Für die einen stellt sie einen unzulässigen Eingriff in die Eigentumsrechte dar und sollte daher am besten ersatzlos abgeschafft werden. Für die anderen ist sie das Mittel der Wahl für die Finanzierung der öffentlichen Hand: Die Grundsteuer. Sie stellt eine der ältesten Abgaben dar, und gleichzeitig eine der am wenigsten verstandenen und am meisten unterschätzten – zumindest hierzulande.
Bodenwertzonen in der deutschen Kolonie Qingdao (Karte zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. W. Matzat)
S. hierzu den am 25.10.2015 erschienenen Artikel in Telepolis:
Die Grundsteuer wurde bereits erfolgreich vor mehr als 100 Jahren in der deutschen Kolonie Qingdao in China zur Bekämpfung der Bodenspekulation und zur Erzielung von Steuereinnahmen eingesetzt (s. die obige Bodenwertkarte von Qingdao). Die heutige Diskussion der Länderfinanzminister um eine Reform der Grundsteuer hinkt dem Stand vor über hundert Jahren deutlich hinterher.
Was würden Sie von einem Film über Aktien und deren Kurse halten, in dem das Wort “Gewinn” kein einziges Mal vorkommt?
Möglicherweise dasselbe wie ich von einem Bericht über die Hausse auf den Immobilienmärkten, welcher den Begriff “Bodenrente” kein einziges Mal erwähnt.
Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
Die Bodenrente ist, wie die Abbildung illustriert, nämlich in den letzten Jahren in Deutschland fortlaufend gestiegen. Das ist der eigentliche Grund für die im Film
beklagten hohen Mieten (in 3Sat erstmalig im Abendprogramm des 23.10.2015 ausgestrahlt). Das zugleich sinkende Zinsniveau führt dann zur Formel für die steigenden Preise auf dem deutschen Immobilienmarkt.
Der Bericht zeigt Mieterhöhungen im Zuge energetischer Sanierung: Dies ist aber nichts Anderes als ein legales Mittel, um diese gestiegenen Bodenrenten über Mieterhöhungen auch abzuschöpfen.
Und die im Film erhobene Forderung, angesichts der Notwendigkeit, Energieeffizienz mit bezahlbarem Bauen und Wohnen zu verbinden, müsse der Staat ran: Dies ist die alte Leier, die Taschen der Rentiers auf Kosten der Steuerzahler zu füllen (also die in diesem Blog immer wieder thematisierte Ursünde).
Von der möglichen Rolle von kommunalen Erbbaurechten (die ja vor knapp 100 Jahren gerade vor dem Hintergrund angespannter Wohnungsmärkte in Deutschland eingeführt wurden) oder auch von der möglichen Rolle einer reformierten Grundsteuer erfährt der geneigte Zuschauer indessen nichts. Obwohl gerade diese Instrumente in der Lage wären, die Bodenrente abzuschöpfen, eine Verdichtung zu forcieren und auch aus anderen Gründen Erleichterung auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen.
Auf der anderen Seite stellt der Film gut dar, dass Auflagen, Verbote und Gebote (s. die Diskussion um die Mietpreisbremse) für sich genommen allenfalls nur sehr beschränkt wirksame Mittel zur Beeinflussung der Marktkräfte darstellen.
Fazit: Ein sehr interessanter, gut gemachter Film; hinsichtlich des Niveaus der Durchdringung des Themas aber leider nicht Avantgarde.
Teilnehmer waren neben den Verfassern der Studie Dr. Ralph Henger und Dr. Thilo Schäfer (beide IW Köln) auch Jürgen Lübbers (Bürgermeister der Samtgemeinde Barnstorf) sowie Olaf Tschimpke (Präsident des NABU) aus den Reihen der Erstunterzeichner des Aufrufs “Grundsteuer: Zeitgemäß!“.
Aus dem Gespräch, dessen Inhalt auf der WebSite IW Köln zusammen mit ergänzenden Materialien ausführlich dargestellt ist:
“Den deutschen Kommunen liefert die Grundsteuer 15 Prozent ihrer Einnahmen. Doch die Steuer fußt in ihrer jetzigen Form auf veralteten Daten und ist investitionsfeindlich: Die Bewertung der Grundstücke geht in Westdeutschland auf 1964 zurück, in Ostdeutschland sogar auf 1935. Zudem hat der Wert des Gebäudes Einfluss auf die Höhe der Steuer, wodurch jede Investition ins Gebäude zu einer steuerlichen Mehrbelastung führt. Im Umkehrschluss bedeutet das außerdem, dass besonders wenig Grundsteuer für unbebaute Grundstücke fällig wird – selbst in Stadtzentren. ‘Es gibt kaum Anreize, Brachflächen zu bebauen, Baulücken zu schließen oder ein Grundstück möglichst effizient zu nutzen’, fasst IW-Immobilienexperte Ralph Henger zusammen.
Die meisten Reformvorschläge, zeigt die IW-Studie, werden daran wenig ändern, was die Zersiedelung von Städten und Gemeinden weiter fördert. Anders bei einer Bodensteuer, die das IW Köln bevorzugt. Bei dieser lägen die Kosten für ein unbebautes Grundstück etwa sechsmal so hoch wie bislang. Für Grundstücke mit Einfamilienhäusern würde die Grundsteuer bundesweit ungefähr gleich hoch bleiben, in den Großstädten mit teuren Wohnlagen allerdings um gut 200 Euro auf 770 Euro pro Jahr zulegen. Klarer Gewinner der Reform, die nur noch den Boden zur Bewertungsgrundlage macht, wären die Bewohner von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Sie würden in Großstädten fast 80 Euro, im bundesweiten Durchschnitt 60 Euro pro Jahr sparen. Und das Reformmodell hätte noch weitere Vorteile, erklärt Henger: ‘Mittlerweile ist durch die nahezu flächendeckend vorliegenden Bodenrichtwerte klar, wie viel der Boden wert ist. Eine Bodensteuer wäre also kein bürokratischer Kraftakt, sondern eine Steuervereinfachung.'”
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 7.10.2015 (18 793 Euro für einen Quadratmeter, von Wolfgang Schmidt) über die Preisentwicklung der Immobilien auf Sylt:
“Kiel. Wer aus seinem Haus aufs Meer schauen will, muss immer tiefer in die Tasche greifen. Mit Abstand am teuersten ist die eigene Immobilie immer noch auf der Insel Sylt, aber auch andere Lagen holen auf. Dies ergibt sich aus dem Immobilienatlas, den die Landesbausparkasse Schleswig-Holstein am Dienstag für dieses Segment vorstellte. Demnach sind die Preise für Häuser und Wohnungen an Nord- und Ostsee in Schleswig-Holstein sowie auf den Inseln in den vergangenen zwei Jahren weiter gestiegen. „Mit ganz wenigen Ausnahmen haben die Preise stark angezogen“, sagte LBS-Vorstandschef Peter Magel.
Mit einem Quadratmeterpreis von durchschnittlich 18 793 Euro sind demnach Ein- und Zweifamilienhäuser im Sylter Nobelort Kampen weiterhin am kostspieligsten. Es folgt Rantum mit 13 722 Euro. Dabei hat Kampen seit 2013 nur um rund 1000 Euro zugelegt, Rantum dagegen um mehr als 3000 Euro. Im Schnitt liegt der Quadratmeterpreis auf Sylt bei knapp 9500 Euro, was einem minimalen Plus von 0,2 Prozent entspricht – vor allem, weil der Ort List um 20 Prozent ins Minus rutschte. Auf Sylt sei eine gewisse Beruhigung eingezogen, folgert Magel. „Bei hochpreisigsten Lagen wird nicht mehr alles gezahlt.“ Einen Preisrückgang erwarte er dort aber nicht. „Es ist eben unheimlich viel Geld auf dem Markt.“
Käufer suchen demnach zunehmend in der Nachbarschaft günstigere Alternativen zu den absoluten Toplagen, was dort zu entsprechenden Preissteigerungen führt. So schnellten die Häuserpreise auf Amrum am kräftigsten in die Höhe, seit 2011 um fast 58 Prozent und allein in den vergangenen zwei Jahren um 50 Prozent. Im Schnitt kostet der Quadratmeter Wohnfläche dort jetzt 5700 Euro pro Quadratmeter. St. Peter-Ording verbucht seit 2013 einen Zuwachs um 27 Prozent auf 3341 Euro.
An der Ostseeküste ist es auch deutlich teurer geworden. So kletterten die Hauspreise in den vergangenen vier Jahren in Scharbeutz um 29 Prozent und um 40 Prozent in Travemünde. Dennoch sind die Preise noch weit vom Nordsee-Niveau entfernt. Timmendorfer Strand führt die aktuelle Ostsee-Liste mit 3160 Euro an – vor Strande bei Kiel (2906 Euro) und Sierksdorf (2737 Euro). „Tendenziell holt die Ostseeküste auf, aber auf einem ganz anderen Niveau“, sagte Magel.
Bei Eigentumswohnungen führt Kampen mit 11 355 Euro vor Rantum (8263 Euro) und Wenningstedt-Braderup (6847 Euro). An der Ostsee ist Timmendorfer Strand mit 3500 Euro (plus 19 Prozent seit 2013) vorn, vor Travemünde (2789 Euro/18 Prozent) und Scharbeutz (2784 Euro/22 Prozent). Zum Teil sind inzwischen Wohnungen teurer als Häuser.”
Es handelt sich um ein Phänomen, dass spätestens seit der Finanzkrise 2008 immer augenscheinlicher geworden ist: Überall auf der Welt wird Ackerland aufgekauft, egal ob in Osteuropa oder in Entwicklungsländern. Bauern und indigene Völker müssen den Profit-Interessen finanzstarker Länder und Investoren weichen.
Aus: Phnom Phen Post, irgendwann in 2011
Auf diese Weise wurde bereits eine Fläche, die etwa halb so groß wie Europa ist, an Agrokonzerne und lokale Oligarchen verkauft oder nahezu zum Nulltarif langfristig verpachtet.
“Buy land, they’re not making it anymore”, wie Mark Twain schon treffend sagte. Eine tolle Anlage für die Schönen und Reichen, Vermögen und den Zugriff auf die Ressourcen auch in Zukunft zu sichern – den Preis dafür zahlen andere.
Der Dokumentarfilmer Kurt Langbein zeichnet in einem neuen Film die Entwicklung des Landraubes nach. Eine Kurzfassung zum Hineinriechen finden Sie hier (Kulturjournal, NDR):
Der Film startet diese Woche in den deutschen Kinos, in Österreich ist er schon seit dem 18. September angelaufen. Allerdings kann ich mir ein Ceterum censeo nicht verkneifen: Land Grabbing ist Rent Grabbing. Land Grabbing kann man beklagen, wirksam bekämpfen kann man es aber nur mit dem zugrunde liegenden Rent Grabbing.
Im Übrigen unterstützt auch die sog. “Entwicklungszusammenarbeit” die unseelige Entwicklung. Zu den Hintergründen siehe