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Natur – Spekulationsobjekt mit Zukunft (ARTE)

Dirk Löhr

Der Report “Natur – Spekulationsobjekt mit Zukunft” wurde am 3.2. um 21.45 Uhr wurde der Report erstmals in ARTE ausgestrahlt.

Arte

Aus der Ankündigung: “‘Natur – Spekulationsobjekt mit Zukunft’  untersucht in verschiedenen Ländern die besorgniserregende Umwandlung der natürlichen Ressourcen in Handelsgüter, die in monetäre Kreisläufe gelangen. Wie wurde der Umweltschutz zu einem globalen Markt? Warum interessiert sich die Finanzwelt so brennend für diesen neuen Wirtschaftsbereich? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Akteuren der neuen Märkte und den Verantwortlichen für die jüngste weltweite Finanzkrise? Welchen Einfluss üben Lobbys bei internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen oder der EU aus, um dieses ‘Naturkapital’ zu mehren? Welchen Gesetzen unterliegen diese neuen Märkte?”

Die Stärke des Reports sind die Beschreibungen. Die große Schwäche ist die Analyse. Der Report schildert die Rolle von Umweltbanken in den USA, ohne die regulatorischen Bedingungen eingehender zu analysieren. Es wird über die Bewertung bzw. Monetarisierung von Umweltgütern gesprochen, und sehr viel über “Naturkapital” fabuliert. Dabei liegt in der Vermischung von Natur (die ökonomischen Klassiker sagten hierzu “Land”) und Kapital ja gerade die Ursache des analytischen Nebels. Bei Kapital kann Marktwirtschaft funktionieren, bei Land und Natur nicht. Wenn Land und Natur verknappt werden, kann beispielsweise kein Unternehmer mit neu produziertem Land und Natur in den Markt eintreten und die Pioniergewinne reduzieren. Was entsteht, wenn Eigentumsrechte an  Land und Natur gesetzt werden, sind statt dessen ökonomische Renten und Rentenökonomien. Der allergrößte Teil der “Einfriedungen” von Land und Natur sowie des Handels damit ist dementsprechend “grünes Rent Seeking”.  Die diesbezügliche Analyse blieb freilich aus, diese Erkenntnis wurde nicht vermittelt. Dementsprechend wurden nicht immer die richtigen Fragen gestellt: Selbstverständlich kann nicht auf die Nutzung von Land und Natur verzichtet werden. Der primäre Sektor ist die Basis der Volkswirtschaft. Und die Nutzung von Land und Natur kann auch nicht ohne Beschränkungen und umsonst erfolgen. Will man Land und Natur effizient nutzen, muss sie verknappt und die Nutzungsrechte in die besten Hände gegeben werden. Und hier muss selbstverständlich eine Bepreisung der vergebenen Nutzungsrechte vorgenommen werden. Das Lamento über die “Preisschilder an den Naturgütern” geht in dieser pauschalen Form am Kern der Sache vorbei. Die besten Nutzer sind wiederum die Akteure mit der höchsten Zahlungsbereitschaft. Allein stellt sich die Frage, wer die betreffenden Zahlungen erhält: Sind dies private Eigentümer (hat irgend jemand Land und Natur gemacht?) oder sollte es nicht besser die Gemeinschaft sein, die auf die Nutzung von Land und Natur verzichtet hat? Solche Aspekte wurden im Beitrag zu wenig diskutiert. Dementsprechend hätte man auch noch eine Brücke zu Biopatenten schlagen können, in denen – u.a. in Form von Aktien an entsprechenden Unternehmen – ebenfalls spekuliert werden kann.

Andererseits: Der Report folgte zumindest teilweise der Spur des Geldes, und dementsprechend wurde zumindest intuitiv hin und wieder klar, wem die ganze Veranstaltung nutzt, und wem sie schadet. Cui bono? Das ist nämlich hier die Frage.

Also: Trotz aller analytischer Mängel ein sehenswerter Beitrag. Im Internet ist er verfügbar unter

Natur- Spekulationsobjekt mit Zukunft (bitte klicken)

Im Fernsehen erfolgen Wiederholungen am

Dienstag, den 10.02. um 1:00 Uhr;

Dienstag, den 10.02. um 08:55 Uhr und am

Montag, den 16.02. um 08.55 Uhr.

 

 

Spekulation mit Ackerland?

Dirk Löhr

Die landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland geht permanent zurück. Zusammen mit der Tendenz zu immer größeren landwirtschaftlichen Betrieben steigt die Konkurrenz um den knappen Produktionsfaktor Boden. Die Kaufpreise für landwirtschaftliche Nutzflächen stiegen von 2000 bis 2013 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 80 Prozent.

Silke Hüttel, Martin Odening und Vanessa von Schlippenbach gehen im DIW Wochenbericht (82 / 2015, 3, S. 37-43):

Steigende landwirtschaftliche Bodenpreise : Anzeichen für eine Spekulationsblase? (bitte klicken)

der Frage nach, ob diese Entwicklung Folge einer verbesserten Ertragslage in der Landwirtschaft ist, oder ob das Engagement nichtlandwirtschaftlicher Investoren die Bodenpreise in die Höhe treibt und zu spekulativen Blasen führt.

Ihrer Auffassung nach liegen Belege für einen signifikanten preistreibenden Einfluss nichtlandwirtschaftlicher Investoren oder Anzeichen einer spekulativen Blase bislang jedoch nicht vor.

 

Hannover: Die Stunde der Spekulanten?

Dirk Löhr

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 16.12.2014 (S. 11) berichtete, soll nun das letzte große Baugrundstück in der Calenberger Neustadt im Bezirk Mitte verkauft werden. 5,26 Millionen Euro wurden für das 5.700 Quadratmeter große Grundstück im Rahmen einer Auktion geboten, das sind 900 Euro pro Quadratmeter – und dies, obwohl das derzeit als Parkplatz genutzte Grundstück vor Umnutzung noch saniert werden muss. Das Bieterverfahren sei auf „großes bundesweites Interesse“ gestoßen, heißt es in einer Landesdrucksache. Mit zehn Investoren sei nachverhandelt worden, den Zuschlag erhielt der hannoversche Projektentwickler Helmut Dannenberg (62), der das Grundstück zusammen mit seinem gleichnamigen Sohn (36) erworben hat und bebauen will. Es ist bezeichnend, dass der Gutachterausschuss das Grundstück lediglich mit 2 Millionen Euro taxiert hatte. An diesem Beispiel wird deutlich, wie der Verkehrswert (als “Jedermannswert”) von dem subjektiven Wert einzelner Investoren abweichen kann.

Adolfstraße, Hannover (Google-Satellitenbild)
Grundstück in der Adolfstraße, Hannover (Google-Satellitenbild)

Die Stadt tat nämlich insoweit etwas Richtiges: Sie versteigerte das Grundstück und schöpfte damit einen erheblichen Teil der Bodenrenten ab. Prompt hagelte es Kritik, dass die öffentliche Hand zwar preiswerte Mieten fordert, zugleich aber ihre Grundstücke zu Höchstpreisen verkaufe und damit die späteren Wohnkosten zugunsten von Spekulanten nach oben treibe. Die Kritiker sind sich jedoch offenbar nicht darüber im Klaren, dass die Bodenrente – und damit auch der Bodenpreis – ein Residuum sind, das sich ergibt, wenn vom Projektwert die Kosten für das Bauwerk und dessen Unterhaltung abgezogen werden. Diese Bodenrente wird auf jeden Fall abgeschöpft: Wenn nicht vom Staat, dann von den kommerziell agierenden Investoren oder aber von den privaten Käufern, die sich im Falle einer Vermietung oder eines Wiederverkaufs freuen können (der Fall kann allenfalls dann ein wenig anders liegen, wenn ein solches Grundstück an eine Genossenschaft geht). Mit anderen Worten: Bodenrente und Bodenpreis sind Ausdruck des erzielbaren hohen Mietwertes, aber als Residuum nicht dessen Ursache. Wenn eine Stadt (in Hannover geschah dies auch wiederholt) dazu übergeht, Grundstücke nicht mehr nach Höchstgebot, sondern nach bestem Konzept (z.B. integratives und generationenübergreifendes Wohnen) zum Festpreis an Investoren zu vergeben, so ergibt dies nur Sinn, wenn ein entsprechender Schutzraum auch planerisch gezogen wird, der kommerziell agierende Investoren fernhält. Insoweit müsste der Bebauungsplan angepasst werden.

Im Übrigen: So sinnvoll die Versteigerung in der Adolfstraße auch war – wesentlich besser wäre es gewesen, man hätte das Grundstück per Erbbaurecht verpachtet (und dementsprechend eine “Pachtversteigerung” vorgenommen). Nunmehr ist das weitere Schicksal des Grundstücks nicht mehr in der Hand der Stadt, und von weiteren Erhöhungen der Bodenrente und des Bodenwertes profitieren vom Abverkauf an nur noch die privaten Investoren, nicht aber mehr die Gemeinschaft. Und das sind keine “Peanuts”: So sollen beispielsweise die ehemals von der Stadt Zürich abverkauften Grundstücke in der Bahnhofstraße mittlerweile angeblich einen Pachtwert aufweisen, aus dem allein der Haushalt der Stadt Zürich gedeckt werden könnte.

Report Mainz: Vertriebene Senioren

Dirk Löhr

Verkauf von “Sozialimmobilien” an “Projektentwickler” zur Aufbesserung der öffentlichen und freigemeinnützigen Kassen: Das zugrundeliegende Motiv ist die Jagd nach den Bodenrenten, die mit dem gegenwärtigen Klientel in diesen Häusern nicht erwirtschaftet werden kann. Also raus damit. Aber: Alte Bäume soll man nicht entwurzeln. Die tragischen Folgen zeigt der Beitrag in ZDF Mainz vom 2.9.2014: “Vertriebene Senioren” (bitte klicken)

Wir haben es wieder und wieder in diesem Blog dargestellt: Die öffentliche Bereitstellung der Infrastruktur (Grundstück, Gebäude) bei Bewirtschaftung durch freigemeinnützige Träger könnte solche Fehlentwicklungen verhindern. Würde man die Bodenrente abschöpfen und vergemeinschaften, könnte man dies auch bequem finanzieren. Abgesehen davon würden solch asoziale Renditejagden generell keinen Sinn mehr ergeben.