Bodenwertsteuer in Baden-Württemberg?

Dirk Löhr

Im Rahmen der Reform der Grundsteuer wurde für die Bundesländer die Möglichkeit geschaffen, von der Bundesregelung abzuweichen. Die Landesregierung Baden-Württemberg möchte dies mit einer Bodenwertsteuer tun. Anbei mehr in einem Interview mit der Wochenzeitung “Kontext”:

Verkehrswende: Lernen von Hong Kong

Dirk Löhr

Dass in Deutschland der umweltschädliche Autoverkehr so dominiert, liegt auch an der Unattraktivität des öffentlichen Verkehrs und an dessen hohen Fahrpreisen. Wie es anders gehen kann, zeigt Hongkong. Hier finanzierte sich die Schienenverkehrsinfrastruktur quasi selbst – was ein hochattraktives Angebot mit niedrigen Fahrpreisen ermöglichte.

S. hierzu den Beitrag in “Ökologie und Politik” vom 8. April 2020: https://www.oekologiepolitik.de/2020/04/08/lernen-von-hongkong/

The day after Corona: Solidarisch aus der Krise!

Dirk Löhr

Ausgangssituation

Deutschland steht still. Das Corona-Virus ist Auslöser für die schwerwiegendsten wirtschaftlichen Einschnitte seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Um das Land vor dem wirtschaftlichen Kollaps zu bewahren, soll ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) errichtet werden, der 400 Mrd. Euro Staatsgarantien für Verbindlichkeiten, 100 Milliarden Euro für direkte staatliche Beteiligungen und 100 Milliarden Euro für Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vorsieht. Dabei sind auch Soforthilfen für Unternehmen in Höhe von 50 Milliarden Euro geplant. Mit allen weiteren Maßnahmen zusammen hat die Regierung mittlerweile ca. 1,35 Billionen Euro an Hilfen zugesagt, was ca. 40 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung ausmacht.[1] Die schwarze Null ist Geschichte. Die Regierungskoalition möchte zunächst 156 Mrd. Euro neue Schulden machen. Das wird aber nicht alles gewesen sein. Manche Stimmen gehen davon aus, dass die Corona-Krise allein für Deutschland teurer als die deutsch-deutsche Wiedervereinigung werden wird. pension-1338231_1920

Wenn schon die einbrechenden Umsätze der Unternehmen nicht subventioniert werden sollen (dies wäre unter Einschaltung der Finanzämter möglich), muss alles darangesetzt werden, die Haushalte und Unternehmen von fixen Kosten zu entlasten. Die Regelungen der Bundesregierung waren diesbezüglich zunächst einmal zielführend. Mietrückstände aus den Monaten April bis Juni 2020 dürfen einstweilen nicht zur Kündigung führen. Allerdings müssen die Mieten bis zum 30.06.2022 nachgezahlt werden. Hier wären weitergehende Maßnahmen wünschenswert gewesen; in den kommenden Monaten wird es wohl auch noch zu einigen Gesetzesreparaturen kommen.[2] Trotz der getroffenen Maßnahmen ist aber davon auszugehen, dass der deutsche Immobilienmarkt ordentlich durcheinandergeworfen wird. Dies betrifft nicht nur Mieter. Auch viele Eigentümer werden die Schulden nicht mehr bedienen können und zum Verkauf gezwungen sein. Vorübergehend ist mit Preiseinbrüchen zu rechnen.

Der derzeitige Shutdown kann allerdings nicht über mehrere Monate durchgehalten werden; er wird in einigen Wochen wieder aufgehoben werden müssen. Wenn auch die Nachwehen über eine gewisse Zeit noch zu spüren sein werden (vor allem Arbeitslosigkeit), wird sich die Wirtschaft über kurz oder lang wieder erholen.

Nach Corona: Wie die Lasten schultern?

Wenn die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt, werden auch die Immobilienwerte wieder ansteigen. Genauer gesagt ist der Anstieg dann vor allem auf die Bodenwerte zurückzuführen. Der Bodenwert ist ein Indikator für die konjunkturelle Lage. Diejenigen, die in der Krise billig gekauft haben, werden dann hohe Immobilien- bzw. Bodenwertzuwächse erzielen können.

Nach dem Ende der Einschränkungen wird es nicht zuletzt darum gehen, die sozialen und finanziellen Folgen der Corona-Krise solidarisch zu schultern. Eine höhere Belastung der Einkommen nach dem Vorbild des Solidaritätszuschlages würde allerdings sehr stark die Arbeitnehmer und auch Selbstständige treffen, die ohnehin unter den Folgen der Corona-Krise zu leiden haben und wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen müssen. Eine Erhöhung der Umsatzsteuer wäre zwar fiskalisch effektiv, wirkt aber in sozialer Hinsicht regressiv. Zu denken wäre auch an eine einmalige Vermögensabgabe oder eine Vermögensteuer. Dem steht aber allein schon die Komplexität bei der Vermögensbewertung im Weg. Besonders die südeuropäischen Staaten haben nicht die notwendige Finanzverwaltung hierzu. Außerdem ist die Vermögensteuer für konservative und liberale Kräfte ein „No-Go“, die an den üblichen politischen Frontlinien scheitern dürfte. Richtig an den Überlegungen zur Vermögensteuer ist jedoch, dass sie letztlich auf das Eigenkapital der Vermögensbesitzer abzielt. Die Vermögensteuer ist vom Wesen her eine Subjektsteuer, bei der Schulden als Minderungen der Leistungsfähigkeit abgezogen werden können. Das Eigenkapital ist aber letztlich das Spiegelbild der ökonomischen Leistungsfähigkeit.

„Boden-Soli“

Gesamtwirtschaftlich sind Immobilien der mit Abstand wichtigste Vermögenswert – sie machen ca. 87 % des volkswirtschaftlichen Sachvermögens aus.[3] Immobilien bestehen in der Regel aber aus zwei Wirtschaftsgütern: zum einen Grund und Boden, zum anderen das aufstehende Gebäude. Im Bundesdurchschnitt ergibt sich eine Relation zwischen den aufstehenden Gebäuden (die das Anlagevermögen dominieren) und den Grundstücken von ca. 70 % zu 30 %.[4] Was die Finanzierungsseite angeht, zeigen sich typischerweise zu Beginn einer Finanzierung ebenfalls Relationen von Fremd- zu Eigenkapital von ca. 70 % zu 30 %.[5] In einer Schichtenbetrachtung wird also das Gebäude dominant durch Fremdkapital und der Boden dominant über Eigenkapital finanziert. Diese quantitativen Entsprechungen sind kein Zufall:

  • Investitionen in Gebäude generieren Abschreibungen, welche zur Kredittilgung genutzt werden können. Die Finanzierungskonditionen sind zumeist für viele Jahre fix vereinbart.
  • Der Boden ist hingegen ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut, auf den keine Normalabschreibungen entfallen – genauso wenig, wie das Eigenkapital Tilgungen benötigt.
  • Der Bodenertrag stellt – wie der Gewinn aus einer Immobilie – eine Restgröße dar. Dieser Rest entsteht, nachdem aus den Einnahmen die überwiegend fixen sonstigen Kosten bezahlt wurden.

Die nachfolgende Abbildung stellt dies noch einmal im Überblick dar.

Sonderopfer Boden

Kommt es nach Ablauf der Corona-Krise wieder zu einer Erholung, werden die Immobilienerträge und Immobilienpreise wieder ansteigen. Dies ist dann aber v.a. auf die ansteigenden Bodenerträge zurückzuführen, weil die auf den Boden entfallenden residualen Erträge steigen.[6] Dies wirkt sich dann auch auf die Bodenwerte entsprechend aus.

Aus diesem Grunde bietet es sich an, die Bodenerträge zur Finanzierung der Folgelasten der Corona-Krise wenigstens für einen begrenzten Zeitraum über eine solidarische Bodenwertabgabe abzuschöpfen. Durch einen solchen „Boden-Soli“ wird aufgrund der o.a. dargestellten typischen Finanzierungskonstellation primär das Eigenkapital der Immobilieneigentümer herangezogen. Eine Belastung von Arbeit und Investitionen sowie des Verbrauchs, welche die wirtschaftliche Erholung bremsen könnten, wäre hingegen für die wirtschaftliche Erholung kontraproduktiv. Durch einen Boden-Soli tragen v.a. diejenigen zu den Finanzierungslasten bei, die ansonsten passiv – ohne eigenes Zutun – von einer wirtschaftlichen Erholung wieder profitieren würden.

Ein solcher Boden-Soli könnte in einer Höhe von 1 % auf den Bodenwert festgesetzt werden. Bei einem Bodenwert von aktuell ca. 5.000 Mrd. Euro in Deutschland[7] wäre damit die Pandemie-bedingte Neuverschuldung i.H.v. ungefähr 150 Mrd. Euro in 3,5 Jahren abzutragen, wenn es sich um eine rein deutsche Abgabe handeln würde.

Solidarität mit den europäischen Partnern

Allerdings ist nicht nur Deutschland betroffen, sondern ganz Europa – v.a. Italien und Spanien. Doch die finanzielle Solidarität fällt schwer. Insbesondere von den Nord-Staaten wird eine Corona-Anleihe („Corona-Bonds“) abgelehnt; es wird befürchtet, dass dies ein Einfallstor für die Vergemeinschaftung weiterer Schulden darstellen könnte.[8] Auf der anderen Seite könnte sich die Krise für die europäische Idee als existenzgefährdend erweisen, wenn den schwächeren Staaten die Solidarität verweigert wird. Vorzugswürdig wäre es daher, die Bodenwertabgabe in einen europäischen Sonderfonds fließen zu lassen. Die Mittel aus diesem Sonderfonds könnten an die verschiedenen europäischen Länder nach einem Schlüssel verteilt werden, der sich an der Einwohnerzahl und der Betroffenheit durch die Corona-Epidemie orientiert.[9]

In Ländern wie Deutschland wäre die Abgabe technisch relativ einfach durchzuführen. In Deutschland sind nach § 196 Abs. 1 S. 1 BauGB flächendeckend Bodenrichtwerte festzustellen. In anderen Ländern, die kein ausgebautes Gutachterausschusswesen haben, könnte ein Fiskalregister erstellt werden. Dabei erfolgen entweder Bodenrichtwerterhebungen auf statistischer Grundlage oder es findet eine grobe Richtwertermittlung auf Basis von Lageklassen statt.[10] Nachrangig und ergänzend könnte ebenfalls eine Selbstveranlagung der Grundstückseigentümer unter der Maßgabe erfolgen, dass die öffentliche Hand ein Vorkaufsrecht zu dem vom Eigentümer angegebenen Bodenwert ausüben darf. Bei entsprechendem politischen Willen und genügend politischer Entschlossenheit könnten sich die betreffenden Maßnahmen innerhalb von wenigen Monaten durchführen lassen. Zu einer Auszahlung aus dem europäischen Sonderfonds kommt es nur dann, wenn das betreffende Land vorher die von der EU geforderten Einzahlungen auf Grundlage des Fiskalregisters geleistet hat. Dieses muss zuvor von der EU offiziell akzeptiert worden sein.

Kehrtwende?

Die Corona-Krise hat die Länder mit einem schwachen öffentlichen Gesundheitswesen am stärksten getroffen. Vor allem hier wurden die Bodenerträge in der Vergangenheit weitestgehend privatisiert, anstatt sie – i.S. des Henry-George-Prinzips[11] – für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen wenigstens teilweise abzuschöpfen. Die Folgen der Pandemie betreffen aber viele Länder.

Vor allem asiatische Staaten haben gezeigt, wie die Bekämpfung des Virus und seiner ökonomischen und sozialen Folgen funktionieren könnte. Zu erwähnen ist hier insbesondere Singapur. Der Stadtstaat ist zwar in politischer Hinsicht nur sehr bedingt ein Vorbild; er zeigt jedoch, dass öffentliche Bereitstellungsleistungen in auskömmlicher Weise erbracht werden können, wenn nur die Bodenerträge als Finanzierungsquelle genutzt werden.

 

Anmerkungen

[1] Focus (2020): 750 Milliarden Euro! Das ist die Corona-Quittung, die Deutschland jetzt zahlt, 26. März. Online: https://www.focus.de/finanzen/boerse/konjunktur/bund-und-laender-versprechen-massive-hilfen-750-milliarden-euro-das-ist-die-corona-quittung-die-deutschland-jetzt-zahlt_id_11813526.html. Ettel, A. und Zschäpitz, H. (2020): Das 9,2-Billionen-Euro-Experiment. Welt, 26. März. Online: https://www.welt.de/finanzen/article206802607/Regierungen-Fed-und-EZB-stellen-9-2-Billionen-Euro-bereit.html.

[2] Haufe (2020): Vorerst keine Kündigung bei Corona-bedingten Mietschulden. 27. März. Online: https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/mietenmoratorium-gesetzgeber-reagiert-auf-corona-krise_84342_512414.html.

[3] Destatis (2019): Sektorale und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen 1999 – 2018, Wiesbaden, Tab. S1 + S11. Online: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Publikationen/_publikationen-innen-vermoegensrechnung.html, eigene Berechnungen.

[4] S. Fn. 3.

[5] M. Jäger, M. Voigtländer (2006): Immobilienfinanzierung – Hypothekenmärkte und ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Forschungsberichte aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Köln, S. 30; BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Auswirkungen von Basel III auf die Immobilienfinanzierung in Deutschland. BBSR-Online-Publikation 09/2014, Bonn, September 2014, S. 13.

[6] Knoll K., Schularick M., Steger T. (2017): No Price like Home: Global House Prices, 1870-2012. American Economic Review 107: 331 – 353.

[7] Vgl. Fn. 3.

[8] Süddeutsche Zeitung (2019): Heftiger EU-Streit über Coronabonds, 29. März. Online: https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-heftiger-eu-streit-ueber-corona-bonds-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200329-99-513011.

[9] Vgl. Harrison F. und Löhr, D. (2013): Ricardo und die Troika – für die Einführung einer EU-Bodenwertabgabe. Wirtschaftsdienst 93, S. 702 – 709. – Eigentlich ist eine Bodenwertabgabe genuin eine kommunale Abgabe; dennoch kann sie auch dazu dienen, übergeordnete staatliche Stellen mit zu finanzieren.

[10] Ein grobes Verfahren zur Ermittlung von Bodenrichtwerten könnte folgendermaßen aussehen, wenn kein Gutachterausschusswesen zur Feststellung von Bodenrichtwerten existiert: Es wird ein Komitee mit Sachverständigen und Ortskundigen eingesetzt. Dieses unterteilt eine Kommune in eine überschaubare Anzahl von Lageklassen (ländliche Kommunen mit niedrigen Bodenwerten haben vielleicht ein bis drei Lageklassen, in Großstädten gibt es vielleicht zehn davon). Es wird ein generalisiertes, durchschnittliches Bodenrichtwertniveau für eine Durchschnittslage (Mediancharakter) geschätzt. Jeder Lageklasse wird daraufhin eine Lagekennzahl zugewiesen, welche die Wertigkeit in Relation zur Durchschnittslage festlegt. Transaktionen werden statistisch erfasst und in der Folge die Bodenrichtwertermittlung sukzessive verfeinert. S. ähnlich Empirica (2019): Reform der Grundsteuer – zoniertes Bodenwertmodell statt eierlegender Wollmilchsau, empirica-Paper Nr. 249. Online: https://www.empirica-institut.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen_Referenzen/PDFs/empi249rb.pdf

[11] Vgl. Arnott, R. J. und Stiglitz, J. E. (1979): Aggregate Land Rents, Expenditure on Public Goods, and Optimal City Size. Quarterly Journal of Economics 93, S. 471-500.

In eigener Sache

Dirk LöhrNr.4

Liebe LeserInnen des Blogs,

einige von Ihnen haben sich schon gefragt, ob es mich überhaupt noch gibt. Im letzten Jahr musste ich meine Blogger-Aktivitäten zurückfahren, um sie dann vorübergehend ganz einzustellen. Tatsächlich war ich laufend unterwegs – ein oder zwei Mal die Woche, zumeist in Berlin.

Im Zug lässt sich zwar zumeist arbeiten, aber eben nicht an Blogs, wenn man angesichts der fantastischen digitalen Infrastruktur in diesem Lande kaum Internetverbindung hat (allein mit vergeblichen Versuchen, Mails abzusenden, kann man die Zeit zwischen dem Saarland und Berlin auskömmlich füllen). Und daneben gibt es ja schließlich auch noch die Lehrveranstaltungen und die Forschungsprojekte an der Hochschule, die bearbeitet werden wollen … Die Corona-Epidemie hat zumindest insoweit etwas Gutes, als dass die betreffenden Aktivitäten voll ausgebremst wurden und nun wieder ein wenig Zeit für diesen Blog ist.

Ich möchte an dieser Stelle kurz über einige wichtige Aktivitäten berichten:

  • Im Jahr 2018 wurde unter der Führung des Bundesinnenministeriums (organisiert und durchgeführt von BBSR und DV) ein “Fachdialog Erbbaurecht” eingerichtet (Link zur Ergebnisdokumentation: https://www.die-wohnraumoffensive.de/fileadmin/user_upload/aktivitaeten/veroeffentlichungen/B%C3%BCndnis_Fachdialog_Erbbaurecht.pdf), bei dem ich Mitglied war. Hier wurden große Fortschritte v.a. bezüglich des konzeptionellen Verständnisses von Erbbaurechten erzielt. Es steht zu hoffen, dass die kommunale Praxis hieran anknüpft.
  • Im selben Jahr wurde die “Baulandkommission” von der Bundesregierung eingesetzt (Übersicht: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2019/07/20190702-Baulandkommission.html) . Auch hier war ich festes Mitglied. U.a. flossen die Ergebnisse des Fachdialogs Erbbaurecht hier ein. Die anstehende Novellierung des Baugesetzbuches dürfte durch die Ergebnisse der Kommission maßgeblich beeinflusst werden. Die Arbeit der Baulandkommission wurde – zu Recht – stark kritisiert. Angesichts der heterogenen Besetzung der Kommission (mit einem Übergewicht der Immobilien-Lobby) war es für mich jedoch ein kleines Wunder, dass überhaupt Ergebnisse erzielt wurden, die im Ansatz in die richtige Richtung weisen. Dies ist nicht zuletzt der Führung der Kommission unter dem damaligen Staatssekretär Marco Wanderwitz (CDU, Vorsitzender) und besonders auch der Hamburger Bausenatorin Dorothee Stapelfeld (SPD, stv. Vorsitzende) zu verdanken.
  • Im Zuge der Arbeit der Baulandkommission entstand ein enger und anhaltender Kontakt mit Hans-Jochen Vogel, dem ehemaligen Bundesminister, SPD-Vorsitzenden und bodenreformerischen Urgestein. Im Alter von 93 Jahren veröffentlichte dieser 2019 sein Buch “Mehr Gerechtigkeit“. Ich fühlte mich sehr geehrt, dass er mich einlud, die Rede bei der Vorstellung des Buches zu halten (zur Veranstaltung, auf der auch Hans-Jochen Vogel selbst auftrat: https://www.youtube.com/watch?v=BCPmpH-gI80).
  • Nach den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 wurde das Grundsteuergesetz im Herbst 2019 reformiert. Dies nahm mich mit einer Vielzahl von Aufsätzen und Fachveranstaltungen in Anspruch (zur Literaturliste: http://www.dirk-loehr.de/literaturverzeichnis.html). Am 11. September 2019 war ich zu einer öffentlichen Expertenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages geladen. Hierbei betonte ich u.a., dass die Ausgestaltung des nunmehr geltenden Bundesrechts nicht verfassungsgemäß sei (zur Stellungnahme: https://www.bundestag.de/resource/blob/656414/63eef7068bf5865dcbb54fb42092a9c0/13-Prof-Loehr-data.pdf). Besonders freute mich dabei, dass die ebenfalls geladene renommierte Steuerrechtlerin Prof. Johanna Hey sich meine schon in der Zeitschrift für Kommunalfinanzen (2019, S. 169 ff.) dargelegte Argumentation zu Eigen gemacht hatte (zur Stellungnahme von Frau Hey: https://www.bundestag.de/resource/blob/656092/1417af2f0455d387d0484f5393ec26c5/09-Prof-Hey-data.pdf ). Auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages schlossen sich der Argumentation im Wesentlichen an (zum Gutachten: https://www.bundestag.de/resource/blob/664158/f3fd0a20847629b3fa63fbfccc42fb62/WD-4-119-19-pdf-data.pdf). Mit großer Sicherheit ist über die Grundsteuer noch nicht das letzte Wort des Bundesverfassungsgerichtes gesprochen.
  • Positiv am Reformpaket zur Grundsteuer war jedoch, dass auf Drängen Bayerns eine Länderöffnungsklausel in das Grundgesetz implementiert wurde (Art. 72 III Nr. 7 GG). Im Rahmen der Öffnungsklausel ist es den Bundesländern möglich, eigene Grundsteuermodelle zu fahren – so auch die Bodenwertsteuer, wenn der politische Wille hierzu vorhanden ist. Die für die Öffnungsklausel nötige Verfassungsänderung bedurfte jedoch auch der Zustimmung der Oppositionsparteien. Im Vorfeld der Abstimmung stand ich im Austausch mit den Freien Demokraten – obwohl diese größtenteils das von mir bekämpfte bayerische Flächenmodell vertreten, sah ich v.a. die FDP als ein Bollwerk gegen drohendes Ungemach: Dies war eine unsinnige parallele Steuererklärung, die für solche Bundesländer drohte, welche die Öffnungsklausel in Anspruch nahmen. Hintergrund war der Finanzausgleich, der auf Grundlage des Bundesmodells vorgenommen werden sollte. Meine Warnung, dass dies die Öffnungsklausel ad absurdum führen könnte, stieß bei der FDP auf offene Ohren. Tatsächlich erteilte die FDP ihre Zustimmung nur, nachdem dieser Unsinn weg verhandelt wurde.
  • Kontinuierlich war ich zusammen mit meinem unentwegten Sprecher-Kollegen Ulrich Kriese im Rahmen der Initiative “Grundsteuer: Zeitgemäß!” als Anwalt der Bodenwertsteuer aktiv. Neben einer Vielzahl von Einzelgesprächen nahmen wir auch auf Veranstaltungen von Parteien auf Bundes und Landesebene teil. Zudem führten Ulrich Kriese und ich (zusammen mit den ehemaligen Koordinatoren Henry Wilke und Philipp Heuer) u.a. Gespräche mit dem Hamburger Finanzsenator Dressel, der grünen Finanzministerin von Schleswig-Holstein Heinold und zuletzt mit Finanzsenator Kollatz aus Berlin. Unsere Aktivitäten fielen wenigstens in Baden-Württemberg auf fruchtbaren Boden. Die grüne Finanzministerin Sitzmann hatte in 2019 einen Entwurf für ein Landesgrundsteuergesetz ausarbeiten lassen, das eine Bodenwertsteuer vorsieht. Allerdings war das Modell in der Regierung umstritten; die CDU als Koalitionspartner konnte sich hiermit nicht anfreunden. Am 31.01.2020 fand eine Expertenrunde der Landesregierung statt, bei der auch ich geladen war. Als Sachverständige waren weiter auch Prof. Hey, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Eichberger, der Ökonom Prof. Horst Zimmermann (Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums) sowie der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft Eigenthaler geladen. In dieser Runde wurde der Landesregierung Baden-Württemberg einvernehmlich von einer Übernahme des “Bundesmodells” abgeraten. Verfassungsrechtliche Bedenken wurden von den anwesenden Juristen auch gegenüber Modellen geäußert, welche Wert- und Flächenmodelle kombinieren (leider betrifft dies auch das von unserer Initiative befürwortete Difu-Modell, das Bodenwert und Bodenfläche in eine Bemessungsgrundlage zusammenführt). Gegen die reine Bodenwertsteuer wurden jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken laut. In der Runde kam der Vorschlag auf, die Grundsteuerbelastung nach Wohnen und Gewerbe zu differenzieren; die rechtliche Durchführbarkeit wird noch überprüft. Auch der Städtetag Baden-Württemberg unterstützt das Bodenwertmodell (hierbei spielte auch der grüne Tübinger OB Boris Palmer eine maßgebliche Rolle). Mittlerweile hat sich die Koalition zwar auf das Bodenwertmodell geeinigt, erhält aber noch starken Gegenwind von Teilen der CDU und der Grundeigentümer-Lobby. Die weitere Entwicklung wird abzuwarten sein, es besteht aber Grund zu verhaltenem Optimismus.
  • Schließlich ist auch vom Ausschuss Bodenpolitik der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung zu berichten, dem ich ebenfalls als Mitglied angehöre. Diese führt die bodenreformerische Agenda unter der Leitung von Stephan Reiß-Schmidt (auch einer der Gründer der Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht) und Ricarda Pätzold (Difu) weiter und versucht, diese in den politischen Raum zu tragen.
  • Erfreulich ist auch die Arbeit des Arbeitskreis Raumentwicklung, Bau, Wohnen der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem ich seit 2020 angehöre. Dieser Kreis trägt die betreffenden Themen auch in die SPD, die hier lange Zeit inaktiv war.

Die genannten Anstrengungen fanden auch einen medialen Widerhall. Anzuführen sind u.a. Sendungen in Monitor, in Panorama 3 (NDR) in Frontal 21 (Grundsteuer) oder eine Sendung im Rahmen “Die Story im Ersten” (Bodenthema allgemein).  Ebenfalls wurde in Rundfunk und Zeitungen umfänglich über das Thema berichtet.

Das war’s in aller gebotenen Kürze. Die geneigten Leser können mein zwischenzeitiges Schweigen hoffentlich nachvollziehen. Es ist einerseits gut, dass das Corona-Virus uns alle “entschleunigt” und auch mir Gelegenheit gibt, den Blog nun wieder zu bedienen. Allerdings dürfte auch der Immobilienmarkt im Zuge der Corona-Krise durcheinander geworfen werden. Dahinter stehen zu einem großen Teil wirtschaftliche Dramen – andererseits erschwert dies nun auch Modelle wie das von Airbnb, die mit zur Verknappung von dringend benötigtem Wohnraum beitragen. Die große Schattenseite: Unseren Aktivitäten wurde durch die Corona-Krise natürlich das Momentum genommen. Umso mehr gilt es, auch in Zukunft nicht nachzulassen, selbst wenn andere Themen nunmehr zeitweise in den Vordergrund geraten.