Deutschland ist das industrieintensivste Land in Europa. Mittlerweile ist auch im Bundeswirtschaftsministerium angekommen, dass das Geschäftsmodell Deutschlands durch die hohen Energiepreise – darunter auch die Strompreise – gefährdet ist. Die Antwort Habecks soll eine Heruntersubventionierung des Strompreises für energieintensive Industrien auf 6 Cent/kWh sein. Das ist erstaunlich, weil durch die Subvention auch die Sparanreize außer Kraft gesetzt werden – die grüne Energiepolitik konterkariert sich selbst. Die Pläne wurden aus anderen Gründen auch vom Einzelhandel kritisiert. Es sei zwar richtig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Abwanderung der energieintensiven Industrien zu verhindern. Die Heruntersubventionierung des Strompreises sei allerdings hierfür ungeeignet. Vielmehr müsse die Politik für einen im internationalen Vergleich konkurrenzfähigen Marktpreis in Deutschland sorgen (s. Hellmeyer Report vom 10.05.2023). Bislang nehmen nur wenige große Unternehmen die Strompreisbremse in Anspruch, weil diese mit bestimmten Auflagen verbunden ist (wie einer “Standortgarantie” und der Bezahlung der Mitarbeiter nach Tarif).
Es ist verwunderlich, dass erst ein Problem politisch geschaffen wird (Art und Weise der Sanktionierung Russlands, Abschaltung der restlichen Kernkraftwerke), um es im Nachhinein mit Geld zuzuschütten. Bereits heute existiert eine zweigeteilte Strommarktbremse. Private Verbraucher zahlen bis max. 30.000 kWh Verbrauch 40 Cent brutto pro kWh, Industriekunden haben bis 70 Prozent des prognostizierten Verbrauchs 13 Cent pro kWh aufzubringen.
Mit den Plänen Habecks würde diese Strompreisbremse fortgeführt und für Teile der Industrie sogar verschärft, während sie für private Verbraucher am 30. April 2024 wegfällt. Das Geld für die Subvention soll weiterhin aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) kommen, der Kreditermächtigungen i.H.v. 200 Mrd. Euro beinhaltet. Am Ende finanzieren die Schuldentilgung und Zinsen aber Arbeitnehmer (Lohnsteuern), Verbraucher (Verbrauchsteuern), aber auch der Mittelstand (über die Unternehmenssteuern). Die hohe Abgabenlast hierzulande ist aber ein weiterer Standortnachteil – neben der schwachen Digitalisierung, der maroden Infrastruktur und der Bürokratie. Die Heruntersubventionierung des Strompreises ist nicht langfristig durchzuhalten. Dies wissen auch die Manager der Abwanderungskandidaten. An der Standortverlagerung können auch Standortgarantieren nichts ändern, die mit der Strompreisbremse verknüpft sind. Niemand kann die Industrie daran hindern, Reinvestitionen hierzulande zu unterlassen und statt dessen neue Standorte in attraktiveren Ländern aufzubauen. Die Heruntersubventionierung des Industriestroms schafft sogar ein Zeitfenster, um die schleichende Verlagerung einzuleiten. Sie kann die sich anbahnende Deindustrialisierung Deutschlands nicht verhindern.
Die energetische Sanierung im Gebäudebereich ist in den kommenden Dekaden eine zentrale Herausforderung. Bis zum Jahr 2050 möchte die EU CO2-neutral sein, Deutschland sogar bis 2045. Es stellt sich die Frage, ob das Ziel und die eingeschlagenen Wege zur Zielerreichung vernünftig sind.
Denn entgegen dem zur Schau gestellten Zweckoptimismus v.a. aus dem Hause Habeck dürfte die umfassende Sanierung des Gebäudebestands sehr teuer werden. Es droht eine massive Entwertung des Volksvermögens. Hierzu folgende überschlägige Berechnung: Der Wert der Immobilien in Deutschland machte ausweislich der Vermögensbilanzen von Deutscher Bundesbank und dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2021 ca. 10,6 Billionen Euro aus und stellt damit das wichtigste Asset in der Volkswirtschaft dar. Diese Zahl umfasst Wohn- wie Nichtwohngebäude. Gehen wir nun davon aus, dass der durchschnittliche Wohnflächenkonsum 47,6 qm / Person beträgt, rechnen wir mit 82 Millionen Menschen (die Flüchtlingsunterkünfte sollten nicht voll gezählt werden) und setzen wir moderat durchschnittliche Sanierungskosten von 500 Euro / qm Wohnfläche an, so erhalten wir allein für Wohngebäude einen Sanierungsaufwand i.H.v. 1,9 Billionen Euro, was 18% des Wertes des gesamten Gebäudebestandes ausmacht. Wohlgemerkt, die Nicht-Wohngebäude sind in den 1,9 Billionen Euro Sanierungsaufwand noch gar nicht enthalten. Die Sanierungsmaßnahmen führen angesichts des neuen rechtlichen Rahmens aber nicht zu einer Aufwertung der Gebäude, sondern verhindern nur eine Abwertung. M.a.W.: Es handelt sich um puren Aufwand, dem kaum ein einzelwirtschaftlicher Nutzen gegenübersteht. In dieses Bild passt, dass Immobilien mit einer schlechten Energieklasse schon heute in Vorwegnahme der neuen Anforderungen mit Wertabschlägen von bis zu einem Drittel gehandelt werden (mittlere Differenz).
Das heißt u.a., dass die Altersvorsorge, die viele Menschen in Form von Immobilien getroffen haben, zum Geldgrab wird. Selbst der duldsame deutsche Michel wird einer solchen Politik der kalten Enteignung früher oder später nicht mehr folgen wollen.
Eine neuere Studie des BDI (Klimapfade für Deutschland) besagt jedoch, dass ein 80%-Pfad durchaus noch mit vertretbaren Belastungen machbar ist. Die letzten 20% der klimapolitischen Ziele verursachen allerdings extrem hohe Vermeidungskosten. Goldman Sachs rechnet ebenfalls in einer Studie vor (Carbonomics), dass mit demselben Mitteleinsatz in Entwicklungs- und Schwellenländern deutlich höhere Vermeidungswirkungen zu erzielen wären als hierzulande, weil dort die “low hanging fruits” dort noch gar nicht geerntet sind (s. auch die Argumentation von Daniel Stelter hierzu).
Natürlich kann man – wie die Bundesregierung dies in ideologischer Weise tut – auf eine Vorbildfunktion setzen und mit mit einem 100%-Ziel den sozialen Frieden gefährden. Man kann sich aber auch – wie dies die Schweiz, Japan und Südkorea machen – auf Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens berufen und die letzten 20% der Vermeidungsinvestitionen nicht im Heimatland vornehmen, sondern in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dies entspricht auch dem Pareto-Prinzip, wonach 80% des Erfolges mit 20% der Anstrengungen zu verwirklichen sind und vice versa.
Am 3. Februar meldete Gabor Steingart in seinem Briefing:
“Die Rekordgeschichte der Energiekonzerne geht weiter: Für Shell war 2022 das beste Geschäftsjahr aller Zeiten. Der Gewinn kletterte auf 40 Milliarden Dollar – eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.
Grund dafür sind vor allem die rasant gestiegenen Gaspreise infolge des Krieges in der Ukraine. Shell ist der weltweit größte Händler von Flüssiggas. Im vergangenen Quartal war die Gassparte des Konzerns für fast zwei Drittel des Gewinns verantwortlich.
Vor allem die Shell-Aktionäre dürfen sich freuen: Der Konzern will die Dividende um 15 Prozent steigern, 2022 wurden insgesamt rund 26 Milliarden Dollar an die Anteilseigner ausgeschüttet. In den kommenden Monaten wird Shell außerdem Aktien im Wert von vier Milliarden Dollar zurückkaufen.”
Der Grund hierfür dürfte das Upstream-Geschäft sein: Shell bewirtschaftet (wie seine engeren Mitbewerber) eigene Ölquellen. Der Preis des Öls wird durch den Grenzanbieter bestimmt (der gerade noch auf seine Kosten kommt – und bei denen es sich nicht zuletzt um US-amerikanische Rohstoffunternehmen handelt). Ist das Öl in den eigenen Quellen günstiger zu fördern als das der Grenzanbieter, entsteht ein Kostenvorteil – die Ölrente. Insbesondere dann, wenn – wie im letzten Jahr – der Weltmarktpreis knappheitsbedingt eine ansehnliche Höhe erreicht, kommt dies dem Upstream-Geschäft zugute.
Dieses wird dann deutlich wichtiger als das Downstream-Geschäft, v.a. die Raffinierung von Rohölprodukten. Die für die Verbraucher so augenscheinlichen Tankstellen sind für die Mineralölkonzerne eher aus strategischen Gründen (Marktabdeckung), aber kaum wegen ihrer Erträge interessant.
Die Zahlen von Shell illustrieren eindrucksvoll, dass die Energiewende derzeit keineswegs in die gewünschte Richtung verläuft – eher kann man von einer Renaissance der fossilen Energieträger sprechen.
Der Gewinn von Shell sorgte bei Unmut bei den Kritikern. So demonstrierte Greenpeace am 2. Februar vor dem Shell-Firmensitz in London. Die britische Labour-Party forderte erneut eine Übergewinnsteuer (hierzu s. den Blogbeitrag vom 15.01.2023). Denn Shell hat im vergangenen Jahr lediglich 900 Millionen Dollar an Steuern an den britischen Fiskus abgeführt.
Er sprang als Tiger los – und droht nun als Bettvorleger zu landen. Die Gelbwesten machen Treibjagd auf ihn. Auslöser waren die Steuererhöhungen auf Kraftstoffe: Umweltpolitisch sinnvoll, aber verteilungspolitisch regressiv.
Macron gibt die übliche Antwort des Mainstream: nämlich keine. Generell fühlen sich unsere französischen Nachbarn vom Fiskus geschröpft. Und das ist kein Problem der oberen Zehntausend, sondern der Mittel- und Unterschicht. Wie kann es anders gehen? Umweltabgaben ja, aber nicht für den Staatssäckel, sondern zur Finanzierung eines ökologischen Grundeinkommens. Und: Steuerliche Entlastung von Arbeit, Verbrauch und produktiven Investitionen, dafür Abschöpfung der ökonomischen Renten.
Wenn auf dem Grundstück des Bürgermeisters – außerhalb des planerisch dafür vorgesehenen Rahmens – ein Windrad steht, geht es zumeist nicht um das Gemeinwohl, sondern um das Einsacken von Bodenrenten: Mit der landwirtschaftlichen Nutzung des Ackers lassen sich 300 bis 500 Euro pro Hektar und Jahr erzielen; bei den Pachterträgen für ein Windrad oft das 100-fache. Diese Beträge kommen natürlich v.a. wegen der hohen Subventionen zustande, die im Rahmen des EEG bislang gezahlt wurden. Die Kosten tragen Dritte: Die Subventionen werden von den Stromverbrauchern gezahlt, und die Wertminderungen der Immobilien tragen die Anwohner, an deren Grundstücken die Windräder oft viel zu nah stehen. Manches Gemeinderatsmitglied vergisst dennoch über den möglichen Geldsegen seine Aufgaben und Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber und schreitet zur Selbstbedienung. Neutrale Landnutzungsplanung – unter gleichwertiger Berücksichtigung der Interessen aller Anspruchsgruppen – ist so nicht möglich. Die Folgen der Subventionitis reichen bis hin zur Korrumpierung von Umweltschutzorganisationen durch die gut organisierten Sonderinteressen von Windindustrie und Grundbesitzern. Muster also, die für unsere als “Marktwirtschaft” verkaufte Rentenökonomie typisch sind. Mit der Novellierung des EEG wird das Thema zwar an Brisanz verlieren, auf absehbare Zeit aber noch erhalten bleiben. Das Thema wurde gut aufgearbeitet in der ARD-Doku
Ölrenten: Sie speisen fast die Hälfte des russischen Staatshaushalts. Die politische und wirtschaftliche Eiszeit zwischen Moskau und dem Westen sowie vor allem die Ölförderpolitik Saudi-Arabiens, die offenbar die Ausweitung der unkonventionellen Ölförderung speziell in Nordamerika eindämmen soll, haben zu einem Ölpreisverfall geführt. Moskau ist daher in Schwierigkeiten und will sich unabhängiger von den westlichen Abnehmern machen. S. hierzu den Artikel von P. Lokshin in Spiegel Online vom 12. Mai:
Deutschlands größtes Energieversorgungsunternehmen E.ON wird radikal umstrukturiert. Der schwer angeschlagene und hoch verschuldete Energiegigant E.ON reagiert vor allem damit auf den Preissturz bei Großhandelspreisen für Strom seit Anfang 2013 (o.V. / n-tv 2014). Eine wichtige Ursache hierfür sind die Überkapazitäten an Kraftwerken und der Ausbau der erneuerbaren Energien („Merit Order-Effekt“).
Die Kernmarke von E.ON wird sich künftig auf die Sparten erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen konzentrieren. Die konventionelle Energieerzeugung, der globale Energiehandel sowie Exploration und Produktion werden in eine neue, eigenständige Gesellschaft überführt. Diese soll 2016 mehrheitlich abgespalten und danach an die Börse gebracht werden. Zunächst will E.ON an der neuen Gesellschaft noch eine Minderheitsbeteiligung halten, die mittelfristig aber gewinnbringend veräußert werden soll (E.ON 2014).
Damit werden sowohl das Upstream-Geschäft (Exploration und Förderung fossiler Energien) sowie die Grundlasttechnologien (v.a. die sieben Atommeiler sowie die Kohlekraftwerke) ausgelagert. Mit diesen Feldern sind erhebliche und längerfristig wachsende wirtschaftliche und politische Risiken verbunden. Entgegen den Äußerungen des E.ON-Vorstandsvorsitzenden Teyssen dürften die 14,5 Milliarden Rückstellungen nämlich kaum ausreichen, um die Risiken des Rückbaus der Kernkraftwerke sowie der Endlagerung des Atommülls zu bewältigen. Und auch über den noch einigermaßen einträglichen – weil abgeschriebenen – älteren Kohlemeilern schwebt das Damoklesschwert einer stringenteren Klimapolitik: Würden die CO2-Verschmutzungsrechte so beschränkt, wie dies für das Erreichen des 2-Grad-Zieles notwendig wäre, würde dies wohl den meisten Kohlekraftwerken den Hals brechen. So dürfte die Umstrukturierung v.a. risikopolitisch motiviert sein: Man schafft so etwas wie eine “Energy-Bad Bank”, über die die größten Risiken ausgelagert werden. Das Kalkül der Eigentümer und zukünftigen Anleger dürfte freilich ein wenig anders aussehen als bei den Vorbildern aus der Finanzwelt: Solange die angesprochenen Risiken noch nicht schlagend werden, kassiert E.ON noch fleissig mit. Auf lange Sicht, so das Kalkül, sind die tradierten Geschäftsfelder aber nicht mehr zu halten. Die Übergabe der Anteile erfolgt daher zeitig und zu einem akzeptablen Preis an Zocker, die darauf wetten, dass es der Lobby des neuen Unternehmens gelingt, die Folgelasten der Kernkraft auf die Allgemeinheit abzuwälzen und erfolgreich die Maßnahmen gegen den Klimawandel bis auf Weiteres zu torpedieren. Ansonsten würde ein Investment in die neue Gesellschaft wenig Sinn ergeben. Die neue Gesellschaft wird also erhebliche Kapazitäten auf ein Lobbying zu Gunsten der fossilen Technologien verwenden müssen – nach der Abtrennung kann es dies aber tun, ohne die Marke E.ON reputationsmäßig zu beschmutzen. Das Spiel heißt somit „good guy, bad guy“.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Umstrukturierung ebenso wie die Aktienmärkte – man hat von beiden eigentlich nichts anderes erwartet (o.V. / ZeitOnline 2014). Ob E.ON allerdings als Vorbild für die anderen großen „Energieversorger“ dient, bleibt abzuwarten. RWE erklärte bereits, einen anderen Weg gehen zu wollen und den Konzern fortan „weiterhin entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf(zu)stellen”.
Die Gewinne der großen Energieversorgungsunternehmen (RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW) aus Kohlekraftwerken: In unserem Beitrag „Gewinne und Renten: Beispiel Stromproduktion“ haben wir gezeigt, dass es sich hierbei im Kern um ökonomische Renten handelt – also um Erträge, denen keine einzelwirtschaftlichen Aufwendungen gegenüberstehen. Diese ökonomischen Renten sind – aufgrund der geringen Grenzkosten – bei den Grundlastkraftwerken am höchsten: Nach Abschaltung der Atomkraftwerke glänzen hier vor allem die Braunkohlemeiler. Gerade bei den alten, schon abgeschriebenen Kraftwerken gehen die sog. „Produzentenrenten“ nahezu voll in den Gewinn – es handelt sich um die „Cash Cows“ der Energiekonzerne.
Kohlekraftwerk (Quelle: ARD Tagesschau)
Wenn auch den ökonomischen Renten keine einzelwirtschaftlichen Aufwendungen gegenüberstehen, so gilt dies nicht für die Volkswirtschaft als Ganzes: So nimmt beispielsweise die Braunkohleproduktion die wenigen infragekommenden Standorte samt Kohlevorkommen sowie die Atmosphäre als CO2-Deponie zu einem lächerlich niedrigen Tarif in Anspruch, der die Allgemeinheit auch nicht annähernd für den verursachten Verlust an Ressourcen und Umwelt entschädigt. Die diesbezüglichen Kosten werden also auf die Allgemeinheit abgewälzt.
Speziell zu den zuletzt genannten Kosten gehören auch die Folgen des Klimawandels, die allerdings bisher größtenteils in anderen Ländern anfallen. Im Beitrag „… und die Kohle fällt nach oben: Deutschland verfehlt das Klimaziel“ hatten wir dargestellt, dass Deutschland im allerbesten Falle statt der bis 2020 angepeilten 40-prozentigen CO2-Reduktion allenfalls 33 Prozent realisieren kann. Dieser für die Ökologie beste Fall tritt allerdings nur ein, wenn Wachstumsschwäche und Wirtschaftskrise nachhelfen (vgl. Knuf 2014). Das 40-Prozent-Ziel geht übrigens auf Gabriel zurück; es wurde 2007 von der großen Koalition vereinbart, in der Gabriel das Amt des Umweltministers innehatte.
Allerdings verstehen sich in Deutschland Ministerien offenbar als verlängerter Arm der einschlägigen Interessengruppen – anstatt als Sachwalter des Gemeinwohls. So hält Gabriel in seiner derzeitigen Rolle Wirtschaftsminister nunmehr in einem jüngst veröffentlichten Positionspapier zur Energiepolitik ausdrücklich an der Kohle fest (s. hierzu den Beitrag in der Tagesschau (ARD) vom 11.11. „Positionspapier zur Energiepolitik: Gabriel will mittelfristig an Kohle festhalten“ – bitte klicken). Zustimmung erfährt er dabei nicht nur von den großen vier Energieversorgern, sondern auch von der Gewerkschaft IG BCE. Diese hatte zuvor vor Jobverlusten in Kohlemeilern gewarnt. Ihr Chef Michael Vassiliadis lobte prompt Gabriels Positionierung.
Die Frage, welche Kraftwerke am Netz bleiben und welche stillgelegt werden, “sollten die Unternehmen entscheiden und nicht der Staat”, betonte Gabriel im besagten Positionspapier. Wer neben dem schrittweisen Atomausstieg bis 2022 auch noch aus der Kohleverstromung aussteigen wolle, sorge für explodierende Stromkosten, die Abwanderung großer Teile der Industrie und Versorgungsunsicherheit in Deutschland (o.V. / ZeitOnline 2014). Kohle- und Gasverstromung werde auf längere Sicht noch als „Rückendeckung der Energiewende“ für Zeiten benötigt, in denen es nicht genug Wind- oder Solarstrom gebe (o.V. / FAZnet 2014).
Gabriel hat sicherlich insoweit Recht, dass die Stilllegung deutscher Kohlekraftwerke in Europa nicht zu einer einzigen Tonne an Einsparungen bei den CO2-Emissionen führen würde. Dadurch freiwerdende Verschmutzungsrechte würden nämlich im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems zu anderen Kraftwerken abwandern, die entsprechend mehr Treibhausgase ausstießen (o.V. / Handelsblatt 2014). Statt einer Abschaltung der alten Meiler plädiert Gabriel für eine weitere Verknappung der Emissionsrechte; viele Kohlekraftwerke würden von ihren Betreibern freiwillig vom Netz genommen, wenn man die Emissionsrechte so verknappen würde, wie es für die Erfüllung des 2-Grad-Zieles erforderlich ist. Dieser Weg ist allerdings nicht der eines klimapolitischen Vorreiters. Zudem kann Gabriel mit dieser Position natürlich hervorragend Verantwortung auf die EU abschieben, das für die Kontingentierung im Rahmen des Europäischen Emissionshandels verantwortlich ist. Und er kann sichergehen, dass andere – allen voran Polen – die Drecksarbeit in Sachen Lobbyismus zugunsten der Kohle übernehmen werden – soweit er dies nicht schon selber tut.
Gabriel geht mit seiner Politik auch auf Konfrontationskurs mit Parteifreundin und Umweltministerin Barbara Hendricks. Diese will – ebenso wie die Grünen und die führenden Umweltschutzverbände – in einem ersten Schritt die alten Kohlemeiler einmotten, um das deutsche Ziel doch noch zu schaffen (o.V. / Sueddeutsche.de 2014). Vor allem die alten Braunkohlekraftwerke sind nämlich die schlimmsten Dreckschleudern. Ein Ausstieg aus der Kohle sollte hier – und zwar bei den alten Kohlekraftwerken – beginnen. Angesichts der Überkapazitäten des deutschen Kraftwerkspark sehen die Protagonisten der sukzessiven Abschaltung der alten Kohlemeiler die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gefährdet. Allerdings bringen – wie oben erwähnt – gerade die alten Meiler die höchsten Gewinne für die großen Betreiber. Die Lobby wird also alles in Bewegung setzen, um deren Abschaltung zu verhindern.
Nach Meinung vieler Experten kann aber außer durch neue Anreize für energetische Gebäudesanierungen das Klimaziel nur mit weniger Emissionen im Energiesektor noch geschafft werden. Am 3. Dezember sollte das Kabinett ein von Hendricks erarbeitetes Klima-Aktionsprogramm beschließen, um die bestehende Lücke noch zu schließen. Gelingt ihr dies, würde Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen. Man kann gespannt sein, ob Hendricks sich gegen Gabriel durchsetzen wird – oder nicht viel mehr ein Ergebnis herauskommt, das den großen Energiewirtschaftskonzernen nicht weh tut.
Luxemburg steht wegen seiner Steuersparmodelle am Pranger. Viele Milliarden Euro seien den Nachbarstaaten durch die Luxemburgischen Steuersparmodelle durch die Lappen gegangen. Großbanken und Großunternehmen haben die betreffenden Möglichkeiten reichlich genutzt. V.a. über „geistige Eigentumsrechte“ und Zinsen wurden konzernintern Gewinne aus Hochsteuerländern nach Luxemburg verschoben. Dies hat eine Reihe investigativer Journalisten (nicht die Steuerbehörden) aufgedeckt. Nachzulesen sind die Dokumente in
Der Bock wurde damit zum Gärtner gemacht. Dies scheint zum „Prinzip Juncker“ zu werden, wenn man sich die Auswahl von Junckers Kommissionsmitgliedern ansieht – überraschend ist lediglich, dass sich Juncker nun selbst nahtlos zwischen seine Kommissionsmitglieder einreiht.
Doch auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dürfte nicht „amused“ sein. Schenkt man seinen Äußerungen Glauben, möchte er Gewinne dort besteuert wissen, “wo die zugrundeliegende unternehmerische Aktivität und die tatsächliche Wertschöpfung stattfindet” (Schäuble 2014). Noch empörter sind die Medien. In einem Kommentar in den Tagesthemen vom 06.11. um 22.30 redet Julia Stein (NDR) mit Blick auf die Steueroase Luxemburg von der Verletzung der „Steuergerechtigkeit“.
Nun, liebe Leute: Vielleicht tretet Ihr einmal mal einen Schritt zurück und schaut Euch das Bild genauer an:
Der Begriff „Steuergerechtigkeit“, liebe Frau Stein, beinhaltet einen immanenten Widerspruch. Dieser Begriff ist ungefähr so logisch wie ein „schwarzer Schimmel“. Denn: Der Steuerstaat macht die Rentenökonomie überhaupt erst möglich. Rentenökonomie: Dies sind „unverdiente“, weil leistungslose Einkommensströme. Ein einfaches Beispiel aus dem naheliegenden Immobilienbereich (Löhr 2013): Nehmen wir an, Hans sucht eine Mietwohnung in Hamburg oder München. Zuerst muss sich Hans in eine unglaublich lange Schlange von Wohnungssuchenden einreihen. Dennoch soll Hans – im Glück – den Zuschlag erhalten. Nun darf er eine Wuchermiete an den Eigentümer der Immobilie abdrücken. Diese beträgt vielleicht das fünf- bis siebenfache der Miete in Gelsenkirchen oder Salzgitter. Wofür aber zahlt Hans diese hohe Miete? Sind die Häuser in Hamburg oder München stabiler und besser gebaut oder haben sie eine bessere Ausstattung? Mitnichten. Sind die Ziegelsteine, der Mörtel, die Stahlträger oder die Bauarbeiter in München und Hamburg so viel teurer als in Gelsenkirchen oder Salzgitter? Wäre dies der Fall, würde man sich beim Bau des Hauses das entsprechende Material und die Arbeitskraft eben aus Gelsenkirchen oder Salzgitter besorgen. Hans zahlt einzig und allein für den Standort, dessen Eigentümer höhere Bodenerträge – also eine höhere „Bodenrente“ – als in Gelsenkirchen oder Salzgitter einfordern. Aber wer macht die Bodenrente? Die besagten Eigentümer der Grundstücke? Hamburg hat einen wunderbaren Blick auf ein Gewässer – noch schöner ist vielleicht der Blick auf das Meer an der Küste Somalias. München bietet einen wunderbaren Blick auf die Berge, noch besser ist aber der Blick auf den Hindukusch. Dennoch sind Bodenrenten und Bodenwerte in Hamburg und München offensichtlich wesentlich höher als an der Küste Somalias oder am Hindukusch. In Hamburg und München wird nämlich öffentliche Sicherheit großgeschrieben, es gibt ein funktionierendes Gesundheitssystem, es existiert eine erstklassige Infrastruktur, und zudem ballen sich Industrie, Gewerbe sowie hoch spezialisierte Dienstleistungen. Diese und andere Vorteile entstehen durch öffentliche und gemeinschaftliche Anstrengungen, nicht durch besondere Leistungen der Bodeneigentümer. Nur aufgrund dieser hat Hans die hohen Bodenrenten zu bezahlen – und zwar an den privaten Bodeneigentümer. Hans im Glück hat einen Job, so dass von seinem Arbeitgeber Lohnsteuer einbehalten wird. Er kauft ein, und bei fast jedem Einkauf ist Umsatzsteuer fällig. Aber wie werden die Steuereinnahmen verwendet? Zu einem hohen Teil für öffentliche Infrastruktur, Sicherheit, Bildung, Gesundheit – kurz, für alles, was am Ende das Grundstück seines Vermieters in Wert setzt. Hans darf damit doppelt zahlen: Die Bodenrente in der Miete direkt an seinen Vermieter, und die Kosten der Inwertsetzung für das Grundstück an den Staat – was dem Vermieter indirekt zu Gute kommt. Nutznießer ist also in beiden Fällen der Grundstückseigentümer, ohne dass dieser einen Finger gekrümmt hätte.
So sind, liebe Frau Stein, die Umverteilungswirkungen des Steuerstaates und der mit diesem verbundenen ökonomischen Renten (die vielfach in versteckter Form, also in Unternehmensgewinnen, als Zinsen oder Lizenzgebühren auftauchen, dazu unten mehr) beträchtlich. Dabei entsteht der Umverteilungseffekt in zweifacher Weise:
Über direkte Zahlungen an die Eigentümer von Land und ähnlichen Vermögenswerten. Um eine Größenordnung darzustellen: Diese Zahlungsströme dürften sich in Deutschland (einschließlich Subventionen) derzeit auf ca. 10 % des Volkseinkommens aufaddieren.
Doch auch die indirekten Zahlungen über die Steuern und Sozialversicherungen sind hinzuzuaddieren. In Deutschland beträgt die Steuerlast ca. 30 % des Volkseinkommens, mit Sozialversicherungsbeiträgen addieren sich die Abgaben auf ca. 45 % des Volkseinkommens auf. Egal ob die diversen Steuern mit dem Etikett Einkommenssteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer etc. belegt werden: Am Ende belasten sie entweder die Produktionsfaktoren Arbeit, Land oder Kapital. So kann z.B. auch die Umsatzsteuer als Flat-Rate-Einkommensteuer mit Ausnahme der Kapitalakkumulation interpretiert werden. Steuern werden v.a. den Beziehern von Arbeitseinkommen aufgebürdet, zumal der Faktor Arbeit anders als der Faktor Kapital schwer flüchten kann. Andererseits wird der Faktor Land in Deutschland größtenteils von der Besteuerung ausgenommen.
Und hier, Herr Schäuble, sollte doch Ihr frommer Wunsch in Erfüllung gehen können:
„Gewinne sollen dort besteuert werden, WO (Hervorhebung durch den Verf.) die zugrundeliegende unternehmerische Aktivität und die tatsächliche Wertschöpfung stattfinden“ (Schäuble 2014).
Dazu müsste man aber die ökonomischen Renten abschöpfen – allen voran die Bodenrenten. Land kann nämlich auch schwer flüchten.
Damit hätte man gleichzeitig auch das Problem der Unternehmensbesteuerung im Sack: Unternehmensgewinne sind nämlich im Kern nichts anderes als Bodenrenten (Löhr 2013; s. hierzu auch unseren Beitrag “‘Pay for what you get!’ – Henry George als Ergänzung zu Silvio Gesell“). So berichtet der Journalist Lütgert in seinem verdienstvollen Beitrag in der ARD-Sendung Panorama vom 6.11.2014
vom Beispiel E.ON, das in Luxemburg ebenfalls seine Gewinne mindert. Natürlich wird nicht darüber gesprochen, dass die Gewinne von E.ON im Kern v.a. „versteckte“ Bodenrenten sind. E.ON profitiert immer noch in erheblichem Maße von Grundlastkraftwerken, hier v.a. Braunkohle (Löhr 2013). Ein Braunkohlekraftwerk kann aber nicht irgendwo betrieben werden; wegen der hohen Transportkosten von Kohle und Kalksteinmehl sollte entweder ein Braunkohletagebau, eine Eisenbahnlinie oder aber ein Hafen in unmittelbarer Nähe gelegen sein. Aus diesem Grunde entstanden Braunkohlekraftwerke historisch v.a. um die Vorkommen im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland und in der Lausitz (die sich ebenfalls in der Hand der großen „Energieversorger“ befinden – und die zu einem Spottpreis erworben wurden, der nicht im entferntesten den Wert der Kohlevorkommen abbildet), aber auch an Standorten, wo die Anlieferung über Binnenschiffe erfolgen kann. Zudem sollte ein Verbrauchsschwerpunkt weniger als 70 km vom Ort der Erzeugung entfernt sein und es sollte sich möglichst eine Stromautobahn (Höchstspannungsnetz) in unmittelbarer Nähe befinden. Die betreffenden Kraftwerke bedürfen schließlich der Planung und Genehmigung; längst nicht jedes geplante Kraftwerk hat diesbezüglich Erfolg. Weil die unterschiedlichen Kraftwerkstypen (Grund-, Mittel- und Spitzenlast) unterschiedlich hohe ökonomische Renten generieren und eben nicht jeder beliebige Kraftwerkstyp überall entstehen kann, ist die Standortfrage von hervorragender Bedeutung. Die planerische Zuweisung solcher Standorte ist ein Privileg, dass das exklusive Einstreichen der ökonomischen Renten erlaubt. Solche Privilegien werden den großen Unternehmen heutzutage nahezu kostenlos gewährt. Wie wäre es, wenn statt dessen die Renten aus der Standortnutzung, der Nutzung der Kohleressourcen und der Nutzung der Atmosphäre abgeschöpft und vergemeinschaftet würden? Dann hätte E.ON nichts mehr nach Luxemburg abzuführen. Das Übel wäre an der Wurzel angegriffen.
Leider ist die Privatisierung der ökonomischen Renten eine heilige Kuh, die nicht nur von konservativer Seite mit Zähnen und Klauen verteidigt wird.
Lütgert bringt ebenfalls das Beispiel von Amazon. Wie wäre es, wenn sich die EU-Staaten – nicht nur bezogen auf Land, sondern auch auf das Netz – einmal auf ihre „Eminent Domain“ besinnen würden? Dass Amazon, Google, Ebay etc. deutsche Domains (www.amazon.DE, Hervorhebung d. Verf.) und Netzstrukturen kostenfrei und unkontrolliert nutzen können, fällt doch nicht vom Himmel. Märkte – auch solche im Internet – sind soziale Konstrukte. Man kann die betreffenden Nutzungsrechte an den digitalen Plattformen auch versteigern und ihre Nutzung kontrollieren (was wahrscheinlich manchen Netzromantiker irritiert).
Wir hatten in unserem Beitrag „Flucht vor der Dummheit“ schon einmal den Steuerwettbewerb zwischen Luxemburg und Deutschland mit einem Autorennen verglichen, bei dem Deutschland mit angezogener Handbremse fährt. Soll Luxemburg nun auch die Handbremse anziehen, oder sollen die anderen Staaten (allen voran Deutschland) diese nicht besser lösen? Die Frage ist rhetorisch. Ein Abschöpfen der ökonomischen Rente brächte dem Staat wesentlich mehr Geld als heute ein und wäre dabei wirtschaftlich vollkommen unschädlich. Anders als bei Steuern gäbe es keine Effizienznachteile. Immer wieder haben wir es in diesem Blog betont: Ökonomische Renten sind zwar im Volkseinkommen enthalten, aber nicht als Kostenblock, sondern als sozialer Überschuss. Dieser wird aber in Deutschland privatisiert; und umgekehrt werden die auf der Arbeit lastenden Kosten immer weiter erhöht, um die öffentlichen Ausgaben zu finanzieren. Dies, obwohl die gesamten Staatsausgaben aus den ökonomischen Renten bestritten werden könnten (dies besagt das ebenfalls in diesem Blog immer wieder diskutierte Henry George-Theorem). Steuern, um die Privatisierung der ökonomischen Renten abzusichern: Dies ist nicht nur ein ungerechtes, sondern auch ein ausgesprochen unintelligentes (um keine stärkeren Worte zu gebrauchen) System, das die Wettbewerbsfähigkeit schwächt.
Wenn Luxemburgs Premier Bettel gegen die Kritik an Luxemburg einwendet, dass er die Steuern nicht erhöhen könne, damit es seinen verschuldeten Nachbarn besser geht (vgl. Brinkmann et al. 2014), ist dies nachvollziehbar. Nicht durch die Steuerkonkurrenz Luxemburgs, sondern durch den Verzicht auf die Vereinnahmung der ökonomischen Renten entgehen dem Staat die entscheidenden Einnahmen (Löhr 2013). Das Problem ist hausgemacht. Und so geht die öffentliche Diskussion systematisch an seinem Kern vorbei.
Mein Appell geht vor diesem Hintergrund vor allem an die “vierte Gewalt” – die Medien: In ihrer Hand liegt es, die Öffentlichkeit auch einmal über Alternativen zu informieren, anstatt immer wieder die alten abgedroschenen wie nutzlosen Phrasen zu kolportieren. Ich bin mir nicht sicher, ob hier der Richtige am Pranger steht.
Es erscheint pervers: In einer Zeit, in der der Weltklimarat auf sofortiges Handeln drängt, um die Klimaerwärmung noch in den Griff zu bekommen (o.V. 2014), gehen von den Energiemärkten entgegengesetzte Signale aus. Und dies v.a. für die größte Volkswirtschaft der Welt und ihren zweitgrößten CO2-Emittenten, die USA. So fielen am Montag, den 3.11., die Ölpreise auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Der Grund: Saudi-Arabien senkte überraschend den Preis für seine Erdölexporte in die USA.
In unserem Blogbeitrag „Ölpreis: Abschwung oder Komplott?“ haben wir über die Gründe für diese Dumpingpolitik der Saudis gerätselt. Mittlerweile scheint aber ein wenig Licht ins Dunkel zu kommen: Anscheinend ist Saudi-Arabien v.a. darauf aus, seinen Marktanteil in den USA zu behaupten (Friedman et al. 2014) – vor dem Hintergrund der immer bedeutsamer werdenden Schieferölproduktion in den USA.
Book Cliffs – Ölschiefergestein in West-Colorado, USA
Die Saudis bilden sich zwar offenbar nicht ein, die Schieferölproduktion der USA mit ihrer Politik stoppen zu können. Solange der Preis pro Barrel nicht unter 70 Dollar fällt, dürfte die Produktion in den USA nicht gedrosselt werden (allerdings wird die Politik der Saudis sich auf die Performance der US-Ölunternehmen auswirken). Dennoch hoffen die Saudis, für US-Raffinerien einen entsprechend großen Anreiz für den Bezug ihres Öls zu bieten.
Alles in allem gehen also fatale Signale von einem vermachteten Markt aus, der Knappheiten und auf Umwelt und Mensch ausgelagerte Belastungen nicht richtig widerspiegelt. Nun kommt es darauf an, wie lange die Saudis diese Politik fahren können und wollen. Sollte die eingeschlagene Strategie von längerer Dauer sein, dürfte es noch schwerer als bisher werden, die USA als zuverlässigen Verbündeten gegen den Klimawandel mit ins Boot zu nehmen.