Baulandmodelle: Kommunaler Zwischenerwerb mit Erbbaurecht?

Dirk Löhr

Das Erbbaurecht erlebt eine Renaissance. Immer mehr Kommunen sind bestrebt, auch bei Zwischenerwerbsmodellen der Baulandentwicklung die Grundstücke über Erbbaurecht abzugeben. Ausschlaggebend sind hierfür zumeist soziale und städtebauliche Motive. Anders als bei herkömmlichen Sozialbindungen kann beim Erbbaurecht z.B. die Sozialbindung über die gesamte Vertragsdauer des Erbbaurechts aufrechterhalten werden (BGH, Urt. vom 08.02.2019, Az.: V ZR 176/17). Zudem kann nicht nur die Nutzung des betreffenden Grundstücks selbst, sondern auch die Zwischen- und die Nachnutzung gesteuert werden. Bei entsprechend großflächigen Vergaben über Erbbaurechte sind auch gesamthafte Überplanungen nach Ablauf der Vertragsdauer möglich. Die zuletzt genannten Aspekte sind nicht nur für Wohnbaugebiete, sondern auch für Gewerbeflächen interessant. Gewerbegebiete, die sich im Laufe der Zeit problematisch entwickelt haben, sind keine Einzelfälle.

Bei der Vergabe von durch die Kommune neu erschlossenen Baugrundstücken über Erbbaurecht ergibt sich allerdings ein zentrales Problem: Die Kommune musste mit der Entwicklung und Zwischenfinanzierung in Vorleistung treten. Dies erfordert oftmals neue Schulden, oder verhindert zumindest den Abbau von Altschulden. Das investierte Geld muss aber wieder hereingeholt werden. In einigen Bundesländern wacht die Kommunalaufsicht streng darüber – das gilt insbesondere bei Kommunen, die sich in Haushaltsschieflagen befinden.

Ähnliche Überlegungen gelten nicht nur für den Zwischenerwerb, sondern auch für andere Situationen, die mit einem kommunalen Durchgangserwerb korrespondieren (z.B. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen – s. hierzu F. Thiel, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen mit Erbbaurecht – ein bodenpolitisches Traumpaar, GuG 2/2023).

Die aus den Erbbauzinsen eingenommenen Zahlungsströme sind nun oftmals zu gering, um die Kosten der Baulandentwicklung in überschaubaren Zeiträumen abdecken zu können. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, warum Kommunen zumeist die Veräußerung wählen (oder von der Kommunalaufsicht auf diesen Weg gedrängt werden).

Allerdings gibt es einen Weg, um dieser Problematik zu begegnen: Der Erbbauzins darf dann nicht mehr in laufenden Raten kontinuierlich bezahlt werden, sondern muss in kapitalisierter Form in einem Einmalbetrag abgelöst werden.

Der Vorteil für den Investor besteht in vorteilhafteren Beleihungskonditionen – die Vorauszahlung des Erbbauzinses in kapitalisierter Form ähnelt einem Kaufpreis für das Grundstück. Allerdings wird der Investor nur zwischenzeitig, nicht aber endgültig von Aufwertungen des Standortes profitieren können, da ja das Grundstück i.d.R. nach Ablauf des Vertrages wieder an die Kommune zurückfällt (bedingte Ausnahmen sind die Verlängerung oder Erneuerung).

Die Kommune hingegen hat langfristig Zugriff auf das Grundstück und kann die o.a. Bindungen durchsetzen. Allerdings muss sie sich klar darüber sein, dass der kapitalisierte Erbbauzins regelmäßig unterhalb eines Verkaufspreises liegen wird.

Das Beispiel China, in dem für städtische Grundstücke die Einmalzahlung des (kapitalisierten) Erbbauzinses üblich ist, zeigt zudem, dass bei Vorab-Einmalzahlungen an die Stelle der Spekulation mit Baugrundstücken die Spekulation mit Erbbaurechten treten kann. Diese Gefahr ist allerdings umso geringer, je weitreichender die Sozialbindungen sind und je kürzer die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages ist (Erbbaurechte an Gewerbegrundstücken haben i.d.R. eine deutlich kürzere Vertragslaufzeit als solche an Wohngrundstücken). Üblich sind ohnehin Zustimmungsrechte des Erbbaurechtgebers (Kommune) beim Verkauf eines Erbbaurechts; ebenfalls sind Vereinbarungen über einen zukünftigen Verkaufspreis denkbar, wenngleich bislang unüblich (zu denken ist in Anlehnung an das Münchner Verfahren die Orientierung am Verkehrswert für Volleigentum abzüglich eines Abschlags).

Die Beispiele zeigen: Auch, wenn der Wind der Refinanzierungslasten den Kommunen ins Gesicht bläst, kann das Erbbaurecht als Gestaltungsvehikel der Bodenpolitik auch im Durchgangserwerb in Betracht gezogen werden.

Habecks Gasnetzstrategie: Politik der verbrannten Erde

Dirk Löhr

Fossile Energieträger sollen in gut 20 Jahren nicht mehr zum Heizen von Gebäuden verwendet werden, so die Vision von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Nach der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geht es nunmehr um die nötige Infrastruktur. Dabei sind v.a. die Erdgasnetze im Visier, die in Deutschland insgesamt 500.000 km lang sind – das ist mehr als die Distanz zum Mond. Ca. die Hälfte aller Haushalte ist hieran angeschlossen – hinzu kommen noch Teile der Industrie. Das Erdgasnetz in Deutschland ist über 100 Jahre lang gewachsen und dürfte gegenwärtig noch einen Wert von mehreren hundert Milliarden Euro haben. In einem sog. Green Paper des Bundeswirtschaftsministeriums wird nunmehr ein Rückbau des Gasnetzes erörtert. Der Umbau des Gasnetzes in Richtung Wasserstofftauglichkeit und die Nutzung von Wasserstoff zu Heizungszwecken wird generell mit großer Skepsis betrachtet – beides wäre derzeit unwirtschaftlich. Auch auf Biomethan werden nur beschränkte Hoffnungen gesetzt. Das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums entspricht dabei den Vorgaben der EU.

Durch die Presse ging ebenfalls das Vorhaben der Stadt Augsburg, in Überholung von Habecks Zeitplan die dortigen Erdgasnetze stillzulegen.

Wirtschaftlich sind die Überlegungen aus dem Hause Habeck teilweise verständlich, aber eben nur teilweise. Das Erdgasnetz erzeugt immense fixe Kosten, die wesentlich bedeutender als die (variablen) Kosten des Gases selber sind. Durch die gegenwärtig hohe Auslastung des Netzes kommt es zu einem erheblichen Fixkostendegressionseffekt, d.h. die fixen Kosten werden auf viele Schultern verteilt und sind für den einzelnen Verbraucher entsprechend gering.

Im Zuge der energetischen Transformation werden jedoch neue, zumindest zeitweise redundante Strukturen geschaffen, wie v.a. Fernwärmenetze. Diese werden zunächst sehr hohe Investitionskosten verursachen. Die Bereitstellungskosten fallen dann später ebenfalls als fixe Kosten an. Bezahlbar bleibt dies für die Verbraucher nur dann, wenn es auch hier zu Fixkostendegressionseffekten kommt. Hierzu müssen aber die Verbraucher auf die neuen Strukturen umgelenkt und von den alten abgezogen werden. Hierbei kommt der kommunalen Wärmeplanung eine Schlüsselrolle zu.

Nun ist den Versorgungsunternehmen nicht zuzumuten, zeitgleich Doppelstrukturen zu betreiben, bei keiner von denen die Fixkostendegressionseffekte genutzt werden können. Sie würden in wirtschaftliche Probleme gebracht, und für die Kunden wäre die Energie irgendwann nicht mehr bezahlbar. Um die Verbraucher auf die neuen Strukturen umzulenken, würde es allerdings ausreichen, dass bei fehlender wirtschaftlicher Zumutbarkeit des Betriebs der alten Infrastruktur die Versorgung der Kunden (mit entsprechendem Vorlauf und ggfs. auch unter Gewährung von Umstellungssubventionen) eingestellt werden kann. Ein Rückbau der alten Erdgasnetze ist hierfür nicht erforderlich.

Der Rückbau ist auch strategisch nicht klug: Niemand weiß, welche Technologien in Zukunft zur Verfügung stehen, über die das vorhandene Erdgasnetz nicht doch noch genutzt werden kann. Natürlich erzeugt das Erdgasnetz nach Stilllegung auch noch gewisse Kosten – diese dürften aber überschaubar sein. Doch auch der Rückbau des Netzes ist teuer. Wichtig ist: Es handelt sich beim vorhandenen Erdgasnetz um eine Option („Realoption“), die man – gerade angesichts der bestehenden Unsicherheiten bezüglich der eingeschlagenen Pfade – nicht unnötig aus der Hand geben sollte. Ganz im Gegenteil sollte man strategische Optionen in Zeiten der Unsicherheit gezielt aufbauen – selbst, wenn sie Geld kosten. Die Beibehaltung der Option „Erdgasnetz“ geht Hand in Hand mit einer Politik der Technologieoffenheit – als Gegenstück zu einer Industriepolitik mit der Anmaßung von Wissen (F. A. von Hayek) durch eine Exekutive, die eben nicht in die Zukunft blicken kann.

Transformation findet derzeit nicht nur im Wärmesektor statt, sondern auch bei der Stromerzeugung und der Mobilität. Überall entstehen angesichts der notwendigen redundanten Strukturen gewaltige Systemkosten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Politik irgendwann erkennt, dass die ursprüngliche Planung nicht einzuhalten ist, weil sie Bürger und Wirtschaft finanziell überfordert. Wenn dann aber die ursprünglichen Strukturen zerstört sind, gibt es kein Zurück.

Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Rieck verweist darauf, dass man mit dem Rückbau von Netzinfrastrukturen in früheren Zeiten keine guten Erfahrungen machte. Er nennt u.a. den Rückbau innerstädtischer Straßenbahnnetze unter dem Druck der Automobilindustrie als Beispiel. Heute setzt man wieder auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV); teilweise müssen die Infrastrukturen wieder reinstalliert werden.

Warum also dann Rückbau des Erdgasnetzes? Es dürfte sich, wie auch Rick schlussfolgert, um eine ganz einfache strategische Überlegung handeln: Erkennen zukünftige Regierungen, dass der eingeschlagene Weg ein Holzweg ist, der so nicht fortgesetzt werden kann, sind die Brücken hinter ihnen abgerissen. Es gibt kein Zurück; ein Beschreiten eines anderen Pfades ist unmöglich. Eine solche Politik der „verbrannten Erde“ ist nur verständlich, wenn man vom eingeschlagenen Kurs absolut überzeugt und diesen nicht mehr zu hinterfragen gewillt ist. Ein anderes Wort hierfür ist wohl „Ideologie“.

LNG-Gas statt Braunkohle: Ein Plus für das Klima?

Dirk Löhr

Ende März werden sieben weitere Braunkohle-Kraftwerksblöcke endgültig stillgelegt. Der Kohleausstieg nimmt Fahrt auf. Um die Lücke zu füllen und die Volatilität des Flatterstroms aus Erneuerbaren Energien auszugleichen, sollen vermehrt Gaskraftwerke zugebaut werden. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Fracking-Gas aus den USA. Während dieser Tausch viel Geld kostet (s. z.B. unseren Blogbeitrag vom 7. Januar 2024), wird die Klimawirksamkeit bezweifelt. Hierzu sei der Report “LNG-Gas: Rettung in der Energiekrise oder schlechtester Deal aller Zeiten” von “Breaking Lab” auf das Wärmste empfohlen. Es scheint, dass Klimaminister Habeck auch bezüglich seines Herzensprojekts, der Energiewende, nur auf Sicht fährt.

Bildquelle: Breaking Lab

Neue EU-Gebäuderichtlinie – überflüssig wie ein Kropf

Dirk Löhr

Seit 2021 arbeitet die EU an der Neufassung der Gebäudeeffizienzrichtlinie (im EU-Jargon “EPBD”). Die jüngste Entwicklung: Am 12. März 2024 hat das Europäische Parlament die Neufassung beschlossen.

Der Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln bis 2040 ist nunmehr lediglich ein „indikatives Ziel“. Die Mitgliedsstaaten haben damit zur Erreichung des Gesamtziels eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 entsprechende Spielräume.

Anders als in früheren Fassungen sind nun auch keine individuellen Sanierungspflichten für Wohngebäude mehr vorgesehen. Vielmehr werden allgemeine Vorgaben zur Reduktion des Energieverbrauchs über den gesamten Wohngebäudebestand gemacht. Wie diese konkret umgesetzt werden, wird darüber entscheiden, ob und inwieweit die Befürchtungen von Haus und Grund, nach der viele Eigentümer überlastet würden, gerechtfertigt sind. Offensichtlicher belastet sind die Eigentümer der energetisch schlechtesten Nichtwohngebäude, für die es auch in der nunmehr verabschiedeten Fassung der Richtlinie Sanierungspflichten geben soll.

Das ursprünglich drohende Szenario, das tatsächlich auf eine kalte Enteignung der Hauseigentümer hinausgelaufen wäre, wurde in diesem Blog im Herbst 2023 beschrieben. Die Weiterentwicklung der Richtlinie ist insofern positiv, dass die betreffenden Vorgaben gegenüber früheren Fassungen abgeschwächt wurden. Dennoch stellt sich nach wie vor die Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der Richtlinie: Reicht die Einbeziehung der Gebäude in den EU-Emissionshandel nicht für die Erreichung der Ziele aus, wenn man ihn entsprechend konsequent durchführt? Die Gebäudeeigentümer könnten dann selbstständig darüber entscheiden, welche Investitionen noch sinnvoll und vertretbar sind.

Wichtig wäre allerdings, die Ausweitung des Emissionshandels mit einem Klimageld zu verkoppeln, über das die Einnahmen aus der Vergabe der CO2-Zertifikate wieder an die Bürger zurück verteilt werden: Bei Wohngebäuden werden die Mieten ansteigen, sofern die Eigentümer die Modernisierungskosten wirtschaftlich umlegen können. Hierbei kommt es weniger auf die rechtlichen Vorschriften, sondern v.a. auf die Marktlage an: Soweit nicht die Nebenkosten (Heizkosten) in gleichem Umfang sinken, reduziert jeder Euro, der den Mietern für die Deckung von Modernisierungskosten abverlangt wird, die verbleibenden Reinerträge und damit auch den Wert der Immobilien. Die Mieter haben ja infolge der Verschärfung des CO2-Handels nicht mehr Geld in der Tasche und müssen daher in die Lage versetzt werden, die Beteiligung an den Modernisierungskosten auch aufzubringen. Die Gefahr des Wertverfalls betrifft im Übrigen auch selbst genutzte Immobilien (das wird deutlich, wenn man sich eine fiktive Vermietung an sich selbst vorstellt).

Angesichts der geplanten Ausweitung des Emissionshandelsregimes ist unverständlich, warum für Nichtwohngebäude nach wie vor eine Sanierungspflicht gelten soll. Was ist beispielsweise mit Lager- und Betriebshallen, die auch im Winter kaum oder gar nicht geheizt werden? Wenn man den vielfältigen möglichen Konstellationen gerecht werden wollte, entstünde ein bürokratisches Monster. Das CO2-Handelssystem regelt solche Konstellationen unbürokratisch von alleine: Heizt eine Firma bestimmte Hallen nicht, wird es auch keine energetische Sanierung vornehmen. Wird teilweise geheizt, beurteilt der Eigentümer vor dem Hintergrund der konkreten Situation, ob eine (teilweise) energetische Sanierung oder die Zahlung der (durch die CO2-Abgaben) erhöhten Energiekosten sinnvoller ist. Auch unnötige Sanierungen sind eine unökologische Verschwendung von Ressourcen. Zudem werden die Belastungen durch verpflichtende Sanierungen v.a. die Eigentümer von Nichtwohngebäuden in wirtschaftlich schwachen, peripheren Regionen besonders hart treffen.

Der Befund: Die Gebäudeeffizienzrichtlinie ist in weiten Teilen (v.a. mit Blick auf die verbleibenden Sanierungspflichten) überflüssig und bezüglich der Ausweitung des Emissionshandels auf den Verkehrs- und Gebäudesektor redundant – es reicht die konsequente Durchführung des Emissionshandels (bei Begleitung durch ein Klimageld) vollkommen aus. Die Richtlinie ist somit in weiten Teilen wieder einmal ein gutes Beispiel für eine sich verselbstständigende wie überflüssige Bürokratie, die in Sonntagsreden noch verdammt und am Dienstag darauf (der 12. März war ein solcher) dann doch vorangetrieben wird.

Bundesrechnungshof: Energiewende nicht auf Kurs

Dirk Löhr

Nach den Vorstellungen des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck sollen 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Damit dieses Ziel erreicht wird, bedarf es eines erheblichen Ausbaus der Solarenergie und Windkraft. Zudem müssen die Stromnetze massiv erweitert werden, denn der Strom muss ja auch transportiert werden. Beim Strom aus erneuerbaren Energien handelt es sich aber zumeist um “Flatterstrom”: Die Sonne scheint nicht immer, und der Wind bläst auch nur zeitweise. Problematisch sind dabei weniger die stundenweise auftretenden “Dunkelflauten”, sondern solche, die längerfristig auftreten – wie im vergangenen Herbst. Aus diesem Grunde benötigt man eine redundante Infrastruktur aus konventionellen Kraftwerken, die einspringen kann, wenn die erneuerbaren Energien ausfallen. Habeck setzt hierbei v.a. auf Gaskraftwerke, die auf Wasserstoff nachgerüstet werden können.

Nunmehr hat der unabhängige Bundesrechnungshof in seinem Gutachten vom 7.3.2024 die Politik des Bundeswirtschaftsministers stark kritisiert. Dabei werden noch nicht einmal die Ziele infrage gestellt: Es nutzt relativ wenig, wenn ein Land bei der “Klimarettung” voranschreitet. Der Anteil Deutschlands an den CO2-Emissionen ist mit ca. 2 Prozent viel zu klein, um im Alleingang nennenswerte Effekte zu erreichen – zumal die deutsche Wirtschaft ja schon relativ sauber produziert. Weniger deutsche Nachfrage nach fossilen Energieträgern erzeugt andererseits tendenziell einen – wenngleich ebenfalls überschaubaren – Druck auf die Weltmarktpreise. Was Deutschland nicht verbraucht, nehmen dann eben dankend Schwellen- und Entwicklungsländer. Sinn ergäbe die Habeck-Strategie im Rahmen eines Klima-Clubs, dem neben der EU auch China, die USA und Rohstoffsupermächte wie z.B. Russland (ja!) angehören müssten. Solange unsere Außenministerin aber den chinesischen Präsidenten als “Diktator” beschimpft, dürfte sich die diese Richtung wenig bewegen.

Der Bundesrechnungshof stellt aber die Sinnhaftigkeit dieser Vorreiterstrategie Deutschlands gar nicht infrage. Er kritisiert vielmehr die Umsetzung der Klimastrategie. Kernpunkte:

  • Die Versorgungssicherheit ist gefährdet. Stromspeicher können längere Schwankungen der Erzeugung und Last (Dunkelflaute) nicht ausgleichen. So haben seit der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke die Stromimporte massiv zugenommen, ironischerweise v.a. aus dem Kernkraftland Frankreich. Der Bundesrechnungshof bewertet dabei die Annahmen der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit als “wirklichkeitsfremd”. Dem Monitoring liegt ein einziges “best case-Szenario” zugrunde. Gefahren und Handlungsbedarfe werden so nicht sichtbar, das Monitoring verliert seine Eignung als Frühwarnsystem. Geleitet wird die Bundesnetzagentur von Klaus Müller, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet auch nicht schnell genug voran, Backup-Kapazitäten sind nicht gesichert. Das Gutachten: “Es ist absehbar, dass insbesondere Windenergie an Land nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgebaut wird. Es ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind; der Netzausbau liegt erheblich hinter der Planung zurück. Der Rückstand beträgt mittlerweile sieben Jahre und 6.000 km”. Das Thema Backup-Kapazitäten wurde in einem anderen Blog-Beitrag vom 7.1.2024 bereits behandelt. Es ist bemerkenswert, dass sich die Bundesregierung aus dem alten Energieversorgungs-Regime faktisch verabschiedete, ohne einen Ersatz parat zu haben.
  • Die wahren Kosten der Energiewende werden verschleiert. Mittlerweile hat es sich selbst bei den Grünen herumgesprochen, dass die Rechnung Jürgen Trittins aus dem Jahre 2004, die Energiewende würde den Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten, nicht aufgeht. Dennoch: Mit dem gängigen grünen Narrativ stellt man immer noch auf die geringen Grenzkosten der meisten Erneuerbaren ab. Das ist insoweit richtig, als z.B. eine Kilowattstunde zusätzlich erzeugten Stroms durch Windkraft kaum etwas kostet. Wahr ist allerdings auch: Die Systemkosten der Erneuerbaren sind enorm. Bis zum Jahr 2045 wird allein der Ausbau der Stromnetze 460 Mrd. Euro verschlingen. Das auch wegen des Flatterstroms erforderliche Netzengpassmanagement wird ca. 6,5 Mrd. Euro pro Jahr verschlingen. Zusammen mit der Stromerzeugung fallen bis 2045 voraussichtlich 1,1 Billionen Euro an Kosten an. Das Narrativ von der billigen grünen Energie ist also ein Märchen für Erwachsene. Schon heute sind die Strompreise in Deutschland mit die höchsten weltweit. Die Bundesregierung versucht derzeit, die hohen Energiekosten oder die Umstellung der Unternehmen auf die schöne neue grüne Welt nach Kassenlage und punktuell herunter zu subventionieren. Beispielsweise überreichte Habeck im Januar 2024 einen Scheck über 2,6 Mrd. Euro zur Umstellung der Stahlindustrie im Saarland. Die Subventionitis untergräbt jedoch – so der Bundesrechnungshof – die Transparenz und Steuerungswirkung der Preise. Für energieintensivere Unternehmen (Deutschland war einer der energieintensivsten Wirtschaftsstandorte weltweit) sind die Energiekosten nicht mehr planbar. Viele Unternehmen, zuletzt der Traditionshersteller Miele, verlassen den Standort bzw. reinvestieren nicht mehr.

Die Energiewende aus dem Hause Habeck ist sicher gut gemeint. Leider ist “gut gemeint” das Gegenteil von “gut”.

Das Vermächtnis von Antje Vollmer

Dirk Löhr

Am 16. März jährt der erste Todestag von Ante Vollmer. Sie war nicht nur eine grüne Ikone, sondern von 1994 bis 2005 auch Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Einst hatte ich anlässlich eines gemeinsamen Frühstücks eine intensive Diskussion mit ihr, die mir wohl immer in Erinnerung bleiben wird. Ihr “Nachlass” hat nichts an Aktualität verloren, und lässt sich gut in ihrem Artikel der Berliner Zeitung vom 23. Februar 2023 – also drei Wochen vor Ihrem Tod – veranschaulichen. Zum download bitte hier klicken.

Photo: Von Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland – Antje Vollmer, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=105858161

Immobilienbesteuerung – Sinn und Unsinn

Dirk Löhr

Zu Gast im Immoblick (Blog des Deutschen Vereins für Vermessungswesen) diskutierte ich mit Peter Ache und In dieser Folge begrüßen Peter Ache (Leiter des AK Immobilienbewertung des DVW e.V.) und Robert Krägenbring (Immobilien- und Bewertungsexperte) über Sinn und Unsinn der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer. 

Dabei wurde auch ein Blick auf die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz geworfen, die insofern das Potenzial »einer Bombe« hat, als sie mit Blick auf die Kritik an den Bodenrichtwerten das gesamte Bewertungswesen in Deutschland infrage stellen kann. Das Gericht hat die Vollziehung zweier Grundsteuerwertbescheide gestoppt, die nach den neuen Bewertungsregeln erlassen wurden. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen des Bundesmodells. In diesem Blog wurde schon im Dezember 2023 hierzu ausführlich Stellung bezogen. Ich plädiere außerdem für die Schaffung eines Oberen Gutachterausschusses Bund, der die Daten für alle sammelt und bereitstellt. Zum Podcast (bitte klicken)

Kommt der “Bau-Turbo” ins Stocken?

Dirk Löhr

Der Wohnungsbau bleibt weit hinter den von der Bundesregierung gesteckten Ziele zurück. So wurden 2023 nur 270.000 statt der geplanten 400.000 Wohnungen fertiggestellt. Die “Baukrise” hat unterschiedliche Ursachen. Hohe Zinsen, die gestiegenen Baukosten und mangelnde Baulandverfügbarkeit bilden ein giftiges Gemisch. Das Bundesbauministerium möchte die Baulandverfügbarkeit durch die Einführung eines neuen § 246e BauGB erhöhen. Es erklärt auf seiner WebSite: “Das BMWSB hat hierzu eine innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Formulierungshilfe erarbeitet, die in der 46. Kalenderwoche Gegenstand einer Länder- und Verbändebeteiligung war.

Kern des Gesetzentwurfs ist die Einführung eines neuen § 246e BauGB. Die Vorschrift dient der Umsetzung des am 25. September 2023 von der Bundesregierung im Rahmen des “Bündnisses bezahlbarer Wohnraum” verabschiedeten Maßnahmenpakets für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft. Als Teil dieses Pakets ist vorgesehen, dass der Bund in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten den Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle vereinfachen und beschleunigen und hierzu in Anlehnung an § 246 Absatz 14 BauGB eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 befristete Sonderregelung schaffen wird. Entsprechendes ist auch im Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern vom 6. November 2023 vorgesehen.

Die vorgeschlagene Regelung findet entsprechend dem Beschluss der Bundesregierung in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Anwendung, die nach § 201a BauGB bestimmt sind.

Gegenstand der Abweichung können sein: 

  • die Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
  • die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
  • die Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

Zur Wahrung der kommunalen Planungshoheit wird wie bei § 31 Absatz 3 nicht nur ein Einvernehmen, sondern eine Zustimmung der Gemeinde gefordert.

Im Außenbereich soll die Neuregelung nur auf Vorhaben Anwendung finden, die im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilen sind.”

Die Reaktionen in der Länder- und Verbändebeteiligung (46. Kalenderwoche 2023) waren überwiegend ablehnend. Auf der WebSite des Bundesbauministeriums sind die Stellungnahmen einsehbar. Jenseits hiervon, aber stellvertretend für die Kritik ist der gemeinsame gegen das Gesetzesvorhaben gerichtete Appell von Bundesarchitektenkammer (BAK), dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA), Architects for Future, anderen Umwelt- und Sozialverbänden sowie der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft als Lektüre zu empfehlen (bitte anklicken). U.a. wird kritisiert, dass der geplante § 246e BauGB nicht den riesigen Bauüberhang (Differenz zwischen genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen) adressiere, der großes Potenzial für die Schaffung von Wohnraum auf schon genehmigtem Bauland biete. Es wird die Parallele zum § 13b BauGB gezogen, der im Juli 2023 vom Bundesverwaltungsgericht als gegen EU-Recht verstoßend gekippt werden. “Durch die Hintertür” würde nun versucht, eine ähnliche Regelung zu reinstallieren.

Pestel-Studie: Fehlen mehr als 900.000 Sozialwohnungen?

Dirk Löhr

Derzeit geht eine Studie des Pestel-Instituts (“Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland) viral, die von einem Verbändebündnis in Auftrag gegeben wurde, dem der Mieterbund, die Baugewerkschaft sowie andere Sozial- und Branchenverbände angehören. Demnach fehlen mehr als 900.000 Sozialwohnungen in Deutschland. Zentral für dieses Ergebnis ist Tabelle 5 der Studie. Hier wird aufgrund verschiedener Kriterien ein Bedarf ermittelt, der einem Sollbestand gegenübergestellt wird. Immobilienökonom Michael Voigtländer vom IW Köln kritisiert allerdings, dass es sich bei diesem Sollbestand (insgesamt 2 Mio. Sozialwohnungen) um eine politisch gesetzte Größe handele – und damit auch bei dem ermittelten Defizit an Sozialwohnungen. Tatsächlich muten die Ergebnisse wenigstens teilweise merkwürdig an: Hiernach gäbe es in Hamburg und Nordrhein-Westfalen kaum ein Defizit an Sozialwohnungen, wohl aber in Niedersachsen.

Ein anderes Ergebnis der Studie ist ebenfalls interessant und wohl schwerer zu erschüttern: Demnach führt die Subjektförderung (v.a. bei den Kosten der Unterkunft) v.a. in Gebieten mit hohen Wohnungsdefiziten, starker wirtschaftlicher Dynamik, hoher Eigentumsquote und geringem Marktanteil gemeinwohlorientierter Vermieter zu überhöhten Mieten . Die entsprechenden Spielräume hierfür werden durch die Knappheiten eröffnet. Dies macht die Subjektförderung hier entsprechend teuer. Daraus kann geschlossen werden, dass v.a. in angespannten Märkten auch Objektförderung nötig ist, um die Knappheiten zu beseitigen. Für die Subjektförderung wurden in 2023 ca. 20 Mrd. Euro aufgewendet, für die Objektförderung hingegen nur 2,5 Mrd. Euro. Das bemerkenswerte Ergebnis: Es kann nicht um ein Gegeneinander von Subjekt- und Objektförderung gehen; vielmehr muss die Objektförderung in angespannten Märkten überhaupt erst die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Subjektförderung sinnvoll eingesetzt werden kann. Voigtländer kritisiert an der Objektförderung allerdings zurecht, dass sie aufgrund der hohen Anzahl von Fehlbelegungen derzeit wenig sozial treffgenau ist. Dies kann allerdings geändert werden, beispielsweise durch eine periodische Überprüfung der Wohnberechtigung. Hierfür fehlt jedoch derzeit offenbar der politische Wille.