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Grundsteuerreform: Das Damoklesschwert des Bundesverfassungsgerichts

Dirk Löhr

Im Blogartikel vom 16.2. berichteten wir über den offenbaren Unwillen der Regierungskoalition, die vom Bundesrat im Herbst 2016 beschlossenen Gesetzentwürfe zur Reform des Bewertungsgesetzes und des Grundgesetzes (als erste Stufe der Grundsteuerreform) im Bundestag behandeln zu lassen.

Wenn aber die Gesetzentwürfe bis Ende Juni nicht im Bundestag behandelt werden, verfallen sie. Dann wäre ein erneuter Bundesratsbeschluss nötig, um das Verfahren wieder aufleben zu lassen.

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Die Situation wird nun vor dem Hintergrund der Tatsache brisant, dass das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr über die Einheitswerte als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer zu urteilen beabsichtigt (Verfassungsbeschwerden gegen Einheitswertbescheide und Grundsteuermessbescheide (1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12)). Hierzu siehe die betreffende Übersicht für das Jahr 2017.

Wenn – was zu erwarten ist – das Bundesverfassungsgericht die gegenwärtige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer als verfassungswidrig verwirft, dürfte sie dem Gesetzgeber eine Zeitspanne von maximal drei Jahre zur Nachbesserung einräumen. Ist der Gesetzgeber hierzu nicht in der Lage, dürfte die Grundsteuer ausgesetzt werden und damit ein ähnliches Schicksal wie die Vermögensteuer erleiden. Damit ginge den ohnehin finanziell gebeutelten Kommunen eine der wichtigsten Einnahmequellen verloren.

Zwar könnten Länder und Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der existierenden Gesetzentwürfe schnell wieder auf den Weg zu bringen versuchen. Ob dies gelingt, ist allerdings v.a. wegen der Opposition Bayerns mehr als unsicher.

Doch selbst wenn es gelingt, würde man ca. 10 Jahre brauchen, um die neuen “Kostenwerte” als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer verfügbar zu machen – dies dürfte vom Bundesverfassungsgericht nicht toleriert werden. Als gangbarer Ausweg erscheint, dass zwar auf die vorhandenen Gesetzentwürfe zurückgegriffen wird, aber die Steuermesszahlen für die Gebäude einstweilen auf Null gesetzt werden. Vor allem die Gebäudebewertung ist nämlich für die lange Zeitspanne verantwortlich, die für die Neubewertung erforderlich ist. Die Bodenwerte liegen hingegen in Gestalt der von den Gutachterausschüssen vorhandenen Bodenrichtwerten grundsätzlich vor. Allerdings ist die Qualität in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich, weswegen es einer bundesweiten Vereinheitlichung von Organisation und Arbeitsweise und einer besseren Ausstattung der Gutachterausschüsse bedarf.

Mehr dazu in: http://www.grundsteuerreform.net/aktuelles/#.WLAYEW_hDIU

 

 

 

 

Keine Bodenwertsteuer wegen unzureichender Qualität der Bodenrichtwerte?

Dirk Löhr

Die Bemessungsgrundlage für eine Bodenwertsteuer, die in diesem Blog befürwortet wird, wären die Bodenrichtwerte. Diese werden auf Grundlage der Kaufpreissammlungen flächendeckend von den (öffentlichen) Gutachterausschüssen festgesetzt; es handelt sich um durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands. Die ermittelten Bodenrichtwerte beziehen sich auf Bodenrichtwertzonen, in denen einheitliche Wertverhältnisse herrschen (§ 196 BauGB).

Gegen eine Bodenwertsteuer wird nun häufig mit Verweis auf die angeblich unzulängliche Qualität der Bodenrichtwerte argumentiert. Beispielsweise erfuhr ich kürzlich von einem latent überschwemmungsgefährdeten Grundstück in Schleswig-Holstein, das vom zuständigen Gutachterausschuss mit demselben Bodenrichtwert wie ein nicht überschwemmungsgefährdetes Nachbargrundstück versehen wurde.

Tatsächlich ist die Qualität der Arbeit der Gutachterausschüsse in einigen Bundesländern unzureichend. Da die Gutachterausschüsse Ländersache ist, unterscheidet sich sowohl die finanzielle und personelle Ausstattung, die räumliche Organisation wie auch die Arbeitsweise. Einige Länder (so z.B. Baden-Württemberg oder Bayern) bekleckern sich diesbezüglich nicht gerade mit Ruhm, was auch Konsequenzen für die Funktionsfähigkeit der Immobilienmärkte hat. Andere Länder, wie z.B. Rheinland-Pfalz, gehen vorbildlich vor, wenngleich auch hier an einigen Stellen noch Verbesserungsbedarf ist. Bei Fällen wie dem eingangs dargestellten handelt es sich jedoch um Einzelfälle, die eben einer schlechten handwerklichen Ausführung geschuldet sind – was aus den genannten Gründen in einigen Bundesländern gehäuft vorkommt. Allerdings darf eben nicht von solchen Einzelfällen auf die mangelnde Eignung der Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage der Grundsteuer generell geschlossen werden. Ganz im Gegenteil dürften die Bodenrichtwerte selbst in den „Problemländern“ den Maßgaben der steuerlichen Typisierung noch wesentlich besser genügen als die „Kostenwerte“, die am 4.11. vom Bundesrat beschlossen wurden. Selbstverständlich wäre es aber wünschenswert, wenn die finanzielle und personelle Ausstattung der Gutachterausschüsse über die diversen Bundesländer hinweg angehoben und die räumliche Organisation wie auch die Arbeitsweise bundesweit vereinheitlicht wird.

Anders als bei den Bodenrichtwerten sind Wertverzerrungen bei den Kostenwerten hingegen systematisch, soweit diese auf die Gebäudekomponente zurückzuführen sind. Ich habe u.a. im Betriebsberater 35/2016 dargestellt, dass es zu einer breiten Benachteiligung von Neubauten, von Gebäuden in der raumwirtschaftlichen Peripherie und von Einfamilienhäusern kommt. Diese systematischen Abweichungen dürften sich im Gegensatz zu den Bodenrichtwerten nicht mit den steuerlichen Typisierungserfordernissen vereinbaren lassen. Hier tauchen ähnliche Probleme hinsichtlich der Wertrelationen auf wie bei den derzeitigen Einheitswerten.

Im Übrigen werden die Bodenrichtwerte auch im Kostenwertmodell benötigt. Richtig ist, dass etwaige Ungenauigkeiten wegen der Dominanz der Gebäudekomponente hier weniger ins Gewicht fallen – lediglich bei Neubauten. Bei unbebauten Grundstücken oder Altbauten, die auf dem Immobilienmarkt dominieren dürften, kommt den Bodenrichtwerten durchaus eine erhebliche Bedeutung auch im Rahmen des Kostenwertes zu. Bei diesen Immobilientypen fallen die oben kritisierten Wertverzerrungen auch entsprechend geringer aus. Also: Warum dann nicht gleich vernünftige Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage?

Die Ablehnung der Boden(wert)steuer aufgrund von in Einzelfällen unzulänglichen Bodenrichtwerten und die Befürwortung einer statt dessen in systematischer Weise verzerrenden Bemessungsgrundlage spricht daher nicht gegen die Bodenrichtwerte als grundsteuerliche Bemessungsgrundlage, sondern gegen das logische Denkvermögen derjenigen, die ein solches Argument vorbringen.