Grund und Boden als Kreditsicherheit?

Dirk Löhr

Im Blogartikel “Geldschöpfung und kein Ende: Robinson und die Eichhörnchen” hatte ich u.a. die Kreditfinanzierung von nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern wie Grund und Boden oder Beteiligungen kritisch hinterfragt. Im Rahmen der Diskussion um diesen Beitrag gingen mir auch einige E-Mails zu, die sich um die Rolle von Grund und Boden als Kreditsicherheit drehten.

Kreditsicherheit

Um es vorweg zu nehmen: In meinen Augen stellt die Fixierung auf Grund und Boden als Sicherheit ebenfalls eine Ideologie dar.

Bei der kreditfinanzierten Bildung von realen Werten muss – das versuchte ich im o.a. Beitrag zu zeigen – immer auf schon gebildete Werte (Kapitalgüter) zurückgegriffen werden. Kredite setzen insoweit also realwirtschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet Ersparnisse voraus. Hinsichtlich der Sicherheiten hierfür reicht es aus, dass die Bank das besichert bekommt, was sie auch finanziert: Das sollte eben das durch Kredit gebildete Kapital sein, und eben nicht Land. So funktioniert die Kreditaufnahme z.B. von Pachtbauern, über die zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland bewirtschaftet wird. So werden auch Gebäude auf Erbbaurechten oder teilweise auch Betriebsmittelkredite bei Unternehmen gesichert. Dabei spielt das Prinzip der persönlichen Haftung übrigens eine große Rolle.

Natürlich hat diese Art der Besicherung aus Sicht des Gläubigers einen gravierenden Nachteil: Er muss sich wirklich mit dem Schuldner, dessen Situation und seinem Vorhaben beschäftigen. Bei Land als Sicherheit muss er dies nicht. Ich behaupte aber, dass gerade deswegen viele Kredite in die Hose gehen.

Zudem werden Fehlanreize gesetzt. Ein Beispiel aus Kambodscha, einem hoch dollarisierten Land (ich war dort als Consultant für die GTZ / GIZ im Landbereich tätig). Ich sprach dort im Jahre 2011 u.a. mit einem der Direktoren der größten Bank (Canadia Bank) in Phnom Penh. Es ging um Sicherheiten. Man vergab Kredite um 2008 herum nicht mehr an produktiv tätige Unternehmer, sondern bewusst bevorzugt an Grundstücksspekulanten, weil diese entsprechende Sicherheiten vorzuweisen hatten, die pro Jahr 20 bis 60 % an Wert gewannen. Hinter vorgehaltener Hand sagte er mir sinngemäß: “Und wir hofften, dass sie ihre Kredite NICHT zurückzahlen können, damit wir diese Sicherheiten übernehmen können.” Das Resultat waren gigantische Fehlallokationen zum Schaden des Landes.

Im Vorfeld der Krise 2008/2009 wurden auch in den USA auf Grundlage steigender Grundstückswerte – als Kreditsicherheiten – an Menschen Kredite gegeben, die diese besser niemals erhalten hätten. Ähnliches konnte man in Spanien beobachten.

Hans Scharpf hat in einem Artikel für die Neue Juristische Wochenschrift (“Risiken des Handels mit notleidenden Krediten”, NJW 48 / 2009, S. 3476-3480) schön beschrieben.

Eigentlich sollte die “Sicherheiten-Ideologie” also ausgedient haben. Zumal auch die im Rahmen der o.a. Diskussion immer wieder an die Oberfläche gespülten Heinsohn und Steiger nicht sorgfältig zwischen Eigentum an Land und an Kapitalgütern differenzieren, zweifle bin im Übrigen sehr daran, dass diese auf dem richtigen Weg waren. Das ist aber Stoff für einen gesonderten Blogartikel.

6 thoughts on “Grund und Boden als Kreditsicherheit?”

  1. Wenn ich nochmals den Schumpeterschen Geist spielen darf:

    Ist es nicht so, dass der Kreditgeber einen Rentenzugriff braucht, um seinen Zins zu sichern?

    Das kann die (temporäre) Monopolrente des Unternehmers sein (das Robinson-Beispiel; wären seine Einnahmen aus der Eichhörnchen-Jagd nur Arbeitslohn und abzuliefernde Bodenrente, könnte er den Kredit nicht zurückzahlen).

    Oder eben eine Grundstückrente, die, im Falle von Wirtschaftswachstum, sogar noch zunehmen wird! (Die Monopolrente ist etwas unsicherer; sie kann auch zunehmen, aber auch verschwinden.)

    Auch der Pachtbauer müsste insofern einen Teil der Bodenrente abschöpfen können, um Kreditzins zu bedienen. Sonst bleibt wirklich nur die “persönliche Haftung”: Damit würde er doch aber die “Rente” aus seiner eigenen Arbeitskraft hergeben, also seinen Lohn, und gewissermassen zum “Leibeigenen” werden?

    1. Hallo,
      ich würde es ein wenig anders sehen. Im “Normalfall” sollten (das war ein wesentlicher Gegenstand meines Buches “Rentenökonomie”) die “Kapitalgüter” durch Fremdkapital (=> Zins) finanziert sein und die “kritischen Assets” (Land, Patente, Beteiligungen etc. => Rente) durch Eigenkapital. Das lässt sich theoretisch wie empirisch auch ganz gut begründen. Ich würde also eher den Eigenkapitalgeber in der Rolle des Profiteurs von der Rente sehen. Nun kommt es a) darauf an, wie man “Zins” definiert (fasst man den “Eigenkapitalzins” auch unter diesen Begriff) und zweitens, in was für einer Finanzmarktsituation man sich befindet. Wenn immer mehr “Land” und Unternehmensanteile durch Kredite finanziert werden (was i.d.R. eine Vermögenspreisblase indiziert), profitieren Kreditgeber natürlich auch von der Rente. Dann ist es allerdings schon 5 vor 12. Beste Grüße, D. Löhr

      1. Ja, Spiegelbildhypothese, höchst interessant!

        Schumpeter führt den EK-“Zins” auch auf die Rente zurück, bei Unternehmen typischerweise auf seine transiente “first mover” Unternehmerrente, (quasi-)Monopolrenten und Landrenten. Nur wer dauernd Rente erwirtschafte, könne dauernd EK-Zins/Dividende zahlen. Damit entlarvt er unsere modernen Konzerne, bevor es diese überhaupt gab!! 🙂

        Aber auch das FK (und sein Zins) führt er auf die gleichen Renten zurück. Woher soll der Kapitaleinkommensstrom denn sonst auch kommen? Wenn man argumentiert, der FK-Zins komme eben vom Kapitalzins, dann sei die Schumpetersche Anschlussfrage erlaubt: Und woher speist sich der Kapitalzins, z.B. in einer Unternehmung? Aus dem Unternehmergewinn, der eine Rente ist, und im perfekten Wettbewerb gegen Null geht.

        Beim Land mit Mietwohnungsimmobilien könnte man ebenfalls argumentieren, dass sich sämtliches Kapitaleinkommen (EK/FK) letztlich aus der Bodenrente speist. Wenn es zur Speisung/Erhöhung der Bodenrente zusätzlicher Kapitalinvestitionen bedarf (z.B. Villa statt Zelte), kann der Kapitalgeber einen Teil der Rente “absaugen” (via Kapitalzins). Dabei dürfte es jedoch egal sein, ob dieser Kapitalgeber gleichzeitig der Landeigentümer ist, oder einer Fremder (Bankhypothek etc.)

        Die “Spiegelbildhypothese” dürfte aber dennoch oft zutreffend sein, und sei es nur als “best practice” oder “Vorsichtsmassnahme”. Im Einzelfall kann man aber (wie Sie im Buch ja auch betonen) leicht davon abweichen und z.B. Land auf Kredit kaufen oder eine Villa komplett mit EK finanzieren.

      2. Hallo,
        vielleicht haben wir nur ein terminologisches Problem. Sie schreiben “Und woher speist sich der Kapitalzins, z.B. in einer Unternehmung? Aus dem Unternehmergewinn, der eine Rente ist, und im perfekten Wettbewerb gegen Null geht.” Das sehe ich ganz genauso, ich würde allerdings nur etwas als “Rente” bezeichnen, was außerhalb des Wettbewerbs steht, also im Wettbewerb nicht gegen Null gehen kann.
        Auf jeden Fall haben Sie mich angestoßen, mein über Sekundärliteratur gespeistes (Un-)Wissen über Schumpeter durch die Lektüre des Originals zu komplettieren. Beste Grüße, D. Löhr

  2. “Hinsichtlich der Sicherheiten hierfür reicht es aus, dass die Bank das besichert bekommt, was sie auch finanziert: Das sollte eben das durch Kredit gebildete Kapital sein, und eben nicht Land.”

    Diese These würde Schumpeter wohl kritisieren, weil er argumentiert, dass der Zins nicht an den Kapitalgütern klebt, sondern am Geld bzw. an der Kaufkraft, die aber nur dann Zins abwirft, wenn damit Renten erkauft werden können. Was soll die Bank z.B. mit einem Hochofen, wenn damit in der Wirtschaft kein Gewinn mehr erwischaftet werden kann? Er wäre wertlos.

  3. “Kredite setzen insoweit also realwirtschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet Ersparnisse voraus.”

    OK, aber ein neu geschaffener Kredit schafft nicht gleichzeitig neue Ersparnisse/Kapitalgüter, sondern konkurriert mit der bestehenden Kaufkraft um die bestehenden Kapitalgüter (und treibt zunächst deren Preise hoch), einverstanden?

    Die Banking School des 19. Jahrhunderts argumentierte ja ursprünglich, dass der neu geschaffene Kredit gleichzeitig eine neue Ersparnis sei (Sichtguthaben), die Schuld also quasi zum Vermögen wird. Die Argumentation dürfte aber unzulässig sein, weil der Kredit erstmal nur neue Kaufkraft darstellt, mit der auf bestehende Ersparnisse/Kapitalgüter zugegriffen werden kann — jedoch ohne, dass letztere zunehmen!

    Gruss, Schumpeter

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