Grundsteuer: Die schwere Geburt

Dirk Löhr

Am Sonntag Abend tagte der Koalitionsausschuss. Ergebnis: Es war eine schwere Geburt, aber die Niederkunft der neuen Grundsteuerregelung naht.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)

Dabei hat sich Bayern durchgesetzt: Offenbar kommt es im Rahmen des wertabhängigen “Scholz-Modells” zu einer “großen Öffnungsklausel”, die den Ländern nicht nur ein Drehen an der Steuermesszahl, sondern vollkommen unterschiedliche Grundsteuermodelle erlaubt. Ein Gutachten des deutschen Bundestages, das dem Verfasser vorliegt, hält eine solche große Öffnungsklausel für rechtlich durchführbar. Voraussichtlich am Mittwoch wird der Kompromissvorschlag in das Bundeskabinett eingebracht. Befürchtungen, dass die Öffnungsklausel zu einer Zersplitterung der Rechtslandschaft führen wird, dürften dabei unangebracht sein. Nicht jedes Bundesland wird sein eigenes Modell einführen. Wahrscheinlich wird man voneinander “abschreiben”, so dass am Ende zwei oder drei Modelle existieren. Die Öffnungsklausel ist noch eine Chance in anderer Hinsicht, denn sie kann gleichzeitig als “Fallnetz” für die Länder dienen:

Das wertabhängige Modell ist nämlich äußerst kompliziert. Die Umsetzung steht und fällt mit der Digitalisierung. Die erste Hauptfeststellung soll bereits auf den 1.1.2022 durchgeführt werden. Der derzeit bekannte Referentenentwurf sieht für die Umstellung fast eine halbe Milliarde Euro vor, die wahrscheinlich sehr zweckoptimistisch gerechnet sind. M.a.W.: Ob das Scholz-Modell wirklich ab 2024 arbeitet, hängt von den Fortschritten in der Digitalisierung von Kataster- und Finanzverwaltung ab und ist noch lange nicht in trockenen Tüchern. Es kann dabei nicht genug betont werden, dass die betreffenden Probleme vor allem durch die Einbeziehung der Gebäudekomponente in die Bemessungsgrundlage verursacht werden. Gut für die Länder, die an einem Plan B arbeiten (s. den letzten Blogbeitrag).

Die Bodenwertsteuer drängt sich vor diesem Hintergrund geradezu als Plan B auf: Im Gegensatz zur von Bayern und der Immobilienwirtschaft favorisierten Flächensteuer bezieht die Bodenwertsteuer nicht die Fläche in die Bemessungsgrundlage ein. Man muss sich nicht darüber streiten, ob die Wohn- oder Betriebsfläche grob unzutreffend ermittelt wurde. Die Länder hätten kein Problem dahingehend, ob die Steueralternative mit dem allgemeinen Gleichheitssatz kompatibel ist – was bei der Flächensteuer mit Sicherheit nicht zutrifft. Es gäbe keine Probleme bezüglich der Rechtmäßigkeit von Belastungsgrund und Bewertungsziel – Probleme, die in der öffentlichen Diskussion bislang untergegangen sind. Und auch nicht mit deren Umsetzung über willkürlich gegriffene Äquivalenzzahlen, die eine Prüfung auch durch die Verfassungsgerichte der Länder nicht überstehen dürften. Dies gilt auch für Bayern, und zwar nicht nur wegen des Verfassungsartikels 161 Abs. 2: “Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.” Mit anderen Worten: Die Bodenwertsteuer ist eine einfach zu implementierende und administrierbare sowie rechtssichere Alternative zum “Scholz-Modell” – ganz im Gegensatz zur Flächensteuer. Letztere wird von der Immobilienwirtschaft v.a. deswegen propagiert, weil sie die Steuerlast in den Gemeinden weg von den guten Lagen (wo die Immobilienwirtschaft größtenteils investiert ist) hin zu den Randlagen verteilt, wo die wenig einkommensstarken Eigentümer und Mieter leben.

Den Länderfinanzministern liegen bereits Eckpunkte für ein Bodenwertsteuergesetz vor. Sie könnten schnell und einfach in Gesetzesform gegossen und auf Basis der Bodenrichtwerte und der den Behörden bekannten Grundstücksgrößen implementiert werden.

Drohender Grundsteuer-GAU

Dirk Löhr

Wie der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) im Rahmen einer Veranstaltung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) am Montag, den 3.6.2019 in Wiesbaden ausführte, bereitet sich Hessen schon intern darauf vor, dass die Reform der Grundsteuer gegen die Wand gefahren wird. Der hessische Finanzminister hat seine Verwaltung angewiesen, einen eigenen “Plan B” für eine hessische Grundsteuer auszuarbeiten. Es ist anzunehmen, dass auch Finanzminister in anderen Bundesländern entsprechend verfahren. Gelingt auf Bundesebene keine Reform bis zum Ende des Jahres, darf nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 die Grundsteuer nicht mehr weiter erhoben werden – sie erleidet dann dasselbe Schicksal wie die Vermögensteuer. Derzeit blockieren sich die Koalitionäre gegenseitig:

  • Bayern möchte eine weitreichende Öffnungsklausel, um eine (wahrscheinlich gegen die bayerische Verfassung verstoßende!) wertunabhängige Flächensteuer neben dem vom Bundesfinanzminister favorisierten Modell durchsetzen zu können. Eine Immobilie in schlechter Lage zahlt dann dasselbe wie eine in guter Lage, wenn nur die Fläche identisch ist. Markus Söder ist hier der Erfüllungsgehilfe der Immobilienwirtschaft, die so die Steuerlast umschichten und die Rendite ihrer Objekte (die sich zumeist nicht in den schlechtesten Lagen befinden) verbessern kann.
  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz hingegen möchte seinen – äußerst komplizierten und ebenfalls verfassungsrechtlich ohnehin schon bedenklichen – Referentenentwurf lediglich für die Länder in Bezug auf eigene Festsetzungsmöglichkeiten für die Steuermesszahl öffnen. Alles, was darüber hinaus geht, benötigte eine Verfassungsänderung, für die die GroKo wahrscheinlich keine Mehrheit zustande bringt. Ansonsten würde der Bund die Fortschreibungskompetenz verlieren. Würde eine Steuer ohne Gesetzgebungskompetenz erhoben, wären die gesamten betroffenen Steuereinnahmen wieder an die Bürger zurück zu entrichten. Angesichts der in Diskussion stehenden Beträge meine Finanzminister Schäfer auf der DASL-Veranstaltung vom 3. Juni, dass Bürgerkriege schon aus geringeren Anlässen ausgebrochen sind.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Grundsteuer vor die Wand gefahren wird, ist somit nicht gering. Dies allerdings wäre die Stunde der Bodenwertsteuer: Die Länder müssten im Falle des Scheiterns schnell handeln und eigene Grundsteuergesetze entwickeln und implementieren. Grundzüge eines Bodenwertsteuergesetzes wurden mittlerweile entwickelt und den Ländern zugeschickt. Entsprechende Bodenwertsteuergesetze können daher sehr schnell fertiggestellt und – zumal die Bodenrichtwerte flächendeckend vorliegen – auch umgesetzt werden.

Bezüglich der Vorteile der Bodenwertsteuer sei auch auf die Sendung in Frontal 21 (ZDF) vom 28.05.2019 verwiesen.