DIE LINKE erhebt Popularklage gegen die bayerische Grundsteuer

Dirk Löhr

Wer in einer bayerischen Gemeinde in der schlechtesten Lage ein uraltes, heruntergekommenes Haus besitzt, zahlt dieselbe Grundsteuer wie jemand, der in der besten Lage eine schicke, energetisch modernisierte Villa sein Eigen nennt – wenn nur die Grundstücks- und Gebäudefläche übereinstimmt. Nun wird zwar der Allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) so interpretiert, dass wirtschaftliche Gleiches gleich und wirtschaftlich Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Das kümmert Söder, Aiwanger & Co. samt Entourage allerdings wenig. Ihr grundsteuerliches Flächenmodell hat zur Folge, dass die Grundsteuerlast vom Wert der Immobilie abgekoppelt wird. Oder, anders formuliert, dass die weniger Wohlhabenden verstärkt in den öffentlichen Haushalt zuschießen müssen. Wer seine Grundsteuererklärung in Bayern schon gemacht hat, weiß im Übrigen auch, dass diese keinesfalls so einfach ist, wie die bayerische Landesregierung behauptet hat. Gegen dieses muntere Treiben hat nun DIE LINKE in Bayern Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser gilt zwar als regierungsnah, aber einen Versuch ist es sicherlich wert. Der Schriftsatz und Hintergrundinformationen zur Popularklage sind hier zu finden. Good Luck!

Berlin-Wahl 2023: Ein raumwirtschaftliches Lehrstück

Dirk Löhr

Ein Erdrutschsieg für Kai Wegner (CDU), eine herbe Enttäuschung für SPD und auch die FDP. Die Abgeordnetenhauswahl ist gleichzeitig ein raumwirtschaftliches Lehrstück. Die Grünen konnten v.a. in und um den S-Bahn-Ring punkten, was einmal mehr bestätigt, dass es sich um eine Partei des gut verdienenden Mittelstandes handelt.

Quelle: rbb24

In der Peripherie dominierte die CDU. Deren Wähler scheinen vom offensichtlichen Staatsversagen in Berlin mit besonderer Härte getroffen zur sein. Wenn manchmal von der Bundeshauptstadt hämisch als einem “failed state” die Rede ist, so bekommen dies v.a. die Bewohner der Peripherie zu spüren. Die Probleme gehen dabei über mangelnde Sicherheit im öffentlichen Raum und eine disfunktionale öffentliche Verwaltung wesentlich hinaus.

Generell – also unabhängig von der Berlin-Wahl – haben konservative Parteien ein besseres Standing in peripheren Räumen, rot und grün sind hingegen Parteien, die in den raumwirtschaftlichen Zentren punkten. Teilweise wird hierfür ein dumber Konservatismus der Landbevölkerung verantwortlich gemacht.

Die o.a. Karte zeigt jedoch, dass dies nicht so einfach ist. Den Bewohnern der Peripherie kann zwar im Stadtstaat Berlin eine andere Mentalität attestiert werden als denjenigen der bayerischen Peripherie. Dennoch ähnelt sich das Wahlverhalten. Es wäre eine interessante Aufgabe für Soziologen herauszufinden, welchen Anteil das “sich abgehängt” und “sich weggedrückt” Fühlen der peripher lebenden Bevölkerung an den Wahlentscheidungen hat.

Anthony Werner (Shepheard Walwyn) dead

Dirk Löhr

In December 2022 Anthony Werner, who ran the publishing house Shepheard Walwyn (London) for over 40 years, passed away at the age of 83 after a long and serious illness. See also the news form The Bookseller here. Among other awards, he won the Peoples Book Prize for Best Publisher in 2019. Shepheard Walwyn published many well-known Georgists, including Fred Harrison, Mason Gaffney and Nic Tideman. It was a matter of the heart for Anthony to give this literature a platform, without being concerned about making money with that.

Anthony Werner (c) The People’s Book Prize

I met Anthony in person for the first time in 2016. Together with him, Fred Harrison and I travelled to the Rhodes Forum – a counter-event of Davos (World Economic Forum). Through his contacts, Anthony had managed to get us a stage there. Our contact did not break off – the Frankfurt Book Fair provided an opportunity to refresh our friendly relationship. Anthony was a fine person, we will miss him.

Hinweis: Wohnwende in Baden-Württemberg – Veranstaltung zur Neuen Wohngemeinnützigkeit

Dirk Löhr

Am Montag, den 13.02.2023, findet von 16.00 bis 19.00 eine Online-Veranstaltung zur Neuen Wohngemeinnützigkeit statt, die von der Evangelischen Akademie Bad Boll in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund (Baden-Württemberg) organisiert wurde.

Anmeldungen sind noch möglich. S. https://www.ev-akademie-boll.de/tagung/451323.html

Einbeziehung der Mieten in die Umsatzsteuer?

Dirk Löhr

Am 1. Februar dieses Jahres hatte ich in diesem Blog den Vorschlag gemacht, die Wohnungsmieten (per Option) in die Umsatzsteuer einzubeziehen – allerdings mit einem Steuersatz von 0%. Dafür könnte die gesamte Vorsteuer gezogen werden, was zu einer erheblichen Absenkung der Herstellungskosten für Mietwohnbauten (bis zu 16%) führen könnte.

Zuerst ein dickes Kompliment an das Bundesbauministerium: Es hat sich umgehend der Sache angenommen!

Das Ergebnis der Prüfung: Leider ist derzeit nur ein Umsatzsteuersatz von 5% möglich, nicht von 0% (Art. 98 Abs. 1 Unterabs. 2 MWStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 10).

Darüber hinaus dürfen die Mitgliedstaaten für zwei Leistungen auch einen Umsatzsteuersatz von unter 5% festlegen (also auch einen Umsatzsteuersatz von 0%). Allerdings ist dieser nur für bestimmte, in Art. 98 Abs. 2 MWStSystRL aufgeführte Leistungen zulässig. Hierzu zählen die im o.a. Post angeführten Solarpanele, nicht aber die Vermietung von Wohnungen.

Weiterhin ist ein Nullsteuersatz auch für Leistungen möglich, die einem anderen Mitgliedstaat aufgrund von alten Ausnahmeregelungen zum 1.1.2021 mit 0% besteuert wurden (Art. 98 Abs 2 Unterabsatz 2 lit b i.V.m. Artikel 105a Abs. 1 MWStSystRL). Mit Blick auf Vermietungsleistungen ist dies jedoch für kein EU-Land bekannt.

Was bleibt: Entweder die Mehrwertsteuer von 5% – bei einer Verminderung der Herstellungskosten um 16% kann dies (je nach Bodenwertanteil der Immobilie) auch eine Reduktion der Mieten von 5 bis 8% bewirken – hier liegt aber auch ein politischer Sprengsatz, wenn die Sache in den Medien falsch verstanden wird oder verstanden werden will (“Regierung will Mieten durch Umsatzsteuer verteuern!”). Oder eine Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, um einen Nullsteuersatz auch für Wohnungsmieten hinzubekommen. Das ist zwar ein dickes Brett, aber womöglich stünde Deutschland mit dem Ansinnen nicht alleine.

Come back der Ressourcenrente: Die jüngste Erfolgsgeschichte von Shell & Co.

Dirk Löhr

Am 3. Februar meldete Gabor Steingart in seinem Briefing:

“Die Rekordgeschichte der Energiekonzerne geht weiter: Für Shell war 2022 das beste Geschäftsjahr aller Zeiten. Der Gewinn kletterte auf 40 Milliarden Dollar – eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.

Grund dafür sind vor allem die rasant gestiegenen Gaspreise infolge des Krieges in der Ukraine. Shell ist der weltweit größte Händler von Flüssiggas. Im vergangenen Quartal war die Gassparte des Konzerns für fast zwei Drittel des Gewinns verantwortlich.

Vor allem die Shell-Aktionäre dürfen sich freuen: Der Konzern will die Dividende um 15 Prozent steigern, 2022 wurden insgesamt rund 26 Milliarden Dollar an die Anteilseigner ausgeschüttet. In den kommenden Monaten wird Shell außerdem Aktien im Wert von vier Milliarden Dollar zurückkaufen.”

Der Grund hierfür dürfte das Upstream-Geschäft sein: Shell bewirtschaftet (wie seine engeren Mitbewerber) eigene Ölquellen. Der Preis des Öls wird durch den Grenzanbieter bestimmt (der gerade noch auf seine Kosten kommt – und bei denen es sich nicht zuletzt um US-amerikanische Rohstoffunternehmen handelt). Ist das Öl in den eigenen Quellen günstiger zu fördern als das der Grenzanbieter, entsteht ein Kostenvorteil – die Ölrente. Insbesondere dann, wenn – wie im letzten Jahr – der Weltmarktpreis knappheitsbedingt eine ansehnliche Höhe erreicht, kommt dies dem Upstream-Geschäft zugute.

Dieses wird dann deutlich wichtiger als das Downstream-Geschäft, v.a. die Raffinierung von Rohölprodukten. Die für die Verbraucher so augenscheinlichen Tankstellen sind für die Mineralölkonzerne eher aus strategischen Gründen (Marktabdeckung), aber kaum wegen ihrer Erträge interessant.

Die Zahlen von Shell illustrieren eindrucksvoll, dass die Energiewende derzeit keineswegs in die gewünschte Richtung verläuft – eher kann man von einer Renaissance der fossilen Energieträger sprechen.

Der Gewinn von Shell sorgte bei Unmut bei den Kritikern. So demonstrierte Greenpeace am 2. Februar vor dem Shell-Firmensitz in London. Die britische Labour-Party forderte erneut eine Übergewinnsteuer (hierzu s. den Blogbeitrag vom 15.01.2023). Denn Shell hat im vergangenen Jahr lediglich 900 Millionen Dollar an Steuern an den britischen Fiskus abgeführt.

Reduktion der Kosten für Mietwohnbauten – Einführung des Vorsteuerabzuges?

Dirk Löhr

Der Wohnungsbau stagniert. Das im Koalitionsvertrag der Ampel verkündete Ziel, 400.000 neue Wohnungen jährlich zu schaffen (davon 100.000 mit Sozialbindung), rückt in immer weitere Ferne. Die Investoren befinden sich in der Klemme: Kostenseitig steigen Zinsen und Baukosten (Abriss von Lieferketten, erhöhte energetische Anforderungen) – von Seiten des Bodenmarktes kommt derzeit aber nicht die benötigte Entlastung in Gestalt ausreichend sinkender Bodenwerte. Die künftig durchsetzbaren Mietsteigerungen dürften angesichts des inflationsbedingten Realeinkommensverlustes der Mieter überschaubar sein. Die Investoren sind in die Zange genommen – viele Bauvorhaben werden aufgeschoben. Vonovia beispielsweise hat einen Baustopp verkündet.

Bislang setzt man zur Dämpfung der Baukosten auf – sicherlich vernünftige – Maßnahmen wie z.B. serielles und modulares Bauen. Eine Maßnahme, die auf einen Schlag eine Reduktion der Herstellungskosten um 16% (19%/119%) bewirken könnte, ist erstaunlicherweise aber bislang nicht in der Diskussion: Eine Änderung des Mehrwertsteuerregimes.

Der Ansatzpunkt könnte die Einführung eines Nullsteuersatzes für vermietete Wohnimmobilien sein. Diese sind bislang von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 12 UStG). Ein Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 9 UStG ist derzeit jedoch nicht möglich. Es handelt sich allerdings nur um eine „unechte“ Befreiung, da auch die Vorsteuer auf die Planungs- und Bauleistungen nicht abgezogen werden kann.  Dementsprechend erhöhen sich die Herstellungskosten der Mietwohnungen.

Über die Einführung eines Nullsteuersatzes auf Wohnbauleistungen (soweit Einnahmenerzielungsabsicht besteht), bei gleichzeitiger Öffnung der Verzichtsmöglichkeit auf die Steuerbefreiung bei vermieteten Wohnimmobilien (§ 9 UStG) könnten Wohnimmobilien in die Steuerpflicht gebracht werden, ohne dass es für die Mieter teurer wird. Der Vorteil: Der Weg für den Vorsteuerabzug wäre frei – das könnte bis zu 16% verringerte Herstellungskosten für die Mietwohnbauten bedeuten.

Ein ähnlicher Weg wurde für kleine Photovoltaikanlagen im Rahmen der Anpassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2022 beschritten. Ziffer 10 in Anhang III der Richtlinie 2005/112/EG (Gegenstände, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewendet werden dürfen) enthält schon die „Lieferung und Bau von Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus, wie von den Mitgliedstaaten festgelegt; Renovierung und Umbau, einschließlich Abriss und Neubau, sowie Reparatur von Wohnungen und Privatwohnungen; Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke“.

In diesem Rahmen (auch gedeckt durch Ziffer 15 der Liste) ergibt sich z.B. auch die Möglichkeit der Befreiung gemeinnütziger Organisationen, was für die geplante Neue Wohngemeinnützigkeit interessant sein könnte.

Die Mitgliedsstaaten dürfen für bis zu höchstens sieben der 29 Kategorien des Anhangs III auf bestimmte Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zwei ermäßigte Steuersätze vorsehen, wovon einer der Steuersätze unter 5 % und der andere Steuersatz 0 % (Nullsteuersatz) betragen kann. Die Bundesregierung könnte dies zum Anlass nehmen, um ihre Prioritäten zu prüfen – ob ein Nullsteuersatz für Mietwohnungen ermöglicht werden kann.