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Preisexzesse bei Medikamenten

Dirk Löhr

Preisexzesse bei neuen Medikamenten: Gesundheitsexperten und das Bundesgesundheitsministerium sind besorgt. Das ARD-Magazin FAKT (9.12.2014, 21:45) berichtete vom Fall des Medikaments “Sovaldi” des britischen Herstellers Gilead Sciences, das gegen das Hepatitis-C-Virus eingesetzt wird:

Experten warnen vor Preisexzessen bei Medikamenten
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Das Medikament kostet 700 Euro pro Tablette (!), eine gebrauchsübliche Packung wird vom Hersteller mit rund 20.000 Euro berechnet. Nach Ansicht des Gesundheitsökonomen Gerd Glaeske von der Universität Bremen wäre ein Preis pro Packung von 1.500 bis zu 2.500 Euro realistisch. Der Rest sind Monopolrenten. Allein für das genannte Medikament rechnen die Krankenkassen in diesem Jahr mit Ausgaben von bis zu 700 Millionen Euro. Das Gesundheitssystem kommt so an seine Grenzen.

Nach dem Arzneimittelneuordnungsgesetz können Hersteller die Preise für Medikamente, die neu auf den Markt kommen und eine wirksamere Therapie im Vergleich zu bisherigen Arzneien ermöglichen, zunächst frei festlegen. Innerhalb eines Jahres nach der Zulassung des Medikaments müssen sie mit den Krankenkassen über geringere Preise verhandeln, die ab dem 13. Monat gelten. Bis dahin sind der Preisbildung keine Obergrenzen gesetzt. An dieser Stelle setzen auch die Reformvorschläge an, formuliert z.B. durch den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach.

Nicht diskutiert werden freilich grundsätzliche Alternativen zum Rent Grabbing der Pharmakonzerne – das gilt auch für den ansonsten verdienstvollen FAKT-Beitrag. Die Konzerne nutzen ihre Monopolposition aus, die nicht nur durch das Arzneimittelneuordnungsgesetz, sondern v.a. durch das geltende Patentrecht gewährt werden. Selbstverständlich müssen Konzerne die Kosten der Forschung wieder einfahren. Das lässt sich jedoch auch mit institutionellen Alternativen bewerkstelligen, die kein Monopolrecht verbriefen und den Wettbewerb durch andere Pharmahersteller ermöglichen. Zu nennen sind hier z.B. Forschungsgutscheine, Patentpools oder Ausschreibungen: Die forschende Institution erhält eine Kompensation für ihre Aufwendungen, das Wissen steht aber für Wettbewerber danach frei zur Verfügung, wenn sie in den Markt eintreten wollen.

Im vorliegenden Fall hatte der Hersteller Gilead Sciences für die Übernahme des Unternehmens, das den Wirkstoff entwickelt hatte, 11 Mrd. Euro bezahlt. Dieser hohe Kaufpreis wiederum bildet die hohen Monopolrenten (in kapitalisierter Form) ab, die aufgrund des Patentschutzes zu erwarten sind. Das Geld muss wieder eingebracht werden, mit einer satten Rendite natürlich – zu Lasten der Versicherten.

Ebola: Die eigentliche Seuche

Dirk Löhr (Kommentar)

Die Ebola-Epidemie ist außer Kontrolle. Zuverlässige und zugelassene Medikamente stehen in ausreichender Menge nicht zur Verfügung.

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Seit Beginn des letzten Ausbruchs verloren mehr als 1.000 Menschen ihr Leben, die Zahl dürfte sich mindestens noch verdoppeln. Zähneknirschend entschied sich die WHO angesichts der Situation sogar für den Einsatz ungetesteter Medikamente.

Es ist gut, dass diese Epidemie – welche die armen Schlucker dieser Welt betrifft – Aufmerksamkeit in den westlichen Medien findet. Schließlich könnte die Seuche ja auch zu uns hinüberschwappen.

Weniger gut ist, dass kaum ein Wort über die hunderttausende Menschen gesprochen wird, die jährlich an Malaria sterben. Ähnlich geht es mit TBC, Buruli Ulkus, der Schlafkrankheit, dem Dengue-Fieber und anderen Arme-Leute-Krankheiten. Letzteres ist das Stichwort. Dabei sind die betreffenden Krankheiten gute alte Bekannte. Geforscht wird aber kaum, da es sich nicht lohnt. Lieber investieren die Pharma-Konzerne in die Forschung an Lifestyle-Medikamenten:  Viagra, Faltencreme und Co. genießen in den Chefetagen der Konzerne eine entschieden höhere Priorität als die eigentlichen Plagen der Menschheit.

Doch selbst, wenn Medikamente vorhanden wären: Es stünde dann immer noch die Frage im Raum, ob diese angesichts der Kosten auch an die Massen der Betroffenen abgegeben werden könnten. Bei HIV wird dies jedenfalls zunehmend schwieriger, seit sich Indien – die Apotheke der Dritten Welt – in den Fängen der Welthandelsorganisation (WTO) verheddert hat.

Verwunderlich ist das alles nicht. Es hängt mit dem internationalen Patentsystem zusammen, das Forschung nur dann stimuliert, wenn ein Verwertungsmonopol in einem nachfragestarken Markt in Aussicht steht. Ein System an geistigen Eigentumsrechten, das durch WTO, TRIPs (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) und bilateralen TRIPs Plus-Abkommen immer weiter um sich greift.

Angeblich ist dieses Regime geistiger Eigentumsrechte alternativlos. Systeme wie ein internationaler Patentpool, u.U. kombiniert mit Forschungsgutscheinen oder Ausschreibungen (über die Grenzen hinweg), kommen in der öffentlichen Diskussion nicht vor. Über derartige Systeme könnte man jedoch Anreize für die Forschung schaffen, auch in Bezug auf die nicht so zahlungskräftige Mehrheit der Menschen auf unserem Planeten. Und man könnte den freien Zugang zu den Forschungsergebnissen ermöglichen – ohne prohibitive Monopolpreise, die nichts anderes als ökonomische Renten sind: Nämlich aus “virtuellem Land”. Ja, Patente sind dem Eigentum an Land nachgeäfft. Mit Patenten kann man all dies, was man mit Privateigentum an Land auch tun kann: Monopolrenten einstreichen, aber auch andere Marktteilnehmer blockieren (die berühmten “Schubladenpatente”). Und, nicht zuletzt auch die Kosten und Opportunitätskosten auf die Zeitgenossen abladen.

Dieses System an ökonomischen Renten und den sie stützenden Eigentumsrechten ist die eigentliche Seuche.

Krieg der Patente: Intelligente Bomben auf die verblödete Bevölkerung

Dirk Löhr

Ein sehr sehenswerter Film von Hannah Leonie Prinzler auf Arte: http://future.arte.tv/de/patente

Er sollte wie immer schnell angeguckt werden, da die Mediatheken zum Schutz der geistigen Eigentumsrechte schnell gesäubert werden müssen. Was der Film natürlich nicht bringt: Patente sind dem Privateigentum an Grund und Boden nachgeäfft. Man kann mit diesen “virtuellen Grundstücken” all das machen, was auch mit physischen Grundstücken möglich ist: Eine Monopolrente erzielen, andere Marktteilnehmer blockieren, und die Kosten der Inwertsetzung und des Verzichts auf schlecht organisierte Dritte abwälzen. Wenn die Patente als “intelligente Bomben” (Kevin Rivette) bezeichnet werden, wandeln wir auf dem Privateigentum an Grund und Boden sowie natürlichen Ressourcen die ganze Zeit auf einem Minenfeld. Der Bevölkerung wird allerdings die ganze Zeit von Wissenschaft und Mainstream-Medien erfolgreich eingehämmert, dass all diese Aneignungsmechanismen der Wohlfahrt zuträglich sind.