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Negativzinspolitik: Die EZB als jene Kraft, die Gutes will und doch das Böse schafft?

Dirk Löhr

Das Wetter in Frankfurt war gestern schlechter als anderswo in Deutschland. Dunkle Rauchwolken über der Stadt. Verletzte Polizisten, verletzte Blockupy-Demonstranten. Die EZB als Sündenbock. Zu Recht? Eine auf Deutschland bezogene Analyse ihrer Politik liefert der Vorabdruck aus  der Zeitschrift für Sozialökonomie (184./185. Folge, April 2015):

“Negativzinspolitik: Die EZB als jene Kraft, die Gutes will und doch das Böse schafft?” (bitte klicken)

Das Thema wird in den 55. Mündener Gesprächen (bitte klicken) vertieft, die am Samstag und Sonntag (21./22.3.) in der Reinhardswaldschule bei Kassel stattfinden. Auch unangemeldete “Nachzügler” sind willkommen, müssen allerdings Einschränkungen bei Kost und Logis hinnehmen.

EZB als Bad Bank

Dirk Löhr

Die Geldpolitik ist mit ihren konventionellen Weisheiten am Ende. Deutlich unter das Nullzins-Niveau zu gehen: So weit ist die Europäische Zentralbank (EZB) noch nicht. Damit ist das Zinsinstrumentarium vorerst ausgereizt.

Mario Draghi
Mario Draghi

Draghi setzt einstweilen auf einen anderen Weg: Er möchte zweifelhafte Papiere kaufen, darunter auch Pfandbriefe und “Asset Backed Securities” (ABS). Bis zu einer Billion Euro möchte Draghi hierfür ab Nitte Oktober ausgeben (o.V. 2014b). Das Ziel der Maßnahme: Durch den Verkauf an die EZB könnten die privaten Banken ihre Bilanzen bereinigen und hätten dadurch wieder mehr Spielraum, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben (o.V. 2014a).

Es profitieren also nicht zuletzt Banken, welche das Rent-Grabbing der Vergangenheit mit finanzierten; die Immobilienblasen mit Fremdkapital befeuerten, um auf der Blase der Vermögenspreisinflation mitsurfen zu können.

Die ABS mögen zwar in Europa eine bessere Qualität haben als in den USA, wo sie mit verantwortlich für die Finanzkrise waren (Hock 2014). Allerdings ist vorauszusehen, dass sowohl die Papiere wie auch die zugrundeliegenden Sicherheiten an Wert verlieren werden, wenn eines schönen Tages die Zinsen wieder erhöht werden.

Das Risiko steht dann in der EZB – und wenn die Papiere notleidend werden, geht es zu Lasten des Steuerzahlers. Deutschland trägt hierbei den größten Teil der Risiken, wenn die EZB zu einer Bad Bank wird.

Einstweilen wird durch die Maßnahme der EZB aber nicht die flügellahme Realwirtschaft in den Problemländern des Euro-Raums beflügelt. Vielmehr ist abzusehen, dass das Geld in der Anlagestratosphäre landet, also Immobilien- und Aktienmärkte noch weiter aufbläst. Bis die Blase wieder einmal platzt. Herr Draghi, diese Politik ist keine Kunst.

 

Mehr Information:

o.V. (2014a): Draghi kauft jetzt auch “Ramschpapiere”, in: Handelsblatt online vom 2.10. Online: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/geldpolitik/ezb-sitzung-in-neapel-draghi-kauft-jetzt-auch-ramschpapiere/10785998.html

o.V. (2014b): Draghi macht Erst mit dem Kauf von Wertpapieren, in: Handelzeitung vom 2.10. Online: http://www.handelszeitung.ch/konjunktur/draghi-macht-ernst-mit-dem-kauf-von-wertpapieren-676766

Hock, M. (2014): Was kauft die EZB da? in: FAZ online vom 2.10. Online: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/abs-kauf-durch-ezb-schrottpapiere-oder-nicht-13186492.html

EZB-Beschlüsse: Weniger geht nicht?

Dirk Löhr

Gestern, am 4.9., hat die EZB alle drei Leitzinssätze um jeweils 10 Basispunkte reduziert. Der Hauptrefinanzierungssatz wurde auf 0,05 Prozent gesenkt und der Einlagensatz liegt nun bei minus 0,2 Prozent.

Mario Draghi
Mario Draghi

Letzteres heißt, dass die Banken einen noch höheren Strafzins bezahlen müssen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, statt es in Form von Krediten an Unternehmen weiterzureichen (o.V. 2014).

Zudem möchte die EZB mit einem groß angelegten Kaufprogramm für Asset Backed Securities (ABS) und Pfandbriefe dafür sorgen, dass die Banken diese zweifelhaften Forderungen aus ihren Bilanzen und dafür Luft für neue Kredite bekommen. Dies bedeutet jedoch nichts anderes als die Sozialisierung der Risiken aus zweifelhaften Immobilienkrediten aus der Vergangenheit. Zweifelhaft, weil bei den zugrundeliegenden Sicherheiten gerade der Wert des Grund und Bodens über Kredite aufgeblasen wurde. Diese Blasen können immer noch platzen, und die Zeche zahlt nach Aufkauf der Papiere dann der Steuerzahler.

Generell spricht aus den Maßnahmen der EZB die Verzweiflung. Die Staaten der Euro-Peripherie versinken in einer Dauerrezession. Das Deflationsgespenst geht um.

Draghi kann mit den jüngsten Maßnahmen das Pferd nur zur Tränke führen – zum Saufen zwingen kann er es aber nicht. Nun seien – so die Meinung Draghis – die Regierungen mit „wachstumsfreundlichen Maßnahmen“ gefordert. Dabei zielt Draghi offenbar auf die Angebotspolitik. Es gibt eben wenig Neues unter der Sonne. Warum soll nun auf einmal funktionieren, was in der Vergangenheit floppte?

Nach den herrschenden Konventionen hat Draghi nun sein Pulver weitgehend verschossen. Theoretisch wären zwar noch weitgehendere Maßnahmen der EZB möglich – wie eine Umlaufsicherungsgebühr auf Bargeld und kurzfristige Einlagen mit Geldcharakter. Nicht nur bekannte Ökonomen wie Buiter und Mankiw, auch die japanische und amerikanische Zentralbank hatten sich hiermit schon auseinandergesetzt. Dies sicherlich Linderung bringen, würde aber als isolierte Maßnahme immer noch nicht ausreichen.

Denn: Der Euro ist grundsätzlich eine Missgeburt. Periphere Staaten mit einer geringen Produktivitätsentwicklung wie Griechenland, Spanien, Portugal, Irland etc. dürfen nicht demselben währungspolitischen Regime unterworfen werden wie Deutschland oder die Niederlande. Hier bedarf es einer dringenden Reform, eines Euro-Systems mit mindestens zwei Geschwindigkeiten (Löhr 2012).

Und: Derzeit werden die Staaten der Peripherie durch die Maßnahmen der Troika stranguliert und belastet. Genau das Gegenteil ist nötig.

Schließlich: Je radikaler die Niedrigzinspolitik der Zentralbank, umso stärker die Gefahr neuer Blasen auf den Immobilien- und Aktienmärkten.

Zusammen mit Harrison habe ich dargestellt, wie durch eine EU-weite Bodenwertabgabe in Kombination mit einem Tax-Shift (weg von den herkömmlichen Steuern) die Peripherie entlastet werden könnte (Löhr / Harrison 2013). Gleichzeitig könnte damit auch die Gefahr von Vermögenspreisblasen gebannt werden. Für einen solchen Schritt ist aber wahrscheinlich der Mut der Verzweiflung notwendig, die derzeit anscheinend immer noch nicht groß genug ist – genauso wie die Einsicht in derartige Zusammenhänge.

 

Mehr Informationen:

D. Löhr (2012): Gresham und die Drachme, in Humane Wirtschaft 2, S. 26-27. Online: http://www.humane-wirtschaft.de/2012_02/HW_2012_02_S26-27.pdf

D. Löhr / F. Harrison (2013): Ricardo und die Troika – für die Einführung einer EU-Bodenwertabgabe, 93. Jahrgang, 2013, Heft 10, S. 702-709. Online: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10273-013-1586-1

o.V. (2014): EZB-Chef Draghi überrascht fast alle, in NZZ 4.9. Online: http://www.nzz.ch/wirtschaft/ezb-senkt-leitzins-ueberraschend-auf-rekordtief-1.18377096