spillovers“ möglichst zu vermeiden – besonders dann, wenn es enge funktionale Beziehungen zwischen Kernstädten und Umland gibt.

 

Wider die fiskalische Zentralverwaltungswirtschaft

Finanzausgleich – das ist eine Wissenschaft für sich. Ich behaupte: Überall dort, wo es übermäßig kompliziert wird – sei es in der Besteuerung, sei es im Finanzausgleich – ist grundsätzlich der Wurm drin. Im Prinzip sollte es nämlich einfach sein: Das größte Finanzierungspotential (aufgrund der u.a. dichtebedingt hohen Bodenrenten) besteht in den großen, kreisfreien Städten. Hier besteht jedoch auch der höchste Finanzbedarf. Warum lässt man diesen Zusammenhang nicht einfach wirksam bestehen, anstatt ihn über den Steuerstaat zuerst zu zerreißen und dann mehr schlecht und recht wieder herzustellen? Und: Warum wird öffentliche Armut als Kollateralschaden des Steuerstaates akzeptiert?

Wünschenswert ist eine wesentlich höhere kommunale Autonomie in Finanzsachen als heute – zugleich könnten viele Gemeinden auch einen anderen Zuschnitt vertragen  (s. den obigen Vorschlag zur Eingemeindung von Umlandskommunen größerer Städte). Spiegelbildlich könnte der Finanzausgleich zurückgeführt werden.

Höhere Autonomie: Das bedeutet aber auch die Orientierung am Leitbild des Wettbewerbsföderalismus. Es impliziert ebenfalls die Fähigkeit zur kommunalen Insolvenz. Das Beharren auf kommunaler Autonomie durch die Gemeinden ohne Übernahme der finanziellen Letztverantwortung hierfür ist nämlich wiederum ein Ausdruck der Entkopplung und Haftungsverschiebung. Ohne hier auf Details eingehen zu können, müsste eine solche Insolvenzordnung aber anders aussehen, als dies manchem Privatisierungsbefürworter heutzutage vorschwebt. Eine weitere Konsequenz höherer Autonomie wäre die Rückführung der Bedeutung der Gemeinschaftssteuern: Die Kommune ist die finanzwirtschaftliche Basis des Staates, auch wenn diese Erkenntnis heutzutage verloren gegangen ist. Der fiskalische Zentralverwaltungsstaat wird offenbar als naturgegeben hingenommen. Die Vision: Die Kommunen sollten die übergeordneten Einheiten mit ihren Koordinationsaufgaben finanziell alimentieren – und nicht umgekehrt.

Eine logische Folge der fiskalischen Zentralverwaltungswirtschaft heutzutage ist, dass Bund und Land den Kommunen immer mehr Aufgaben zuweisen, ohne diese finanziell hinreichend auszustatten. Dies ist zwar nicht im Geiste des Grundgesetzes (Art. 104a Abs. 1 GG; „Konnexitätsprinzip“), doch das Papier wie auch die kommunalen Melkkühe sind geduldig. Schließlich haben diese mittlerweile gelernt, sich in einer Mangelsituation einzurichten – sie kennen gar nichts anderes mehr.

Die ordoliberale Schule (Eucken 1990) betonte den Grundsatz der „Interdependenz der Ordnungen“: Der steuerbasierte Zentralverwaltungsstaat und der daraus erfolgende Finanzausgleich ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten, der mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung von Staat und Gesellschaft nicht so recht verträglich ist.

Ein praktischer Einstieg in eine Änderung wäre eine Reform des Finanzausgleichs im Kontext mit der in Deutschland anstehenden Grundsteuerreform – diese wiederum sollte mit einer Umschichtung zumindest der Ertragsteuern auf eine Bodenwertabgabe verbunden werden (Tax Shift). Die bisherigen Steuerreförmchen drehten sich nämlich immer nur um Steuersätze und Freibeträge – also um Belanglosigkeiten. Freilich: Ein großer Wurf erfordert soziale Phantasie – diese ist weder in den politischen Parteien noch bei den mit der Grundsteuerreform befassten Technokraten zu sehen. So verpasst man wohl mit dem sich nun abzeichnenden Kompromiss bei der Grundsteuerreform wieder einmal mehr eine gute Gelegenheit.

 

Literatur

Arnott, R. J.  / Stiglitz, J. E. (1979): Aggregate Land Rents, Expenditure on Public Goods, and Optimal City Size, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 93 No. 4, S. 471-500.

Dwyer, T. (2014): Taxation: The Lost History, in: The American Journal of Economics and Sociology, Annual Supplement, 73. Jg., Nr. 4, Oktober, S. 664-988.

Eucken, W. (1990): Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 6. Aufl., Tübingen.

Gaffney, M. (2009): The Hidden Taxable Capacity of Land: Enough and to Spare, in: International Journal of Social Economics, 36. Jg., S. 328-411.

Harrison, F. (2006): Wheels of Fortune – Self-funding Infrastructure and the Free Market Case for a Land Tax, London (The Institute of Economic Affairs).

Ludewig, D. / Mahler, A. / Meyer, B. (2015): Zuordnung der Steuern und Abgaben auf die Faktoren Arbeit, Kapital, Umwelt, Hintergrundpapier, Berlin. Online: http://www.foes.de/pdf/2015-01-Hintergrundpapier-Steuerstruktur.pdf

 

Deutschland – Land der Kartelle

Dirk Löhr

Manch ein Zeitgenosse glaubt, wir leben in einer Marktwirtschaft. Dieser Glaube wird tief erschüttert durch die sehr sehenswerte ZDF-Dokumentation (WISO):

Abzocke in Deutschland” (bitte klicken),

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die am 17.8.2015 erstmals ausgestrahlt wurde. Deutschland – das Land der Kartelle, zum Schaden der Verbraucher und der politischen und rechtlichen Kultur. So viel hat sich seit der Vorkriegszeit in dieser Richtung nicht getan, und das Bundeskartellamt scheint diesbezüglich ein zahnloser Löwe zu sein.

 

Life beyond tax – Steuern oder Gebühren?

Dirk Löhr

Wie sieht eine nachhaltige Steuerverfassung aus? Gar nicht – Steuern und Nachhaltigkeit schließen sich kategorisch aus. Die Kopplung von Nutzen und Kosten kann grundsätzlich nur über Gebühren hergestellt werden, mit denen bei Zahlungen an Vater Staat eine individuelle Gegenleistung verbunden ist. So wäre auch Schluss mit der gigantischen Umverteilung – von unten nach oben (und nicht etwa umgekehrt!) – für die der Steuerstaat steht. Ob schließlich die Politik gut ist oder nicht, können Wähler und Regierungsverantwortliche an einer Größe ziemlich gut ablesen: Der Höhe der Bodenrenten – als dem erzielten sozialen Überschuss.

Zu diesem Themenkomplex s. den dritten und letzten Artikel aus einer dreiteiligen Reihe, die im Postwachstumsblog erschienen ist:

Life beyond tax – Finanzierung des Kernstaates (bitte klicken)

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Das gegenwärtige Fiskalsystem ist leider weder ökologisch noch fiskalisch effektiv. Es gilt daher, das Fiskalsystem, und damit zusammenhängend auch die Eigentumsrechte an den Boden- und Naturressourcen sowie die Geldordnung nachhaltigkeitskonform auszugestalten. Mehr Informationen hierzu finden sich in der dritten, vollständig überarbeiten und vom Metropolis-Verlag übernommenen Auflage der Plünderung der Erde (bitte klicken).

 

Life beyond tax – Finanzierung des Kernstaates

Dirk Löhr

Ein ökologisches Grundeinkommen ist eine institutionelle Voraussetzung für eine Nachhaltigkeitswende. Werden die eingenommenen Umweltabgaben aber wieder an die Bürger ausgeschüttet, entsteht dem Staat insoweit eine Finanzlücke. Wie kann diese gefüllt werden? Hierzu der zweite Artikel aus einer dreiteiligen Reihe aus dem Postwachstumsblog:

Life beyond tax – Finanzierung des Kernstaates (bitte klicken)

9783731611301_170

Das gegenwärtige Fiskalsystem ist leider weder ökologisch noch fiskalisch effektiv. Es gilt daher, das Fiskalsystem, und damit zusammenhängend auch die Eigentumsrechte an den Boden- und Naturressourcen sowie die Geldordnung nachhaltigkeitskonform auszugestalten. Mehr Informationen hierzu finden sich in der dritten, vollständig überarbeiten und vom Metropolis-Verlag übernommenen Auflage der Plünderung der Erde (bitte klicken).

 

 

Live beyond tax – ökologisches Grundeinkommen

Dirk Löhr

Ein ökologisches Grundeinkommen ist eine institutionelle Voraussetzung für eine Nachhaltigkeitswende. Hierzu der erste Artikel aus einer dreiteiligen Reihe aus dem Postwachstumsblog:

Life beyond tax – ökologisches Grundeinkommen (bitte klicken)

9783731611301_170

Derzeit sind jedoch weder die Geldordnung, noch das Fiskalsystem oder die Eigentumsrechte hinsichtlich Boden- und Naturressourcen sind derzeit nachhaltigkeitskonform ausgestaltet. Mehr Informationen hierzu finden sich in der dritten, vollständig überarbeiten und vom Metropolis-Verlag übernommenen Auflage der Plünderung der Erde (bitte klicken).

 

 

Welt ohne Wasser: Der Vergeudung volkswirtschaftlich begegnen

Eckhard Behrens*

Die Titelgeschichte des aktuell im Verkauf befindlichen SPIEGEL (Nr. 33/2015 vom 08.08.2015 – Seiten 8 ff.) ist lesenswert wegen der vielen schlechten und guten Beispiele aus aller Welt, die wirklich lehrreich sind.

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Eckhard Behrens

Es wird auch gezeigt, dass aus Ländern mit offensichtlich knappen Wasserreserven viele Güter exportiert werden, die unter Einsatz von viel Wasser hergestellt werden; solche Länder exportieren also noch Wasser in unglaublichen Mengen. Vielfach beschrieben wurde in letzter Zeit schon der Wassermangel in Kalifornien. Hier ist nun zu lesen, dass er durch eine geradezu groteske Wasser(un)ordnung selbst erzeugt ist. Der Klimawandel verschärft die Probleme nur.

Spiegel - Titelgeschichte

Im nachfolgenden Leserbrief habe ich versucht, die Prinzipien kurz darzustellen, die das Seminar für freiheitliche Ordnung (Bad Boll) für den Umgang mit Naturressourcen entwickelt hat:

“Die gefährliche Vergeudung unseres kostbarsten Rohstoffs haben Sie mit Beispielen aus der ganzen Welt ebenso anschaulich geschildert wie Beispiele guten Managements von Staaten und Unternehmen. Ich bin Ihnen für Ihre gründlichen Recherchen sehr dankbar, vermisse jedoch eine Analyse des Standes der Volkswirtschaftslehre, deren Aufgabe ich darin sehe, Antworten auf Knappheitsfragen zu geben. Hat sie sich um diese Menschheitsfragen erfolgreich gekümmert?

Die Alternative „zügellose Privatisierung oder kommunale Daseinsvorsorge“ kann nicht befriedigen, denn Monopol bleibt Monopol. Zumindest werfen die großen Abweichungen bei kommunalen Wasserpreisen auch Fragen auf. Die Preiskontrolle durch Kartellbehörden bleibt eine ordnungspolitisch nur mäßig befriedigende Missbrauchsaufsicht. Und alle nationalen Regulierungen werden dem von Ihnen geschilderten Wasserexport in Produkten, die den Wasserverbrauch zu ihrer Herstellung kaum ahnen lassen, weltwirtschaftlich nicht gerecht.

Der ordnungspolitische Ausgangspunkt muss die ökologische Verantwortung der öffentlichen Hand für eine mengenmäßige Begrenzung der Nutzung der Wasserreserven auf ihre nachhaltige Erneuerungsmöglichkeit sein. Es darf kein privates Recht auf unbegrenzte Nutzung geben weder für Oberflächen- noch für Grundwasser – nirgendwo auf der Welt. Auch die Staaten untereinander müssen sich darauf verständigen, in welchem Staat welche Reserven in welchem Umfang wann genutzt werden dürfen. – Das ist nur der erste von drei gesamtwirtschaftlich, also volks- und weltwirtschaftlich notwendigen Schritten.

Der zweite ordnungspolitische Grundsatz, dem überall Geltung zu verschaffen ist, muss sein, dass jeder für die Benutzung der Wasserreserven denselben Preis bezahlen muss, wie jeder andere Nutzer derselben lokalen Quelle. Die Privilegien von Privateigentum an der Natur müssen rechtsstaatlich einwandfrei entsorgt werden. Ob  ein Kalifornier Wasser trinkt, duscht, seinen Rasen wässert oder Mandeln und Rosinen für den Export produziert, darf beim Wasserpreis keinen Unterschied machen. Es wird spannend sein, wie lange sich die kalifornischen Wahlbürger die Privilegien ihrer Landwirte noch gefallen lassen werden. Der Preis soll für alle die Knappheit widerspiegeln und sie zu sparsamem Umgang mit dem Wasser anhalten. Wenn der Exportpreis von Agrarprodukten den Wasserpreis nicht deckt, werden die Herstellung und der Export unterbleiben. Soweit die Exportpreise die ehrlichen Wasserpreise decken, ist die Produktion von Agrarprodukten in Kalifornien auch für den Weltmarkt gerechtfertigt.

Der dritte ordnungspolitische Grundsatz realisiert das Menschenrecht auf Wasser, indem die Entgelte (Renten) für die Nutzungsrechte an den Wasserreserven in einen von einer UNO-Organisation verwalteten Pool abgeführt und zu gleichen Teilen an alle Menschen, die gerade auf dieser Erde leben, verteilt werden. Bei der Geburt und immer zum Geburtstag gibt es einen Teilhaberscheck. Dann kann jeder überall auf der Welt das Wasser, das er trinkt und für seine Hygiene braucht, bezahlen und vielleicht auch noch den Verzehr von ein paar wasserhaltigen Produkten aus Kalifornien, der ihm gegönnt sei – egal wo er wohnt.

Vielfach beschrieben wurde in letzter Zeit schon der Wassermangel in Kalifornien. Hier ist nun zu lesen, dass er durch eine geradezu groteske Wasser(un)ordnung selbst erzeugt ist. Der Klimawandel verschärft die Probleme nur.”

 

* Eckhard Behrens (* 1937, wohnhaft in Heidelberg), Jurist und Volkswirt, ist u.a. Mitglied im Vorstand des Seminars für freiheitliche Ordnung in Bad Boll; er war langjähriger Vorsitzender des Landesfachausschusses für Bildung und Wissenschaft in Baden-Württemberg und stellvertretender Vorsitzender des Bundesfachausschusses in der FDP.

 

Grund und Boden als Kreditsicherheit?

Dirk Löhr

Im Blogartikel “Geldschöpfung und kein Ende: Robinson und die Eichhörnchen” hatte ich u.a. die Kreditfinanzierung von nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern wie Grund und Boden oder Beteiligungen kritisch hinterfragt. Im Rahmen der Diskussion um diesen Beitrag gingen mir auch einige E-Mails zu, die sich um die Rolle von Grund und Boden als Kreditsicherheit drehten.

Kreditsicherheit

Um es vorweg zu nehmen: In meinen Augen stellt die Fixierung auf Grund und Boden als Sicherheit ebenfalls eine Ideologie dar.

Bei der kreditfinanzierten Bildung von realen Werten muss – das versuchte ich im o.a. Beitrag zu zeigen – immer auf schon gebildete Werte (Kapitalgüter) zurückgegriffen werden. Kredite setzen insoweit also realwirtschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet Ersparnisse voraus. Hinsichtlich der Sicherheiten hierfür reicht es aus, dass die Bank das besichert bekommt, was sie auch finanziert: Das sollte eben das durch Kredit gebildete Kapital sein, und eben nicht Land. So funktioniert die Kreditaufnahme z.B. von Pachtbauern, über die zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland bewirtschaftet wird. So werden auch Gebäude auf Erbbaurechten oder teilweise auch Betriebsmittelkredite bei Unternehmen gesichert. Dabei spielt das Prinzip der persönlichen Haftung übrigens eine große Rolle.

Natürlich hat diese Art der Besicherung aus Sicht des Gläubigers einen gravierenden Nachteil: Er muss sich wirklich mit dem Schuldner, dessen Situation und seinem Vorhaben beschäftigen. Bei Land als Sicherheit muss er dies nicht. Ich behaupte aber, dass gerade deswegen viele Kredite in die Hose gehen.

Zudem werden Fehlanreize gesetzt. Ein Beispiel aus Kambodscha, einem hoch dollarisierten Land (ich war dort als Consultant für die GTZ / GIZ im Landbereich tätig). Ich sprach dort im Jahre 2011 u.a. mit einem der Direktoren der größten Bank (Canadia Bank) in Phnom Penh. Es ging um Sicherheiten. Man vergab Kredite um 2008 herum nicht mehr an produktiv tätige Unternehmer, sondern bewusst bevorzugt an Grundstücksspekulanten, weil diese entsprechende Sicherheiten vorzuweisen hatten, die pro Jahr 20 bis 60 % an Wert gewannen. Hinter vorgehaltener Hand sagte er mir sinngemäß: “Und wir hofften, dass sie ihre Kredite NICHT zurückzahlen können, damit wir diese Sicherheiten übernehmen können.” Das Resultat waren gigantische Fehlallokationen zum Schaden des Landes.

Im Vorfeld der Krise 2008/2009 wurden auch in den USA auf Grundlage steigender Grundstückswerte – als Kreditsicherheiten – an Menschen Kredite gegeben, die diese besser niemals erhalten hätten. Ähnliches konnte man in Spanien beobachten.

Hans Scharpf hat in einem Artikel für die Neue Juristische Wochenschrift (“Risiken des Handels mit notleidenden Krediten”, NJW 48 / 2009, S. 3476-3480) schön beschrieben.

Eigentlich sollte die “Sicherheiten-Ideologie” also ausgedient haben. Zumal auch die im Rahmen der o.a. Diskussion immer wieder an die Oberfläche gespülten Heinsohn und Steiger nicht sorgfältig zwischen Eigentum an Land und an Kapitalgütern differenzieren, zweifle bin im Übrigen sehr daran, dass diese auf dem richtigen Weg waren. Das ist aber Stoff für einen gesonderten Blogartikel.

Geldschöpfung und kein Ende: Robinson und die Eichhörnchen

Dirk Löhr

Um die Geldschöpfungsdebatte habe ich bewusst immer einen großen Bogen gemacht – die Chance, sich einen Shitstorm einzufangen und arbeitsunfähig zu werden, ist kaum irgendwo größer als hier. Doch sei’s drum. Ich sehe mich nun genötigt, das Thema in diesem Blog aufzugreifen. Denn manche Befürworter der „autonomen Geldschöpfung“ der Geschäftsbanken gehen so weit zu behaupten, Kredite könnten vergeben werden, ohne dass zuvor Ersparnisse gebildet worden wären. Dies würde bedeuten, dass das auf die Physiokraten zurückgehende und von Gesell und Keynes aufgegriffene volkswirtschaftliche Kreislaufdenken obsolet wäre. M.E. ist dies harter Tobak, der zustande kommt, weil

  • die realwirtschaftliche „Parallelwelt“ in der Argumentation nicht beachtet wird und
  • die Argumentation genauso wenig wie die Neoklassik zwischen Kapital und Land differenziert.

In einem ersten Schritt soll nachfolgend der Geldschöpfungsvorgang anhand einer Robinsonade so dargestellt werden, wie das auch die Deutsche Bundesbank in ihren Veröffentlichungen macht. In einem zweiten Schritt wird dann die Erweiterung um die realwirtschaftliche Parallelwelt vorgenommen. Der dritte Schritt macht die Konsequenzen einer Differenzierung zwischen Land und Kapital deutlich. In einem Schlussteil werden noch ein paar Anmerkungen zur Rolle des Zinses und der ökonomischen Renten gemacht.

 

Das Geldschöpfungsphänomen

Anders als einige Autoren v.a. aus dem freiwirtschaftlichen Spektrum folgen wir der Auffassung, dass eine Geldschöpfung der Banken existiert. Die nachfolgenden Ausführungen sind bewusst z.T. wörtlich an diejenigen der Deutschen Bundesbank zu diesem Thema angelehnt:

In der Regel gewährt die Bank einem Kunden einen Kredit und schreibt ihm den entsprechenden Betrag auf dessen Girokonto als Sichteinlage gut. Wird einem Kunden ein Kredit über 1.000 GE gewährt (z. B. Laufzeit 1 Periode), erhöht sich die Sichteinlage des Kunden auf seinem Girokonto um 1.000 GE. Es ist Buchgeld entstanden oder es wurden 1.000 GE Buchgeld geschaffen.

Vergibt die A-Bank also den Kredit an Robinson, so kann sie diesen in einem ersten Schritt dadurch finanzieren, dass sie den entsprechenden Betrag an Buchgeld selbst schafft. Sie verbucht auf der Aktivseite ihrer Bilanz den gewährten Kredit als Forderung an den Kreditnehmer, auf der Passivseite ihrer Bilanz schreibt sie dem Kreditnehmer den Kreditbetrag auf dessen Konto als Sichteinlage gut. Aus Sicht der Bank ist diese Sichteinlage eine Verbindlichkeit – sie schuldet dem Kontoinhaber dieses Geld.

In der stilisierten Bilanz der A-Bank sieht dies folgendermaßen aus:

A-Bank
Aktiva Passiva
1.000 GE Kredit an Robinson Sichtguthaben Robinson 1.000 GE

Die Kritik, die Banken würden an dieser Stelle wegen der Zinsdifferenz zwischen Kreditzinsen und Zinsen auf Sichtguthaben hohe Zinsgewinne erzielen, hält allerdings nicht. Robinson wird nämlich das ihm eingeräumte Sichtguthaben schnellstens für eine Zahlung (an Freitag) verwenden, von dem er z.B. einen Speer kauft. Dabei überweist Robinson die 1.000 Euro auf ein Girokonto von Freitag bei der B-Bank. Für die Kredit gebende A-Bank bedeutet dies, dass die Sichteinlage des Kunden, also das selbst geschaffene Buchgeld, abfließt – und dass sie den Kredit nun “refinanzieren” muss. Laufen alle Vorgänge in einer einzigen “logischen Sekunde” ab (dazu unten mehr), kann ihr dazu die B-Bank einen Kredit gewähren – viele Banken haben tatsächlich untereinander entsprechende Vereinbarungen.

A-Bank
Aktiva Passiva
1.000 GE Kredit an Robinson Sichtguthaben Robinson 0 GE
Verbindlichkeit ggü. B-Bank 1.000 GE

In der Bilanz der B-Bank wird dies wie folgt abgebildet:

B-Bank
Aktiva Passiva
1.000 GE Kredit an A-Bank Sichtguthaben Freitag 1.000 GE

Die A-Bank hat somit eine täglich fällige Verbindlichkeit gegenüber der B-Bank. Die A-Bank muss nun den Zinsertrag aus dem Kundenkredit an Robinson zum Teil an die B-Bank abgeben – und damit einen Teil ihres Gewinns aus der Buchgeldschöpfung.

Fazit: Ohne auf Zentralbankgeld zurückgreifen zu müssen, wird im obigen Beispiel ein neues Guthaben erzeugt – das definitionsgemäß als „Geld“ gilt. Definitionen können nun nicht richtig oder falsch, sondern nur zweckmäßig oder unzweckmäßig sein. Schließt man sich der allgemein gültigen Gelddefinition an, hat das Bankensystem unabhängig von der Zentralbank Geldschöpfung vollzogen. Angemerkt sei allerdings, dass der oben beschriebene Vorgang in einer “logischen Sekunde” geschah. Soweit die verschiedenen Schritte in der Realität zeitlich aufeinander folgend ablaufen, kann der Vorgang sich nicht so unabhängig von der Zentralbank wie beschrieben vollziehen. Hinzu kommt auch das Erfordernis, wegen unvorhersehbarer (Bar-) Geldabflüsse Liquiditätsreserven sowie die vorgeschriebene Mindestreserve zu halten. Die Bank wird sich allerdings v.a. im Wege von Clearingprozessen zu einem beträchtlichen Teil tatsächlich zeitgleich refinanzieren können. Sofern dies unsicher oder unmöglich ist, müssen die entsprechenden Finanzierungsmittel (bereit gestellt durch andere Banken, Unternehmen oder durch private Sparer) schon vor der Kreditvergabe für die Kredit gebende Bank zur Verfügung stehen. Doch selbst im oben dargestellten Fall der zeitgleichen Refinanzierung müssen schon realwirtschaftliche Ersparnisse VOR der Kreditvorgabe existieren. Diese realwirtschaftliche Perspektive wird nachfolgend illustriert.

 

Die realwirtschaftliche Seite

Die meisten Betrachtungen über die Geldschöpfungsvorgänge enden nach dem oben dargestellten ersten Schritt. Dabei wird es nun eigentlich erst interessant. Was ist nämlich realwirtschaftlich passiert? Robinson hat von Freitag einen Speer gekauft. Dieses Kapitalgut wurde bereits vorher von Freitag hergestellt – es stellte eine realwirtschaftliche Ersparnis (durch Freitag) dar. Diese wird nun mittels Kreditfinanzierung durch Robinson in Anspruch genommen. Realwirtschaftlich muss bei einer Kreditbeziehung also auf schon vorhandene Vermögenswerte zurückgegriffen werden; eine „Kreditvergabe aus dem Nichts“ wäre unsinnig, wenn es nichts gäbe, was man für diesen Kredit kaufen könnte. Es fand also durchaus eine Ersparnisbildung statt – nämlich vorliegend durch Freitag, der den Speer (Kapitalgut) herstellte, aber vor dem Deal mit Robinson nichts mit dessen A-Bank zu tun hatte (die Hausbank von Freitag ist die B-Bank). Die Eingangsbilanz des Robinson sieht nach Kauf des Speers via Kreditaufnahme folgendermaßen aus:

Robinson: Eingangsbilanz (1.1.)
Aktiva Passiva
1.000 GE Speer Verbindlichkeit A-Bank 1.000 GE
 Eigenkapital  0 GE

Nehmen wir nun an, Robinson jagt mit dem Speer Eichhörnchen. Die Viecher sind schnell, und viele Würfe treffen daneben, nämlich auf Steine und Felsen. Durch das Jagen nutzt sich während der Periode also der Speer ab. Am Anfang der Periode war er noch 1.000 GE wert, am Ende nichts mehr. Die gemeuchelten Eichhörnchen wiederum verkauft Robinson gesalzen und gepökelt an Freitag; die Erlöse i.H.v. 1.000 werden in einem Betrag am Ende der Periode von Freitag an Robinson gezahlt. In der stilisierten Schlussbilanz Robinsons wird der Vorgang wie folgt abgebildet:

Robinson: Schlussbbilanz (31.12.)

Aktiva

Passiva

0 GE Anfangsbest.1.1. AB Verbindlichkeiten 1.1.

0 GE

1.000 GE Anschaffung Speer Verbindlichkeit A-Bank

1.000 GE

./. 1.000 GE ./. Abschreibungen Tilgung aus Abschreibungen

./. 1.000 GE

0 GE Endbestand 31.12. EB Verbindlichkeiten 31.12.

0 GE

AB Eigenkapital 1.1.GuV-Konto:Erlöse:                     1.000 GEAbschreib.:      ./. 1.000 GEGewinn:                         0 GE  0 GE
EB Eigenkapital 31.12.

0 GE

Die Struktur der Bilanz wurde geändert, um die Korrespondenz zwischen Abschreibungen und Kredittilgungen deutlich zu machen: Denn während der Periode wird aus dem Gegenwert der Abschreibungen der laufende Kredit des Robinson getilgt.

Die A-Bank hat daher am 31.12. weder einen ausstehenden Kredit gegenüber Robinson gebucht, noch hat sie Verbindlichkeiten gegenüber der B-Bank, da sie aus den zufließenden Geldmitteln die Verbindlichkeit gegenüber der B-Bank begleicht. Zumal die Zahlung für die Eichhörnchen an Robinson durch Freitag ebenfalls via Überweisung vorgenommen wurde, ist zum Periodenende auch dessen Konto leer geräumt. Die Schlussbilanzen der A-Bank und der B-Bank sehen dann stilisiert folgendermaßen aus:

Schlussbilanz A-Bank
Aktiva Passiva
0 GE Kredit an Robinson Sichtguthaben Robinson 0 GE
Verbindlichkeit ggü. B-Bank 0 GE
Schlussbilanz B-Bank
Aktiva Passiva
0 GE Kredit an A-Bank Sichtguthaben Freitag 0 GE

Fazit: Die Existenz des geschöpften Geldes währte so lange, wie das Kapitalgut abgeschrieben wurde und aus den Abschreibungen die Kredittilgung erfolgte. Im vorliegenden Beispiel war dies aus didaktischen Gründen nur eine Periode. Und in der Realität ist die Übereinstimmung zwischen Abschreibungs- und Kredittilgungsdauer natürlich nicht perfekt. In der Summe hält sie aber. Die angestellte Betrachtung zeigt, dass sich durch die Geldschöpfung der Banken die geldwirtschaftliche Seite nicht von der realwirtschaftlichen Seite lösen kann. Wo zusätzliches Geld geschöpft wurde, gab es auch zusätzliche (Kapital-) Güter. Mit dem Verschwinden der Letzteren verschwindet auch das geschöpfte Geld.

 

Störfaktor: Nicht abnutzbare Vermögenswerte

Anders sieht es freilich aus, wenn nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter über Kredite finanziert werden. Klassischerweise sind dies Grund und Boden sowie Beteiligungen. Im Buch „Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird“ […] habe ich dargestellt, dass auch Beteiligungen an Unternehmen als „indirekte Investitionen“ in Land (als Genusbegriff) verstanden werden können. Wichtig sind nun folgende Aspekte:

  • Versteht man unter „Sparen“ im volkswirtschaftlichen Sinne den realwirtschaftlichen Aufbau von Vermögenswerten zum Zweck des späteren Gebrauchs / Verbrauchs, so kann man in Land nicht sparen. Man kann lediglich den Wert von Land „aufblasen“- mit dem Risiko, dass diese Blase irgendwann einmal platzt. Ähnliches gilt für Beteiligungen an Unternehmen.
  • Genauso wenig kann man aus den Abschreibungen auf Land Kredittilgungen vornehmen – hier gibt es nämlich keine Normalabschreibungen. Für Unternehmensbeteiligungen gilt Entsprechendes.
  • Zinsen könnten allerdings aus Land gezahlt werden, nämlich aus den Bodenrenten. Oftmals wird übersehen, dass über Kreditzinsen de facto Renten an die Kreditgeber weitergeleitet werden.

Wenn also Robinson von Freitag keinen Speer, sondern eine Parzelle kauft, kann der im vorangehenden Abschnitt beschriebene Mechanismus nicht funktionieren. Das Bankensystem kann zwar Geld schöpfen;  dieses geschöpfte Geld kann aber nicht zurückgeführt werden. Vielmehr erhöht sich einerseits die umlaufende Geldmenge, und spiegelbildlich werden die nicht abschreibungsfähigen, rententragenden Assets aufgeblasen. Die Kreditaufnahme erfolgt nicht zum Zwecke der Verfügung über realwirtschaftliche Ersparnisse; insoweit sind auch keine neuen Güter und Dienstleistungen entstanden.  In der Fisherschen Verkehrsgleichung zeigt sich die Inflationierung der Finanzstratosphäre in einer Abnahme der Umlaufgeschwindigkeit der jeweiligen Geldmengenaggregate – wie wir sie ja auch tatsächlich im säkularen Trend beobachten können.

Eine „Bereinigung“ via Geldvernichtung (incl. Vernichtung der entsprechenden Forderungen im Bankensystem) findet erst dann statt, wenn die Blase eines schönen Tages platzt. Die „Geldvernichtung“ erfolgt dann aber nicht in kontrollierten Bahnen (wie bei abnutzbaren Kapitalgütern), sondern eben im Rahmen einer Krise.

Fazit: Heikel wird es für die Wirtschaft insbesondere bei kreditfinanzierten Immobilenbooms. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass sowohl die räumlichen Preisunterschiede (z.B. zwischen einem Haus desselben Typs in Mecklenburg-Vorpommern und München) als auch die zeitlichen Preisunterschiede (z.B. die Immobilienpreisentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern und München im Laufe der Zeit) zu einem erheblichen Teil auf die Boden- und nicht die Gebäudekomponente zurückzuführen sind (auch dies haben wir in diesem Blog immer wieder beschrieben). Für Beteiligungen an Unternehmen gilt Entsprechendes, weswegen Formen wie kreditfinanzierte „Management Buy Outs“ u. dgl. aus volkswirtschaftlicher Perspektive grundsätzlich kritisch zu beurteilen sind.

 

Anmerkungen zum Schluss

Aus den Ausführungen sollte hervorgegangen sein, dass Kreditvergaben und Investitionen ohne vorherige (realwirtschaftliche) Ersparnisse nicht möglich sind (allerdings muss die Ersparnisbildung nicht unbedingt immer einen unmittelbaren Bezug zur kreditgebenden Bank aufweisen). Die Kreislaufbetrachtung der Wirtschaft ist somit nicht obsolet.

Der Text wollte auch darstellen, dass ein wesentliches Problem nicht die Geldschöpfungsfähigkeit der Geschäftsbanken an sich ist. Das Problem liegt vielmehr darin, dass rententragende, nicht abnutzbare Vermögenswerte (v.a. Grund und Boden sowie Unternehmensanteile) von den ausgegebenen Krediten gekauft werden können. Dies führt zu immer größeren Geldmengen, denen keine Güter und Dienstleistungen gegenüberstehen, und die nicht wieder vernichtet werden können. Die Folge ist eine Assetpreisinflation.

Die sauberste Lösung wäre die Dekapitalisierung von Land über eine Bodenwertsteuer oder eine Erbbaurechtslösung, über die in diesem Blog immer wieder diskutiert wurde (ergänzend wäre u.a. auch das Urheber- und Patentrecht zu ändern, das ein Abklatsch der Eigentumsrechte an Grund und Boden darstellt). Ist Land in privater Hand wertlos, erfolgt auch keine Kreditfinanzierung desselben. Eine drittbeste Lösung (weil sie die eigentlichen Probleme ebenfalls nicht auf die Hörner nimmt) wäre eine Regulierung dahingehend, dass Kreditvergaben zum Zwecke des Kaufs von Grund und Boden sowie Unternehmensbeteiligungen möglichst unterbunden werden.  In eine solche Richtung ging z.B. die in den letzten Jahren durchgeführte Politik der VR China – in Gestalt von Restriktionen bei Krediten zum Kauf von Immobilien. Schließlich sind Vollgeld und 100%-Money leider nur Scheinlösungen, da sie das hier dargestellte Schlüsselproblem nicht grundsätzlich angehen.

Weil ich den vernachlässigten Aspekt der rententragenden Assets hervorheben wollte, habe ich in diesem Beitrag bewusst das Problem der Verzinsung von Einlagen und Krediten in den Hintergrund gestellt, die ebenfalls Schieflagen in das Finanzsystem tragen kann.

Griechenland: Der große Ausverkauf

Dirk Löhr

Griechenland steht vor einer gewaltigen Privatisierungswelle. Unter dem Druck der “Institutionen” wird die Regierung in Athen einen speziellen Fonds auflegen, der Staatsvermögen im großen Stil verkaufen wird. Seinen Sitz hat der Fonds in Athen und nicht, wie ursprünglich geplant, in Luxemburg.

Die griechische Regierung bringt in den Fonds Vermögen wie Flughäfen, Häfen, Energieversorger oder die Bahngesellschaft ein. Alles also Aktiva, die sich als “wesentliche Einrichtungen” oder “natürliche Monopole” den Marktgesetzen entziehen – Zweck der Übung ist die endgültige Privatisierung von ökonomischen Renten zu Gunsten der ausländischen Gläubiger.

Piraeus
Auch Gegenstand der Begierde: Der Hafen von Piräus

Ob die angepeilten 50 Milliarden Euro dabei tatsächlich erzielt werden, ist mehr als unsicher. So unsicher wie die Frage, ob diese Maßnahme tatsächlich dem verschuldeten Land die erhoffte Erleichterung verschafft. Sicher hingegen ist, dass am Ende Griechenland sein öffentliches Vermögen los ist.

Dabei gäbe es Alternativen: Diese bestünden beispielsweise in der meistbietenden Vergabe an Private auf Zeit im Wege erbbaurechtsähnlicher Vertragskonstruktionen. So würde der griechische Staat die Verfügungsrechte über die “kritischen Vermögenswerte” nur auf Zeit – während einer “Wohlverhaltensperiode” verlieren. Danach könnten die ökonomischen Renten aus den “kritischen Vermögenswerten” wieder den griechischen Staatshaushalt speisen und das Land so wieder vorwärts bringen. Doch offenbar hat man über diese Möglichkeit gar nicht nachgedacht, die Bestandteil einer Staaten-Insolvenzordnung sein könnte. Statt dessen geht das de facto-Insolvenzverfahren um Griechenland in ungeregelter Form weiter, und die Gangart verschärft sich.

 Armes Griechenland, armes Europa.