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Bericht über die mündliche Verhandlung “Einheitsbewertung zur Bemessung der Grundsteuer”

Dirk Löhr

Am 16.1.2018 fand in Karlsruhe am Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung in Sachen “Einheitswerte zur Bemessung der Grundsteuer” statt. Dem Verfahren beigeladen waren neben den Beschwerdeführern, Vertretern der Bundesregierung sowie der Landesregierung auch eine Reihe von Verbänden. Die Initiative “Grundsteuer: Zeitgemäß!” befand sich nicht darunter, wohl aber z.B. der Deutsche Bauernverband, obwohl es um die Grundsteuer B ging. Der Verfasser des Beitrags war als Besucher zugegen; der Saal war bis auf den letzten Sitz gefüllt.

Den Fragen der Verfassungsrichter war die Skepsis hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der augenblicklich geltenden Grundsteuer (hinsichtlich einer Vereinbarkeit mit dem Allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG) deutlich zu entnehmen.

Die Vertreter der Bundesregierung bemühten sich redlich um eine Rettung der gegenwärtigen Einheitswerte. Die Argumentation: Die Einheitswerte würden keine natürlichen Personen belasten, wegen der geringen Höhe der Grundsteuer sei die “Eingriffstiefe” gering, was den steuerlichen Typisierungsrahmen “vergröbert”; die Aktualisierung würde einen hohen Verwaltungsaufwand bedeuten. Die Strategie war offensichtlich: Das von der Bundesregierung und gegenwärtig 14 von 16 Bundesländern favorisierte “Kostenwertmodell” würde eine Übergangszeit von wenigstens 10 Jahren benötigen. Würde der Senat den Beschwerdeführern folgen, bedeutete dies zudem eine schon bestehende Zeit der Verfassungswidrigkeit von 10 Jahren. Insgesamt würde also ein 20-jähriger verfassungswidriger Zustand bestehen, wie ein Beschwerdeführer vorbrachte – für das Bundesverfassungsgericht dürfte das nicht akzeptabel sein.

Die Richter ließen erkennen, dass sie zwar gewillt sind, der Regierung entgegen zu kommen, aber dass eine zehnjährige Übergangsfrist dann doch an eine Zumutung grenzt. Dementsprechend fragten die Richter nach bestehenden Alternativen, welche es der Regierung ermöglichen könnte, auch vor dem Hintergrund einer kürzer bemessenen Übergangsfrist weiterhin die Grundsteuer (als zweit wichtigste Steuerquelle der Kommunen) zu erheben.

An dieser Stelle legte sich der Hamburger SPD-Finanzsenator Dr. Tschentscher mächtig ins Zeug. Er machte sich für das – ebenfalls von Bayern – vertretene “Südmodell” stark. Dieses basiert auf der Boden- und Gebäudefläche, ist aber vollkommen wertunabhängig. Es würde also für ein bebautes Grundstück in der Peripherie Mecklenburg-Vorpommern dieselbe Bemessungsgrundlage bedeuten wie für ein flächenidentisches in der Mitte von München. Ob dies mit dem Allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, erscheint mehr als fraglich. Nicht zufällig favorisiert auch die Immobilienwirtschaft dieses Modell, ermöglicht es doch, die Bodenrenten in den zentralen Lagen (wo ihre Immobilien konzentriert sind) weitgehend ungeschmälert abzuschöpfen. Tschentscher behauptete u.a. weiter, dass dieses Modell einfach zu implementieren sei, und dass die z.B. beim Kostenwertmodell notwendige Einbeziehung der Bodenrichtwerte die Verdrängungsprozesse fördern würde. Sämtliche Behauptungen von Tschentscher könnten falscher nicht sein. Es sei dahingestellt, ob Tschentscher diese aus Unwissen vortrug.

Eigene Berechnungen der Zahllastverschiebungen bei Aufkommensneutralität, die im Wirtschaftsdienst 11/2017 erschienen, stellen hinsichtlich des Südmodells folgendes für Ballungsräume fest (unter der Prämisse der Aufkommensneutralität):

  • Mehrfamilienhäuser, in denen sich der Mietwohnungsmarkt und das Eigentum der Kleineigentümer in den Großstädten konzentriert, würden keine Entlastung erfahren.
  • Dafür würden spekulativ gehaltene unbebaute Grundstücke entlastet – die jedoch in den Ballungsräumen dringend mobilisiert werden müssten, wenn es zu einer Reduzierung der Wohnungsknappheit kommen soll.
  • Die Behauptung von Tschentscher, dass das Südmodell schnell und einfach zu implementieren sei, dürfte ebenfalls massiv an der Wahrheit vorbeigehen. Grundsätzlich benötigt man hier eine ähnliche Datengrundlage wie für das derzeit von der Regierung favorisierte Kostenwertmodell.

Der SPD-Senator Tschentscher betätigt sich also – unabhängig von seiner Motivation – de facto ganz offensichtlich als Erfüllungsgehilfe der Immobilienwirtschaft und handelt dabei den Interessen vieler Mieter und Kleineigentümer zuwider, welche die typischen Wähler seiner Partei darstellen. Zudem riskiert er, dass – mangels Implementierbarkeit innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht noch zu setzenden Frist – die Grundsteuer gänzlich ausgesetzt wird.

Eine Bodenwertsteuer würde demgegenüber

  • speziell Mehrfamilienhäuser rund um die Hälfte der heutigen Abgaben entlasten;
  • spekulativ gehaltene, unbebaute Grundstücke dagegen um das vier- bis fünffache des heute erhobenen Betrages belasten.
  • Zudem stehen die Bodenrichtwerte flächendeckend zur Verfügung, auch die Grundstücksgrößen sind bekannt.

Von der Finanzverwaltung wurde in der Vergangenheit immer wieder eingewandt, dass die Einspielung von Grundstücksgrößen und Grundstücksflächen ebenfalls einige Jahre in Anspruch nähme. Angesichts der Tatsache, dass man z.B. in der deutschen Kolonie Qingdao Ende des 19. Jahrhunderts ohne jegliche EDV-Unterstützung eine Bodenwertsteuer in kürzester Zeit implementieren konnte, erscheint diese Behauptung fragwürdig, um es vorsichtig auszudrücken. Doch selbst, wenn sie stimmen würde, könnte man während einer Übergangsperiode die Daten über eine Steuererklärung abfragen. Es geht dabei nur um drei Daten:

  • Grundstücksfläche: Diese kennt jeder Eigentümer (i.d.R. aus den Kaufverträgen);
  • Grundstückswert: Aus den BORIS-Systemen ist regelmäßig der Bodenrichtwert Online für jedermann ersichtlich. Ansonsten tut es ein Anruf beim örtlichen Gutachterausschuss.
  • Steuernummer , Name des Steuerpflichtigen, Adresse des Grundstücks.

Das Online-Formular und dessen Verknüpfung wäre in kürzester Zeit zu programmieren und würde für den Steuerpflichtigen wie für die Finanzverwaltung wenig Aufwand bedeuten. Nach Vollendung der Verknüpfung der Katasterdaten mit der EDV der Finanzverwaltung könnte man zu einer vollautomatischen Fortschreibung übergehen.

Auch das von der Regierung gegenwärtig bevorzugte Kostenwertmodell würde eine Steuererklärung notwendig machen. Hierbei würde man jedoch v.a. die Ermittlung der Gebäudefläche auf den Steuerpflichtigen abwälzen (die betreffenden Angaben wären auch durch die Finanzverwaltung wesentlich schwieriger und aufwendiger zu kontrollieren; es bedürfte z.B. der Durchführung von Begehungen).

Von der Existenz der Option “Bodenwertsteuer” fiel in der Verhandlung jedoch leider kein Wort.  Die Initiative “Grundsteuer: Zeitgemäß!”  wird die Verfassungsrichter jedoch auf deren Existenz durch ein Schreiben aufmerksam machen. Allerdings war das mediale Echo bezüglich der Reformalternative “Bodenwertsteuer” in den letzten Wochen so stark, dass es den Verfassungsrichtern nicht entgangen sein dürfte.

Grundsteuerreform: Das Damoklesschwert des Bundesverfassungsgerichts

Dirk Löhr

Im Blogartikel vom 16.2. berichteten wir über den offenbaren Unwillen der Regierungskoalition, die vom Bundesrat im Herbst 2016 beschlossenen Gesetzentwürfe zur Reform des Bewertungsgesetzes und des Grundgesetzes (als erste Stufe der Grundsteuerreform) im Bundestag behandeln zu lassen.

Wenn aber die Gesetzentwürfe bis Ende Juni nicht im Bundestag behandelt werden, verfallen sie. Dann wäre ein erneuter Bundesratsbeschluss nötig, um das Verfahren wieder aufleben zu lassen.

Mietpreise

Die Situation wird nun vor dem Hintergrund der Tatsache brisant, dass das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr über die Einheitswerte als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer zu urteilen beabsichtigt (Verfassungsbeschwerden gegen Einheitswertbescheide und Grundsteuermessbescheide (1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12)). Hierzu siehe die betreffende Übersicht für das Jahr 2017.

Wenn – was zu erwarten ist – das Bundesverfassungsgericht die gegenwärtige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer als verfassungswidrig verwirft, dürfte sie dem Gesetzgeber eine Zeitspanne von maximal drei Jahre zur Nachbesserung einräumen. Ist der Gesetzgeber hierzu nicht in der Lage, dürfte die Grundsteuer ausgesetzt werden und damit ein ähnliches Schicksal wie die Vermögensteuer erleiden. Damit ginge den ohnehin finanziell gebeutelten Kommunen eine der wichtigsten Einnahmequellen verloren.

Zwar könnten Länder und Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der existierenden Gesetzentwürfe schnell wieder auf den Weg zu bringen versuchen. Ob dies gelingt, ist allerdings v.a. wegen der Opposition Bayerns mehr als unsicher.

Doch selbst wenn es gelingt, würde man ca. 10 Jahre brauchen, um die neuen “Kostenwerte” als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer verfügbar zu machen – dies dürfte vom Bundesverfassungsgericht nicht toleriert werden. Als gangbarer Ausweg erscheint, dass zwar auf die vorhandenen Gesetzentwürfe zurückgegriffen wird, aber die Steuermesszahlen für die Gebäude einstweilen auf Null gesetzt werden. Vor allem die Gebäudebewertung ist nämlich für die lange Zeitspanne verantwortlich, die für die Neubewertung erforderlich ist. Die Bodenwerte liegen hingegen in Gestalt der von den Gutachterausschüssen vorhandenen Bodenrichtwerten grundsätzlich vor. Allerdings ist die Qualität in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich, weswegen es einer bundesweiten Vereinheitlichung von Organisation und Arbeitsweise und einer besseren Ausstattung der Gutachterausschüsse bedarf.

Mehr dazu in: http://www.grundsteuerreform.net/aktuelles/#.WLAYEW_hDIU

 

 

 

 

Grundsteuerreform: Die zeitliche Lücke

Dirk Löhr

Der Spruch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer ist in Sichtweite. Zu erwarten ist, dass das BVerfG die geltenden Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt und eine Übergangsfrist für eine Überarbeitung einräumt. Diese beträgt i.d.R. drei Jahre. Bis nach dem jüngst in den Bundesrat eingebrachten “Kostenwertmodell” die Grundsteuer erhoben werden kann, werden allerdings rd. 10 Jahre verstreichen. Das sollte als Problem erkannt werden. Allerdings gibt es Wege, diese zeitliche Lücke “gesichtswahrend” zu schließen. Hierzu der folgende Beitrag aus dem Ökonomenblog:

Bundesratsinitiative zur Grundsteuerreform: Ein Weg aus der Sackgasse (bitte klicken)

Weil sich nach Einreichung des Beitrages die Publikation ein paar Wochen lang hinzog, sind leider die Ausführungen zum Finanzausgleich mittlerweile nicht mehr ganz aktuell. Im Grundsatz gelten sie allerdings nach wie vor.