Steuerreform – Vorschläge von Joseph E. Stiglitz

Dirk Löhr

Joseph E. Stiglitz propagiert im vorliegenden White Paper “Reforming Taxation to Promote Growth and Equity” (Roosevelt Institute, 28. Mai 2014) folgende allgemeine Besteuerungsprinzipien:

– Ein verallgemeinertes Henry George-Prinzip, wonach die Boden- und Ressourcenrenten so weit wie möglich abgeschöpft werden sollten;

– Ein verallgemeinertes Verursacherprinzip, über das externe Kosten über die Besteuerung den Verursachern angelastet werden;

– Eine Finanztransaktionssteuer, die durchaus auch als Steuer zur Rückführung von Externalitäten auf den Finanzmärkten verstanden werden kann.

Ein kurzes Interview mit Stiglitz findet sich hier: http://www.nextnewdeal.net/sites/default/files/audio/joseph_stiglitz_tax_audio_05.27.mp3

Buchtipp: Der stille Putsch – von Jürgen Roth

Dirk Löhr

Buchtipp, auch passend zum Thema TTIP und Geheimverhandlungen:

Jürgen Roth: Der stille Putsch – wie eine geheime Elite aus Wirtschaft und Politik sich Europa und unser Land unter den Nagel reißt, 3. Aufl., Heyne 2014.

Eine Besprechung und ein Interview mit dem Autor findet sich in

M. Klöckner (2014): Gezielte Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme in Europa, in: Telepolis vom 10.04. Online: http://www.heise.de/tp/artikel/41/41455/1.html

Piketty: Marx reloaded oder alter Wein in neuen Schläuchen?

Dirk Löhr

Das Buch von Thomas Piketty („Capital in the Twenty-First Century“) ist in aller Munde. In den USA bricht es Verkaufsrekorde und hat mit 685 Seiten die Chance, ein Klassiker zu werden: Schon der Titel des Buches knüpft an Karl Marx an. Und es ist DAS Thema unter ökonomisch Interessierten. Allerdings begnügen sich wohl die meisten Leser nach den ersten 80 Seiten entnervt mit rationaler Ignoranz und legen den Wälzer wieder beiseite.

Inhaltlich geht der gefeierte Piketty indessen nicht weit über die gescholtenen orthodoxen Ökonomen hinaus. In seinem Diskussionspapier „Critical Remarks on Piketty’s ‘Capital in the Twenty-first Century’” kritisiert der – durchaus nicht als heterodox bekannte – Ökonom Stefan Homburg, dass die Analyse von Piketty eine Unterscheidung von Land und Kapital vermissen lässt (s. Abschnitt 5). Insoweit steht Piketty in der neoklassischen Tradition von Clark (1893) und Knight (1946/1951), die als eine der ersten mit Erfolg diese Nebelkerzen warfen (in kaum einem Lehrbuch wird mehr zwischen Land und Kapital unterschieden).

Beides wird auch von Piketty stattdessen unter „Wealth“ verrührt. Dann wird eine „Wealth-Income-Ratio“ gebildet, die immer weiter ansteigt. Der von Piketty gezogene Schluss, dass dies auf eine Akkumulation des Faktors Kapital zurückzuführen ist, ist jedoch unhaltbar. Homburg zeigt anhand von OECD-Daten für das Beispiel Frankreich, dass vielmehr der Wert des Faktors Grund und Boden seit 1999 immer stärker inflationiert wurde. Seit der Einführung des Euro verdreifachten sich die Bodenpreise. Dies machte in Wesentlichen Teilen den Anstieg der „Wealth-Income-Ratio“ aus; die Relation von „Kapital“ zum Bruttoinlandsprodukt veränderte sich hingegen nicht nennenswert.

Zwar verzeichneten Wohngebäude innerhalb des Faktors Kapital durchaus eine erwähnenswerte Zunahme, nicht aber Maschinen und Ausrüstungen, die im Übrigen lediglich 5 % des Gesamtvermögens ausmachen. Dies ist bedeutsam, zumal die auf S. 221 von Piketty getroffene Schlussfolgerung, „ausgebildete Roboter“ („sophisticated robots“) würden immer stärker den Faktor Arbeit ersetzen und einen immer höheren Anteil des Nationaleinkommens an sich ziehen, mit den Fakten nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.

Ein Anstieg des Wertes des Gesamtvermögens ist also nicht auf einen Anstieg des Kapitaleinkommens am Nationaleinkommen zurückzuführen, und der Anstieg des Verhältnisses von Vermögen zu Einkommen wurde größtenteils nicht durch Ersparnisse und darauf basierendem Wirtschaftswachstum verursacht.

Homburg reißt allerdings mit dem Hinterteil wieder ein, was er zuvor mit seinen Händen aufgebaut hat: So ist er der Meinung, dass die Produktion durch die steigenden Bodenpreise nicht beeinträchtigt wird (s. 8). Er verkennt dabei, dass steigende Landpreise weiteres Kapital auf sich ziehen – zu Lasten produktiver Investitionen (vgl. Mattauch et al. 2013, S. 15). Schließlich verharmlost er die steigenden Bodenpreise in verteilungspolitischer Hinsicht dahingehend, dass seiner Meinung nach gerade die Mittelklasse hiervon profitierte (S. 7). Homburg erkennt dabei nicht, dass – wie in diesem Blog anhand der Branchenstudien („Gewinne und Renten: Beispiel …“) wiederholt illustriert wurde – der Kern der Gewinne von Großunternehmen die ökonomischen Renten sind. Diese entfallen auf größtenteils auf Land – wobei der Begriff “Land” in diesem Blog immer in einem weiten, an die klassischen Ökonomen anknüpfenden Verständnis verwendet wird, der über “Grund und Boden” weit hinausgeht. Der Wert des Eigenkapitals dieser Großunternehmen repräsentiert im Kern ebendiesen Wert von Land (Löhr 2013). Dies entgeht Homburg – und damit ebenfalls, dass die Shareholder-Value-Unkultur eng im Zusammenhang mit der Bodenpreisentwicklung steht und maßgeblich dazu beiträgt, den Mittelstand zunehmend zu erodieren.

So bleibt festzuhalten: So wertvoll die Datensammlungen von Piketty auch sind – das Buch ist mit großer Vorsicht zu genießen. Ebenso wie die Kritik von Homburg.

 

Literatur:

Clark, J.B. (1893), “The Genesis of Capital”, Yale Review, Vol. 2, November, S. 302-315.

Homburg, S. (2014): Critical Remarks on Piketty’s ‘Capital in the Twenty-first Century’, Discussion Paper No. 530, Institute of Public Economics, Leibniz University of Hannover, Germany. Online: http://diskussionspapiere.wiwi.uni-hannover.de/pdf_bib/dp-530.pdf

Knight, F.H. (1946/1951), “Capital and Interest”, in: Feliner, W. and Haley, B. (Eds.) Readings in the Theory of Income Distribution. Selected by a Committee of the American Economic Association, The Blakiston Co., Philadelphia, S. 384-417.

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013.

Mattauch, L. / Siegmeier, J. / Edenhofer, O. / Creutzig, F. (2013): Financing Public Capital through Land Rent Taxation: A Macroeconomic Henry George Theorem, CESIFO Working Paper No. 4280, category 1: Public Finance, June.

Neue Filmtipps zum Thema TTIP

Sehenswert sind die beiden folgenden Reportagen:

Freihandelsabkommen TTIP: Angriff auf die Demokratie? ARD-Sendung Monitor vom 22.05.2014. Online: http://www.ardmediathek.de/das-erste/monitor/freihandelsabkommen-ttip-angriff-auf-die-demokratie?documentId=21472346

Geheimsache Freihandel: ZDFzoom-Dokumentation vom 21.05.2014. Online: http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/2154850/ZDFzoom:-Geheimsache-Freihandel

 

… anschauen, solange die Filme noch in den Mediatheken verfügbar sind … (Beschränkung dank den Befürwortern “geistiger Eigentumsrechte”)

Gabriel droht: Google an die Leine?

Aus einer Mail von Prof. Dr. Johann Walter (Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen); die Erlaubnis der Veröffentlichung wurde eingeholt:
“…. hier eine kurze Kommentierung per mail, bzw. einige Fragen zur Idee eines
“Wettbewerbs um den Markt” per Ausschreibung:
1. welcher Markt ist gemeint? (Nur der “Suchmaschinenmarkt” oder mehr?)
2. wie oft soll ausgeschrieben werden bzw. wie lange soll der
Gewinner der Ausschreibung den Markt für sich haben?
3. was passiert mit den alten Infos bzw. Verlinkungen, wenn der Markt nach
einer Ausschreibung in andere Hände fällt?

Da scheinen mir noch einige Fragen zu klären zu sein – insbesondere
im so stark dynamischen Umfeld des betrachteten Marktes! …”
Aus der Antwort an Prof. Walter: “… So viel vorab:
– Ich meinte den Markt für Suchmaschinen. Dies ist m.E. die Basis für die Machtposition von Google.
– Ausschreibungsperiode: Man müsste einen Kompromiss finden (zu lange Perioden bringen Kontrollverlust und machen träge), zu kurze Perioden verunmöglichen Lerneffekte. Ich denke an vielleicht fünf Jahre.
– Sofern die User zahlen, dürfen die Daten vom Gewinner nicht weiter genutzt werden. Sofern sie nicht zahlen, sind sie wie heute Eigentum des Gewinners der Ausschreibung und dürfen wie heute verwertet werden.
Heikler sind aber m.E. die Lerneffekte, die bei einem Wechsel des Agenten verloren gehen (z.B. Yahoo statt Google). Allerdings meine ich, dass – nach allem, was ich bisher gelesen habe – der Algorithmus von Yahoo etc. dem von Google nicht wesentlich unterlegen ist. Die Wettbewerber können sich nur nicht die indirekten Netz- bzw. Skaleneffekte im selben Ausmaße wie Google zu Nutze machen. …”

No Rent Grabbing!

Dirk Löhr

Sie ist die unumschränkte Herrscherin im Netz. 91,2 % Marktanteil (Statista 2014). An der Suchmaschine von Google kommt keiner vorbei. Eigentlich sollte die Diskussion, ob Google eine marktbeherrschende Stellung hat, damit beendet sein. Es ließ aufhorchen, als letzten Monat ausgerechnet vom Vorstand der mächtigen Axel Springer AG ein öffentlicher Hilferuf gesendet wurde (Döpfner 2014). Nun setzte Bundeswirtschaftsminister Gabriel diese Woche einen drauf, als er ein Einschreiten gegen die Marktmacht von Google forderte – offenbar angespornt durch das Vorgehen der EU-Kommission gegen Google (Sueddeutsche.de 2014; SpiegelOnline 2014).

Umstritten ist, worauf sich die Macht von Google eigentlich begründet. Manche Ökonomen sprechen von einer „wesentlichen Einrichtung“, die den Zugang zur Netzinfrastruktur als „Türsteher“ kontrolliere. Andere charakterisieren Google als ein „natürliches Monopol“, das vorliegt, wenn ein einziger Anbieter den Markt kostengünstiger als eine Vielzahl von Anbietern versorgen kann. Begründet wird das Zustandekommen u.a. mit „indirekten Netzeffekten“, wonach – untechnisch gesprochen…

View original post 876 more words

Die wertvollsten Unternehmen der Welt

Dirk Löhr
Welches sind die wertvollsten Unternehmen? Die jährliche “BrandZ”-Studie der Markenwertforscher von Millward Browns gibt darüber Auskunft. Sie analysiert neben Finanzkennzahlen auch Daten der Markt- und Verbraucherforschung. Jüngst wurde die aktuelle Studie 2014 publiziert. Was ist die ökonomische Basis der Erfolge der wertvollsten Unternehmen? Hierzu mache man sich zunächst klar, wie überhaupt der Unternehmenswert ermittelt wird:
Bei der Unternehmensbewertung (= Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals eines Unternehmens) werden – vereinfacht gesagt – die zukünftigen Gewinne auf die Gegenwart bezogen, also „abgezinst“. Zuvor wird aber der Unternehmerlohn und auch das Unternehmensrisiko korrigiert. Letztlich wird somit eine ökonomische Rente aus dem Unternehmen mit einer risikoäquivalenten oder – je nach Methode – risikolosen Alternativanlage auf dem Finanzmarkt verglichen, also zwei arbeitslose Einkommensströme.

Die Top 5 der “BrandZ” besteht nun komplett aus US-Unternehmen:

Rang Firma Ökonomische Grundlage
 1. Google Geistige Eigentumsrechte, steigende Skalenerträge (wie bei einem natürlichen Monopol)
 2. Apple Geistige Eigentumsrechte
 3. IBM Geistige Eigentumsrechte
 4. Microsoft Geistige Eigentumsrechte
 5. McDonald’s Standorte (McDonald’s ist ein Immobilienunternehmen, s. den Blog-Beitrag Gewinne und Renten: McDonald’s ist einfach gut)

Die ökonomische Basis des Erfolgs ist durch Wettbewerb kaum angreifbar. Die Gewinne der Großunternehmen sind im Kern ökonomische Renten. Standortvorteile in Privateigentum (Bodenrenten, McDonald’s), exklusive geistige Eigentumsrechte (Apple, IBM, Microsoft), sowie ein natürliches Monopol in privater Hand (Google) sind allesamt Vorrechte und haben wenig mit Leistung zu tun.

 

Mehr Information:
O.V. (2014): Das sind die wertvollsten Unternehmen der Welt, in: Sueddeutsche.de 21.05. Online: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brandz-liste-das-sind-die-wertvollsten-marken-der-welt-1.1970917

Gabriel droht: Google an die Leine?

Dirk Löhr

Sie ist die unumschränkte Herrscherin im Netz. 91,2 % Marktanteil (Statista 2014). An der Suchmaschine von Google kommt keiner vorbei. Eigentlich sollte die Diskussion, ob Google eine marktbeherrschende Stellung hat, damit beendet sein. Es ließ aufhorchen, als letzten Monat ausgerechnet vom Vorstand der mächtigen Axel Springer AG ein öffentlicher Hilferuf gesendet wurde (Döpfner 2014). Nun setzte Bundeswirtschaftsminister Gabriel diese Woche einen drauf, als er ein Einschreiten gegen die Marktmacht von Google forderte – offenbar angespornt durch das Vorgehen der EU-Kommission gegen Google (Sueddeutsche.de 2014; SpiegelOnline 2014).

Umstritten ist, worauf sich die Macht von Google eigentlich begründet. Manche Ökonomen sprechen von einer „wesentlichen Einrichtung“, die den Zugang zur Netzinfrastruktur als „Türsteher“ kontrolliere. Andere charakterisieren Google als ein „natürliches Monopol“, das vorliegt, wenn ein einziger Anbieter den Markt kostengünstiger als eine Vielzahl von Anbietern versorgen kann. Begründet wird das Zustandekommen u.a. mit „indirekten Netzeffekten“, wonach – untechnisch gesprochen – ein Internetangebot umso attraktiver wird, je mehr andere Nutzer dieses ebenfalls wahrnehmen (vgl. Haucap / Kehder 2013). Allerdings: Bis ins letzte verstanden ist die Macht von Google noch nicht, gegen jedes Argument existieren gute Gegenargumente. Auch dies erschwert das konkrete Vorgehen gegen die Macht von Google.

Die traditionelle Vorgehensweise bei natürlichen Monopolen ist die Verstaatlichung. Sie wurde schon ernsthaft in Erwägung gezogen (Howard 2012). Bei einer dynamischen Industrie wie dem Internet wird dies allerdings von den meisten Ökonomen nicht ernsthaft in Betracht gezogen.

Weniger drastisch ist die Zerschlagung – als Vorbild dient die Trennung von Netz und Betrieb bei anderen netzgebundenen Infrastrukturen. Demnach dürfte ein Anbieter wie Google eigene Internetangebote in seiner Suchmaschine nicht bevorzugt behandeln und müsste diese organisatorisch auch von seinem Netz abtrennen. Diese Maßnahme gilt als weitreichend. Und auch hierüber denkt Gabriel nach. Doch trifft sie wirklich auch den Kern des Problems?

Ökonomen, Politiker und Kartellwächter tun sich also mit dem Phänomen Google schwer. Die Kostenstruktur gleicht der eines natürlichen Monopols, gleichzeitig ist die Suchmaschine eine Infrastruktureinrichtung. Man kann sie, wie Callas (2011), sogar als eine Einrichtung der Grundversorgung ansehen. Andererseits bereitet die Verstaatlichung einer solch hochdynamischen Industrie Bauchschmerzen. Der Mittelweg, eine Regulierung, erscheint wie ein Durchwurschteln ohne wirkliches Konzept.

Was tun? M.E. bietet der Fall Google auch die Chance, sich auf bewährte Konzepte zu besinnen. Das Internet gehorcht nicht vollkommen neuen ökonomischen Gesetzen. Daher sollte aus dem Faktum eines 91,2 %-igen Marktanteils endlich die Konsequenz gezogen werden: Man kann diesen Anteil ohne großen Schaden für den Wettbewerb auf 100 % erweitern. Allerdings nicht in privater Hand. Es geht andererseits auch nicht um die Verstaatlichung des Internet als solchem (Steinhau 2014). Sinnvoll wäre jedoch eine einzige kommerzielle Suchmaschine für Deutschland. Der Schlüssel hierfür ist eine exklusive Domain für eine deutsche Internet-Suchmaschine in staatlicher Hand (vgl. Wittkewitz 2010). Nun ist jedoch wie gesagt Vater Staat nicht derjenige, in dessen Schoß man das Vorantreiben von technischen Innovationen gerne legen will (Schmitt-Raiser 2011). Andererseits ist Wettbewerb im Markt nicht möglich. Machbar ist aber ein Wettbewerb UM den Markt. Dies kann mittels einer Ausschreibung geschehen. Hierbei haben AOL, Bing, Yahoo oder t-Online dieselben Chancen wie Google. Der Gewinner wird als Agent des Staates für den Betrieb der öffentlichen Infrastruktureinrichtung tätig. Zumal Monopolisten mit der Zeit träge werden, würde eine solche Regelung den Wettbewerb und die Innovation auf Dauer stützen und nicht hemmen. Zudem können über die Ausschreibung die ökonomischen Renten abgeschöpft werden, die an dem Monopol hängen – so leisten auch Google & Co. ihren Beitrag zum Gemeinwesen (hingegen üben sie sich derzeit meisterlich in der Kunst der legalen Steuervermeidung).

Anders als heute muss sich der Gewinner der Ausschreibung jedoch einer strengen staatlichen Aufsicht unterziehen, insbesondere, was die Nutzung der gewonnenen Daten und den Suchalgorithmus angeht. Letzterer ist vom Gewinner der Ausschreibung einem öffentlichen Kontrollausschuss offenzulegen, der auch die Neutralität der Suchmaschine überwacht.

Netz und Betrieb werden dabei organisatorisch und rechtlich radikal getrennt – bei Abmahnungen aufgrund von Bevorzugungen eigener Produkte und Dienste wird der Anbieter bei der nächsten Ausschreibungsrunde ausgeschlossen. Die Ausschreibungsrunden könnten alle drei bis vier Jahre erneut stattfinden.

Mit seinen Programmen AdWords und AdSense kreiert Google heutzutage hauptsächlich Werbeumsätze. Dabei werden von den Unternehmenskunden „Lagerenten“ kassiert: Wer an exponierter Stelle stehen will, zahlt entsprechend mehr. Diese „Lagerenten“ könnten über die Ausschreibung weitgehend abgeschöpft werden.

Heutzutage ist der Nutzer der Suchmaschine nicht Kunde, sondern das Produkt. Seine Daten sind die Ware, die Google an die Unternehmen verkauft. Letztere sind die eigentlichen Kunden. Daher sollte – anders als heute – der Nutzer der Suchmaschine die Wahl haben, statt mit seinen Daten mit Geld für die Nutzung der Suchmaschine zu bezahlen. Diejenigen Nutzer, die ihre Daten gegen kostenlosen Zugang zu den Suchmaschinen weiterhin zur Verfügung stellen wollen, können weiterhin mit persönlichen Daten bezahlen. Diejenigen Nutzer, die ihre Daten  nicht zur Verfügung stellen wollen, bezahlen für die Nutzung mit Cash – so wird auch der Wert der Daten transparent.

Nicht kommerzielle Suchmaschinen dürfen weiterhin frei betrieben werden, aber unter permanenter Missbrauchsaufsicht.

Was für Google angemessen ist, gilt noch lange nicht für andere Problemkandidaten. Zu Amazon, eBay etc. s. den Blogbeitrag “Wer schreit noch vor Glück? Über das Ama-Zoning unserer Innenstädte”). Die Facebook-Problematik ist ebenfalls ernst zu nehmen (vgl. Metzeler 2012; Howard 2012) – allerdings ist sie m.E. von minder schwerer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft als Google.

Märkte – auch im Internet – fallen nicht vom Himmel. Sie sind soziale Konstrukte. Eine sinnvolle Konstruktion liegt allein bei uns.

 

Literatur und Informationen

Callas, J. (2011): Google, Facebook und der Staat. ZeitOnline vom 1.10. Online: http://www.zeit.de/2011/40/Jon-Callas-ueber-Facebook

Döpfner, M. (2014): Warum wir Google fürchten. FAZ.net vom 16.4. Online: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/mathias-doepfner-warum-wir-google-fuerchten-12897463.html

Haucap, J. / Kehder, C. (2013): Suchmaschinen zwischen Wettbewerb und Monopol: Der Fall Google, Working Paper, DICE Ordnungspolitische Perspektiven, No. 44, Juni.

Howard, P.N. (2012): Let’s Nationalize Facebook, Future Tense vom 16.8. Online: http://www.slate.com/articles/technology/future_tense/2012/08/facebook_should_be_nationalized_to_protect_user_rights_.single.html

Metzeler, C. (2012): Verstaatlicht Facebook & Google! In: Verantwortung vom 12.12. Online: http://www.verantwortung.org/2012/12/verstaatlicht-facebook-google.html

Schmitt-Raiser, R. (2011): Google verstaatlichen? In: Main Post vom 02.02. Online: http://www.mainpost.de/ueberregional/meinung/Google-verstaatlichen;art9517,5959286

Steinhau, H. (2014): Verstaatlichung des Netzes? Wohl kaum, aber … iRights info vom 21.03. Online: http://irights.info/2014/03/21/kommentar-verstaatlichung-des-netzes-wohl-kaum-aber/22192

Sueddeutsche.de (2014): Gabriel will Macht von Google brechen, 15.05. Online: http://www.sueddeutsche.de/digital/nach-eugh-urteil-gabriel-will-macht-von-google-brechen-1.1966016

Spiegel Online (2014): Streit um Marktmacht: Gabriel erwägt Schritte gegen Googles Monopolstellung, 16.5. Online: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/monopol-von-google-sigmar-gabriel-fordert-staerkere-regulierung-a-969733.html

Wittkewitz, J. (2010): Innenminister: Domain-Registrierung verstaatlichen, in: Netzpiloten.de vom 04.05. Online: http://www.netzpiloten.de/innenminister-will-domain-registrierungstellen-verstaatlichen/

Öffentlich-rechtliche Stiftung für Kernkraft: Ein Kuckucksei

Dirk Löhr

Atomausstieg: Bald haben die Meiler ausgedient. Die großen Stromkonzerne wissen das. Nun kommen nur noch Kosten: Abriss, Entsorgung, “Endlagerung”. In der Vergangenheit scherte man sich nicht darum. Ein positiver Kalkulationszins gab das investitionsrechnerische Signal, einzelwirtschaftliche Erträge gleich zu realisieren, und die Kosten auf kommende Generationen abzuwälzen. Der Barwert der zukünftigen Ausgaben wog in der Vergangenheit so gering, dass sich die Investition dennoch lohnte. Auf die derzeit amtierenden Vorstände der Energiekonzerne kommen allerdings die Kosten des Aufräumens, die ihre Vorgänger ihnen überlassen haben, mit vollem Gewicht zu. So besinnt man sich nun auf ein alt bewährtes Muster: Privatisierung der Gewinne – Sozialisierung der Kosten, damit alles schön balanciert ist. Vorwand ist eine milde Gabe: Das Atomgeschäft soll nach Informationen des Spiegel in eine öffentlich-rechtliche Stiftung eingebracht werden, zusammen mit den bislang gebildeten Rückstellungen. Auf einmal wird der Staat als Unternehmer überraschender Weise also wieder interessant. Dies klingt für den Unbedarften vielleicht erst einmal großzügig, ist aber ein Kuckucksei:

Die Stiftung soll das Atomgeschäft bis zum endgültigen Ausstieg im Jahr 2022 weiterführen. Die Konzerne wissen wohl, dass die Rückstellungen (ca. 35,8 Mrd. Euro) hinten und vorne nicht ausreichen, um die Kosten und Risiken abzudecken, die mit der endgültigen Abschaltung verbunden sind (mindestens 44 Mrd. Euro). Nun handelt es sich bei den verantwortlichen Politikern und Beamten auch nicht um Vollidioten – diese haben das Spiel durchschaut. Ihre Begeisterung hält sich in engsten Grenzen. Allerdings bestehen erhebliche Schadensersatzforderungen der Konzerne gegenüber der Bundesregierung (aufgrund des Atomausstiegs). Diese scheinen die Verhandlungsmasse zu sein, über die Druck auf die Regierung gemacht werden, den Vorschlag dennoch zu akzeptieren. Dennoch: Selbst dann, wenn die Energiekonzerne auf ganzer Linie mit der Durchsetzung ihrer Forderungen erfolgreich wären, sollte der Staat nicht auf die Erpressungsversuche eingehen.

Die “Drückerkolonne” besteht dabei aus EnBW, RWE und E.On. Vattenfall betreibt separat Klagen, darunter auch im Rahmen eines internationalen Investitionsschutzabkommens vor einem rechtsstaatlich zweifelhaften Parallelgericht (s. hierzu den Blogbeitrag “Das Investorenschutzabkommen im Europäischen Parlament: Die rote Garde vor Mammons Thron“). Hierbei geht es um 3,5 Mrd. Euro.

In der Vergangenheit hat man im Zusammenhang mit den auszumusternden Dinosauriertechnologien das Entstehen von Großunternehmen tolieriert, die mittlerweile als “to big to fail” eingestuft werden. Was wir im Finanzsektor erlebten (bad banks, “Rettungsaktionen”), kann sich nun auch im Energiesektor wiederholen. Aber: In einer funktionierenden Marktwirtschaft dürften solche Mammutgebilde gar nicht erst toleriert werden. Und in einer Marktwirtschaft sollte derjenige, der die Erträge vereinnahmt, auch für die Kosten gerade stehen – sowie für die Risiken. Warum also nicht die Energie”versorger” notfalls pleitegehen lassen und die Energielandschaft aus der Konkursmasse mit dezentral aufgestellten Unternehmen neu ordnen? Mir erscheint diese Vision alles andere als schrecklich – und der Staat hätte seinerseits ein Druckmittel gegenüber den großen Energie”versorgern” in der Hand.

Wir fassen zusammen: Bei den Kernkraftwerken handelt es sich um eine in der Vergangenheit mit Milliardensummen geförderte Technologie (ca. 204 Mrd. Euro in der Vergangenheit), die zudem über viele Jahre hinweg für die Energie”versorger” als Cash Cow hohe ökonomische Renten abwarf. Einen großen Teil der Risiken und Kosten trug dabei immer die Öffentlichkeit. Und nun will man sich der Kosten der Beendigung der Veranstaltung endgültig zu Lasten der Gemeinschaft entledigen. Unverschämter geht es nicht: Die Fratze des Rent Grabbing zeigt sich hier ganz ohne Schleier.

Mehr Informationen:

FAZ.net vom 12.05.2014: Staat soll für Abriss von Atommeilern zahlen. Online: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/energieversorger-wollen-gesamtes-atomgeschaeft-verstaatlichen-12933933.html

Spiegel Online  vom 11.05.2014: Plan der Energie-Konzerne: Bund soll Abriss von Atom-Meilern finanzieren. Online: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/atomkraftwerke-energiekonzerne-fordern-bad-bank-vom-bund-a-968719.html

ZDF-Duell: Martin Schulz gegen Jean-Claude Juncker

Dirk Löhr

High Noon im ZDF: Das lang ersehnte Aufeinandertreffen der Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten fand am 8. Mai um 20.15 im ZDF statt.  Die Spannung knisterte unüberhörbar: Wird es den bemühten Moderatoren doch noch gelingen, einen Gegensatz zwischen den beiden Kandidaten zu konstruieren? Denn egal ob Ukraine, die Euro-Krise, oder das Freihandelsabkommen: Zwischen Schulz und Juncker passte noch nicht einmal ein Blatt Papier. Kein Wunder, sind sie doch beide von derselben Blockpartei nominiert: TINA (there is no alternative), in der Sozialisten, Konservativen, Liberalen und weite Teilen der Grünen zusammen Europas Kurs bestimmen.

Jede Sitzung des Politbüros in Nordkorea dürfte also mehr Meinungsvielfalt bieten als diese Debatte. Ein Unterschied besteht allerdings: Besagtes Politbüro belästigt ehrlicherweise den Bürger nicht mit ihrem Schmarrn zur besten Sendezeit. Hier wie dort ist der Bürger lästig, hier wie dort ist er  nicht an der Meinungsbildung beteiligt. Dies gilt in Europa allerdings nicht für die Konzerne, wie die aktuell unter deren reger Beteiligung (aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit) verhandelten Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA gut zeigen (s. den Blogartikel “Das Investorenschutzabkommen im Europäischen Parlament: Die rote Garde vor Mammons Thron”). Das Demokratiedefizit zeigt sich also nicht nur bei den fehlenden Volksentscheiden anlässlich der Einführung des Euro in der Vergangenheit, die von den TINA-Blockflöten einvernehmlich vorangetrieben wurde – trotz der Warnungen von Ökonomen und mit den bekannten desaströsen Resultaten (Griechenland, Spanien, Portugal etc.).

Aus unserer Sicht gab es in der gestrigen Debatte lediglich eine kleine nennenswerte Akzentuierung: Wenn Schulz andeutete, hohe Zinsen wären positiv zu bewerten, und ein Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten sei des Teufels, befindet er sich in einer 150-jährigen sozialdemokratischen Tradition der ökonomischen Abwege – auf der ihm Juncker offenbar nicht ganz so freudig folgen will (Oma scheint Recht zu behalten: Sozis können nicht mit Geld umgehen – allerdings haben die Blockflöten Europa in einvernehmlicher Inkompetenz gegen die Wand gefahren). Ansonsten wurden gestern auf beiden Seiten nette und unverfängliche Wunschlisten für eine bessere Welt verlesen (Senkung der Jugendarbeitslosigkeit etc.), die Konzepte hierfür blieben ein weiteres Mal im Dunklen.

Also: Wählt TINA, und schaut auf die einzig vernünftigen Kriterien: Welches Gesicht gefällt mehr, welcher Anzug sitzt besser. Es ist alles gut. Man kann es gut an den gut gelaunten Köpfen sehen, die derzeit anlässlich der bevorstehenden Wahl mit inhaltsschweren Unterschriften an den Laternenpfählen baumeln: TINA hat es geschafft. Die Inhalte sind endgültig überwunden!

Böse Mine, gutes Geld

… und dieses stammt aus den Ressourcenrenten, die üblicherweise privatisiert werden. Gleichzeitig werden die Kosten auf schwach organisierte Gruppen abgewälzt. So füllen die Konsumenten in Deutschland und die Gesundheits- und Umweltschäden in den Kohleabbauländern die Kassen der Konzerne. Sehenswerte ZDF-Dokumentation:

Online: http://www.zdf.de/zdfzoom/boese-mine-gutes-geld-30680618.html