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Google und die EU: Nichts Neues unter der Sonne

Dirk Löhr

Genauso wie der Netzmonopolist Deutsche Bahn AG die eigenen Fahrdienste gegenüber Konkurrenten bevorzugt behandelt (wenngleich eine Vielzahl von Regulierungen dem Einhalt gebieten sollen), so macht dies auch Google mit seinen eigenen Diensten (z.B. Google Shopping). Auch im Internetbereich gleichen die Strukturen und Muster der Wettbewerbsbeschränkungen denen der “Old Economy” – es gibt insoweit nichts Neues unter der Sonne. Die Marktmacht von Google wird nun allerdings langsam als Problem erkannt. Die Öffentlichkeit wurde spätestens wach gerüttelt, als sich der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, in einem offenen Brief an den Google-Chef Eric Schmidt über ebendiese Macht beklagte.  Nun will auch die EU handeln. Während der ehemalige Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia einen Google-freundlichen Kurs fuhr, weht offenbar mit der aktuell zuständigen Kommissarin Margrethe Vestager ein neuer Wind. Im Gespräch sind Maßnahmen, die von einer Strafe (die bis zu 10 % des Jahresumsatzes betragen kann) bis hin zu einer Zerschlagung von Google reichen können. Hingegen wurden noch weitergehende Maßnahmen wie z.B. eine neutrale europäische Suchmaschine als Monopolistin in öffentlicher Hand offenbar noch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.

One more thing: Der faule Apple

Dirk Löhr (Kommentar)

Wir leben nicht – wie viele Politiker und ihre Presse uns immer wieder glauben lassen wollen – in einer Marktwirtschaft, sondern in einer Machtwirtschaft.

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Diese Macht wird zu einem großen Teil hervorgebracht durch Monopole (verstanden im Sinne der ökonomischen Klassiker), mit denen man sich vor dem Wettbewerb abschirmen kann: Dies sind z.B. Standortvorteile, das exklusive Eigentum an Ressourcen oder „virtuelles Land“ – also geistige Eigentumsrechte. Insbesondere mit Patenten kann man so ziemlich alles machen, was auch mit dem Privateigentum an Land und seinen Erträgen möglich ist: Monopolrenten einstreichen, Konkurrenten blockieren oder Kosten auf unbeteiligte Dritte abwälzen. Große Unternehmen sind daher „hidden land banks“, wenn man den Begriff „Land“ entsprechend weit versteht. Aber: Die Strahlkraft von Unternehmen, die sich auf solche Monopole stützen, lässt irgendwann nach – früher oder später werden sie obsolet.

Schöne Beispiele hierfür lieferten die Montanindustrie im Ruhrgebiet, neuerdings der Softwareriese Microsoft und ganz aktuell Apple. Dieser – ehemalige – Inbegriff eines Innovators degeneriert langsam aber sicher zu einem Rent Seeker, der sich zunehmend darauf konzentriert, seine auf geistige Eigentumsrechte gestützte Monopolposition zu verwalten; Innovationsfeuerwerke – früher das Markenzeichen von Apple – werden dafür immer seltener gezündet. Stattdessen werden z.B. hohe Ressourcen in die Blockadeversuche des Erzrivalen Samsung investiert.

Am 9. September wurden in New York die neue Computeruhr Apple Watch, die neuen iPhone-Modelle und ein neues, digitales Bezahlsystem vorgestellt. Die Märkte reagierten jedoch nicht enthusiastisch: Nicht schlecht, grundsolide, aber eben auch nicht mehr. Ein Innovationsspurt sieht anders aus. Kein Grund für Kurssprünge. Die Befürchtung vieler Analysten: Wegen der gereiften Verbrauchermärkte und des Wettbewerbs zu Samsung und neuerdings auch zu chinesischen Herstellern sind die zukünftigen Potenziale eher überschaubar. Die neuen Produkte können allenfalls ein Strohfeuerchen erzeugen, und ihre Gewinnpotenziale sind in der Aktie schon eingepreist. Die Aktien reagierten daher mit einem leichten Absacken – ein gutes Barometer.

Andererseits: Innovation ist ein Mittel zu dem Zweck, weitere Marktanteile an sich zu ziehen. Wachse oder weiche. Bislang versäumt die Wettbewerbspolitik, diesem Wachstumswahn wirksam Grenzen zu ziehen (s. unseren Blogbeitrag “Wettbewerb und die einzelwirtschaftlichen Grenzen des Wachstums“). Mit viel Werbeaufwand werden daher oftmals Güter kreiert, die die Welt nicht braucht. Wenn das Handy, wie bei mir, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg produziert wurde, muss das nicht unbedingt eine geringere Lebensqualität bedeuten – auch wenn es Leute gibt, die mein Handy samt ihrem Eigentümer am liebsten in einem urzeitlichen Museum zur Schau stellen möchten.

O2 und E-Plus: Die Megafusion – zu Lasten der Verbraucher

Dirk Löhr

Die EU hat wieder einer Megafusion zugestimmt – diesmal auf dem Mobilfunkmarkt. E-Plus in Deutschland kann durch die spanische O2-Mutter Telefonica Deutschland übernommen werden. Durch die 8,6 Milliarden Euro schwere Fusion entsteht der nach Kunden größte Mobilfunkanbieter in Deutschland (o.V. 2014). Für den Wettbewerb bedeutet dies nichts Gutes. Statt vier gibt es fortan nur noch drei Anbieter auf dem deutschen Markt. Die „Wadenbeißerfunktion“ des Billiganbieters E-Plus entfällt fortan. Für die drei übriggebliebenen Anbieter bedeutet dies eine wesentlich konfortablere Position als zuvor. Der Verbraucher wird dies in den Preisen spüren (Wenzel 2013). Zudem entsteht eine gefährliche Machtposition. Dies werden die Politiker merken, die mit der Macht der Lobbyisten konfrontiert sind.

Eigentlich wäre es die Aufgabe von Wettbewerbshütern, Grenzen zu setzen – auch und gerade in Bezug auf das Unternehmenswachstum. Nur dort, wo Grenzen gesetzt werden, ist Wettbewerb möglich. Stattdessen sitzt man in Brüssel der Ideologie der Größenvorteile auf. Doch wo benötigt man Größenvorteile? Nicht so sehr im Betrieb, aber im Netz. Hier will man aufgrund hoher Eingangsinvestitionen durch die Unternehmensgröße fallende Durchschnittskosten erzielen. Bei den Mobilfunknetzen handelt es sich um natürliche Monopole, die in der EU privatisiert sind (z.B. Bundesnetzagentur 2011).

Bezeichnend ist dabei die Stellungnahme von Niek Jan van Damme. Das Vorstandsmitglied der Deutsche Telekom AG, der zugleich auch Sprecher der Geschäftsführung Telekom Deutschland GmbH ist, vertritt die Auffassung, dass im zersplitterten europäischen Markt noch deutlich mehr Konsolidierung erforderlich ist. Dies gilt v.a. in Bezug auf die Breitbandnetze. Diese zu bauen und zu betreiben, koste Milliarden (vgl. Weidner 2014). Van Damme bestätigt somit indirekt, dass es bei der Fusion nicht nur um Marktabdeckung, sondern um die Größenvorteile beim Netz geht – also um das natürliche Monopol in privater Hand. Die von den Wettbewerbshütern für die Fusion erteilte Auflage, bis zu 30 % der gemeinsamen Netzkapazität an Provider ohne eigene Infrastruktur zu verkaufen, ist zwar für die Telefonica nicht erfreulich, versalzt die Suppe andererseits auch nicht vollkommen. So kritisiert auch van Damme: “Der Fokus der Wettbewerbshüter sollte nicht darauf liegen, Anbieter ohne eigene Infrastruktur zu stärken, sondern den Netzausbau voranzutreiben.” (Weidner 2014).

Bislang waren aber weder E-Plus noch Telefonica (O2) in der Lage, den Netzausbau angemessen voranzutreiben. Dies gilt allerdings auch für die anderen Konkurrenten – und damit für alle private Mobilfunknetzbetreiber – ungeachtet der Zugeständnisse der Wettbewerbshüter hinsichtlich der Größe. Es besteht ein offenbar grundsätzliches Problem: Private Unternehmen sind nicht in der Lage, die notwendige Infrastruktur zu erhalten und auszubauen. Die Finanzierung der vollen Kosten des Netzes überfordert sie. Wir haben in diesem Blog wiederholt die Gründe hierfür dargestellt:

– Einerseits machen die Aktionäre entsprechend hohe Eigenkapitalkostenforderungen (Ausschüttungen) geltend;

– andererseits sind beim Netz in privater Hand wettbewerbsadäquate Grenzkostenpreise nicht auch nur annähernd möglich – da die hohen Fixkosten des Netzes abgedeckt werden müssen. Im hinterletzten Eck von Schwellenländern wie China ist die Netzabdeckung höher als in Deutschland, da die Mobilfunknetze durch staatliche Unternehmen betrieben werden;

– drittens – und das hängt mit dem zuvor genannten Argument eng zusammen – ist der sachliche Zusammenhang in der Finanzierung der Infrastruktur auseinandergerissen. Infrastrukturmaßnahmen – wie der Breitbandausbau – setzen letztlich Grund und Boden in Wert. Sofern das betreffende Grundstück nicht gerade unmittelbar neben einer Antenne belegen ist, profitieren nämlich die privaten Grundstückseigentümer von der Ansiedlung von Unternehmen und Einwohnern, die ansonsten nicht möglich wäre. Die Investoren können sich hingegen lediglich über die Kosten freuen. Die Investoren müssen versuchen, das Geld über entsprechend hohe Fixkostenanteile in den Mobilfunkgebühren zurück zu bekommen – weswegen, wie bemerkt, wohlfahrtsoptimierende Grenzkostenpreise auch im Wettbewerb nicht möglich sind (beim natürlichen Monopol lägen die Grenzkostenpreise dann unterhalb der Durchschnittskosten, es bestünde also eine permanente Verlustsituation).

Wenn sich freilich Vater Staat um die Finanzierung der Infrastruktur kümmern würde, so könnte dieser freilich die Steuern erhöhen, und damit die Kosten der Infrastruktur diffus auf die Allgemeinheit abwälzen. So könnte er die Infrastrukturinvestitionen der Privaten bezuschussen oder eigene Infrastrukturinvestitionen finanzieren. Ein Fortschritt? Ein kleiner Fortschritt, v.a. mit Blick auf die Abdeckung der peripheren Regionen, vielleicht. Aber sicher nicht die Lösung. Eine Ziel führende Lösung würde deutlich darüber hinausgehen:

– das Netz sollte in staatlicher Hand liegen und durch die Öffentlichkeit kontrolliert werden – kein bolschewistischer, sondern ein ur-liberaler Gedanke. So wäre u.a. die Chance größer, dass auch die Abdeckung der Peripherie stattfindet – was von Privaten nicht zu erwarten ist;

– die finanziellen Mittel für die Abdeckung der Netzkosten sollte Vater Staat sich freilich nicht von den Mobilfunknutzern oder den Steuerzahlern (also der schwach organisierten Allgemeinheit) holen, sondern von den eigentlichen Profiteuren: Den Grundstücksbesitzern. Das Mittel der Wahl wäre die Abschöpfung der Bodenrente durch eine entsprechende Abgabe.

– dies wiederum würde Seitens der Provider Grenzkostenpreise ermöglichen. Die Wettbewerbshüter hätten keinen Grund mehr, gefährlichen Konzentrationstendenzen wie zwischen E-Plus und Telefónica den Weg zu bereiten. Auf alle Fälle sollte an privaten Mobilfunkbetriebern nicht gerüttelt werden: Während das Netz – als natürliches Monopol – in staatliche Hände gehört, gilt dies also nicht für den Betrieb.

Das Netz in öffentlicher Hand einerseits und die Trennung von Netz und Betrieb andererseits reichen also nicht hin, um die Problematik der Netzinfrastruktur zufriedenstellend zu lösen. Notwendig ist vielmehr auch noch ein Abgabensystem, das auf der Abschöpfung von ökonomischen Renten – also einem verallgemeinerten Henry George-Prinzip – beruht, auf das wir ebenfalls in diesem Blog wiederholt hingewiesen haben.

 

Literatur:

Bundesnetzagentur (2011):  Bundesnetzagentur gibt endgültige Genehmigung der Mobilfunkterminierungsentgelte bekannt, Pressemitteilung 24.02. Online: http://www.fr-online.de/wirtschaft/o2-uebernimmt-e-plus–verbraucher-durch-e-plus-uebernahme-im-nachteil,1472780,24525132.html

o.V. (2014): Mobilfunk-Fusion: EU-Kommission erlaubt E-Plus-Übernahme durch O2. Spiegel Online vom 02.07.2014. Online: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/mobilfunk-fusion-von-o2-und-e-plus-eu-kommission-erlaubt-uebernahme-a-978734.html

Weidner, M. (2014): Deutsche Telekom fordert: o2/E-Plus muss massiv Frequenzen abgeben, Teltarif.de vom 02.07. Online: http://www.teltarif.de/o2-e-plus-fusion-stellungnahme-telekom/news/56157.html

Wenzel, F.-T. (2013): Verbraucher durch E-Plus-Übernahme im Nachteil, FR Online vom 04.10. Online: http://www.fr-online.de/wirtschaft/o2-uebernimmt-e-plus–verbraucher-durch-e-plus-uebernahme-im-nachteil,1472780,24525132.html

Wettbewerb und die einzelwirtschaftlichen Grenzen des Wachstums

Dirk Löhr

Die neoklassisch geprägte Wirtschaftstheorie dreht sich um das Leitbild der vollkommenen Konkurrenz, zumal im Rahmen dieser Marktform die Wohlfahrt optimiert werden kann.

Die Theorie bietet jedoch eine merkwürdige Ableitung für dieses Leitbild: Hiernach hat jedes Unternehmen steigende Grenzkosten, d.h. mit jeder zusätzlich ausgebrachten Einheit steigen die Kosten an. In einem vollkommenen Konkurrenzmarkt kann das einzelne Unternehmen den Marktpreis nicht beeinflussen. Es ist Preisnehmer, der Marktpreis stellt zugleich den Grenzerlös dar. Dort, wo die (mit zunehmender Produktionsmenge) steigenden Grenzkosten den Preis erreichen, stoppt das einzelne Unternehmen die weitere Produktion. Jede zusätzlich produzierte Einheit würde nämlich zu negativen Deckungsbeiträgen führen. Damit sind einzelwirtschaftlich die Grenzen des Produktionswachstums erreicht.

Die steigenden Grenzkosten werden in der Neoklassik durch das ungünstiger werdende Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit erklärt. Wenn so viel Arbeiter eingestellt werden, dass sich diese gegenseitig auf den Füßen stehen, entsteht ein Engpass an den Maschinen. Als Folge sinkt die Grenzproduktivität; die Kosten für die letzte produzierte Einheit steigen. Tausende und Abertausende Studierende der Wirtschaftswissenschaften bekommen diese Vorstellung in ihre Köpfe gehämmert.

Vor allem Steve Keen (2004), und vor ihm Piero Sraffa (1926) haben jedoch die Absurdität eines solchen Managementverhaltens dargestellt. Kein Unternehmen agiert so, wie die neoklassische Theorie dies behauptet. Vielmehr wird das Verhältnis von Arbeit und Kapital realiter so belassen, dass die Grenzproduktivität bis zur Kapazitätsgrenze laufend optimiert wird. Als Folge ergeben sich jedoch im Rahmen der vorhandenen Kapazität nicht steigende, sondern konstante oder möglicherweise sogar Grenzkosten als Normalfall – und zwar nicht nur bei natürlichen Monopolen (wie die neoklassische Theorie vorgibt), sondern auch in Wettbewerbsmärkten. Dies ist eine Tatsache, die u.a. schon vom bekannten deutschen Betriebswirt Erich Gutenberg (1983) thematisiert und durch die Monopolkommission (1986) belegt wurde. Die empirisch gesicherten Erkenntnisse von Keen und Sraffa werden von der Orthodoxie allerdings weitgehend ignoriert. Dabei können die Konsequenzen dramatischer eigentlich nicht sein.

Wichtig ist: In der betriebswirtschaftlichen Realität kann – zumindest langfristig betrachtet – das Verhältnis von Arbeit und Kapital kann deswegen laufend optimiert werden, weil es sich um gegenseitig ersetzbare und erneuerbare Produktionsfaktoren (Kapital!) handelt. Der einzige Produktionsfaktor, der nicht ersetzt oder substituiert werden kann, ist Land (in dem weiten – dem „Naturbegriff“ angenäherten Sinne, in dem die klassischen Ökonomen diesen Produktionsfaktor verstanden). Hier stößt die Optimierbarkeit an Grenzen. Wird die Kapazitätsgrenze erreicht, so setzt das weitere Wachstum voraus, dass in neue Maschinen angeschafft und mehr Arbeitnehmer eingestellt werden. Beides ist längerfristig möglich: Um die Maschinen anzuschaffen, holt man sich Geld von der Bank. Werden die Arbeitskräfte knapp, öffnet man im Notfall die Landesgrenzen und gibt „Greencards“ aus – die „Reservearmee“ im In- und Ausland wartet. Allerdings braucht man auch einen neuen Standort, wenn der alte ausgelastet ist. Doch in den meisten Fällen stehen keine weiteren Standorte mit derselben Qualität wie der Ursprungsstandort mehr zur Verfügung. Dann müssen die Unternehmen auf zweit- oder drittklassige Standorte ausweichen, wenn es überhaupt gelingt. Hierdurch steigen die Kosten für die Produktion. Die neoklassische Theorie kann diesen Aspekt leider nicht würdigen, da sie den Produktionsfaktor Land aus ihren Betrachtungen ausgeschlossen bzw. diesen mit dem Faktor Kapital in einem Topf verrührt hat.

Was für Land gilt, trifft in ähnlicher Weise auch für die dem Privateigentum an Land nachgeäfften geistigen Eigentumsrechte zu: Ist die Lizenz für das effizienteste Produktionsverfahren nicht zugänglich (weil dieses vom Inhaber selber genutzt oder blockiert wird), muss auf zweit- oder drittbeste Technologien ausgewichen werden. Auch dadurch steigen die Kosten der Produktion derjenigen Anbieter, die nicht über den Zugang zu den effizientesten Technologien verfügen (Löhr 2013).

Also: In der Regel bleiben die Grenzkosten der Unternehmen konstant, wenn die Produktion auf einem bestimmten Standort innerhalb der bestehenden Kapazitäten ausgeweitet wird. Jedes einzelne Unternehmen hat konstante oder sogar fallende Grenzkosten – ganz anders, als es die neoklassische Theorie postuliert. Dies gilt aber nur innerhalb der vorhandenen Kapazitäten – und damit im Rahmen der aktuell genutzten Standorte. Stößt die Produktion auf einem bestimmten Standort an ihre Grenzen, müssen neue Standorte erschlossen werden. Diese haben dann aber oft eine mindere Qualität als die erstbesten Standorte – aufgrund höherer Kosten steigen die Grenzkosten der auf dem neuen Standort produzierten Einheiten dann sprunghaft an. Die steigenden Grenzkosten sind also gesamtwirtschaftlich zu erklären, aus einer Einsatzreihenfolge der Standorte: Zuerst werden die besten Standorte genutzt, und wenn diese ausgereizt sind, die weniger guten (Analoges gilt auch für die Nutzung von geistigen Eigentumsrechten). Entscheidend ist also, dass in längerfristiger Betrachtung die steigenden Grenzkosten in Wettbewerbsmärkten durch die beschränkte Verfügbarkeit von Land zustande kommen, nicht durch die beschränkte Verfügbarkeit von Arbeit oder Kapital!

Diese Sicht der Dinge hat erhebliche Konsequenzen: Ohne steigende Grenzkosten sind nämlich Wettbewerbsmärkte gar nicht möglich. Wenn keine anderweitigen Begrenzungen bestehen, würden konstante Grenzkosten nämlich dazu führen, dass ein einziger Anbieter den Markt günstiger als eine Vielzahl konkurrierender Anbieter bedienen könnte. Der Grund dafür ist, dass bei konstanten Grenzkosten die Durchschnittskosten mit steigender Ausbringungsmenge immer weiter fallen: Der größte Anbieter ist dann zugleich der billigste – er kann alle anderen aus dem Feld schlagen.

Wenn aber Wettbewerbsmärkte erst durch steigende Grenzkosten zustande kommen und steigende Grenzkosten wiederum durch die beschränkte Verfügbarkeit von Land bedingt sind, sind Wettbewerbsmärkte bei nur bei beschränkter Verfügbarkeit von Land möglich. Gäbe es die standortbedingten Engpässe nicht, würden sich die Unternehmen auf jedem Markt immer weiter vergrößern, bis die Nachfrage abgedeckt ist. Das Resultat wären Oligopole oder gar Monopole.

Ein weiterer Schwachpunkt der neoklassischen Theorie ist, dass sie zwar die Existenz natürlicher Monopole auf konstante Grenzkosten (und die damit einhergehenden steigenden Skalenerträge) zurück führt, aber nicht sagt, wie es zu diesen konstanten Grenzkosten kommen kann – oder, anders formuliert: Sie erklärt nicht, warum die standortbedingten Kapazitätsschranken bei natürlichen Monopolen keine Bedeutung haben (Kirzner 1973). Wie sollte sie dies auch tun, wenn sie den Faktor Land systematisch ausblendet? Die Ursachen für den Wegfall dieser Engpässe bei natürlichen Monopolen können verschiedener Art sein. Einige Beispiele:

–  Die Netzinfrastruktur gilt als Paradebeispiel für ein natürliches Monopol. Bei der Netzinfrastruktur unterstützt jedoch der Staat im Sinne des Gemeinwohls das Interesse der Netzbetreiber an der weitergehenden Verfügbarkeit von Land. Die Rechte der Grundstücksinhaber, durch deren Land die Netzinfrastruktur gelegt werden muss, werden insoweit beeinträchtigt. Oder aber Vater Staat stellt das betreffende Land gleich selbst zur Verfügung (zumeist natürlich unentgeltlich, auch wenn der Netzbetreiber privat ist). Möglicherweise betreibt der Staat die Netze jedoch auch selbst – so wie dies den klassischen Ökonomen vorschwebte.

–  Auch die Marktmacht der großen Discounter – die zeitweise ebenfalls unter Beobachtung der Wettbewerbshüter standen – hat Züge eines natürlichen Monopols: Zumindest einzelwirtschaftlich kann sie maßgeblich auf steigende Skalenerträge zurückgeführt werden. Je marktmächtiger die Unternehmung, umso höher die Einkaufsmacht. Voraussetzung für diese Marktmacht war aber eine entsprechend großzügige Flächenausweisung durch die zueinander in unproduktivem Wettbewerb stehenden Kommunen in der Vergangenheit. Dies führte zu einer Masse an Märkten auf nicht integrierten Standorten, die den Discountern zu Vorzugskonditionen zufielen. Gleichzeitig wurde die Kaufkraft aus den Innenstädten abgezogen, die immer mehr ausbluteten und ihre raumwirtschaftliche Gravitationskraft verloren. Ohne die de-facto-Geschenke bei der Standortverfügbarkeit auf Kosten Dritter hätten die Discounter niemals so marktmächtig werden können, wie sie es heute sind.

–  Doch auch andere Industrien stehen unter Beobachtung der Wettbewerbshüter, da sie Züge eines natürlichen Monopols tragen. Zu nennen sind z.B. Online-Plattformen wie E-Bay. Auch deren Expansion unterliegt keinen Standortschranken. Zugleich geht sie u.a. auf Kosten des stationären Einzelhandels, der Leistungsfähigkeit der raumwirtschaftlichen Struktur, der Finanzausstattung der Kommunen, in denen der Online Handel den stationären Handel verdrängt etc. Der derzeit ungezügelte Online-Handel hat ähnliche Effekte auf Agglomerationen wie die frühere exzessive Ausweisung von Gebieten für den großflächigen Einzelhandel.

Werden also die „natürlichen Grenzen des einzelwirtschaftlichen Wachstums“ – in Gestalt der beschränkten Verfügbarkeit von Land – für bestimmte Unternehmen beseitigt, geschieht dies zumeist zu Lasten Dritter. Werden die wirtschaftlichen Folgen dieser Belastungen nicht in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Verursachers zurückgeführt, handelt es sich um externe Kosten. Die für natürliche Monopole charakteristischen steigenden Skalenerträge gehen daher häufig mit externen Kosten Hand in Hand. Externe Effekte können umgekehrt zu einem großen Teil auch als unkompensierte Inanspruchnahme von Land i.w.S. zu Lasten Dritter interpretiert werden.

Würden umgekehrt Schranken gesetzt bzw. die externen Kosten in die Wirtschaftsrechnung der Verursacher zurückgeführt, wird den steigenden Skalenerträgen und dem einzelwirtschaftlichen Wachstum der Garaus gemacht. Die einzelwirtschaftlichen Grenzen des Wachstums sind also durch die begrenzte Verfügbarkeit von Land bedingt. Entfällt diese, ist auch der Wettbewerb gefährdet – und damit auch dessen Macht begrenzende Funktion (Hayek 1968).

Wie oben schon gesagt: Wettbewerbsmärkte haben nur dort eine realistische Chance, wo die Verfügbarkeit von Land begrenzt ist und wo die einzelwirtschaftlichen Grenzen des Wachstums noch bestehen. Doch auch dies ist keine heile Welt: Die Begrenzungen bei der Verfügbarkeit von Land erzeugen Engpässe und Knappheiten. Dort, wo Engpässe sind, entstehen aufgrund der Knappheiten auch ökonomische Renten und zwar zugunsten derjenigen Anbieter, die innerhalb dieser Grenzen auf den bevorzugten Standorten produzieren können (intramarginale Anbieter, intramarginale Renten). Die ökonomische Macht, die mit dem beständigen Zufluss solcher intramarginaler Renten in private Schatullen einhergeht, ist ebenfalls eine latente Bedrohung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs. Die begünstigten Unternehmen können z.B. Konkurrenten aufkaufen und haben aufgrund ihrer Kapitalausstattung (höherer Anteil an Eigenfinanzierung) bessere Ausgangsbedingungen im Wettbewerb.

Obwohl bei der Freiburger Schule die Themen Macht und Wettbewerb im Zentrum der Betrachtung standen, wurde diesen Aspekten von den Ordoliberalen keine Beachtung geschenkt (Eucken 1990). Auch in der gängigen Wettbewerbstheorie stellen die natürlichen Grenzen des einzelwirtschaftlichen Wachstums durch die begrenzte Verfügbarkeit von Land dementsprechend kein Thema dar. So kommt es, dass die Wettbewerbshüter bestimmten Phänomenen (wie z.B. dem Online-Handel) ziemlich hilflos gegenüberstehen (wir werden in diesem Blog demnächst einen Beitrag hierzu bringen).

Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Wettbewerbspolitik: Ein funktionierender Wettbewerb erfordert die Aufrechterhaltung oder Aufrichtung der einzelwirtschaftlichen Grenzen des Wachstums. Dies ist Aufgabe einer entsprechenden Eigentumsordnung und der Landnutzungsplanung. Ein funktionierender Wettbewerb erfordert aber ebenfalls die Abschöpfung der intramarginalen Renten, die sich aufgrund solcher Begrenzungen ergeben. Dies ist die Aufgabe eines entsprechenden Abgabensystems, das derzeit in der real existierenden Privilegienwirtschaft weder gerecht noch effizient ist.

 

Literatur:

Eucken, W. (1990): Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 6. Aufl., Tübingen.

Gutenberg, E. (1983): Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Erster Band: Die Produktion, 24. Aufl., Berlin/Heidelberg.

Hayek, F.A. v. (1968), Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, Kiel.

Keen, S. (2004): Debunking Economics – The Naked Emperor of the Social Sciences. Zed Books, London, New York.

Kirzner, I.M. (1973): Competition and Entrepreneurship, Chicago / London.

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird. Marburg.

Monopolkommission (1986): Hauptgutachten VI (1984 / 1985): Gesamtwirtschaftliche Chancen und Risiken wachsender Unternehmensgrößen, Bonn.

Sraffa, P. (1926): The Law of Returns under Competitive Conditions, Economic Journal 40, S. 538-550.