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Korrupte Weltgesundheitsorganisation

Dirk Löhr

Manchmal ist die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) schnell. Sehr schnell. Zu schnell. Da wird in Windeseile eine eigentlich gut beherrschbare Schweinegrippe zur globalen Pandemie der höchsten Warnstufe ausgerufen. Wie gut, wenn dann ein Pharmakonzern GlaxoSmithKline den passenden Impfstoff gerade im Schrank hat, der dann von den Regierungen dieser Welt in Massen gekauft wird. Gekauft wurden offenbar auch die zuständigen “Wissenschaftler” der WHO – aber von der Pharmaindustrie (vgl. Briseno 2009).

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Die Pflichtbeiträge der Staaten reichen für eine angemessene Finanzierung der WHO hinten und vorne nicht aus. Daher wurde der Pharmaindustrie eine Public Private Health-Partnerschaft angeboten, die diese mit Freuden annahm. Das Ergebnis: Seit 2001 hängt die WHO zunehmend mit ihren Finanzen am Tropf der Pharmaindustrie – derzeit werden ca. 75 % ihres Budgets von ca. 4 Mrd. US-Dollar durch “freiwillige Beiträge” aufgebracht. Und dies nicht aus purem Altruismus. Die edlen Spender möchten natürlich bei der Verwendung der Mittel mitreden.

Der Beitrag von Frontal 21 (ZDF) vom 21.10.2014

Zu spät und zu wenig – WHO versagt bei Ebola (bitte klicken)

illustriert diese Zusammenhänge eindrucksvoll.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum die WHO angesichts des jüngsten Ausbruchs von Ebola erstaunlich langsam und zögerlich war. Deutlicher: Die WHO hat versagt.

Warum der Tiefschlaf der Organisation? Die Pharmariesen haben hier kein Interesse – sie haben nichts zu verkaufen. Arme-Leute-Krankheiten interessieren sie nicht. Einen erheblichen Anteil hieran hat das internationale Patentrecht: Es verschafft Monopolpositionen und Monopolrenten in lukrativen Märkten. Dementsprechend werden die Ressourcen der Pharmaindustrie in Lifestyle-Medikamente und Medikamente zur Bekämpfung von Wohlstandskrankheiten gesteckt – Killer wie Ebola, TBC oder Schistosomiasis kommen weitgehend ungeschoren davon (s. unseren Beitrag “Ebola: Die eigentliche Seuche“).

Um das Vertrauen in die WHO wieder herzustellen, sollte zunächst ihre Neutralität wieder hergestellt werden. Dies geht nur über eine wesentliche Erhöhung der Pflichtbeiträge der Staaten und die Abkopplung von den Finanzmitteln der Industrie. Die WHO sollte finanziell in die Lage versetzt werden, auch ärmeren Staaten bei akuten Seuchenausbrüchen unter die Arme zu greifen. Dies ist durchaus auch im Interesse der wohlhabenden Staaten, wie die Angst vor dem Überschwappen der Seuche zeigt.

Die zweite Baustelle ist die der geistigen Eigentumsrechte. Das gegenwärtige Anreizsystem der Patente ist weder effizient noch effektiv (Löhr 2013). Sinnvoll wäre die Erstellung eines internationalen Patentpools (wenigstens für Medikamente), der von der WHO verwaltet werden könnte. Nur so kann der dringend notwendige Schub bei der Entwicklung von “Arme-Leute-Medikamente” angereizt werden.

 

Mehr Informationen:

Briseno, C. (2010): Schweinegrippe-Pandemie: Wie die WHO das Vertrauen der Verbraucher verseucht, in: Spiegel Online vom 09.06. Online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/schweinegrippe-pandemie-wie-die-who-das-vertrauen-der-verbraucher-verseucht-a-699427.html

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie – wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do

Ebola: Die eigentliche Seuche

Dirk Löhr (Kommentar)

Die Ebola-Epidemie ist außer Kontrolle. Zuverlässige und zugelassene Medikamente stehen in ausreichender Menge nicht zur Verfügung.

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Seit Beginn des letzten Ausbruchs verloren mehr als 1.000 Menschen ihr Leben, die Zahl dürfte sich mindestens noch verdoppeln. Zähneknirschend entschied sich die WHO angesichts der Situation sogar für den Einsatz ungetesteter Medikamente.

Es ist gut, dass diese Epidemie – welche die armen Schlucker dieser Welt betrifft – Aufmerksamkeit in den westlichen Medien findet. Schließlich könnte die Seuche ja auch zu uns hinüberschwappen.

Weniger gut ist, dass kaum ein Wort über die hunderttausende Menschen gesprochen wird, die jährlich an Malaria sterben. Ähnlich geht es mit TBC, Buruli Ulkus, der Schlafkrankheit, dem Dengue-Fieber und anderen Arme-Leute-Krankheiten. Letzteres ist das Stichwort. Dabei sind die betreffenden Krankheiten gute alte Bekannte. Geforscht wird aber kaum, da es sich nicht lohnt. Lieber investieren die Pharma-Konzerne in die Forschung an Lifestyle-Medikamenten:  Viagra, Faltencreme und Co. genießen in den Chefetagen der Konzerne eine entschieden höhere Priorität als die eigentlichen Plagen der Menschheit.

Doch selbst, wenn Medikamente vorhanden wären: Es stünde dann immer noch die Frage im Raum, ob diese angesichts der Kosten auch an die Massen der Betroffenen abgegeben werden könnten. Bei HIV wird dies jedenfalls zunehmend schwieriger, seit sich Indien – die Apotheke der Dritten Welt – in den Fängen der Welthandelsorganisation (WTO) verheddert hat.

Verwunderlich ist das alles nicht. Es hängt mit dem internationalen Patentsystem zusammen, das Forschung nur dann stimuliert, wenn ein Verwertungsmonopol in einem nachfragestarken Markt in Aussicht steht. Ein System an geistigen Eigentumsrechten, das durch WTO, TRIPs (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) und bilateralen TRIPs Plus-Abkommen immer weiter um sich greift.

Angeblich ist dieses Regime geistiger Eigentumsrechte alternativlos. Systeme wie ein internationaler Patentpool, u.U. kombiniert mit Forschungsgutscheinen oder Ausschreibungen (über die Grenzen hinweg), kommen in der öffentlichen Diskussion nicht vor. Über derartige Systeme könnte man jedoch Anreize für die Forschung schaffen, auch in Bezug auf die nicht so zahlungskräftige Mehrheit der Menschen auf unserem Planeten. Und man könnte den freien Zugang zu den Forschungsergebnissen ermöglichen – ohne prohibitive Monopolpreise, die nichts anderes als ökonomische Renten sind: Nämlich aus “virtuellem Land”. Ja, Patente sind dem Eigentum an Land nachgeäfft. Mit Patenten kann man all dies, was man mit Privateigentum an Land auch tun kann: Monopolrenten einstreichen, aber auch andere Marktteilnehmer blockieren (die berühmten “Schubladenpatente”). Und, nicht zuletzt auch die Kosten und Opportunitätskosten auf die Zeitgenossen abladen.

Dieses System an ökonomischen Renten und den sie stützenden Eigentumsrechten ist die eigentliche Seuche.