Grundsteuerreform: Mieterbund und NABU fordern Bodensteuer

Dirk Löhr

Wohnraum wird knapper und knapper. V.a. in den Ballungsgebieten ist das zu spüren – die Flüchtlingsströme verschärfen das Problem noch. Andererseits existieren in vielen Innenstädten Baulücken, Gewerbebrachen oder es stehen Gebäude leer – oftmals wird der Raum über Jahre oder gar Jahrzehnte ungenutzt gelassen und dem Markt vorenthalten.

NABU und MB

Die gegenwärtige Grundsteuer leistet keinen Anreiz, solche Grundstücke zu mobilisieren. Ebensowenig wird Druck ausgeübt, auf ungenutzten oder untergenutzten Grundstücken zu investieren. Da das Gebäude mit in die Bemessungsgrundlage aufgenommen wird, bestraft man sogar die effiziente Nutzung der Fläche.  Im Zuge der anstehenden Grundsteuerreform kreisen die Reformvorschläge der Finanzminister jedoch derzeit nur um “verbundene Bemessungsgrundlagen” (also Grund und Boden plus Gebäude). Unter diesem Vorzeichen ist keine Änderung der bestehenden Fehlanreize zu erwarten.

Mieterbund und NABU fordern daher bei den Finanzministern ein Umdenken. Sie propagieren eine Grundsteuer, die den Wert des Bodens (Grundstücks) zum Maßstab macht. Das Zurückhalten von Immobilien und ihre ineffiziente Nutzung muss teurer werden. So könnte ein Nutzungsdruck entfaltet und Bewegung in den Grundstücksmarkt gebracht werden. Es entstünde ein breitenwirksamer Investitionsanreiz, der zur Deckung des hohen Bedarfs an neuem Wohnraum beitragen könnte.

Die gemeinsame Presseerklärung der Präsidenten von Mieterbund und NABU Dr. Rips und Tschimpke kann hier heruntergeladen werden:

Pressemitteilung vom 27.11.2015 (bitte klicken)

Der NABU ist Erstunterzeichner, der Mieterbund Unterstützer der Initiative “Grundsteuer: Zeitgemäß!” (bitte klicken).  Auf der Website der Initiative sind noch viele weitere Argumente dargestellt, die für eine bodenbezogene Grundsteuer sprechen.

Lufthansa-Streik: UFO auf Kollisionskurs (Telepolis)

Dirk Löhr

Der Rekordstreik bei der Lufthansa ist zu Ende. Doch nach dem Streik ist vor dem Streik.

Lufthansa

Die Lufthansa muss die Personalkosten senken, um angesichts der Konkurrenzdrucks durch die Golf-Airlines ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht vollkommen zu verlieren.  Generell betragen die Lohnnebenkosten in Deutschland rd. 85 % der Nettolöhne. Trotz einer Lohnquote von fast 70 Prozent finden sich daher nur 35 bis 35 Prozent des Volkseinkommens in ihrem Geldbeutel wieder. Deutschland befindet sich bei der Belastung der Arbeitnehmer in der Weltspitze, während es für hohe Einkommen – die zumeist aus ökonomischen Renten und Kapitaleinkommen stammen – ein Steuerwohlfühlland darstellt. Doch die hohen Lohnnebenkosten drücken nicht nur auf das Netto der Arbeitnehmer, sie stellen auch für die Unternehmen einen Kostenfaktor und damit einen Nachteil im internationalen Wettbewerb dar. Im Telepolis-Artikel vom 18.11.2015

Lufthansa-Streik: UFO auf Kollisionskurs (bitte klicken)

wird ein Weg jenseits der Tarifauseinandersetzungen gewiesen: Weg mit den hohen Lohnnebenkosten. Statt dessen eine Entlastung der Unternehmen sowie eine Nutzung der verteilungspolitischen Spielräume durch Lohnerhöhungen. Doch wie sollen Staat und Sozialversicherung dann finanziert werden? Ganz einfach: Über die Bodenrenten, die bei einer Reduzierung der Steuern und Sozialabgaben dramatisch ansteigen würden. Das ist nichts anderes als das in Deutschland so gut wie unbekannte Henry George-Prinzip. Denn warum sollen die Bodenrenten in privater Hand bleiben? Nicht der Grundstückseigentümer hat die Bodenrenten “gemacht”, sondern die Gemeinschaft. Die Luftfahrt am Golf ist nicht wegen des Öls so erfolgreich, sondern weil sie dieses Prinzip schon teilweise umsetzt. Insofern ist nicht das diesbezüglich oft gescholtene Dubai eine “Rentenökonomie”, sondern das angeblich so aufgeklärte und marktwirtschaftlich verfasste  Deutschland. Wie aufgeklärt man hierzulande wirklich ist, zeigt die Fülle von – sehr freundlich ausgedrückt – unverständigen Kommentaren zum Artikel.

Letztlich können daher die Tarifparteien den Tarifkonflikt in der Lufthansa somit nicht lösen. Das liegt in der Hand der Politik.

 

Eigentum ist Diebstahl – ein Bruch in unserer Rechtsordnung

Dirk Löhr

“Eigentum ist Diebstahl” – so die berühmte, wenngleich unverstandene Devise von Pierre-Joseph Proudhon. Unverstanden, weil Proudhon dabei nur ganz bestimmte Güter auf dem Schirm hatte.

Dieb

Wie steht unsere Rechtsordnung zum Thema Eigentum und Diebstahl? Bekanntlich kann man an gestohlenen Sachen kein Eigentum erwerben. Das steht ausdrücklich in § 935 BGB. Der wahre Eigentümer wird also bei einem Diebstahl geschützt. Das gilt übrigens auch dann, wenn der Verkäufer selber davon ausging, dass die Sache nicht gestohlen wäre. Eine gestohlene Sache bleibt also immer im Eigentum des Opfers.

Und jetzt kommt der unverständliche Bruch in der Logik unserer Rechtsordnung: Wer hat eigentlich Grund und Boden gemacht, und dessen Erträge? Wenn ein Grundstück in München wesentlich wertvoller ist als in Mecklenburg-Vorpommern, dann wegen der Agglomerationen von hochqualifizierten Fachkräften und Hightech-Unternehmen, Universitäten, Museen, Schwimmbäder, U-Bahnen und S-Bahnen etc. etc., und natürlich auch wegen des schönen Blickes auf die Berge.  Nichts davon hat der Bodeneigentümer gemacht, sondern es wurde von der Gemeinschaft oder “den lieben Gott” erzeugt. Doch dem Bodeneigentümer fallen – ohne eigenes Tun – die wirtschaftlichen Vorteile aus den gemeinschaftlichen Anstrengungen zu. Bodenerträge und Bodenwerte in privater Hand sind das Ergebnis “externer Effekte”. Ökonomen mögen diese eigentlich nicht, weil sie normalerweise Marktversagen erzeugen – nur bei Land verschließen sie geflissentlich die Augen.

Aber hat nicht der Grundstückseigentümer für diese Vorteile bezahlt (und möglicherweise zuvor hart gearbeitet), wenn er das Land gekauft hat? Ja, aber das hat doch auch der Käufer der Friteuse, die “vom Laster gefallen ist”. Diese stellt aber Hehlerware dar, an der der Käufer trotz Zahlung kein Eigentum erwerben kann. Und Boden? Land kann nicht hergestellt werden; irgendwann wurde es einmal von irgend jemandem okkupiert. In der Vergangenheit geschah das oft genug gewaltsam – oder zumindest zum Nachteil anderer Menschen. Während man also an einer geklauten Friteuse kein Eigentum durch einen Kaufakt erlangen kann, ist dies bei Grund und Boden seltsamer Weise möglich. Dies, obwohl die Friteuse nicht überlebenswichtig ist, der Boden hingegen schon – “denn Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren” (1. Mose 3:19). Die Sklaverei haben wir ja immerhin schon hinter uns gelassen. Ich bin aber überzeugt davon, dass unser Eigentumsregime an Land und natürlichen Ressourcen von der Nachwelt eines Tages als genauso barbarisch empfunden wird (vor ein paar Jahrhunderten hatten die meisten Zeitgenossen auch am Privateigentum an Menschen nichts Anstößiges gefunden).

 

 

 

Straßenausbau “auf gut Deutsch”: Gemolkene Anlieger

Dirk Löhr

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 11. 11. 2015 im Artikel “Wer zahlt künftig für den Straßenbau?
Land lockert Regeln für Kostenverteilung” (von Michael B. Berger und Felix Harbart) berichtet, hat die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens am Dienstag Änderungen des Kommunalabgabengesetzes beschlossen. Das Land leitet so offenbar die verrückte Jahreszeit ein. Hintergrund ist das leidige Thema der Straßenausbaubeiträge.

Marode straße

Tatsächlich sind Straßenausbaubeiträge ein Quell steter Freude: Oft wird der Zusammenhang zwischen Nutzen und Kosten zerrissen, wenn z.B. wenige Anlieger für tausende Autofahrer zahlen, welche die Straße passieren. Von den Baumaßnahmen profitieren oft nicht die zur Kasse gebetenen Anwohner, die übrigens in größeren Straßen oft ziemlich willkürlich zur Zahlung bestimmt werden können. Ganz im Gegenteil gibt es sogar Fälle, wo diese zahlen dürfen, obwohl sie offensichtlich keinen Nutzen haben. Zudem kommen die Abgaben oft unerwartet und in einer Höhe auf die Bürger zu, die deren Leistungsfähigkeit überfordert. Die Folge solcher Ungereimtheiten sind Abgabenwiderstand und unerfreuliche Diskussionen. Einen Vorteil hat diese bisherige Regelung allerdings: Sie wirkt „disziplinierend“ auf die Kosten. Die gemolkenen Bürger schauten sich genau an, was die Gemeinde mit ihrem Geld macht.

Wir haben in diesem Blog derartige Abgaben immer wieder aus der Perspektive des Henry George-Theorem kritisiert.  Dabei haben wir dargestellt, dass es auch eine von der Politik beharrlich ignorierte Finanzierungsalternative gibt (siehe u.a. den Beitrag: “Horrende Abgaben für die örtliche Straßensanierung” vom 01.10.2014): Soweit die Ausgaben der Kommune tatsächlich nutzenstiftend sind, erhöhen sich auch die Bodenerträge und Bodenwerte entsprechend. Würden diese Vorteile durch eine Bodenwertsteuer (teilweise) abgeschöpft, würde derjenige die Maßnahmen finanzieren, der faktisch und tatsächlich durch sie begünstigt ist.  Zudem würde die Zahlung den Begünstigten nicht einmalig belasten, sondern nur so lange, wie er tatsächlich einen Nutzen aus der Maßnahme zieht.  Im derzeitigen Gerangel um die Reform der Grundsteuer wird eine solche Lösung von der Initiative “Grundsteuer: Zeitgemäß!” vertreten.

Die neuen Pläne der niedersächsischen Landesregierung greifen indessen zwar Teilaspekte derartiger Gedanken auf, bleiben jedoch grundsätzlich im deutschen Abgabenkuddelmuddel verhaftet. Künftig sollen zwar die bislang einmaligen Straßenausbaubeträge durch „wiederkehrende Beträge“ ersetzt werden können. Auch soll es möglich sein, den Kreis der Zahler zu erweitern. So könnten beispielsweise die Einwohner des gesamten Stadtteils oder jene in einem bestimmten Umkreis der Straße herangezogen werden.  Die Entkopplung von Nutznießer und Zahlendem wird so möglicherweise ein wenig zurückgeführt, aber nicht aufgehoben. Dabei entscheiden nach wie vor kommunalen Verwalter darüber, wer begünstigt wird und wer nicht – die Preissignale des Marktes werden weiterhin beiseite geschoben. Tragende Grundsätze deutscher Abgabenpolitik sind offenbar weiterhin: Warum Nutznießer belasten, wenn man auch unbeteiligte Dritte bluten lassen kann? Und: Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?  Komischerweise regt sich in diesem Land kaum jemand über so etwas auf.

 

 

VW, Deutsche Bank & Co.: Mehr Ethik in die Chefetagen?

Dirk Löhr

Die Reputation der deutschen Wirtschaft geht so langsam zum Teufel. Zuerst der Skandal um die Deutsche Bank – langsam hatte man sich ja daran gewöhnt. Der Mangel an staatlicher Aufsicht und Regularien machte es krimineller Energie innerhalb der Deutschen Bank leicht, sich entsprechende Bahnen zu verschaffen. Und nicht nur dort. Nun steht VW am Pranger, der Vorzeigeschüler der Autobranche. Und dies trotz aller staatlichen Fürsorge. Nein, besser deswegen.

ethik

Offenbar sah der Staat die ganze Zeit weg und lud auch hier quasi zu den Manipulationen ein. VW wurde blöderweise dabei ertappt – und es ist kein Zufall, dass dies nicht durch deutsche Behörden geschah. VW ist derzeit der böse Bube. Wahrscheinlich handelt es sich aber nur um die Spitze des Eisbergs.

Der Staat kümmert sich rührend um die deutsche Großindustrie, er hätschelt und pflegt sie. Für die vorzeitige Stilllegung von altersschwachen Braunkohlekraftwerken zahlt die Bundesregierung nun 1,61 Milliarden Euro an RWE, Vattenfall und Mibrag. Dadurch steigen die Netzentgelte, die auf die Verbraucher umgelegt werden, um rund 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Gabriel betonte den Wert der Einigung für den Klimaschutz. Die Abschaltung der Kraftwerke mit zusammen 2,7 Gigawatt Leistung soll den Ausstoß von CO2 um bis zu 12,5 Millionen Tonnen verringern. Die Kraftwerksleistung entspricht 13 Prozent der gesamten Braunkohleleistung, also nur einem sehr geringen Anteil. Dabei werden die Kraftwerke obendrein nicht endgültig geschlossen, sondern als Reservepark bewahrt. Dies ist u.a. deshalb relativ sinnlos, weil derartige Grundlastkraftwerke nicht beliebig rauf und runter gefahren werden können. Gegen die zunächst von Gabriel vorgeschlagene Strafabgabe für alte Kohlekraftwerke leistete die unheilige Allianz von Kohlelobby, Gewerkschaften und Länder erfolgreich Widerstand.

Schließlich Sanofi: Ein bewährtes Medikament gegen Blutkrebs wird vom Markt genommen. Ein Milligramm des Wirkstoffs  kostete bisher 21 Euro. Nun taucht es wieder auf, als Medikament gegen Multiple Sklerose. Der Preis desselben Medikaments ist auf 888 Euro gestiegen. Die hiesigen Regularien zur Preisgestaltung lassen dies zu, die aber auch gar nichts mit marktwirtschaftlichem Wettbewerb zu tun haben. Und erst recht nichts mit dem Wohl der Patienten.

Die Liste der jüngst hochgekommenen Vorfälle ließe sich noch verlängern. Doch schon diese abgekürzte Liste zeigt, dass sich der deutsche Staat offenbar als eine Serviceeinrichtung zur Sicherung der Rendite von Großunternehmen versteht – zu Lasten schlecht organisierter Gruppen wie Verbraucher, Patienten und Konsumenten. Ein verlängerter Hebel von Partikularinteressen kann aber eben keine Einrichtung sein, die sich um das Gemeinwohl kümmert. Wenn sich die Repräsentanten des Staates offenbar v.a. andere als die Interessen des Souveräns im Blick haben, darf nicht nur die Frage nach der demokratischen Legitimation gestellt werden – man muss sie stellen.  Ein von Sonderinteressen durchsetzter Staat, der sich den Interessen des Souveräns gegenüber gleichgültig verhält, ist weder ein starker noch ein demokratischer Staat. Dass in den Medien in diesem Zusammenhang immer wieder von fehlender Ethik innerhalb der Unternehmen gesprochen wird, gibt indessen nicht zu hoffen. Vielmehr sollten die Spielregeln so geschaffen sein, dass die Wirtschaft nicht auf Manager angewiesen ist, die im Verdacht der baldigen Heiligsprechung stehen.

Telepolis: Wer hat, dem wird gegeben?

Dirk Löhr

Bodenwertsteuer: Da freuen sich die Reichen, oder? Die Mieten steigen, und die Konzerne wie ihre Anteilseigner kommen ungeschoren davon. Wenn schon der IW Köln und Winston Churchill diesen Vorschlag unterstützen, kann da doch nicht viel Gutes bei herauskommen.

Mietpreise

So und ähnlich war der Tenor vieler Kommentare zum Telepolis-Beitrag “Die beste von allen schlechten Steuern” . In einem Folgebeitrag in Telepolis vom 3.11. werden ein paar Gründe dafür gebracht, warum diese und ähnliche Einwände ins Leere laufen:

Wer hat, dem wird gegeben?” (bitte klicken)