Mietpreisexplosion: Förderung des Wohnungsbaus?

Dirk Löhr

Wohnen wird gerade in den Ballungsräumen immer mehr zu einem Luxusgut – nicht nur einkommensschwache Schichten können sich dieses Grundbedürfnis immer weniger leisten. Geht es nach dem Willen des Mieterbundes und der Immobilienbranche, soll der Staat den Wohnungsbau stärker fördern.

Mietpreise

Damit soll erreicht werden, dass die Mieten auch für Normalverdiener erschwinglich bleiben. Wie die Stuttgarter Zeitung vom 11.09. berichtet, wurden in einer Studie des Pestel-Instituts höhere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten (3 bzw. 4 statt bisher 2 Prozent), öffentliche Finanzierungshilfen (um die Finanzierungskosten um ca. 1 Prozent zu senken) sowie um 25 Prozent verbilligtes Bauland aus öffentlicher Hand im Gespräch. Die Hoffnung: Auf diese Weise sollen die Mieten auf einem niedrigen Stand gehalten werden; gleichzeitig soll der Bau der Häuser einen Schub an Steuern und Sozialabgaben bringen.

Wir haben in diesem Blog wiederholt beschrieben, wer von diesen Subventionsmaßnahmen vor allem profitieren wird: Die Eigentümer von Grundstücken, an die die Förderungen „durchsickern“.  Hierbei verhält es sich nicht anders als bei anderen Subventionen, z.B. in Erneuerbare Energien. Die Subventionierung der Windenergie kommt v.a. beim Grundeigentümer an, die Subventionierung von Bioenergie schlägt sich in höheren Pachten und Grundstückspreisen nieder (vgl. den Blogbeitrag “Die toxische Wirkung von Subventionen“).

Anstatt zu subventionieren, sollte eine Belastung der Grundstücke in Höhe der erzielbaren Bodenrente erfolgen. Wer sein Grundstück dann nicht den planerischen Vorgaben entsprechend nutzt, zahlt drauf (s. hierzu auch die Initiative von Global Change Now: “Wohnraumsituation in den Großstädten“). Wird dieser Weg konsequent beschritten, kann man auch andere Steuern zurückführen bzw. ganz auf diese verzichten. Und man könnte sogar ein rentenbasiertes Grundeinkommen finanzieren, mit dem u.a. der Zugang zum Grundbedürfnis Wohnen gesichert werden kann.

Der Vorschlag des Pestel-Instituts kocht hingegen in phantasieloser Weise eine unbekömmliche Rezeptur erneut auf.

Volkssport Steuerhinterziehung

Dirk Löhr

Steuern: Ein Quell steter Freude. Eine Leistung des Bürgers ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung Seitens des Staates. Und das sauer verdiente Geld fließt in einen großen Topf, aus dem sich die Exekutive (ihre eigenen Interessen verfolgend) bedient. Siehe mehr hierzu in “Steuerhinterziehung – Volkssport in unterschiedlichen Spielklassen“. Aber: Es gibt Alternativen zu diesem Irrsinn – im Artikel der Zeitschrift “Humane Wirtschaft” vom 30. April (der nun frei als Downlowad verfügbar ist) sind sie beschrieben.

One more thing: Der faule Apple

Dirk Löhr (Kommentar)

Wir leben nicht – wie viele Politiker und ihre Presse uns immer wieder glauben lassen wollen – in einer Marktwirtschaft, sondern in einer Machtwirtschaft.

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Diese Macht wird zu einem großen Teil hervorgebracht durch Monopole (verstanden im Sinne der ökonomischen Klassiker), mit denen man sich vor dem Wettbewerb abschirmen kann: Dies sind z.B. Standortvorteile, das exklusive Eigentum an Ressourcen oder „virtuelles Land“ – also geistige Eigentumsrechte. Insbesondere mit Patenten kann man so ziemlich alles machen, was auch mit dem Privateigentum an Land und seinen Erträgen möglich ist: Monopolrenten einstreichen, Konkurrenten blockieren oder Kosten auf unbeteiligte Dritte abwälzen. Große Unternehmen sind daher „hidden land banks“, wenn man den Begriff „Land“ entsprechend weit versteht. Aber: Die Strahlkraft von Unternehmen, die sich auf solche Monopole stützen, lässt irgendwann nach – früher oder später werden sie obsolet.

Schöne Beispiele hierfür lieferten die Montanindustrie im Ruhrgebiet, neuerdings der Softwareriese Microsoft und ganz aktuell Apple. Dieser – ehemalige – Inbegriff eines Innovators degeneriert langsam aber sicher zu einem Rent Seeker, der sich zunehmend darauf konzentriert, seine auf geistige Eigentumsrechte gestützte Monopolposition zu verwalten; Innovationsfeuerwerke – früher das Markenzeichen von Apple – werden dafür immer seltener gezündet. Stattdessen werden z.B. hohe Ressourcen in die Blockadeversuche des Erzrivalen Samsung investiert.

Am 9. September wurden in New York die neue Computeruhr Apple Watch, die neuen iPhone-Modelle und ein neues, digitales Bezahlsystem vorgestellt. Die Märkte reagierten jedoch nicht enthusiastisch: Nicht schlecht, grundsolide, aber eben auch nicht mehr. Ein Innovationsspurt sieht anders aus. Kein Grund für Kurssprünge. Die Befürchtung vieler Analysten: Wegen der gereiften Verbrauchermärkte und des Wettbewerbs zu Samsung und neuerdings auch zu chinesischen Herstellern sind die zukünftigen Potenziale eher überschaubar. Die neuen Produkte können allenfalls ein Strohfeuerchen erzeugen, und ihre Gewinnpotenziale sind in der Aktie schon eingepreist. Die Aktien reagierten daher mit einem leichten Absacken – ein gutes Barometer.

Andererseits: Innovation ist ein Mittel zu dem Zweck, weitere Marktanteile an sich zu ziehen. Wachse oder weiche. Bislang versäumt die Wettbewerbspolitik, diesem Wachstumswahn wirksam Grenzen zu ziehen (s. unseren Blogbeitrag “Wettbewerb und die einzelwirtschaftlichen Grenzen des Wachstums“). Mit viel Werbeaufwand werden daher oftmals Güter kreiert, die die Welt nicht braucht. Wenn das Handy, wie bei mir, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg produziert wurde, muss das nicht unbedingt eine geringere Lebensqualität bedeuten – auch wenn es Leute gibt, die mein Handy samt ihrem Eigentümer am liebsten in einem urzeitlichen Museum zur Schau stellen möchten.

Frontal 21 (ZDF): Braunkohleboom in Brandenburg

Dirk Löhr

Energiewende pervers – und die Rolle der kohleaffinen (das kann man ruhig im doppelten Wortsinne verstehen) SPD hierbei.

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Darüber berichtete das ZDF-Magazin Frontal 21 am 9.9. um 21.00. Sehenswert!

Link zur Sendung (bitte klicken)

Mehr Informationen zu diesem Thema finden sich auch in unserem Blogbeitrag “Gewinne und Renten: Beispiel Stromproduktion“.

 

ARD: Deutsche Bahn-Check

Dirk Löhr

Die Deutsche Bahn AG: Unpünktlich, teuer, schmutzig, langsam, unzuverlässig. Der ARD-Bericht

“Deutsche Bahn-Check” (8.9.2014, 20.15 in der ARD)
(bitte klicken)

bringt es auf den Punkt.

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Leider bleiben die Hintergründe im Dunkeln, die viel mit der fehlgeleiteten Bahnreform und der unzulänglichen Finanzierung der Netzinfrastruktur zu tun haben. Ausbaden können das alles die Kunden, aber auch das Personal der Deutsche Bahn AG.

Siehe hierzu auch u.a. unsere Blogbeiträge:

Gewinne und Renten: Die Deutsche Bahn auf dem Abstellgleis

Fahrpreiserhöhungen der Deutsche Bahn AG: Alle Jahre wieder

German Railway Company: A Failed Privatization

Plusminus: Schienennetz verrottet

Gemeinwohlökonomie: Robespierre lässt grüßen

Dirk Löhr

Gemeinwohlökonomie – diese von Christian Felber (2012) begründete Richtung man kann wohl eine neue Bewegung nennen.

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Die Gemeinwohlökonomie will zu einer ethischen Marktwirtschaft aufbrechen. Diese Idee ist allerdings nicht neu. Sie wurde schon vor längerer Zeit einmal von einem gewissen Adam Smith verfolgt (1846): “Es kann sicherlich eine Gesellschaft nicht blühend und glücklich sein, deren meiste Glieder arm und elend sind.” Sein Werkzeug war die „unsichtbare Hand“, die das eigennützige Streben der wirtschaftenden Menschen zur Erhöhung des Gemeinwohls beitragen lässt. “Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse.”  (Smith 1846).

Doch die Gemeinwohlökonomie geht einen anderen, bürokratischen Weg. Das Herzstück ist die Gemeinwohl-Bilanz bzw. der Gemeinwohlbericht. Hier sollen die Unternehmen  erklären, wie sie die Umsetzung der Gemeinwohlwerte vornehmen. Natürlich könnte man einwenden, dass KiK & Co. dies doch schon heute mit ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung tun, wo sich jeder Interessent von der hohen ethischen Qualifikation dieser Unternehmen überzeugen kann.

Doch die Gemeinwohlökonomie möchte diese Berichte – anders als heute – nicht ohne Konsequenzen belassen. Die Berichterstattung soll ausgeweitet werden. Und: Es soll auch eine Bewertung vorgenommen werden. Und aufgrund dieser Bewertung sollen Privilegien, z.B. bei öffentlichen Aufträgen und Krediten vergeben werden.

Ist dies „marktwirtschaftlich“? Dies ist auf jeden Fall nicht die Art von Marktwirtschaft, wie sie Adam Smith vorschwebte.

Adam Smith
Adam Smith

Nach dem liberalen Konzept sollte eine Marktwirtschaft eigentlich frei von Privilegien sein. In der Gemeinwohlökonomie werden Privilegien statt dessen ausdrücklich zugestanden. Sie werden aber nicht etwa an den besten Wirt vergeben, sondern an denjenigen mit der zur Schau getragenen aufrechten Gesinnung. Damit wird zugleich politisch festgelegt, was und wie produziert werden soll. An dieser Stelle besteht aber eine kulturelle Gefahr: Nämlich das Hineinrutschen in einen neuen, grünen Totalitarismus (die Felber’schen Konvente klingen nicht von ungefähr wie Anleihen an die jakobinischen Wohlfahrtsausschüsse, Amon 2012). Liberal ist dies – auch wenn sich die Gemeinwohlökonomie so gibt (https://www.ecogood.org/allgemeine-infos/idee/vision-der-gemeinwohl-oekonomie) – ganz und gar nicht.

Adam Smith wollte eine Allokation über den Preis; die Marktwirtschaft sollte eigentlich gesinnungsneutral sein. Spätestens seit Pigou wissen wir, dass der Preis in einer Marktwirtschaft auch die Schäden abbilden sollte, die ein Produzent den Mitmenschen und der Gesellschaft zufügt. Erst dann kann die Allokation der Resssourcen zuverlässig über den Markt stattfinden – unabhängig von der (über Gemeinwohlberichte) zur Schau getragenen Gesinnung. Der Markt an sich ist natürlich ein soziales Konstrukt. Und nur dann, wenn in diesem Konstrukt die Externalisierung von Umwelt- oder Sozialkosten nicht zugelassen wird, ist eine effektive und effiziente Allokation ausschließlich anhand des Preises möglich – als des eines einzigen Bewertungskriteriums. Ein genialer Mechanismus, den die Gemeinwohlökonomie aber verzweifelt torpediert. Erfüllt der Preis die genannten Voraussetzungen, braucht man aber keinen Gemeinwohlbericht. Bürokratische Bewertungsorgien durch wie auch immer qualifizierte Auditoren, die die unternehmerischen Dispositionen auf Gesinnungskonformität überprüfen, sind dann überflüssig. Ist der Ordnungsrahmen richtig gesetzt, macht das Unternehmen nämlich aus eigenem Interesse, was dem Gemeinwohl zuträglich ist. Dann nämlich sind seine Kosten tief, andernfalls sind sie hoch.

Warum bringt unsere „Demokratie“ die richtigen Preise aber nicht über einen entsprechenden Ordnungsrahmen zu Wege? Warum sind augenscheinlich die Preise „falsch“?  Ein wichtiger Grund liegt im politischen Unwillen, der dem Einfluss starker Interessengruppen geschuldet ist. Diese suchen nach „ökonomischen Renten“ und nehmen den Staat für ihre Interessen „gefangen“ (Rent Seeking und State Capture, Löhr 2013). Dieser zentrale Fehler, der in existenten Privilegien liegt, wird von der Gemeinwohlökonomie aber nicht gesehen. Stattdessen sollen weitere Privilegien hinzugesetzt und der marktwirtschaftliche Mechanismus in weiten Teilen außer Kraft gesetzt werden.

Zwar wird das Privateigentum an Natur (einschließlich Land) von der Gemeinwohlökonomie infrage gestellt. Das wiederum ist positiv. Allerdings hat die Volksrepublik China dasselbe getan – trotzdem wird dort auf Kosten von Mensch und Natur spekuliert auf Teufel komm raus, und die Immobilienblase liegt wie eine dunkle Wolke über der chinesischen Wirtschaft. Dies, weil eben – trotz staatlichen Eigentums an Land und Natur – die ökonomischen Renten (und damit die ökonomischen Werte) zu einem erheblichen Teil in private Taschen fließen. Doch daran will augenscheinlich auch die Gemeinwohlökonomie hierzulande nichts ändern. Stattdessen will sie in ihrer Bilanz Minuspunkte vergeben, wenn die Akteure den Verlockungen der Rentenökonomie folgen. So macht Felber sich die Welt, wie sie ihm gefällt.

Ein anderes Beispiel: Die Patente. Das Patentwesen (das im Prinzip nichts anderes als Privateigentum an „virtuellem Land“ ist) wird von der Gemeinwohlökonomie offenbar grundsätzlich nicht infrage gestellt. Statt dessen wird es als individuelles Fehlverhalten qualifiziert, wenn die herzliche Einladung des Patentsystems zu sozial schädlichem Verhalten angenommen wird. Nehmen wir an, ich halte als Unternehmen sozial schädliche Sperrpatente in meinem Patentportfolio. Möglicherweise bekomme ich dann einen Abzug in der Haltungsnote, da dies in N 2.2. der Gemeinwohlbilanz „Sperrpatente“ als Negativmerkmal gelistet ist … wenn es mir nicht gelingt, die Sache schön zu färben etwa in dem Sinne, dass ich ja nur darauf warte, “zum Vorteil der Gemeinschaft” tauschen zu können. Können die Auditoren wirklich die Motive und Folgen der einzelnen unternehmerischen Handlungen umfassend und qualifiziert beurteilen (zumal bei den Discountpreisen, die in der Homepage für Audits gelistet sind)? Die Frage muss daher erlaubt sein: Warum setzt sich die Gemeinwohlökonomie nicht gleich für eine Abschaffung des Patentwesens in der heutigen Form ein (und statt dessen für die Einführung von Patentpools, Forschungsgutscheinen, Ausschreibungen oder dergleichen)?

Wir haben hier nur einen kleinen Ausschnitt der Gemeinwohlökonomie beleuchtet. Dennoch wird vielleicht schon hieran deutlich, wie abstrus das Konzept ist. Umso faszinierender ist es, wie eine solche Schnapsidee derartige Wellen schlagen konnte. Aus diesem Grunde werden wir an diesem Thema dranbleiben, wenngleich widerwillig: Denn jede Beschäftigung hiermit stellt eine Verschwendung intellektueller Ressourcen dar.

 

Literatur und Informationen

Amon, M. (2012): Wie man sich ein Weltbild richtig zurecht biegt, in: Die Presse.com vom 24.1. Online: http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/726261/Wie-man-sich-ein-Weltbild-richtig-zurechtbiegt

Felber, C. (2011): Die Gemeinwohlökonomie – Eine demokratische Alternative wächst. Online: http://www.christian-felber.at/schaetze/gemeinwohl.pdf

Felber, C.  (2012): Die Gemeinwohl-Ökonomie: Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe
Deuticke.

Homepage Gemeinwohlökonomie: https://www.ecogood.org/was-ist-die-gemeinwohl-oekonomie

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg.

Smith, A. (1846): Untersuchungen über das Wesen und die Ursachen des Nationalreichthums. Deutsch von Max Stirner. Erster Band. Leipzig ( S. 26).

 

EZB-Beschlüsse: Weniger geht nicht?

Dirk Löhr

Gestern, am 4.9., hat die EZB alle drei Leitzinssätze um jeweils 10 Basispunkte reduziert. Der Hauptrefinanzierungssatz wurde auf 0,05 Prozent gesenkt und der Einlagensatz liegt nun bei minus 0,2 Prozent.

Mario Draghi
Mario Draghi

Letzteres heißt, dass die Banken einen noch höheren Strafzins bezahlen müssen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, statt es in Form von Krediten an Unternehmen weiterzureichen (o.V. 2014).

Zudem möchte die EZB mit einem groß angelegten Kaufprogramm für Asset Backed Securities (ABS) und Pfandbriefe dafür sorgen, dass die Banken diese zweifelhaften Forderungen aus ihren Bilanzen und dafür Luft für neue Kredite bekommen. Dies bedeutet jedoch nichts anderes als die Sozialisierung der Risiken aus zweifelhaften Immobilienkrediten aus der Vergangenheit. Zweifelhaft, weil bei den zugrundeliegenden Sicherheiten gerade der Wert des Grund und Bodens über Kredite aufgeblasen wurde. Diese Blasen können immer noch platzen, und die Zeche zahlt nach Aufkauf der Papiere dann der Steuerzahler.

Generell spricht aus den Maßnahmen der EZB die Verzweiflung. Die Staaten der Euro-Peripherie versinken in einer Dauerrezession. Das Deflationsgespenst geht um.

Draghi kann mit den jüngsten Maßnahmen das Pferd nur zur Tränke führen – zum Saufen zwingen kann er es aber nicht. Nun seien – so die Meinung Draghis – die Regierungen mit „wachstumsfreundlichen Maßnahmen“ gefordert. Dabei zielt Draghi offenbar auf die Angebotspolitik. Es gibt eben wenig Neues unter der Sonne. Warum soll nun auf einmal funktionieren, was in der Vergangenheit floppte?

Nach den herrschenden Konventionen hat Draghi nun sein Pulver weitgehend verschossen. Theoretisch wären zwar noch weitgehendere Maßnahmen der EZB möglich – wie eine Umlaufsicherungsgebühr auf Bargeld und kurzfristige Einlagen mit Geldcharakter. Nicht nur bekannte Ökonomen wie Buiter und Mankiw, auch die japanische und amerikanische Zentralbank hatten sich hiermit schon auseinandergesetzt. Dies sicherlich Linderung bringen, würde aber als isolierte Maßnahme immer noch nicht ausreichen.

Denn: Der Euro ist grundsätzlich eine Missgeburt. Periphere Staaten mit einer geringen Produktivitätsentwicklung wie Griechenland, Spanien, Portugal, Irland etc. dürfen nicht demselben währungspolitischen Regime unterworfen werden wie Deutschland oder die Niederlande. Hier bedarf es einer dringenden Reform, eines Euro-Systems mit mindestens zwei Geschwindigkeiten (Löhr 2012).

Und: Derzeit werden die Staaten der Peripherie durch die Maßnahmen der Troika stranguliert und belastet. Genau das Gegenteil ist nötig.

Schließlich: Je radikaler die Niedrigzinspolitik der Zentralbank, umso stärker die Gefahr neuer Blasen auf den Immobilien- und Aktienmärkten.

Zusammen mit Harrison habe ich dargestellt, wie durch eine EU-weite Bodenwertabgabe in Kombination mit einem Tax-Shift (weg von den herkömmlichen Steuern) die Peripherie entlastet werden könnte (Löhr / Harrison 2013). Gleichzeitig könnte damit auch die Gefahr von Vermögenspreisblasen gebannt werden. Für einen solchen Schritt ist aber wahrscheinlich der Mut der Verzweiflung notwendig, die derzeit anscheinend immer noch nicht groß genug ist – genauso wie die Einsicht in derartige Zusammenhänge.

 

Mehr Informationen:

D. Löhr (2012): Gresham und die Drachme, in Humane Wirtschaft 2, S. 26-27. Online: http://www.humane-wirtschaft.de/2012_02/HW_2012_02_S26-27.pdf

D. Löhr / F. Harrison (2013): Ricardo und die Troika – für die Einführung einer EU-Bodenwertabgabe, 93. Jahrgang, 2013, Heft 10, S. 702-709. Online: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10273-013-1586-1

o.V. (2014): EZB-Chef Draghi überrascht fast alle, in NZZ 4.9. Online: http://www.nzz.ch/wirtschaft/ezb-senkt-leitzins-ueberraschend-auf-rekordtief-1.18377096

 

Report Mainz: Vertriebene Senioren

Dirk Löhr

Verkauf von “Sozialimmobilien” an “Projektentwickler” zur Aufbesserung der öffentlichen und freigemeinnützigen Kassen: Das zugrundeliegende Motiv ist die Jagd nach den Bodenrenten, die mit dem gegenwärtigen Klientel in diesen Häusern nicht erwirtschaftet werden kann. Also raus damit. Aber: Alte Bäume soll man nicht entwurzeln. Die tragischen Folgen zeigt der Beitrag in ZDF Mainz vom 2.9.2014: “Vertriebene Senioren” (bitte klicken)

Wir haben es wieder und wieder in diesem Blog dargestellt: Die öffentliche Bereitstellung der Infrastruktur (Grundstück, Gebäude) bei Bewirtschaftung durch freigemeinnützige Träger könnte solche Fehlentwicklungen verhindern. Würde man die Bodenrente abschöpfen und vergemeinschaften, könnte man dies auch bequem finanzieren. Abgesehen davon würden solch asoziale Renditejagden generell keinen Sinn mehr ergeben.

EinsPlus: Nie wieder arbeiten? Das Grundeinkommen für jeden

Dirk Löhr

Dem Macher des Beitrags (EinsPlus, 31.8.2014, um 20.15), Rainer Maria Jilg, kann man nicht mangelnde Begeisterung über den Vorschlag des bedingungslosen Grundeinkommens vorwerfen. Wohl aber die fehlende kritische Distanz des guten Journalisten.

Götz Werner, DM-Gründer und wichtigster Propagandist des bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland
Götz Werner, DM-Gründer und wichtigster Propagandist des bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland

So wurde die Bedingungslosigkeit des Grundein-kommens als Problem zwar benannt, aber nicht intensiv genug durchleuchtet. Das größte Problem des bedingungslosen Grundeinkommens ist aber m.E. ein prinzipielles, das in der Entkopplung von Arbeit und Einkommen und – damit zusammenhängend – im Anspruch der Existenzsicherung begründet liegt.

Denn jeder Ökonom weiß, dass eine Entkopplung von Nutzen (Einkommen) und Kosten (Arbeit) Marktversagen nach sich zieht. Es verhält sich nicht anders als bei anderen Externalisierungen: Hat der A den Nutzen, der B aber die Kosten aus einem bestimmten Verhalten, geht etwas in die Hose. So kann man die Folgen für den Arbeitsmarkt nur erahnen – wenngleich nicht alle schlecht sein müssen.

So wie aber eine Entkopplung von Nutzen und Kosten in der Privatwirtschaft zu Marktversagen führt, kommt es auch bei der Entkopplung von Staatseinnahmen und Staatsausgaben zu Staatsversagen. Damit sind wir bei der problematischen Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens.  1.000 Euro Grundeinkommen pro Monat, wie dies Götz Werner (dem prominentesten Vertreter dieser Idee hierzulande) & Co. vorschwebt – bedeuten bei 82 Mio. Deutschen ein Grundeinkommen i.H.v. 984 Mrd. Euro pro Jahr. Es handelt sich um 46 % des Volkseinkommen des Jahres 2013 (2.118, 8 Mrd. Euro). Das ist gelinde gesagt sehr ambitioniert. Nach dem Konzept von Götz Werner (2007) soll dies über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gestemmt werden, die dann deutlich über 50 % betragen könnte. Alle anderen Steuern und Sozialabgaben sollen im Grundsatz abgeschafft werden. Die Mehrwertsteuer wäre also eine Single-Tax – allerdings ganz und gar nicht im Sinne der Physiokraten oder von Henry George.

Henry George
Henry George

Um die Problematik dieses Vorschlags halbwegs zu verstehen, bedarf es eines kurzen Exkurses vorab: Dabei geht es um einen – in Deutschland leider kaum bekannten – finanzwissenschaftlichen Fundamentalsatz: Der Golden Role of Local Public Finance, auch als Henry George-Theorem (oder George-Hotelling-Vickrey-Theorem) bekannt. Hiernach könnten unter idealen Bedingungen (optimale Bevölkerungsgröße, Wettbewerb unter den Kommunen etc.) alle öffentlichen Güter allein aus der (Boden-) Rente finanziert werden, ohne dass auf Steuern zurückgegriffen werden müsste.

Abbildung: Henry George-Theorem (vereinfachte Version, eigene Darstellung)

Volkseinkommen

Zusammensetzung   Verteilung   Charakter
Private Güter und Dienstleistungen

<=>

Löhne (Arbeit)Zinsen (Kapital)

<=>

Kosten
Öffentliche Leistungen

<=>

(Boden-) Renten

<=>

Sozialer Überschuss (Residuum)

Das Henry George-Theorem kann aber auch anders herum gelesen werden: Danach werden (Boden-) Renten erst durch öffentliche Güter und Dienstleistungen geschaffen. Die (Boden-) Renten entstehen aufgrund ökonomischer Vorteile von Agglomerationen und der Arbeitsteilung, den Opportunitätskosten durch die Nutzung knapper Standorte durch bestimmte Nutzer, und nicht zuletzt durch die Infrastruktur, die durch die Öffentlichkeit geplant und finanziert wird.

Jilg interviewte u.a. die Familie Hohlbein aus München. Die Hälfte ihres Familieneinkommens von ca. 2.500 Euro / Monat geht für die Miete drauf. Wir haben in diesem Blog wieder und wieder dargestellt, dass für die vergleichsweise hohen Mieten in München die relativ hohen Bodenrenten verantwortlich sind. Die hohen Bodenrenten in München, die der Familie Hohlbein zu schaffen machen, werden durch den Vorschlag von Götz Werner aber nicht angetastet.

Werden die durch öffentliche Anstrengungen zustande gekommenen Bodenrenten privatisiert, müssen die Fiskalsteuern

  • die Finanzierung des Gemeinwesens übernehmen und
  • ebenfalls die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens tragen.

Richtig ist: Die Hohlbeins würden zwar keine Einkommensteuer mehr abdrücken, dafür eine umso höhere Umsatzsteuer zahlen dürfen, die ihr Einkommen relativ hoch belastet. Von der Wirkung her ist die Mehrwertsteuer aber nichts anderes als eine Flat-Rate-Einkommensteuer (also ohne eine sozial erwünschte Progressionswirkung) unter Ausnahme der Ersparnis. D.h., diejenigen, die eine geringe Konsumquote und hohe Geldsummen akkumulieren, tragen relativ zu ihrem Einkommen am wenigsten zur  Finanzierung des Grundeinkommens bei. Dies sind wegen ihres hohen Einkommens gerade die Reichen und die Superreichen. Diejenigen Bürger mit hoher Konsumquote und geringer Ersparnis – die Hohlbeins unserer Republik – dürfen sich ihr Grundeinkommen damit im Wesentlichen gegenseitig finanzieren – und daneben auch noch die öffentlichen Leistungen.

Die Mehrwertsteuern der vielen Hohlbeins erhöhen dann über ihre Verausgabung für öffentliches Gesundheitswesen, Universitäten, Sicherheit etc. den Bodenwert z.B. in München noch weiter. Die Hohlbeins dürfen aber noch ein zweites Mal bezahlen, nämlich in Gestalt der Bodenrenten (entsprechend hohe Mieten) an den Eigentümer ihres Grundstücks, der keinen Finger gekrümmt hat.

So sichert erst der Steuerstaat die Privatisierung der ökonomischen Renten – also ein arbeitsloses Grund-Einkommen im Sinne des Wortes – ab. Erst durch den Steuerstaat mit seiner Entkopplung von Staatseinnahmen und Staatsausgaben wird die Privatisierung öffentlich geschaffener (Bodenrenten) bei gleichzeitiger Konfiskation privat geschaffener Werte (über Steuern) möglich. Und Götz Werner mit seiner Flat-Rate-Einkommensteuer bei gleichzeitiger Ausnahme der Akkumulation (als Single Tax!) treibt diese Fehlentwicklung geradezu auf die Spitze. So besteht auch beim Vorschlag Götz Werners die für alle Steuerstaaten charakteristische zweifache Entkopplung von Einnahmen und Ausgaben:

  • Steuern sind voraussetzungslose Zwangsabgaben an den Staat. Es existiert kein individueller Anspruch auf Gegenleistung, und keine Äquivalenz zwischen Geben und Nehmen.
  • Zudem fließen gemäß dem sog. „Nonaffektationsprinzip“ alle Steuern in einen „großen Topf“, aus dem dann die Verwaltung für alle möglichen Zwecke Geld entnimmt. Steuern werden also normalerweise nicht zweckgebunden vereinnahmt.

Somit zahlt der Steuerbürger unter Zwang ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung, und auf der anderen Seite wird das Geld ohne Rücksicht auf dessen Herkunft verausgabt. Diese doppelte Entkopplung ist

  • einerseits der Grund für Steuervermeidung und Steuerhinterziehung – eine rationale Reaktion, wenn für den Bürger nur Kosten vorliegen, ohne dass er einen Nutzen hat;
  • Auf der anderen Seite wird der Verschwendung durch die Administration Tür und Tor geöffnet (die mit dem Geld der Bürger eigene Ziele verfolgt; man denke an das Drohnendebakel der Bundeswehr, an Stuttgart 21 oder die “Bankenrettungen”) – es ist ja schließlich nicht das eigene Geld, mit dem man so großzügig umgeht.

Genauso, wie die Entkopplung von Nutzen und Kosten im privaten Sektor ursächlich für Marktversagen ist, verursacht somit die Entkopplung von Staatseinnahmen und Staatsausgaben Staatsversagen (s. auch den Blogbeitrag “Let´s talk about tax: Steuern und Steuerstaat”). Das zentrale Vehikel für die zugrunde liegende Entkopplung bei den öffentlichen Finanzen, der Steuerstaat, wird bei Götz Werner eher gestärkt als geschwächt.

Diesen durch sachwidrige Entkopplungen bedingten Fehlentwicklungen wird durch das bedingungslose Grundeinkommen aber noch eine weitere hinzugesetzt: Die Entkopplung von Arbeit und Einkommen.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Idee des Grundeinkommens ist grundsätzlich gut, sehr gut sogar. Aber unter ganz anderen Vorzeichen. Wer sich nämlich eingehend mit dem o.a. Henry George-Theorem befasst, stellt fest, dass unter bestimmten Voraussetzungen (die es aber erst herzustellen gilt!) allein die ökonomischen Renten in der Lage wären, die Kosten des Staates abzudecken. Noch mehr: Unter konsequenter Verfolgung des Henry George-Prinzips wäre die Finanzierung des Grundeinkommens von 1.000 Euro pro Monat unproblematisch (Löhr 2013). Dies würde schon für die Rente aus Grund und Boden im engen Sinne als Quelle zutreffen, gilt aber erst recht, wenn man von einem weiten Verständnis von „Land“ ausgeht – das all das erfasst, was von Menschen nicht gemacht wurde: Boden, die Atmosphäre, fossile Rohstoffe, Wind, das elektromagnetische Spektrum etc. etc. Hierin stecken ökonomische Renten, die gehoben und für die Allgemeinheit verfügbar gemacht werden könnten.

Diese ökonomischen Renten könnte der Staat abschöpfen, und zwar möglichst vollständig. Dabei wäre es sinnvoll, wenn die Mittel zunächst für die Planung und Finanzierung der Fixkosten der Infrastruktur verwendet würden. Der darüber hinausgehende Betrag (der für die Abdeckung der Grenzkosten der öffentlichen Leistungen ausreicht) könnte als Grundeinkommen ausgeschüttet werden. Damit würde ein gleichmäßiger Zugang aller Bürger zu den öffentlichen Leistungen gesichert (Gesundheit, Altersversorgung, Sozialversicherung, Bildung etc.). Aber: Die betreffenden Leistungen sollten im Gegenzug zu Grenzkosten an die Bürger abgegeben werden! Die Universalität des Grenzkostenprinzips bei den Preisen gewährleistet gesamtwirtschaftliche Effizienz. Sie schützt beispielsweise vor desinteressierten Studierenden bei kostenlosem Zugang zu Hochschulen (die dann das Grundeinkommen doch lieber verwenden, um in den Urlaub zu fahren) und zugleich vor Mondpreisen im Schienenverkehr (so dass man, wie heute, lieber Auto fährt). Nicht nur staatliche Stellen können so öffentliche Leistungen abgeben, sondern auch freigemeinwirtschaftliche; so wird soziale Vielfalt gesichert. Der Bürger steht zudem nicht in einem Subordinationsverhältnis wie im Götz Werner’schen Steuerstaat, sondern in einem Koordinationsverhältnis: Der Staat ist Garant für öffentliche Leistungen, die gegen eine an den Grenzkosten orientierte Gebühr nachgefragt werden können oder eben nicht.

Also: Das hier vorgeschlagene rentenbasierte Grundeinkommen ist ausdrücklich nicht als Existenzsicherung zum Zwecke der Entkopplung von Arbeit und Einkommen gedacht, sondern als Grundeinkommen zur Sicherung der Teilhabe an den öffentlichen Leistungen. Dies schließt den gleichmäßigen Zugang zu Land und Natur sowie den natürlichen Ressourcen ein (Schreiber-Martens, o.J.). Es sieht jeden einzelnen Bürger als gleichberechtigten Teilhaber hieran (wogegen bei Götz Werner die betreffenden Privatisierungsorgien weiter gehen können). Wird Energie aufgrund von Verknappungen der CO2-Zertifikate teurer, steigt auch die Höhe der Rückverteilung an. Wer viel spart, kann sogar mehr zurückbekommen, als er in den Produktpreisen bezahlt.

Doch die Abschöpfung der Renten ist nicht nur deswegen das überlegene System. Aus der o.a. Abbildung geht hervor, dass es sich bei der Bodenrente um ein Residuum handelt. Fiskalsteuern schmälern dieses Residuum, indem sie die Kosten für Arbeit und Kapital erhöhen und die Akteure demotivieren (steuerliche Zusatzlasten). Andererseits sind Fiskalsteuern und Sozialabgaben als Kostenfaktoren nicht in der Lage, den gesamten sozialen Überschuss auszuschöpfen. Die Wirtschaft würde andernfalls zum Erliegen können.

Der soziale Überschuss kann aber DIREKT in beliebiger Höhe abgeschöpft werden, ohne die Wirtschaft zu schädigen. Ökonomische Renten sind nämlich das Delta, um das der Preis die Kosten übersteigt. Der Anbieter muss aber lediglich die Kosten (incl. einer marktüblichen Kapitalverzinsung) mit dem Preis einfahren können. Er benötigt aber nicht das Delta darüber hinaus. Die Instrumentarien zur direkten Abschöpfung der Renten sind vielfältig: Sie reichen von Pachtversteigerungen und der Bodenwertabgabe, bis hin zur Auktionierung von Funkfrequenzen oder Start- und Landerechten etc. Das Finanzierungspotenzial ist hierbei – wie oben angedeutet – weitaus größer als bei Fiskalsteuern. Und es handelt sich um die Herstellung einer Kopplung: Der soziale Überschuss wird zu denjenigen umverteilt, die ihn auch hervorgebracht haben: Die Allgemeinheit.

Was wir in Wirtschaft und Staat dringend brauchen, ist das Gegenteil des Programms von Götz Werner. Es ist die Kopplung von Nutzen und Kosten, von Staatseinnahmen und Staatsausgaben und von Arbeit und Einkommen. Für Proudhon war dieses Prinzip der „Gegenseitigkeit“ auch die Maxime der Gerechtigkeit, nicht nur der Effizienz. Der Sinn eines Grundeinkommen von 1.000 Euro pro Monat – das sich unter den genannten Bedingungen bequem darstellen ließe – wäre so die allgemeine Teilhabe an den entgeltlich bereit gestellten öffentlichen Leistungen, nicht die Entkopplung von Arbeit und Einkommen. Es geht um die Wiederherstellung einer Leistungsgesellschaft, und nicht um die Verallgemeinerung einer Rentiersmentalität. Das Götz Werner’sche Konzept ist hingegen nicht nur ein finanzieller, sondern ein kultureller Irrweg. Die Unkultur des Rent Seeking korrumpiert nämlich so auch den einfachen, eigentlich leistungsbereiten Bürger. Arbeitsloses Einkommen, der die Rentiersgesellschaft stützende Steuerstaat und Externalisierungen sind Kernmarken des Kapitalismus – anstatt die zu Grunde liegenden Entkopplungen weiter zu potenzieren, sollte die sachgerechte Kopplung wieder hergestellt werden.

Diese Gedanken sind für jedermann nachzulesen und – zumindest im englischsprachigen Ausland – auch keine Exoten. Leider habe ich nicht das Geld von Götz Werner und die Kamera von Rainer Maria Jilg, um sie hierzulande entsprechend publik zu machen.

Zum Schluss sei angemerkt, dass ich manche Aussage dahingehend, dass Götz Werner seine Vorschläge so intensiv propagiere, weil er persönlich finanziell hiervon profitiere, ganz und gar nicht teile. Letzteres mag zwar stimmen, doch Götz Werner ist mir mehrmals über den Weg gelaufen, so dass ich mir ein anderes Urteil zutraue. M.E. ist er mit seinem Engagement für bedingungslose Grundeinkommen nicht monetär getrieben; vielmehr ist er ein – leider fehlgeleiteter – Idealist und eine honorige Person.

 

Literatur

D. Löhr (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013.

A. Schreiber-Martens (o.J.): Ein Grundeinkommen für alle –
aus Abgaben für die Nutzung der Naturressourcen, INWO-Standpunkte Nr. 3. Online: http://www.inwo.de/fileadmin/uploads/media/standpunkte/INWO-Standpunkt_3_Grundeinkommen.pdf

G. Werner (2007): Einkommen für alle, Köln.

 

 Mehr kritische Anmerkungen zum Konzept von Götz Werner finden sich u.a. in

http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/werner.htm

https://www.youtube.com/watch?v=xdPaXCQurYg

https://www.grundeinkommen.de/08/07/2011/der-konsumsteuer-vorschlag-ein-hindernis-auf-dem-weg-zum-bedingungslosen-grundeinkommen.html

file:///C:/Users/d.loehr/Downloads/KonsumsteuerIV-1%20(1).pdf

http://www.buergerinitiative-grundeinkommen.de/sheets/aktuelles/konsumsteuer-kritik.pdf