Category Archives: Housing

Energetische Gebäudesanierung: Suffizienz wird schon gelebt!

Dirk Löhr

In diesem Blog wurde schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Bestrebungen der EU wie auch von Teilen der Bundesregierung zur energetischen Gebäudesanierung zu einem erheblichen Teil redundant und überflüssig sind. Der Emissionshandel, der im Rahmen des EU ETS 2 ab 2027 auch für Gebäude gelten wird, ist als Leitinstrument ausreichend. Auf dieser Basis können die Eigentümer von Gebäuden selbst entscheiden, ob und – wenn ja – welche Art von Sanierung sich lohnt. Administrative Vorgaben, die v.a. in peripheren Regionen leicht zu wirtschaftlichen Totalschäden führen könnten (wenn die Sanierungskosten in keinem Verhältnis zum Gebäuderestwert stehen) könnten so vermieden werden.

Die grundsätzliche Beschränkung auf das Leitinstrument Emissionshandel wäre im Übrigen auch ein Beitrag zu den ökologischen Strategien der Effizienz und Suffizienz. Bestätigt wird dies ein weiteres Mal durch einen Beitrag von Daniel Stelter im Handelsblatt vom 14.04.2024. Stelter bezieht sich dabei auf mehrere Studien (v.a. mit Bezug auf Großbritannien), nach denen sich der modellierte Energieverbrauch gemäß Energieeffizienzklasse erheblich vom tatsächlichen Energieverbrauch unterscheidet (zu den Studien s. den Anhang). Die am wenigsten energieeffizienten Häuser verbrauchen deutlich weniger, energieeffizientesten Häuser deutlich mehr Energie als von den Modellen behauptet.

Stelter: “Im Vereinigten Königreich haben Studien gezeigt, dass der gemessene Gasverbrauch über alle Energieeffizienzklassen hinweg fast immer innerhalb des für Klasse C unterstellten Bereichs liegt. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen modelliertem und tatsächlichem Verbrauch in der schlechtesten Energieklasse. Der tatsächliche Energieverbrauch der Klasse G liegt ungefähr auf dem Niveau der Klasse C und nur wenig höher als in den Klassen A und B. Erzwingt man hier also eine Sanierung, dürfte sich am Energieverbrauch wenig ändern.”

Mit anderen Worten: Die Bewohner wenig energieeffizienter Wohnungen verhalten sich schon heute suffizient. Sie ziehen sich einen Pullover an oder heizen bestimmte, wenig genutzte Räume nicht mehr.

Ein ernsthaft umgesetzter CO2-Handel auch für das Gebäudesegment würde die entsprechenden Anreize noch verstärken, das Klimageld gleichzeitig für einen sozialen Ausgleich sorgen. Dies umzusetzen wäre die Aufgabe der Politik, nicht kleinteiliges Mikromanagement!

Anhang: Bezugnahme auf Studien über den Energieverbrauch

J. Few et al. (2023): The over-prediction of energy use by EPCs in Great Britain: A comparison of EPC-modelled and metered primary energy use intensity. Energy and Buildings Vol. 288. https://doi.org/10.1016/j.enbuild.2023.113024

M. Lees (2023): Why misleading EPC ratings are a national scandal. The Times, 27.02. Online: https://www.thetimes.co.uk/article/why-misleading-epc-ratings-are-a-national-scandal-ztc5ss2b0

M. Kumar (2023): Behind the scenes: Our resonse. Medium, 4. März. Online: https://madhuban-kumar.medium.com/behind-the-scenes-our-response-453c7d7b82ec

Baulandmodelle: Kommunaler Zwischenerwerb mit Erbbaurecht?

Dirk Löhr

Das Erbbaurecht erlebt eine Renaissance. Immer mehr Kommunen sind bestrebt, auch bei Zwischenerwerbsmodellen der Baulandentwicklung die Grundstücke über Erbbaurecht abzugeben. Ausschlaggebend sind hierfür zumeist soziale und städtebauliche Motive. Anders als bei herkömmlichen Sozialbindungen kann beim Erbbaurecht z.B. die Sozialbindung über die gesamte Vertragsdauer des Erbbaurechts aufrechterhalten werden (BGH, Urt. vom 08.02.2019, Az.: V ZR 176/17). Zudem kann nicht nur die Nutzung des betreffenden Grundstücks selbst, sondern auch die Zwischen- und die Nachnutzung gesteuert werden. Bei entsprechend großflächigen Vergaben über Erbbaurechte sind auch gesamthafte Überplanungen nach Ablauf der Vertragsdauer möglich. Die zuletzt genannten Aspekte sind nicht nur für Wohnbaugebiete, sondern auch für Gewerbeflächen interessant. Gewerbegebiete, die sich im Laufe der Zeit problematisch entwickelt haben, sind keine Einzelfälle.

Bei der Vergabe von durch die Kommune neu erschlossenen Baugrundstücken über Erbbaurecht ergibt sich allerdings ein zentrales Problem: Die Kommune musste mit der Entwicklung und Zwischenfinanzierung in Vorleistung treten. Dies erfordert oftmals neue Schulden, oder verhindert zumindest den Abbau von Altschulden. Das investierte Geld muss aber wieder hereingeholt werden. In einigen Bundesländern wacht die Kommunalaufsicht streng darüber – das gilt insbesondere bei Kommunen, die sich in Haushaltsschieflagen befinden.

Ähnliche Überlegungen gelten nicht nur für den Zwischenerwerb, sondern auch für andere Situationen, die mit einem kommunalen Durchgangserwerb korrespondieren (z.B. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen – s. hierzu F. Thiel, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen mit Erbbaurecht – ein bodenpolitisches Traumpaar, GuG 2/2023).

Die aus den Erbbauzinsen eingenommenen Zahlungsströme sind nun oftmals zu gering, um die Kosten der Baulandentwicklung in überschaubaren Zeiträumen abdecken zu können. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, warum Kommunen zumeist die Veräußerung wählen (oder von der Kommunalaufsicht auf diesen Weg gedrängt werden).

Allerdings gibt es einen Weg, um dieser Problematik zu begegnen: Der Erbbauzins darf dann nicht mehr in laufenden Raten kontinuierlich bezahlt werden, sondern muss in kapitalisierter Form in einem Einmalbetrag abgelöst werden.

Der Vorteil für den Investor besteht in vorteilhafteren Beleihungskonditionen – die Vorauszahlung des Erbbauzinses in kapitalisierter Form ähnelt einem Kaufpreis für das Grundstück. Allerdings wird der Investor nur zwischenzeitig, nicht aber endgültig von Aufwertungen des Standortes profitieren können, da ja das Grundstück i.d.R. nach Ablauf des Vertrages wieder an die Kommune zurückfällt (bedingte Ausnahmen sind die Verlängerung oder Erneuerung).

Die Kommune hingegen hat langfristig Zugriff auf das Grundstück und kann die o.a. Bindungen durchsetzen. Allerdings muss sie sich klar darüber sein, dass der kapitalisierte Erbbauzins regelmäßig unterhalb eines Verkaufspreises liegen wird.

Das Beispiel China, in dem für städtische Grundstücke die Einmalzahlung des (kapitalisierten) Erbbauzinses üblich ist, zeigt zudem, dass bei Vorab-Einmalzahlungen an die Stelle der Spekulation mit Baugrundstücken die Spekulation mit Erbbaurechten treten kann. Diese Gefahr ist allerdings umso geringer, je weitreichender die Sozialbindungen sind und je kürzer die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages ist (Erbbaurechte an Gewerbegrundstücken haben i.d.R. eine deutlich kürzere Vertragslaufzeit als solche an Wohngrundstücken). Üblich sind ohnehin Zustimmungsrechte des Erbbaurechtgebers (Kommune) beim Verkauf eines Erbbaurechts; ebenfalls sind Vereinbarungen über einen zukünftigen Verkaufspreis denkbar, wenngleich bislang unüblich (zu denken ist in Anlehnung an das Münchner Verfahren die Orientierung am Verkehrswert für Volleigentum abzüglich eines Abschlags).

Die Beispiele zeigen: Auch, wenn der Wind der Refinanzierungslasten den Kommunen ins Gesicht bläst, kann das Erbbaurecht als Gestaltungsvehikel der Bodenpolitik auch im Durchgangserwerb in Betracht gezogen werden.

Immobilienbesteuerung – Sinn und Unsinn

Dirk Löhr

Zu Gast im Immoblick (Blog des Deutschen Vereins für Vermessungswesen) diskutierte ich mit Peter Ache und In dieser Folge begrüßen Peter Ache (Leiter des AK Immobilienbewertung des DVW e.V.) und Robert Krägenbring (Immobilien- und Bewertungsexperte) über Sinn und Unsinn der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer. 

Dabei wurde auch ein Blick auf die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz geworfen, die insofern das Potenzial »einer Bombe« hat, als sie mit Blick auf die Kritik an den Bodenrichtwerten das gesamte Bewertungswesen in Deutschland infrage stellen kann. Das Gericht hat die Vollziehung zweier Grundsteuerwertbescheide gestoppt, die nach den neuen Bewertungsregeln erlassen wurden. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen des Bundesmodells. In diesem Blog wurde schon im Dezember 2023 hierzu ausführlich Stellung bezogen. Ich plädiere außerdem für die Schaffung eines Oberen Gutachterausschusses Bund, der die Daten für alle sammelt und bereitstellt. Zum Podcast (bitte klicken)

Kommt der “Bau-Turbo” ins Stocken?

Dirk Löhr

Der Wohnungsbau bleibt weit hinter den von der Bundesregierung gesteckten Ziele zurück. So wurden 2023 nur 270.000 statt der geplanten 400.000 Wohnungen fertiggestellt. Die “Baukrise” hat unterschiedliche Ursachen. Hohe Zinsen, die gestiegenen Baukosten und mangelnde Baulandverfügbarkeit bilden ein giftiges Gemisch. Das Bundesbauministerium möchte die Baulandverfügbarkeit durch die Einführung eines neuen § 246e BauGB erhöhen. Es erklärt auf seiner WebSite: “Das BMWSB hat hierzu eine innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Formulierungshilfe erarbeitet, die in der 46. Kalenderwoche Gegenstand einer Länder- und Verbändebeteiligung war.

Kern des Gesetzentwurfs ist die Einführung eines neuen § 246e BauGB. Die Vorschrift dient der Umsetzung des am 25. September 2023 von der Bundesregierung im Rahmen des “Bündnisses bezahlbarer Wohnraum” verabschiedeten Maßnahmenpakets für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft. Als Teil dieses Pakets ist vorgesehen, dass der Bund in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten den Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle vereinfachen und beschleunigen und hierzu in Anlehnung an § 246 Absatz 14 BauGB eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 befristete Sonderregelung schaffen wird. Entsprechendes ist auch im Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern vom 6. November 2023 vorgesehen.

Die vorgeschlagene Regelung findet entsprechend dem Beschluss der Bundesregierung in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Anwendung, die nach § 201a BauGB bestimmt sind.

Gegenstand der Abweichung können sein: 

  • die Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
  • die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
  • die Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

Zur Wahrung der kommunalen Planungshoheit wird wie bei § 31 Absatz 3 nicht nur ein Einvernehmen, sondern eine Zustimmung der Gemeinde gefordert.

Im Außenbereich soll die Neuregelung nur auf Vorhaben Anwendung finden, die im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilen sind.”

Die Reaktionen in der Länder- und Verbändebeteiligung (46. Kalenderwoche 2023) waren überwiegend ablehnend. Auf der WebSite des Bundesbauministeriums sind die Stellungnahmen einsehbar. Jenseits hiervon, aber stellvertretend für die Kritik ist der gemeinsame gegen das Gesetzesvorhaben gerichtete Appell von Bundesarchitektenkammer (BAK), dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA), Architects for Future, anderen Umwelt- und Sozialverbänden sowie der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft als Lektüre zu empfehlen (bitte anklicken). U.a. wird kritisiert, dass der geplante § 246e BauGB nicht den riesigen Bauüberhang (Differenz zwischen genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen) adressiere, der großes Potenzial für die Schaffung von Wohnraum auf schon genehmigtem Bauland biete. Es wird die Parallele zum § 13b BauGB gezogen, der im Juli 2023 vom Bundesverwaltungsgericht als gegen EU-Recht verstoßend gekippt werden. “Durch die Hintertür” würde nun versucht, eine ähnliche Regelung zu reinstallieren.

Pestel-Studie: Fehlen mehr als 900.000 Sozialwohnungen?

Dirk Löhr

Derzeit geht eine Studie des Pestel-Instituts (“Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland) viral, die von einem Verbändebündnis in Auftrag gegeben wurde, dem der Mieterbund, die Baugewerkschaft sowie andere Sozial- und Branchenverbände angehören. Demnach fehlen mehr als 900.000 Sozialwohnungen in Deutschland. Zentral für dieses Ergebnis ist Tabelle 5 der Studie. Hier wird aufgrund verschiedener Kriterien ein Bedarf ermittelt, der einem Sollbestand gegenübergestellt wird. Immobilienökonom Michael Voigtländer vom IW Köln kritisiert allerdings, dass es sich bei diesem Sollbestand (insgesamt 2 Mio. Sozialwohnungen) um eine politisch gesetzte Größe handele – und damit auch bei dem ermittelten Defizit an Sozialwohnungen. Tatsächlich muten die Ergebnisse wenigstens teilweise merkwürdig an: Hiernach gäbe es in Hamburg und Nordrhein-Westfalen kaum ein Defizit an Sozialwohnungen, wohl aber in Niedersachsen.

Ein anderes Ergebnis der Studie ist ebenfalls interessant und wohl schwerer zu erschüttern: Demnach führt die Subjektförderung (v.a. bei den Kosten der Unterkunft) v.a. in Gebieten mit hohen Wohnungsdefiziten, starker wirtschaftlicher Dynamik, hoher Eigentumsquote und geringem Marktanteil gemeinwohlorientierter Vermieter zu überhöhten Mieten . Die entsprechenden Spielräume hierfür werden durch die Knappheiten eröffnet. Dies macht die Subjektförderung hier entsprechend teuer. Daraus kann geschlossen werden, dass v.a. in angespannten Märkten auch Objektförderung nötig ist, um die Knappheiten zu beseitigen. Für die Subjektförderung wurden in 2023 ca. 20 Mrd. Euro aufgewendet, für die Objektförderung hingegen nur 2,5 Mrd. Euro. Das bemerkenswerte Ergebnis: Es kann nicht um ein Gegeneinander von Subjekt- und Objektförderung gehen; vielmehr muss die Objektförderung in angespannten Märkten überhaupt erst die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Subjektförderung sinnvoll eingesetzt werden kann. Voigtländer kritisiert an der Objektförderung allerdings zurecht, dass sie aufgrund der hohen Anzahl von Fehlbelegungen derzeit wenig sozial treffgenau ist. Dies kann allerdings geändert werden, beispielsweise durch eine periodische Überprüfung der Wohnberechtigung. Hierfür fehlt jedoch derzeit offenbar der politische Wille.

Grundsteuer C: Eine neue Missgeburt?

Dirk Löhr

Ab 2025 können Gemeinden unbebaute, aber baureife Grundstücke mit einem erhöhten Steuersatz belegen, um Druck auf die Bebauung der betreffenden Flächen auszuüben. Nur in Bayern wird diese neue Grundsteuer C nicht eingeführt.

Das Ziel der Grundsteuer C ist durchaus nachvollziehbar. Ein Grundstück kann als eine sog. Realoption angesehen werden, die das Recht, aber nicht die Pflicht vermittelt, das Grundstück zu bebauen. Man bezahlt also nicht nur für zukünftige Bodenerträge, sondern auch für den Wert des “Warten Könnens”. Letzterer ist eine “spekulative Komponente”. Bei hohen Aufwertungserwartungen kann es sogar passieren, dass sich dieser Wert des “Warten Könnens” in den Vordergrund schiebt. Im Falle einer Bebauung ginge der Wert des “Warten Könnens” aber verloren; die Bebauung ergibt jedoch keinen Sinn, soweit die künftigen durch die Bebauung erzielbaren Erträge nicht den Wert des “Warten Könnens” überkompensieren. Die Grundsteuer C zielt nun konkret darauf ab, den Wert des “Warten Könnens” so weit zu reduzieren, dass er keine Hürde für die Bebauung mehr darstellen kann.

Skepsis ist dennoch angebracht: Das historische Vorbild der Baulandsteuer (1961/1962) gilt als gescheitert. Generell ist es keine gute Idee, mehrere Ziele (hier: fiskalische und bodenpolitische) mit nur einem Instrument (hier: Grundsteuer C) erreichen zu wollen. Jan Tinbergen (erster Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaften) hat deutlich gemacht, dass die Wahrscheinlichkeit dann hoch ist, alle Ziele mehr oder weniger zu verfehlen. Die “Tinbergen-Regel” als fundamentale Einsatzregel für wirtschaftspolitische Instrumente wird in der Politik allerdings hartnäckig ignoriert.

Die Zonierung für den Geltungsbereich der Grundsteuer C sowie der anzulegende Steuersatz sind im Rahmen der neuen Grundsteuer C grundsätzlich Sache der Kommunen. Viele Städte haben im Vorfeld der Einführung der Grundsteuer C schon Arbeitsgruppen gebildet. Zwei Problemfelder stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Welche Grundstücke dürfen überhaupt mit der Grundsteuer C belegt werden?
  • Wie hoch muss der Steuersatz sein, damit die gewünschte Mobilisierungswirkung entsteht?

Besonders die zweite Frage erscheint schwierig zu lösen. Für “Spekulanten” interessant sind die Grundstücke mit großen Aufwertungspotenzialen. Doch wie lassen sich diese identifizieren, und mit welchen Verfahren lassen sich die Aufwertungspotenziale ermitteln? Orientiert man sich beispielsweise beim Steuersatz an den Bodenzuwächsen der Vergangenheit, so ist keinesfalls klar, dass diese Bodenwertsteigerungen auch in Zukunft stattfinden werden. Zudem muss der Steuersatz für die Grundsteuer C in jeder Kommune einheitlich festgelegt werden. Hält man sich dabei an durchschnittliche Wertsteigerungen in der Stadt, so würden gerade die interessanten Schlüsselgrundstücke mit überdurchschnittlichem Aufwertungspotenzial nicht adäquat erfasst. Hält man sich an die Grundstücke mit dem höchsten Aufwertungspotenzial, ergibt sich eine Übersteuerung bei den Grundstücken mit geringerem Aufwertungspotenzial. Hier gibt es rechtliche Bedenken bezüglich des Übermaßverbots und des Allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach wirtschaftlich gleiche Sachverhalte gleich und wirtschaftlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu beurteilen sind.

Die Grundsteuer C ist dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, alle ihr unterliegenden Grundstücke zu mobilisieren – und in der Folge die Einnahmen aus der Grundsteuer C versiegen. Handelt es sich bei der Grundsteuer C also um eine verfassungswidrige Erdrosselungssteuer?

Der unten auszugsweise für den Download bereitgestellte Beitrag aus dem Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2-2023 versucht, die gestellten Fragen zu beantworten und auf Auswege aus den skizzierten Dilemmata zu weisen, soweit dies überhaupt möglich ist:

Grundsteuer in Hessen steigt massiv – trotz flächenbezogener Bemessungsgrundlage!

Dirk Löhr

Interessant: Das Narrativ von Haus & Grund, Steuerzahlerbund, ZIA et al. war ja, dass es zu Steuererhöhungen aufgrund der wertbasierten Bemessungsgrundlage kommen müsse. Wie also ist es möglich, dass sich offenbar auch in Hessen – mit einer modifizierten flächenbezogenen Bemessungsgrundlage – die Grundsteuer massiv erhöht? Die Kommunen steigern den Hebesatz offenbar schon im Vorfeld der Umstellung massiv. Die Umstellung auf das neue System geschieht dann tatsächlich aufkommensneutral, wie politisch erwünscht. Siehe: https://www.hna.de/hessen/reform-grundsteuer-hessen-hebesaetze-mieter-eigentuemer-verdoppeln-92720597.html. Bemessungsgrundlage und Steuermessbetrag (also der Gegenstand der Grundsteuerreform) entscheiden eben nur über die Struktur der Belastung, über die Höhe bestimmen mit ihrem Hebesatzrecht am Ende ausschließlich die – leider unterfinanzierten – Kommunen. Es ist Zeit, meine Herrschaften der Lobby der Bodenrenten-Grabber, mit Ihren Märchen aufzuhören und die Intelligenz der Bürger nicht weiter zu beleidigen.

Wie den Erbbauzins bestimmen? Eine Faustformel

Dirk Löhr

Die Ermittlung eines marktgerechten anfänglichen Erbbauzinses ist essenziell für die Akzeptanz des Erbbaurechts im Markt, für kommunale Ausgeber von Erbbaurechten, darüber hinaus auch für die Konformität zum kommunalen Haushaltsrecht sowie zum Beihilferecht. Ein marktgerechter anfänglicher Erbbauzinssatz, der dann auf den Bodenwert angelegt wird, kann jedoch derzeit in Deutschland speziell für Mehrfamilienhäuser kaum aus dem Markt abgeleitet werden. Dementsprechend bestehen erhöhte Unsicherheiten und sehr unterschiedliche Vorstellungen über dessen Höhe. Im Beitrag “Eine Faustformel für marktgerechte kommunale Erbbaurechte” (vhw-werkStadt Nr. 64) wird daher zunächst ein marktgerechter Erbbauzinssatz auf modelltheoretischer Grundlage für zwei Erbbaurechts-Varianten abgeleitet:

  • Beim „konventionellen“ Erbbaurechtsmodell findet die Anpassung des anfänglichen Erbbauzinses entsprechend der Entwicklung der Verbraucherpreise statt (Gleitklausel). Dabei werden die Ertragsrisiken weitgehend auf den Erbbaurechtnehmer übertragen. Es wird hier die Hypothese untersucht, dass ein längerfristiger Baufinanzierungszinssatz (10 Jahre) eine gute Näherung für den modellhaft bestimmten Erbbauzinssatz ist.
  • Beim Partnerschaftsmodell erfolgt die Indizierung entsprechend des Mietindex (Spannungsklausel). Erbbaurechtgeber und Erbbaurechtnehmer teilen sich die Ertragsrisiken weitgehend. Hier wird die Annäherung des modellhaft bestimmten Erbbauzinssatzes durch den Liegenschaftszinssatz (Volleigentum) getestet.

Die Prüfungen der Hypothesen geschehen auf Basis von Kapitalmarktdaten und Liegenschaftszinssätzen aus Niedersachsen. Beide Hypothesen können vorläufig bestätigt werden; allerdings sind eine Reihe von Vorbehalten zu machen.

Zum Download des Textes: https://www.vhw.de/nachricht/eine-faustformel-fuer-marktgerechte-kommunale-erbbaurechte/

Photo: Pixabay

Kosten oder Nutzen? Ein kleines Bodenrichtwert-Rätsel

Dirk Löhr

Als Mitglied eines regionalen Gutachterausschusses für Grundstückswerte stieß ich in den Bodenrichtwertsitzungen der Vergangenheit wiederholt auf ein Rätsel, so auch in diesem Jahr.

In strukturschwachen ländlichen Gebieten liegt der Bodenrichtwert (erschließungsbeitragsfrei) für die Nutzungsart Wohnen oftmals nur zwischen 20 und 30 Euro pro Quadratmeter. Dies wird z.T. auch durch Kauffälle unterlegt. Wird ein Neubaugebiet ausgewiesen, dieses entwickelt und die Grundstücke verkauft, so geschieht dies häufig zu Preisen zwischen 50 und 60 Euro. Dementsprechend ergeben sich häufig hohe Wertsprünge in benachbarten Bodenrichtwertzonen.

Die Gutachter erklären dies zumeist mit den zwischenzeitig für Neubaugebiete gestiegenen Erschließungskosten. Allerdings sind Werte, auch Bodenwerte, grundsätzlich monetarisierte und abdiskontierte Zukunftsnutzen – zumindest in der Theorie können sie kaum aus Entwicklungskosten erklärt werden. M.a.W.: Solange ein Grundstückseigentümer einen identischen Nutzen aus der Infrastruktur eines Bestandsgebietes im Vergleich zu einem Neubaugebiet hat, also in gleicher Weise Elektrizität und Strom bezieht sowie Zugangsmöglichkeiten hat, ist kein Grund für eine Wertdifferenz ersichtlich. Eine weitere Ursache für den Wertunterschied könnte auch die Umgebung sein: In Neubaugebieten sind die Häuser schick, in Bestandsgebieten reiht sich häufig ein fast abrissreifer “Schandfleck” an den anderen. Dies erklärt aber nicht, warum auch an der Grenze der Bodenrichtwertzone des Neubaugebietes immer noch ziemlich hohe Bodenpreise bezahlt werden – eigentlich müsste hier ja ein Bestandsgebiet mit seinen “Schandflecken” hin ausstrahlen. Möglicherweise ist auch einfach die Zahlungsbereitschaft von Grundstücksverkäufern in Neubaugebieten höher als diejenige in Bestandsgebieten.

Meine Bitte an die Leserinnen und Leser: Wer hier Ideen oder Erfahrungen hat, möglicherweise auch Studien zu diesem Komplex kennt, möge diese mit den Adressaten dieses Blogs bitte teilen!