Category Archives: Intellectual Property Rights

Plusminus: Geplantes EU-Patentgericht

Dirk Löhr

Patente: Ein Privilegiensystem, auf dem Unternehmen wie Microsoft & Co. ihre Reiche gebaut haben.  Alternativen zum Patentrecht existieren, sie werden aber nicht diskutiert (Patentpools, Forschungsgutscheine, Ausschreibungen etc.). Nun gibt es innerhalb der EU eine neue Entwicklung: Künftig soll ein Patentgericht alle Fälle für alle Staaten verhandeln: “Ein Patent, ein Urteil”. Dies soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen helfen. Gemeint sind damit wohl kleinere und mittlere Unternehmen wie Siemens, VW etc. etc. Denn die Kosten für die Rechtsstreitigkeiten werden sich um den Faktor vier bis sechs vervielfachen – ein Risiko, das gerade für kleine und mittlere Unternehmen nicht tragbar ist.

Eine gute Zusammenfassung der Thematik ist zu sehen in Plusminus, Sendung vom 17.08.2016 (ARD):

Geplantes EU-Patentgericht: Nachteil für Kleinunternehmer?

Joseph E. Stiglitz: Rewriting the Rules

Dirk Löhr

A recent report, written by Nobel laureate economist Joseph Stiglitz along with Roosevelt Institute fellows Nell Abernathy, Adam Hersh, Susan Holmberg, and Mike Konczal — sheds another light on the contemporary economic problems.

It is not just one of distribution, the report argues. In fact, the economy is fundamentally broken, shot through with opportunities for the rich to get richer not by building wealth but through exploitation and taking.

The problem, Stiglitz and his co-authors write, is that the rise in wealth isn’t coming from productive investments. It’s coming from what economists call rents. Stiglitz and his co-authors apply the rent concept, which was originally connected with land, on a wide and more modern array of rents (such as patents or copyrights).

“Rent-seeking”, as economists call it, is generally viewed as economically counterproductive. It’s especially counterproductive when it becomes so lucrative as to provide a more attractive outlet for people’s money than real investments. The report’s authors argue that’s exactly what’s happening with Wall Street. Its growth has fueled a big rise in credit — credit that tends to go to those who already have wealth, often in the form of rents, exacerbating existing rent-based problems. Financiers have also identified novel ways to rent-seek.

Also the “too big to fail” status, for example, can count as a rent. It increases the value of firms like Goldman Sachs or JPMorgan Chase not by making them more productive, but by providing an implicit government subsidy. Trading mortgage-backed securities for profit, similarly, does little to actually increase wealth but a lot to redirect it. That makes it attractive as a business activity for banks and hedge funds, redirecting their energies from profitable activities that create wealth.

The report, originally published on May 12 by the Roosevelt Institute, can be downloaded here:

“Rewriting the Rules of the American Economy: An Agenda for Shared Prosperity” (please click)

The analysis is comprehensible, sometimes excellent. Although, the role of land taxation in the concert of expedient instruments proposed should have been stressed more.

 

Preisexzesse bei Medikamenten

Dirk Löhr

Preisexzesse bei neuen Medikamenten: Gesundheitsexperten und das Bundesgesundheitsministerium sind besorgt. Das ARD-Magazin FAKT (9.12.2014, 21:45) berichtete vom Fall des Medikaments “Sovaldi” des britischen Herstellers Gilead Sciences, das gegen das Hepatitis-C-Virus eingesetzt wird:

Experten warnen vor Preisexzessen bei Medikamenten
(bitte klicken)

Das Medikament kostet 700 Euro pro Tablette (!), eine gebrauchsübliche Packung wird vom Hersteller mit rund 20.000 Euro berechnet. Nach Ansicht des Gesundheitsökonomen Gerd Glaeske von der Universität Bremen wäre ein Preis pro Packung von 1.500 bis zu 2.500 Euro realistisch. Der Rest sind Monopolrenten. Allein für das genannte Medikament rechnen die Krankenkassen in diesem Jahr mit Ausgaben von bis zu 700 Millionen Euro. Das Gesundheitssystem kommt so an seine Grenzen.

Nach dem Arzneimittelneuordnungsgesetz können Hersteller die Preise für Medikamente, die neu auf den Markt kommen und eine wirksamere Therapie im Vergleich zu bisherigen Arzneien ermöglichen, zunächst frei festlegen. Innerhalb eines Jahres nach der Zulassung des Medikaments müssen sie mit den Krankenkassen über geringere Preise verhandeln, die ab dem 13. Monat gelten. Bis dahin sind der Preisbildung keine Obergrenzen gesetzt. An dieser Stelle setzen auch die Reformvorschläge an, formuliert z.B. durch den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach.

Nicht diskutiert werden freilich grundsätzliche Alternativen zum Rent Grabbing der Pharmakonzerne – das gilt auch für den ansonsten verdienstvollen FAKT-Beitrag. Die Konzerne nutzen ihre Monopolposition aus, die nicht nur durch das Arzneimittelneuordnungsgesetz, sondern v.a. durch das geltende Patentrecht gewährt werden. Selbstverständlich müssen Konzerne die Kosten der Forschung wieder einfahren. Das lässt sich jedoch auch mit institutionellen Alternativen bewerkstelligen, die kein Monopolrecht verbriefen und den Wettbewerb durch andere Pharmahersteller ermöglichen. Zu nennen sind hier z.B. Forschungsgutscheine, Patentpools oder Ausschreibungen: Die forschende Institution erhält eine Kompensation für ihre Aufwendungen, das Wissen steht aber für Wettbewerber danach frei zur Verfügung, wenn sie in den Markt eintreten wollen.

Im vorliegenden Fall hatte der Hersteller Gilead Sciences für die Übernahme des Unternehmens, das den Wirkstoff entwickelt hatte, 11 Mrd. Euro bezahlt. Dieser hohe Kaufpreis wiederum bildet die hohen Monopolrenten (in kapitalisierter Form) ab, die aufgrund des Patentschutzes zu erwarten sind. Das Geld muss wieder eingebracht werden, mit einer satten Rendite natürlich – zu Lasten der Versicherten.

Korrupte Weltgesundheitsorganisation

Dirk Löhr

Manchmal ist die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) schnell. Sehr schnell. Zu schnell. Da wird in Windeseile eine eigentlich gut beherrschbare Schweinegrippe zur globalen Pandemie der höchsten Warnstufe ausgerufen. Wie gut, wenn dann ein Pharmakonzern GlaxoSmithKline den passenden Impfstoff gerade im Schrank hat, der dann von den Regierungen dieser Welt in Massen gekauft wird. Gekauft wurden offenbar auch die zuständigen “Wissenschaftler” der WHO – aber von der Pharmaindustrie (vgl. Briseno 2009).

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Die Pflichtbeiträge der Staaten reichen für eine angemessene Finanzierung der WHO hinten und vorne nicht aus. Daher wurde der Pharmaindustrie eine Public Private Health-Partnerschaft angeboten, die diese mit Freuden annahm. Das Ergebnis: Seit 2001 hängt die WHO zunehmend mit ihren Finanzen am Tropf der Pharmaindustrie – derzeit werden ca. 75 % ihres Budgets von ca. 4 Mrd. US-Dollar durch “freiwillige Beiträge” aufgebracht. Und dies nicht aus purem Altruismus. Die edlen Spender möchten natürlich bei der Verwendung der Mittel mitreden.

Der Beitrag von Frontal 21 (ZDF) vom 21.10.2014

Zu spät und zu wenig – WHO versagt bei Ebola (bitte klicken)

illustriert diese Zusammenhänge eindrucksvoll.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum die WHO angesichts des jüngsten Ausbruchs von Ebola erstaunlich langsam und zögerlich war. Deutlicher: Die WHO hat versagt.

Warum der Tiefschlaf der Organisation? Die Pharmariesen haben hier kein Interesse – sie haben nichts zu verkaufen. Arme-Leute-Krankheiten interessieren sie nicht. Einen erheblichen Anteil hieran hat das internationale Patentrecht: Es verschafft Monopolpositionen und Monopolrenten in lukrativen Märkten. Dementsprechend werden die Ressourcen der Pharmaindustrie in Lifestyle-Medikamente und Medikamente zur Bekämpfung von Wohlstandskrankheiten gesteckt – Killer wie Ebola, TBC oder Schistosomiasis kommen weitgehend ungeschoren davon (s. unseren Beitrag “Ebola: Die eigentliche Seuche“).

Um das Vertrauen in die WHO wieder herzustellen, sollte zunächst ihre Neutralität wieder hergestellt werden. Dies geht nur über eine wesentliche Erhöhung der Pflichtbeiträge der Staaten und die Abkopplung von den Finanzmitteln der Industrie. Die WHO sollte finanziell in die Lage versetzt werden, auch ärmeren Staaten bei akuten Seuchenausbrüchen unter die Arme zu greifen. Dies ist durchaus auch im Interesse der wohlhabenden Staaten, wie die Angst vor dem Überschwappen der Seuche zeigt.

Die zweite Baustelle ist die der geistigen Eigentumsrechte. Das gegenwärtige Anreizsystem der Patente ist weder effizient noch effektiv (Löhr 2013). Sinnvoll wäre die Erstellung eines internationalen Patentpools (wenigstens für Medikamente), der von der WHO verwaltet werden könnte. Nur so kann der dringend notwendige Schub bei der Entwicklung von “Arme-Leute-Medikamente” angereizt werden.

 

Mehr Informationen:

Briseno, C. (2010): Schweinegrippe-Pandemie: Wie die WHO das Vertrauen der Verbraucher verseucht, in: Spiegel Online vom 09.06. Online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/schweinegrippe-pandemie-wie-die-who-das-vertrauen-der-verbraucher-verseucht-a-699427.html

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie – wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do

Ebola: Die eigentliche Seuche

Dirk Löhr (Kommentar)

Die Ebola-Epidemie ist außer Kontrolle. Zuverlässige und zugelassene Medikamente stehen in ausreichender Menge nicht zur Verfügung.

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Seit Beginn des letzten Ausbruchs verloren mehr als 1.000 Menschen ihr Leben, die Zahl dürfte sich mindestens noch verdoppeln. Zähneknirschend entschied sich die WHO angesichts der Situation sogar für den Einsatz ungetesteter Medikamente.

Es ist gut, dass diese Epidemie – welche die armen Schlucker dieser Welt betrifft – Aufmerksamkeit in den westlichen Medien findet. Schließlich könnte die Seuche ja auch zu uns hinüberschwappen.

Weniger gut ist, dass kaum ein Wort über die hunderttausende Menschen gesprochen wird, die jährlich an Malaria sterben. Ähnlich geht es mit TBC, Buruli Ulkus, der Schlafkrankheit, dem Dengue-Fieber und anderen Arme-Leute-Krankheiten. Letzteres ist das Stichwort. Dabei sind die betreffenden Krankheiten gute alte Bekannte. Geforscht wird aber kaum, da es sich nicht lohnt. Lieber investieren die Pharma-Konzerne in die Forschung an Lifestyle-Medikamenten:  Viagra, Faltencreme und Co. genießen in den Chefetagen der Konzerne eine entschieden höhere Priorität als die eigentlichen Plagen der Menschheit.

Doch selbst, wenn Medikamente vorhanden wären: Es stünde dann immer noch die Frage im Raum, ob diese angesichts der Kosten auch an die Massen der Betroffenen abgegeben werden könnten. Bei HIV wird dies jedenfalls zunehmend schwieriger, seit sich Indien – die Apotheke der Dritten Welt – in den Fängen der Welthandelsorganisation (WTO) verheddert hat.

Verwunderlich ist das alles nicht. Es hängt mit dem internationalen Patentsystem zusammen, das Forschung nur dann stimuliert, wenn ein Verwertungsmonopol in einem nachfragestarken Markt in Aussicht steht. Ein System an geistigen Eigentumsrechten, das durch WTO, TRIPs (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) und bilateralen TRIPs Plus-Abkommen immer weiter um sich greift.

Angeblich ist dieses Regime geistiger Eigentumsrechte alternativlos. Systeme wie ein internationaler Patentpool, u.U. kombiniert mit Forschungsgutscheinen oder Ausschreibungen (über die Grenzen hinweg), kommen in der öffentlichen Diskussion nicht vor. Über derartige Systeme könnte man jedoch Anreize für die Forschung schaffen, auch in Bezug auf die nicht so zahlungskräftige Mehrheit der Menschen auf unserem Planeten. Und man könnte den freien Zugang zu den Forschungsergebnissen ermöglichen – ohne prohibitive Monopolpreise, die nichts anderes als ökonomische Renten sind: Nämlich aus “virtuellem Land”. Ja, Patente sind dem Eigentum an Land nachgeäfft. Mit Patenten kann man all dies, was man mit Privateigentum an Land auch tun kann: Monopolrenten einstreichen, aber auch andere Marktteilnehmer blockieren (die berühmten “Schubladenpatente”). Und, nicht zuletzt auch die Kosten und Opportunitätskosten auf die Zeitgenossen abladen.

Dieses System an ökonomischen Renten und den sie stützenden Eigentumsrechten ist die eigentliche Seuche.

How Intellectual Property Reinforces Inequality – by Joseph E. Stiglitz

Since TTIP might be interpreted as a “TRIPS plus”-arrangement, the subsequent article about Intellectual Property Rights is very enlightening. The article is debunking the rent seeking intentions behind the IPR system, which shall be enforced and extended by plurinational trade agreements such as TTIP. The article is written by Joseph Stiglitz and published in New York Times at July, 14, 2013 – although it is very topical yet, regarding the negotiations between EU and US about the TTIP.

Click: http://opinionator.blogs.nytimes.com/2013/07/14/how-intellectual-property-reinforces-inequality/

Genmais und Demokratie

Dirk Löhr

Das Vorsorgeprinzip zielt darauf ab, trotz fehlender Gewissheit bezüglich Art, Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit von möglichen Schadensfällen vorbeugend zu handeln, um diese Schäden von vornherein zu vermeiden. Umwelt und Mitbürger sollen nicht als Versuchskaninchen verwendet werden; es soll nicht irreversibel in Systeme eingegriffen werden, die man noch nicht verstanden hat. Normalerweise wird das Vorsorgeprinzip in der europäischen Gesundheits- und Umweltpolitik hoch gehalten.

Normalerweise. Nicht normal, sondern außerordentlich wichtig sind die Interessen von Konzernen wie Monsanto, Pioneer, Dow AgroSciences, DuPont, Syngentha, BASF, Bayer etc. Diese wollen schon seit vielen Jahren Landwirte und Verbraucher mit genveränderten Organismen beglücken. Ohne, dass man wirklich genau weiß, welche Auswirkungen dies auf Nutzinsekten, bezüglich der genetischen Kontamination und schließlich auf die menschliche Gesundheit hat. Bezogen auf Mais könnte man versucht sein zu sagen: Was soll’s – schließlich ist die genetische Kontamination schon so weit fortgeschritten, dass schon heute so gut wie kein gentechnisch unbeeinflusster Mais mehr existiert. Auch durfte schon eine Sorte Genmais – MON 810 – für kommerzielle Zwecke angebaut werden. Zudem ist auch die Verfütterung von genetisch verändertem Mais schon erlaubt. Allerdings erreicht das, was nun ansteht, eine andere Dimension. Es werden Schleusen geöffnet. Der abermalige Anlauf von Monsanto, Pioneer & Co. scheint nun endlich Erfolg zu haben.

Zunächst hatte sich Deutschland bei einer Beratung zwischen den EU-Mitgliedstaaten über dieses Thema enthalten. So wurde die nötige Stimmenmehrheit gegen die Zulassung der Genmaissorte 1507 der Firma Pioneer blockiert. Eine deutliche Mehrheit der europäischen Staaten war nämlich gegen die Zulassung, allerdings ohne dass es – ohne die Beteiligung des Stimmenschwergewichtes Deutschlands – für ein “Nein” gereicht hätte. Nun liegt es nun bei der EU-Kommission. Gemeinhin wird erwartet, dass die Kommission der Einführung zustimmen wird; der Gesundheitskommissar Tonio Borg hat schon die Befürwortung der Zulassung signalisiert. Allein der Zeitpunkt ist ungewiss.

Die Haltung der Bundesregierung kann man freundlich als einen Schlingerkurs bezeichnen. 88 % der Deutschen sind gegen die weitere Einführung genveränderter Organismen. Dies wurde von der Bundesregierung schlichtweg ignoriert. Eine der Saatgutindustrie offenbar sehr freundlich gesonnene Administration im CDU-geführten Forschungsministerium sowie dem Vernehmen nach auch das Kanzleramt selbst setzen sich einfach über den Willen des Souveräns hinweg – zugunsten einer kleinen, stark organisierten Gruppe. Die Frage darf erlaubt sein: Wer ist hier wirklich der Souverän? Der Gentechnik-Experte der Grünen im Bundestag, Harald Ebner, brachte es auf den Punkt. Er attackierte die Kanzlerin wegen der Enthaltung. „Offenbar waren ihr (…) Rücksicht auf die Gentech-Lobby und gute Stimmung für die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA wichtiger als die Interessen der Menschen in Europa.“ Das Freihandelsabkommen wirft also schon seine Schatten. Und in ihrem üblichen Spagat zwischen der Representation des Mittelstandes und der Protektion von Privilegien hat die CDU wieder deutlich Schlagseite bekommen. Die CSU und SPD, die gegen die Einführung sind, versuchen nun, nach dem faulen Kompromiss auf EU-Ebene zumindest einen Anbau in Deutschland zu beschränken. Landwirtschaftsminister Friedrichs setzt sich für Regionalklauseln ein, wonach jedes Bundesland selbst über den Anbau entscheiden kann. Das dürfte allerdings zu zahm sein. Besser wäre – wie es die Umweltorganisation Greenpeace fordert – ein nationales Anbauverbot. Bisher können EU-Staaten den Anbau von Genpflanzen allerdings nur verbieten, falls Gefahr für Gesundheit oder Umwelt droht. Die EU-Kommission will das Verfahren reformieren und den Staaten mehr Spielraum für nationale Verbote geben. Dies gilt es zu nutzen.

Letztlich geht es bei der Einführung von genverändertem Mais um Patente auf Leben. Das Patentrecht ist aber dem Privateigentum an Land nachgebildet (Löhr 2013). Es geht um eine neue Art der „Einfriedung“, nun von „virtuellem Land“. Im Mittelpunkt stehen die ökonomischen Renten, die sich mit den Monopolrechten über das Leben erzielen lassen (rent-seeking). Zudem kann man, wie bei Land, Mitbewerber blockieren und behindern (daher z.B. strategische Patentportfolios). Ein hoher Teil der Kosten und Risiken wird auf unbeteiligte Dritte – hier v.a. den Verbraucher und die Umwelt – abgewälzt. Landwirte und die Landwirtschaft drohen zudem in immer stärkere Abhängigkeit von den Saatgutkonzernen zu geraten. Mit der Landwirtschaft wird auch der Verbraucher gefährdet. Eigentlich sollte die Regierung solchen Schaden vorsorgend abwenden. Sie macht das genaue Gegenteil.

Die Zulassung der  Genmaissorte 1507 ist ein wichtiger Etappensieg der Rent-Grabber. Ihr Raubzug geht über das Eigentumsrecht. Speziell das Eigentumsrecht an Land und das diesem nachgeäffte Patentrecht sind barbarisch – und Patente auf Leben sind ein besonders großer Rückschritt in längst überwunden geglaubte Zeiten. Es hat eine ähnliche Qualität wie die Leibeigenschaft und Sklaverei in früheren Zeiten. Damals beklagte man zwar Exzesse der Eigentümer, hielt derartige Institutionen aber grundsätzlich für unverzichtbar und normal. Heute hilft es wenig, die Einführung von Genmais (also das Symptom) zu beklagen, das Patentrecht (also die Ursache) als gottgegeben hinzunehmen. Mit der Aufklärung und dem Fortschritt ist es wohl lange noch nicht so weit, wie die meisten Menschen vielleicht glauben.

Literatur:

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do

Sueddeutsche.de vom 11.2.2013, online: http://www.sueddeutsche.de/news/politik/eu-genmais-1507-vor-der-zulassung-in-europa-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-140210-99-02840

Die neue Landnahme: Patente als virtueller Grundbesitz

Dirk Löhr

„Land“ im weiten Verständnis der klassischen Ökonomen umfasst über Grund und Boden hinaus auch Wasserrechte, Ölförderrechte etc., ja sogar die standörtliche Basis für Infrastrukturanlagen („essential facilities“) mit dem Charakter eines natürlichen Monopols. All dies „Land“ ist in der heutigen Rentenökonomie Gegenstand von „Einfriedungen“ – diese sind das Vehikel für das „rent grabbing.“ Mittlerweile geht es allerdings nicht mehr nur um physische Gegenstände, sondern auch um „virtuelles Land“, also solches, das nur durch Menschen – aufgrund gesetzten Rechts – kreiert wurde. Zu nennen sind hier Rechte am atmosphärischen Aufnahmespeicher (z.B. CO2-Zertifikate) oder v.a. auch „Geistige Eigentumsrechte“ („intellectual property rights“, kurz: „IPR“).

Ein Meilenstein für die „Einfriedung der Wissensallmende“ war das 1995 geschlossene TRIPs-Abkommen („Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights“). Was da schon fast wie eine Geschlechtskrankheit klingt, trägt tatsächlich maßgeblich zur Ausbreitung der Seuche der Rentenökonomie über den Globus bei. Das TRIPs-Abkommen wurde durch eine Koalition der 13 wichtigsten – international agierenden – US-Konzerne mit homogener Interessenlage 1986 vorbereitet, bevor es als GATT- bzw. WTO-Abkommen von den Regierungen willfährig umgesetzt wurde. Die EU-Kommission und das US-Patentamt bereiteten einen Fahrplan vor, um die „globale Patentharmonisierung“ voranzutreiben. Als Blaupause für das TRIPs-Abkommen diente das US-amerikanische Patentrecht. In den USA hatte man das Patentrecht und das Copyright (Urheberrecht) u.a. auf neue Schutzgegenstände wie Software, Geschäftsmethoden, Lebensformen und Gen-Sequenzen ausgedehnt. Nach TRIPs können die Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO keinen Technologiebereich mehr aus dem IPR-Regime ausschließen (Art. 27 Abs. 1 des TRIPs-Abkommens). Ausdrücklich wird die Patentierbarkeit von genetischem Material und Mikroorganismen zugelassen (Art. 27 Abs. 3b des TRIPs-Abkommens). Seit TRIPs stehen dementsprechend v.a. Software- und Biopatente im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Das ist kein Zufall. Beide Formen stellen neu geschaffenes, „virtuelles Land“ dar und skizzieren neue Trends bei der „Einfriedung der Allmende“:

–   Mit dem Siegeszug der Informationstechnologie wurden nicht nur Informations- und Transaktionskosten, sondern auch die Transportkosten in der Wirtschaft erheblich gesenkt. Heutzutage können z.B. in einem internationalen Konzern Meetings virtuell als Videokonferenzen abgehalten werden. Skizzen und Pläne werden zugemailt, danach wird darüber telefoniert. Man spart den Aufwand (Flugkosten, Zeit), der mit einer Reise verbunden ist. Damit verlieren jedoch tendenziell auch räumliche Standortvorteile (über Agglomerationen) an Bedeutung, die Bodenrente wird gedämpft, obwohl die Produktivität ansteigt. Die „virtuellen“ Einfriedungen, die mit den geistigen Eigentumsrechten (allen voran dem Patentrecht) vorgenommen werden, fangen allerdings die „diffundierende“ Bodenrente wieder ein – sie wird auf die geistigen Eigentumsrechte übertragen. Letztere gewannen daher relativ zu Boden im engen, physischen Sinne im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr an Bedeutung.

–   Eigentlich sollten nur Erfindungen, nicht jedoch Entdeckungen patentierbar sein. Gerade in der Biotechnologie verläuft die Grenze zwischen Erfindungen und Entdeckungen aber zunehmend fließend. Längst gilt nicht mehr der Satz: „… was die Natur schafft, kann nicht erfunden werden“ (Kohler 1900, S. 84). DNA enthält – anders als X-beliebige chemische Stoffe – Informationen über die Bildung von Proteinen, die allenfalls teilweise bekannt sind. Ein Patentanmelder kann schwerlich voraussehen, welche biologischen Funktionen eine DNA-Sequenz außer der von ihm erforschten sonst noch hat. Wenn das Patentrecht (wie in den USA) vom Anmelder keineswegs einfordert, alle Funktionen eines DNA-Abschnitts, sondern nur eine der möglichen Funktionen zu kennen, entsteht „ein wissenschaftlich wie wirtschaftlich völlig unsinniges Monopolrecht, das Forschung und Entwicklung sehr viel eher hemmt, als es sie fördern könnte.“ (Greenpeace 2004). Das Patent deckt nämlich alle, auch die noch unerforschten Anwendungen (!) mit ab. Soweit Entdeckungen patentiert werden, geht es ganz offensichtlich nicht mehr um die Stimulierung des Erfindungsprozesses, sondern um das Abstecken von möglichst weiten „Claims“. In Europa ist dieser Aspekt jedoch heftig in der Diskussion – hoffentlich können die diesbezüglichen Fehlentwicklungen nachhaltig verhindert werden.

Nun mögen die Bedenken gegen Eigentumsrechte auf Entdeckungen ja berechtigt sein, doch was ist mit Erfindungen? Die Rechtfertigung der Eigentumsrechtstheoretiker läuft ja über das Effizienzargument: Eigentumsrechte sollen demjenigen, der der Gesellschaft einen Nutzen über seine geistigen Leistungen verschafft, einen Teil davon zukommen lassen. Nutzen und Kosten sollen daher aneinander gekoppelt werden. Was zunächst wie ein durchaus vernünftiger Gedanke aussieht, ist bei näherem Hinsehen aber mit Pferdefüßen behaftet. Patente tragen nämlich durchaus nicht so sehr zur Steigerung der volkswirtschaftlichen Effizienz bei, wie von ihren Befürwortern vorgegeben. Sie leiden vielmehr an denselben Mängeln, die wir schon mehrfach in diesem Blog bei Privateigentum an Grund und Boden identifiziert haben: Im Mittelpunkt steht die private Vereinnahmung von Nutzen aus ökonomischen Renten und Blockaden durch starke, gut organisierte Gruppen – sowie die Abwälzung der damit verbundenen Kosten auf schwach organisierte Gruppen. Wie wichtig das Renten- und Blockademotiv ist, macht eine Umfrage des IW-Zukunftspanels (2006) deutlich (Eckl 2008, S. 778): Die Motivation für die Patentierung der in Patentindustrien tätigen Unternehmen wurde von der Erzielung von Monopolrenten („exklusive kommerzielle Nutzung“, 87,1 %) und der strategischen Blockade von Konkurrenten (81,9 %) angeführt.

Blicken wir zunächst auf die ökonomischen Renten. Das Patentrecht räumt mit den exklusiven Verwertungsrechten eine Monopolposition ein. Handelt es sich um Produktpatente, können die begünstigten Unternehmen einen erhöhten, weit über den Produktionskosten liegenden Preis verlangen. Dies geht i.d.R. mit einer willkürlichen Angebotsbeschränkung einher. Die Konsequenz ist ein Wohlfahrtsverlust, verglichen mit einem Zustand vollkommener Konkurrenz. Nun haben Produktpatente die wesentlichen Eigenschaften „absoluter Monopole“ – anders als Verfahrenspatente, deren Ähnlichkeit zum „Archetypus“ Land dafür umso stärker ist. V.a. Verfahrenspatente können daher als „virtuelles Land“ begriffen werden. Die meisten Verfahrensinnovationen senken nur die Kosten eines bereits bekannten und eingeführten Produkts. Wenn die Konkurrenten aber von den leistungsfähigen Technologien ausgeschlossen werden, müssen sie auf zweit- oder drittbeste Lösungen zurückgreifen. Sie werden damit also auf zweit- und drittbestes „virtuelles Land“ abgedrängt – mit der Folge einer geringeren Produktivität und höherer (Grenz-) Kosten. Dabei wird der „virtuelle Grenzboden“ durch die bisherige Produktionsweise bestimmt. Dessen Grenzkosten bestimmen auch den Preis, so dass die Segnungen der neuen Technologie nicht beim Verbraucher ankommen. Nur der Inhaber des Verfahrenspatentes profitiert von den Produktivitätsfortschritten. Wird z.B. ein neues Verfahren zur billigeren Herstellung von Lithiumbatterien patentiert, hätte das betreffende Unternehmen einen entscheidenden Kostenvorsprung gegenüber der Konkurrenz, die mit den alten Verfahren produzieren muss. So ergeben sich für die Okkupanten des besten virtuellen Landes Renten.

Was die Kosten der Inwertsetzung betrifft, stellt die Basis für die Forschung einerseits eine größtenteils immer noch öffentlich finanzierte Schul- und Hochschullandschaft dar. Nicht zu vergessen ist die lang zurückreichende Kultur- und Geistesgeschichte: Bei Erfindungen handelt es sich um eine Momentaufnahme aus einem kontinuierlich laufenden, kumulativen und potenziell nicht zu einem Ende kommenden sozialen Prozess, wobei auch die kreativsten Innovatoren ihr Material aus einem bislang allgemein zugänglichen Fundus („Wissensallmende“) beziehen (Stiglitz 2006). Isaac Newton:

„If I have seen further, it is by standing on the shoulders of giants.“

In den meisten Fällen kombiniert ein Neuerer lediglich bestimmte Elemente und Bestandteile neu. Dabei ist oft sehr unklar, welche originäre Leistung ihm wirklich zuzusprechen ist. Dementsprechend wurde schon von Polanyi die Auffassung kritisiert, man könne den wissenschaftlichen Fortschritt beliebig „zerhacken“ und sodann in Form von Eigentumsrechten aussondern und verteilen (Polyani 1944).

Wenn man von den ökonomischen Renten absieht, entsteht individueller Nutzen aus Patenten v.a. aus den Blockademöglichkeiten. Im Bereich des Patentrechts sind „offensive“ oder „defensive“ Blockadestrategien zu nennen. Solche Strategien werden eben gerade mit solchen Patenten durchgeführt, bei denen es von vornherein nicht um die Verwertung geht. Von sog. „defensiven Blockaden“ spricht man, wenn Firmen patentieren, um zu verhindern, dass ihr eigener technologischer Spielraum durch Patente anderer verringert wird. Anders bei „offensiven Blockaden“: Hier patentieren Firmen, um andere Unternehmen davon abzuhalten, in gleichen oder angrenzenden Anwendungsfeldern eigene technische Erfindungen zu nutzen. D.h. es werden Patentmauern um die eigene Erfindung errichtet und umfangreicher patentiert, als es für den Schutz der technischen Erfindung notwendig wäre. Zweit- und drittbeste technische Lösungen werden aber nicht nur von den Inhabern der Patente, sondern auch von Konkurrenten patentiert – mit dem Ziel, einen „virtuellen Großgrundbesitz“ zu schaffen, auf dessen Gebiet die Konkurrenz ausgeschaltet ist. Solche Patentierungsstrategien schließen auch das häufig diskutierte Motiv ein, Patentrechtsverletzungsklagen zu begegnen. Möglicherweise kann – bei einem entsprechend ausgestatteten Patentportfolio – bei einem Angriff sogar sofort mit einer Gegenklage „gekontert“ und der größte Schaden durch einen Vergleich oder einen Patenttausch abgewendet werden. Die Möglichkeit strategischer Blockaden prägt dementsprechend auch den Charakter des Wettbewerbs: Nicht Leistungswettbewerb ist angesagt, sondern Behinderungswettbewerb. Um in einer Metapher zu sprechen, richten die Wettstreiter ihre Energien nicht primär darauf, als Schnellste in das Ziel zu gelangen, sondern den Mitbewerbern Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Dieser Behinderungswettbewerb begünstigt gleichzeitig eine Tendenz zur Monopolisierung.

Ein lehrreiches Beispiel für die Schaffung „virtueller Haziendas“ ist die patentintensive Pharma- und Chemieindustrie: So gingen Unternehmen wie Pfizer, AstraZeneca, Sanofi-Aventis etc. allesamt aus Konzentrations- und Fusionswellen hervor. Die privaten Patentpools, die mittels solcher Fusionen geschaffen werden, stellen den besten Beweis dafür dar, wie ineffizient das Patentsystem ist. Weil eben über die „Mauern des Wissens“ der Zugang zu den besten Standorten versperrt war, werden diese von den Konzernlenkern über den Aufkauf von Unternehmen niedergerissen. So entstand u.a. auch der „integrierte Technologiekonzern“ des Edzard Reuter (Daimler), der sich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten jedoch nicht als das „Gelbe vom Ei“ präsentierte (keine Konzentration auf Kernkompetenzen). Die IPRs stimulierten auch hier also keinesfalls die optimale Allokation der Ressourcen. Am Ende scheiterte die Konzeption. Hierbei trugen wenigstens noch die Aktionäre als Nutznießer einen Teil der Kosten. Das ist aber keineswegs die Regel.

Die oben beschriebenen Blockaden betrafen Anwendungen. Schon hier kam zum Ausdruck, dass dem Nutzen des Einen Kosten der Anderen gegenüberstehen. Die Blockade beginnt aber noch viel früher, nämlich bei der Forschung. Nicht unähnlich wie im Roman „Cimarron“ von Edna Ferber, der u.a. die Landnahme im Wilden Westen Amerikas beschreibt, findet auch ein regelrechter „Run“ auf das „virtuelle Land“ statt. Damals stürmten die Kutschen und Pferde los, um als erste vor dem Land Office ihre Claims zu markieren. Nicht immer ging es dabei fair, schon gar nicht kooperativ zu. „First-come, first-served“, war das Motto. Im Wettlauf um das „virtuelle Land“ verhalten sich die verschiedenen Einrichtungen, Labore etc. ähnlich. Sie forschen ohne Austausch am selben Gegenstand vor sich hin, anstatt ihre Kräfte arbeitsteilig zu bündeln und sich gegenseitig zu befruchten. Die Wissenschaftler haben Angst, der „Konkurrenz“ eventuell den entscheidenden Vorsprung beim Rennen zum Patentamt in die Hand zu geben. Ohne Interaktion und Netzwerkbildung ist aber das „soziale Gehirn“ weniger leistungsfähig. Nützliche Erfindungen können nicht das Licht der Welt erblicken; unterlassener Austausch bedeutet stattdessen gesellschaftliche Kosten. Viele Anwendungen sind so sehr mit Patenten belegt, dass – v.a. im mager ausgestatteten öffentlichen Bereich – die Forschung mehr und mehr verunmöglicht wird. Die diversen „Synapsen des gesellschaftlichen Gehirns“ werden also blockiert. Genauso, wie blockierte Synapsen die Leistungsfähigkeit des individuellen Gehirns beeinträchtigen, gilt dies für die Gesamtgesellschaft. Und wieder einmal werden Kosten – diesmal Blockadekosten – auf Dritte abgewälzt: Beispielsweise erregte 1999 die Resistenz des Bakteriums Staphylococcus aureus (der u.a. Lungenentzündungen und Wundinfektionen hervorruft) gegen alle Antibiotika Aufmerksamkeit. Die unkontrollierte Ausbreitung des Bakteriums wurde befürchtet, ohne dass wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden konnten. Dafür wurden auch die Genom-Firmen mit ihrer Geheimhaltungspolitik verantwortlich gemacht. Es geht aber noch weiter, denn die Blockademöglichkeiten führen teilweise zu richtigen Auswüchsen. So gibt es Unternehmen, deren Geschäftsmodell vornehmlich darin besteht, Patente zu halten (nicht etwa zu nutzen!) und andere Unternehmen zu verklagen, wenn diese die betreffenden Technologien anwenden. In den vergangenen 20 Jahren wurde der Börsenwert von US-Unternehmen durch derartige Aktivitäten um insgesamt rd. 500 Milliarden Dollar gedrückt. In den USA verbieten Unternehmen ihren Ingenieuren die Lektüre von Patentschriften – aus Furcht, dass diese sich in ihrer täglichen Arbeit daran erinnern könnten. Wissentliche Patentrechtsverletzungen werden nämlich erheblich härter geahndet als unwissentliche. Wie sehr ein solches Vorgehen der Diffusion von Wissen dient, muss nicht erläutert werden.

Es sollte zu denken geben, wenn selbst Landes und Posner als wichtige Protagonisten des eingangs genannten Property Rights-Paradigmas zu dem Schluss kommen, dass die Anreizwirkungen von geistigen Eigentumsrechten auf Basis des gegenwärtigen Wissens nicht überzeugend zu verteidigen sind (Landes / Posner 2003). Soweit das „gesellschaftliche Gehirn“ durch die Blockaden hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, entstehen Kosten und Wohlfahrtsverluste, die zu einem großen Teil von der Gesellschaft getragen werden (z.B. Forschung an Substitutionserfindungen, weil die besten Lösungen blockiert sind).

Am Beispiel des Patentwesens lässt sich ebenfalls gut darstellen, dass nicht nur die Allokation, sondern auch die Verteilung von „Land“ i.w.S. ein gravierendes Problem darstellen kann. Dies betrifft v.a. die Zugangsdiskriminierung zu lebensnotwendigen Produkten. So verunmöglichen monopolistisch überhöhte Preise bei Produktpatenten die angemessene medizinische Behandlung vieler Menschen in Ländern der Dritten Welt, die nicht die erforderliche „Zahlungsbereitschaft“ artikulieren können. Bei der Behandlung von HIV / Aids ist das Problem weniger die mangelnde Forschung als vielmehr der schwierige Zugang zu den Medikamenten. Von ca. zehn Millionen HIV-Infizierten in Entwicklungsländern, die eine antiretrovirale Therapie bräuchten, erhalten sie ungefähr drei Millionen. Dass überhaupt so viele Menschen derzeit Behandlung erhalten, ist auf die Produktion von Generika zurückzuführen. So können z.B. aus Indien noch solche Medikamente billig erworben werden, die noch vor Gründung der WTO erfunden wurden. In bestimmten Situationen sind auch nach TRIPs Zwangslizenzen möglich. Diesen Weg beschritt Thailand im Jahr 2006 in Bezug auf zwei HIV / Aids-Medikamente und ein Herz-Kreislauf-Medikament. Umgehend wurde allerdings massiver politischer Druck auf Thailand ausgeübt, nicht zuletzt von Seiten der EU.

Zusammenfassend unterscheiden sich die Charakteristika des Patentwesens gar nicht so sehr von Grund und Boden: Auch bei Patenten sind Nutzen und Kosten entkoppelt. Wieder kommen die Nutzen v.a. gut organisierten, mächtigen Wirtschaftsinteressen zugute, während die Kosten zu einem hohen Teil externalisiert werden: Individueller Nutzen kann sowohl aus Patentblockaden wie auch aus Monopolrenten entstehen. Die Kosten der Zugangsbeschränkungen tragen Dritte, und auch die Inwertsetzung wird zu einem erheblichen Teil durch die Gemeinschaft getragen (Kultur- und Wissensschatz, öffentliche Bildungseinrichtungen etc.).

Wie sieht es mit Alternativen aus? Vollkommen klar ist, dass das Patentrecht nicht ersatzlos gestrichen werden kann. Der Dreh- und Angelpunkt ist wiederum das Zusammenführen von Nutzen und Kosten. Wer externen Nutzen erzeugt und dabei Kosten trägt, soll auch entschädigt werden. Gerade dies wird aber durch das Patentwesen nicht erreicht – genauso wenig wie beim Privateigentum an Grund und Boden.

Ohne Vollständigkeit anzustreben, einige Beispiele für alternative Gestaltungsmöglichkeiten: Es könnten (internationale) Patentpools errichtet werden. Die Teilnehmer (-staaten) zahlen in diese ein. Aus den Pools werden die Erfinder kompensiert (zur Begutachtung der Erfindungen und des Kostenersatzes können Institutionen wie z.B. die Max-Planck- oder Fraunhofer-Gesellschaft eingeschaltet werden). Das betreffende Wissen steht allen Teilnehmern des Patentpools zur Verfügung. Ähnlich funktionieren Forschungsgutscheine. In besonders dringlichen Fällen könnte man an Ausschreibungen denken: Beispielsweise bekommt im Falle einer Grippeepidemie dasjenige Unternehmen eine Summe von sagen wir einmal 50 Mio. Euro, welches als erstes – möglichst bis zum Zeitpunkt Y – ein effektives Medikament bereitstellt. Dieses wird aber – anders als heute – ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen.

Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.doc – mit weiteren Literaturverweisen

Weitere Literatur:

J. Eckl (2008): Geistige Eigentumsrechte – Motor oder Bremse der Wirtschaftsentwicklung?, Wirtschaftsdienst 12, S. 767-783.

Greenpeace (2004), Die wahren Kosten der Gen-Patente, Hamburg.

J. Kohler (1900), Handbuch des Deutschen Patentrechts in rechtsvergleichender Darstellung, Mannheim.

W. M. Landes / R. A. Posner (2003), The Economic Structure of Intellectual Property Law. Cambridge / Mass, (The Belknap Press of Harvard University Press).

M. Polanyi (1944): Patent Reform, Review of Economic Studies, Bd. XI, S. 70 / 71.

J. Stiglitz (2006), Making Globalization Work – the Next Steps to Global Justice, London (Penguin group).