Eckhard Behrens*
Die Entwicklungen der Mieten und der Kaufpreise für Wohnungen verlaufen keineswegs immer parallel. Sie sind in deutschen Städten in den letzten Jahren oft sehr unterschiedlich verlaufen.

Der nachfolgende SPIEGEL-Bericht von Alexander Jung (vom 8. Mai) enthält dazu eine interessante Tabelle, die nach der Höhe der örtlichen Differenz zwischen der Entwicklung der Mieten und derjenigen der Kaufpreise sortiert ist. Dieses Sortierkriterium ist berechtigt, erfordert aber eine Denkanstrengung, wenn man Städte, die man meint zu kennen, in der Rangfolge an unerwarteter Stelle findet und dann ins Grübeln kommt.
Spekulationsblasen am Immobilienmarkt (bitte klicken)
Der Text des Berichts zeigt beispielhaft auf, warum sich am selben Ort die Mieten und die Kaufpreise unterschiedlich entwickeln können. Zunächst muss man sich klar machen: Beide abgebildeten Entwicklungen sind Vergangenheitswerte. In die Mieten geht sehr stark die jeweilige aktuelle Marktlage ein. In die Bildung der örtlichen Wohnungspreise gehen Zukunftserwartungen über die künftige örtliche Mietenentwicklung und das gegenwärtige (nicht das künftige) Zinsniveau ein. – Auch die in der Vergangenheit liegenden Kaufpreise waren von den damaligen Einnahmeerwartungen (hinsichtlich der künftigen Mieten) und damaligen Zinsen bestimmt. – Während in der Vergangenheit in Deutschland von Immobilienblasen nicht die Rede sein konnte, da sowohl die Mieten als auch die Wohnungspreise lange eine zurückhaltende Entwicklung hatten, weil die Realeinkommen der breiten Bevölkerung rückläufig waren, sind in den letzten Jahren sowohl die Einkommenserwartungen optimistischer geworden als auch die Bauzinsen ganz unerwartet drastisch gesunken. Nun hört man das Reizwort Immobilienblase häufiger.

Die Zinsen zur Kaufpreisfinanzierung sind in den letzten Jahren weit stärker gefallen, als die Wohnungspreise gestiegen sind. Da gibt es wohl noch Luft nach oben. Weil die Zinsen im Wesentlichen überall gleich sind, muss die unterschiedliche Kaufpreisentwicklung auf andere Ursachen zurückzuführen sein – auf die lokale Bevölkerungsentwicklung und Wirtschaftskraft.
Wenn fleißig gebaut wird, können die Mieten nicht stark steigen, aber die Neubauten auch bei steigenden Baupreisen trotzdem wegen der gesunkenen Zinsen sehr rentabel sein. Dafür ist Heidelberg mit seinem sehr hohen Mietniveau ein Beispiel: Auf dem Gelände des aufgelösten Güterbahnhofs in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs wird zurzeit schneller als geplant ein neuer Stadtteil („Bahnstadt“) hochgezogen, der größer werden wird als die Altstadt. Außerdem kommen durch den Abzug der Amerikaner in den kommenden Jahren riesige Konversionsflächen mit vielen Wohnungen auf den Markt. Viele Einpendler werden sich künftig in der Stadt ansiedeln können, deren Einwohnerzahl wachsen wird. Heidelberg hat eine bemerkenswert geringe Differenz zwischen der mäßigen Mietsteigerung und der Steigerung der Wohnungspreise. Offenbar wird die weiter steigende Nachfrage durch ein steigendes Angebot gedeckt, dass sich wegen der gesunkenen Finanzierungskosten rechnet.
Von einer Immobilienblase kann keine Rede sein, wo ein mindestens konstantes (nur mit der Inflation steigendes) Mietniveau zu erwarten ist und sich die gegenwärtigen Wohnungspreise bei den gegenwärtigen langfristigen Baufinanzierungszinsen kostenmäßig rechnen. Von einer Blase sollte man allenfalls sprechen, wenn sich aktuelle Wohnungskäufe nur rechnen, falls die Mieten und vor allem auch die Wohnungspreise stärker steigen werden als die allgemeine Inflationsrate.
Das in wenigen Jahren drastisch gesunkene Niveau der Bauzinsen hat sich in den Wohnungspreisen wohl deshalb nicht proportional ausgewirkt, weil die demografische Entwicklung vielerorts zu Leerstand führen und die Mietpreisentwicklung dämpfen wird. Auch die Unsicherheit über die künftige Beschäftigungslage und Einkommensentwicklung ist bei mittel- bis langfristiger Betrachtung nach wie vor groß. Die demografische Entwicklung wird weiterhin örtlich sehr verschieden verlaufen, solange nicht echte Vollbeschäftigung die Industrie zwingt, bei der Standortwahl für Neuinvestitionen den Wohnort knapper Arbeitnehmer zum ausschlaggebenden Kriterium zu machen. – So hängt eben alles mit allem zusammen.
* Eckhard Behrens (* 1937, wohnhaft in Heidelberg), Jurist und Volkswirt, ist u.a. Mitglied im Vorstand des Seminars für freiheitliche Ordnung in Bad Boll; er war langjähriger Vorsitzender des Landesfachausschusses für Bildung und Wissenschaft in Baden-Württemberg und stellvertretender Vorsitzender des Bundesfachausschusses in der FDP.