Category Archives: Housing

Hannover: Die Stunde der Spekulanten?

Dirk Löhr

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 16.12.2014 (S. 11) berichtete, soll nun das letzte große Baugrundstück in der Calenberger Neustadt im Bezirk Mitte verkauft werden. 5,26 Millionen Euro wurden für das 5.700 Quadratmeter große Grundstück im Rahmen einer Auktion geboten, das sind 900 Euro pro Quadratmeter – und dies, obwohl das derzeit als Parkplatz genutzte Grundstück vor Umnutzung noch saniert werden muss. Das Bieterverfahren sei auf „großes bundesweites Interesse“ gestoßen, heißt es in einer Landesdrucksache. Mit zehn Investoren sei nachverhandelt worden, den Zuschlag erhielt der hannoversche Projektentwickler Helmut Dannenberg (62), der das Grundstück zusammen mit seinem gleichnamigen Sohn (36) erworben hat und bebauen will. Es ist bezeichnend, dass der Gutachterausschuss das Grundstück lediglich mit 2 Millionen Euro taxiert hatte. An diesem Beispiel wird deutlich, wie der Verkehrswert (als “Jedermannswert”) von dem subjektiven Wert einzelner Investoren abweichen kann.

Adolfstraße, Hannover (Google-Satellitenbild)
Grundstück in der Adolfstraße, Hannover (Google-Satellitenbild)

Die Stadt tat nämlich insoweit etwas Richtiges: Sie versteigerte das Grundstück und schöpfte damit einen erheblichen Teil der Bodenrenten ab. Prompt hagelte es Kritik, dass die öffentliche Hand zwar preiswerte Mieten fordert, zugleich aber ihre Grundstücke zu Höchstpreisen verkaufe und damit die späteren Wohnkosten zugunsten von Spekulanten nach oben treibe. Die Kritiker sind sich jedoch offenbar nicht darüber im Klaren, dass die Bodenrente – und damit auch der Bodenpreis – ein Residuum sind, das sich ergibt, wenn vom Projektwert die Kosten für das Bauwerk und dessen Unterhaltung abgezogen werden. Diese Bodenrente wird auf jeden Fall abgeschöpft: Wenn nicht vom Staat, dann von den kommerziell agierenden Investoren oder aber von den privaten Käufern, die sich im Falle einer Vermietung oder eines Wiederverkaufs freuen können (der Fall kann allenfalls dann ein wenig anders liegen, wenn ein solches Grundstück an eine Genossenschaft geht). Mit anderen Worten: Bodenrente und Bodenpreis sind Ausdruck des erzielbaren hohen Mietwertes, aber als Residuum nicht dessen Ursache. Wenn eine Stadt (in Hannover geschah dies auch wiederholt) dazu übergeht, Grundstücke nicht mehr nach Höchstgebot, sondern nach bestem Konzept (z.B. integratives und generationenübergreifendes Wohnen) zum Festpreis an Investoren zu vergeben, so ergibt dies nur Sinn, wenn ein entsprechender Schutzraum auch planerisch gezogen wird, der kommerziell agierende Investoren fernhält. Insoweit müsste der Bebauungsplan angepasst werden.

Im Übrigen: So sinnvoll die Versteigerung in der Adolfstraße auch war – wesentlich besser wäre es gewesen, man hätte das Grundstück per Erbbaurecht verpachtet (und dementsprechend eine “Pachtversteigerung” vorgenommen). Nunmehr ist das weitere Schicksal des Grundstücks nicht mehr in der Hand der Stadt, und von weiteren Erhöhungen der Bodenrente und des Bodenwertes profitieren vom Abverkauf an nur noch die privaten Investoren, nicht aber mehr die Gemeinschaft. Und das sind keine “Peanuts”: So sollen beispielsweise die ehemals von der Stadt Zürich abverkauften Grundstücke in der Bahnhofstraße mittlerweile angeblich einen Pachtwert aufweisen, aus dem allein der Haushalt der Stadt Zürich gedeckt werden könnte.

Flüchtlingspolitik: Abschiebung in Gewerbegebiete und Außenbereiche

Dirk Löhr

Die Erkenntnis ist nicht neu: International brennt es. Auch auf Deutschland rollt eine Flüchtlingswelle zu, wobei Deutschlands Beitrag zur Bewältigung der Misere im internationalen Maßstab gesehen klein ist. Diese Welle kündigte sich schon seit mindestens drei Jahren an, und sie droht zum Tsunami auszuwachsen (allein in Syrien ist die Hälfte des Landes auf der Flucht).

Hungerstreik von Flüchtlingen in Berlin (2013)
Hungerstreik von Flüchtlingen in Berlin (2013)

Nun reagieren die Bundesländer: Im Rahmen einer Bundesratsinitiative soll das Baugesetz-buch und die Baunutzungs-verordnung so geändert werden, dass künftig Flüchtlingsunter-künfte auch in Gewerbegebieten und Außenbereichen gebaut werden dürfen (Deutscher Bundesrat, BR Drs. 419/14 vom 12.09.2014).

Erfahrungsgemäß werden aber viele Flüchtlinge nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft bleiben. Insbesondere bei hochqualifizierten und jungen Menschen aus Bürgerkriegsregionen kann dies für das alternde Deutschland mit seiner schrumpfenden Bevölkerung  je durchaus von Vorteil sein – wenn man die Menschen frühzeitig integriert und ihnen (auch über die Erteilung einer Arbeitserlaubnis) die Chance gibt, ihrem Gastland etwas zurück zu geben.

Die Ghettoisierung von Flüchtlingen in den Außenbereichen und in Gewerbegebieten trägt gerade nicht dazu bei.  In Deutschland stehen nun fast 800.000 Wohnungen leer – und zwar ziemlich verstreut. Es stellt sich die Frage, warum nicht zuerst dieses Potenzial ausgeschöpft wird. Durch eine gleichmäßigere Verteilung der Flüchtlinge könnten auch Ängste von einheimischer  Seite genommen werden, die bei der Einrichtung von Massenunterkünften ansonsten gerne aufkommen. Die Integration der Flüchtlinge wäre bei einer Unterbringung in den vorhandenen Leerständen wesentlich einfacher möglich. Und die Eigentümer leerstehender Wohnungen könnten sich wieder über einen Einnahmenstrom freuen, eventuell würde die Bleibe sogar aufgewertet. Klar, viele hätten Bedenken. Aber Eigentum verpflichtet – zumindest steht dies so im Grundgesetz geschrieben. Unabhängig davon benötigen Länder und Kommunen auch bei der Nutzung von Leerständen wesentlich mehr finanzielle Unterstützung vom Bund als bisher – und dies in einer nachhaltigeren Weise.

So bleibt zu hoffen, dass Deutschland mit seiner Flüchtlingspolitik noch umsteuert. Die Flüchtlingswellen der Zukunft werden vielleicht sogar zum Umdenken zwingen.

Übrigens: Wo bleibt die “vierte Gewalt” – wo bleiben die Medien bei diesem Thema?

 

Mehr Informationen:

Deutscher Bundestag (Drucksache 18/2752, vom 8.10.2014): Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen (Gesetzentwurf des Bundesrates). Online: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/027/1802752.pdf

Bundesrat (Drucksache 419/14, vom 12.09.2014): Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen (Gesetzesantrag der freien und Hansestadt Hamburg). Online: http://www.innenministerkonferenz.de/SharedDocs/drucksachen/2014/0401-0500/419-14.pdf;jsessionid=1CCD41BFEB5336F16F23B41C955BE081.2_cid365?__blob=publicationFile&v=2

Deutsches Institut für Menschenrechte (BT-Drucksache 18/2752, Änderungsantrag 18(16)121, 03.11.2014): Anhörung zum Gesetzentwurf des Bundesrates Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der
Unterbringung von Flüchtlingen. Online: http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/uploads/tx_commerce/Hendrik_Cremer_Stellungnahme_Anhoerung_Umweltausschuss_Bauplanungsrecht_BT_03.11.2014.pdf

Immobilienmärkte: Die schönen Zeiten sind vorbei?

Dirk Löhr

Das Geschäftsklima trübt sich ein, die Aktienkurse bewegen sich gegen den Südpol (o.V. 2014a).

In diesem Blog haben wir wiederholt dargelegt, dass der Kern der Gewinne aus Aktien und die Bodenerträge vom ökonomischen Standpunkt letztlich wesensgleich sind.

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Wie in anderen Ländern auch wurde in Deutschland daher die Aktienhausse der letzten Monate von einer Immobilienhausse begleitet.

Die Graphik aus dem Manager Magazin

Die 10 teuersten Einkaufsstraßen Deutschlands“ (bitte klicken)

zeigt den Irrsinn auf. So werden in München bis zu 360 Euro pro Quadratmeter bezahlt (o.V. 2014b). Wohlgemerkt, es handelt sich nicht um den Kaufpreis, sondern um die Monatsmiete.

Und: Gezahlt werden diese Mieten in den Spitzenlagen nicht, weil hier die Steine, der Stahl, der Beton etc. teurer sind als anders wo, sondern wegen der Besonderheiten des Standortes. Es handelt sich bei diesen hohen Erträgen also um Bodenerträge (“Bodenrenten”). Doch auch diese können bei Konkunkturschwäche wegbrechen.

Sollten sich die düsteren Prognosen bewahrheiten und die Talfahrt der Aktienbörsen anhalten, wird auch mit Korrekturen auf den Immobilienmärkten gerechnet werden müssen. Auch Spitzenlagen werden hiervon nicht verschont bleiben – v.a. dann, wenn es in der Vergangenheit spekulative Übertreibungen gab.

Kommt es zur Krise, wird jedoch auch die Peripherie wieder Federn lassen. Andererseits ist hier das Korrekturpotenzial (wenigstens in absoluten Zahlen) begrenzt, da die Peripherie auch zuvor von der Immobilienhausse bislang kaum mitgenommen wurde.

Nun war der Markt für Gewerbeimmobilien bislang einigermaßen robust – doch zeigt er schon erste Zeichen der Schwäche. Die ersten Seitwärtsbewegungen sind sichtbar, und Investoren beginnen sich abseits der Metropolen zu orientieren (o.V. 2014c).

Deutlicher ist es beim Markt für Wohnimmobilien: Dieser hat seine Hoch-Zeit offenbar schon hinter sich. Hier waren auch vor der Konjunktureintrübung insbesondere in Top-Lagen schon Überhitzungserscheinungen ersichtlich. Die Talfahrt wird sich dennoch wahrscheinlich erst dann richtig bemerkbar machen, wenn Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt einkehrt. Bis dahin werden einige Häuslebauer noch die niedrigen Zinsen mitnehmen.

Die Gutachterausschüsse, die für die Feststellung der Bodenrichtwerte zuständig sind, vollziehen die Bewegungen nur zögerlich nach. Dies war bei der Hausse so, und es wird auch bei der Talfahrt so sein.

 

Mehr Informationen:

o.V. (2014a): Es geht abwärts, in: Handelsblatt Online vom 27.10. Online: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/ifo-geschaeftsklimaindex-es-geht-abwaerts/10894024.html

o.V. (2014b): Die 10 teuersten Einkaufsstraßen Deutschlands, in: Manager Magazin Online vom 27.10. Online: http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/a-999511.html

o.v. (2014c): Wann platzt die Blase? Handelsblatt Online vom 2.10. Online: http://www.handelsblatt.com/finanzen/immobilien/nachrichten/immobilienbranche-wann-platzt-die-blase-seite-all/10786232-all.html

Hausdämmung unbezahlbar – Politik hat kein Einsehen (Panorama)

Dirk Löhr

Die schöne neue Welt der Bundesregierung : Bis 2050 sollen 80 Prozent des Gebäudebestands “klimaneutral” sein. Die Vorgaben für die Eigentümer sind dabei ehrgeizig.

Im bayerischen Wald: Saniert, aber leerstehend
Im bayerischen Wald: Saniert, aber leerstehend

Und sie sind teuer – für Eigentümer und Mieter. Möglicher-weise zu teuer.

Denn die Bundesregierung hat ihre Rechnung ohne das raumwirt-schaftliche Einmal-eins gemacht:

– Die raumwirtschaftliche Peripherie wird zunehmend abgewürgt. Hier können gerade die Kosten des Wirtschaftens eingefahren werden – durch die immer höheren Kostenbelastungen in Gestalt von Steuern, Abgaben und Umlagen (Strom etc.) haben die Menschen hier immer weniger Geld in der Tasche. Energetische Sanierungen können daher hier nicht auf die Miete umgelegt werden. Sie rechnen sich nicht.

– Weil in der Peripherie im wörtlichen Sinne nichts mehr zu gewinnen ist, zieht es immer mehr Menschen in die Ballungsräume, also in die raumwirtschaftlichen Zentren. Dort steigt die Bevölkerungsdichte, und damit auch die Bodenrente (also die Bodenerträge). Hier werden energetische Sanierungen oft als Vorwand gebraucht (oder missbraucht), um die steigende Bodenrente über die Miete besser abschöpfen zu können (bis zu 11 Prozent der Investitionskosten können pro Jahr umgelegt werden). Insbesondere für einkommensschwache Mieter wird eine energetisch sanierte Wohnung immer häufiger unbezahlbar.

Diese Zusammenhänge werden in dem Panorama-Beitrag (ARD)

Hausdämmung unbezahlbar: Politik hat kein Einsehen
(bitte klicken)

vom 16.10. plastisch geschildert. S. hierzu auch unsere anderen Beiträge in der Rubrik “Housing”. Nebenbei bemerkt:

Die Politik bekommt hierbei auch keinen brauchbaren Rat durch die Wirtschaftswissenschaft. Diese ist voll damit beschäftigt, mathematische Berge zu errichten, die am Ende Mäuse gebären. V.a. die neoklassisch basierte Mainstream-Ökonomie wird damit immer belangloser. Der Produktionsfaktor Boden und die mit ihm einhergehenden raumwirtschaftlichen Probleme kommen hier gar nicht vor.

Mietpreisbremse: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt …

Dirk Löhr

Und wenn man nicht mehr weiter weiß, dann macht man … ein Gesetz … in einem entsprechenden Arbeitskreis (der Großkoalitionäre).

Mietpreise

Die Wohnraumsituation v.a. in vielen Großstädten und Universitätsstädten ist zunehmend angespannt. Bei Neuvermietungen lagen die Mieterhöhungen zuletzt in Hamburg und München bei 25 Prozent, in Berlin bei 19 Prozent. Doch auch kleinere Universitätsstädte sind betroffen (Regensburg: plus 33 Prozent; Freiburg: plus 32 Prozent). Hier gab es zwar schon eine Kappungsgrenze für Mieterhöhungen – diese gilt aber nicht beim Abschluss neuer Mietverträge.

Vor diesem Hintergrund wurde nun umgesetzt, was bereits in den Koalitionsvereinbarungen niedergelegt war: Man einigte sich auf neue gesetzliche Regelungen, die einen besseren Schutz vor drastischen Mieterhöhungen bieten sollen. Bei Neuvermietungen in besonders begehrten Gegenden darf die Miete das ortsübliche Niveau künftig nur noch um maximal 10 Prozent übersteigen. Ausgenommen von dieser Regelung sind Neubauten sowie modernisierte Wohnungen. Hierdurch soll die Investitionsbereitschaft der Eigentümer aufrechterhalten bleiben. Die Ausnahme gilt auch für die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung. Die Mietpreisbremse soll jedoch nur in Gebieten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ gelten und maximal fünf Jahre aufrechterhalten bleiben (Sueddeutsche.de / dpa 2014).

Ob man freilich per Gesetz die ökonomischen Gravitationskräfte aushebeln kann, ist mehr als fraglich. In einem Staat mit einer hohen Abgaben- und damit Kostenbelastung wie Deutschland leidet zuallererst die raumwirtschaftliche Peripherie. Hier können gerade die Kosten des Wirtschaftens gedeckt werden, große Gewinne und Renten (als Differenz zwischen Einkommen und Kosten des Wirtschaftens) sind – im Gegensatz zu den raumwirtschaftlichen Zentren – nicht möglich. Höhere Steuern und Abgaben (sowie andere Kostentreiber, wie z.B. die EEG-Umlage) erhöhen die Kostenbelastung. Können die Kosten des Wirtschaftens nicht mehr gedeckt werden, wird die Peripherie stranguliert. Als Folge bewegen sich v.a. die jungen, arbeitsfähigen Menschen in die raumwirtschaftlichen Zentren hinein. Aufgrund der zunehmenden Dichte kommt es hier zu einem Anstieg der Bodenrenten und damit der Mieten. Und die von der Mietpreisbremse ausgenommenen Modernisierungen werden beispielsweise gerade deswegen durchgeführt, um ein besseres Ausschöpfen der gestiegenen Bodenrenten zu ermöglichen. Gefallen solche Konsequenz nicht, kann man sie nicht einfach per Gesetz „abschaffen“ (genauso wenig wie man Arbeitslosigkeit durch ein Recht auf Vollbeschäftigung abschaffen kann), sondern man muss an den wirtschaftlichen Ursachen etwas ändern (Löhr 2013).

Dies geschieht am besten durch einen „Tax Shift“: Weg von den herkömmlichen Steuern, welche v.a. zu Lasten der raumwirtschaftlichen Peripherie gehen, und hin zu einer Abschöpfung der Bodenrente (will man radikal vorgehen, könnte man Letztere beispielsweise auch als rentenbasiertes Grundeinkommen verteilen, so dass der durchschnittliche Zugang zu lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen wie Wohnen garantiert ist). So wird die Peripherie entlastet und der Strom in die Zentren begrenzt (möglicherweise wird der Strom sogar umgekehrt). Ein solcher „Tax Shift“ wirkt sich auch auf den dem Wohnungsmarkt vorgelagerten Bodenmarkt aus: Er schafft einen Angebotsdruck, durch den allein – bei entsprechender Ausgestaltung der Abgabe – schon ein wesentlich höheres Wohnraumangebot mobilisiert werden könnte.

Die anstehende Grundsteuerreform wäre eine exzellente Möglichkeit, sich in diese Richtung zu bewegen (s. den Blogbeitrag „Grundsteuerreform und Aufruf ´Grundsteuer: Zeitgemäß!“). Doch so, wie es aussieht, wird diese Chance derzeit wieder einmal leichtfertig verspielt (s. hierzu den Blogbeiträge „GCN-Initiative: Wohnraumsituation in den Großstädten“).

Ähnliches wie für die Mietpreisbremse gilt für die neuen Regelungen hinsichtlich der Maklercourtage. Nach dem Willen der großen Koalition soll künftig nicht mehr automatisch der Mieter die Maklercourtage zahlen, sondern der Auftraggeber (Buchsteiner 2014). Es ist aber eine alte ökonomische Weisheit, dass derjenige, der per Gesetz eine Last tragen soll, diese möglicherweise abwälzen kann, wenn die Marktverhältnisse das zulassen. Im Klartext: Ist das Angebot an Wohnungen knapp genug, wird der Vermieter zwar die Maklercourtage zahlen, sich aber durch entsprechend hohe Mieten schadlos halten.

Die zuständigen Minister der Großen Koalition wollen sich offenbar auf dem Papier die Welt so gestalten, wie sie ihnen gefällt. Sie sollten das Gesetz vielleicht mit „Klein Mäxchen“ unterzeichnen.

 

Mehr Informationen:

Buchsteiner, R. (2014):  Mietpreisbremse kommt – nicht für Neubauten, in: NWZonline vom 24.09. Online: http://www.nwzonline.de/politik/mietpreisbremse-kommt-nicht-fuer-neubauten_a_19,0,226418439.html

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie – wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg (Metropolis).

Sueddeutsche.de / dpa (2014): Koalition nimmt Neubauten von der Mietpreisbremse aus, in: Sueddeutsche.de vom 23.09. Online: http://www.sueddeutsche.de/news/leben/wohnen-koalition-nimmt-neubauten-von-mietpreisbremse-aus-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-140923-99-00921

Rausgeschmissen: Vermietertricks beim Eigenbedarf (Frontal 21, ZDF)

Dirk Löhr

Die Sendung “Rausgeschmissen: Vermietertricks beim Eigenbedarf” (Frontal 21, ZDF vom 16.09.) zeigte deutlich, wie wenig auch die schönsten gesetzlichen Regelungen ausrichten können, wenn die Marktverhältnisse dagegen stehen.

Mietpreise

Neuvermietungen bringen eben wesentlich mehr Geld ein als die Bestandsmieten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bleibe zuvor modernisiert wurde. So muss der alte – u.U. nicht mehr “zahlungsbereite” – Mieter weichen. Dann kann das Bodenrentenpotenzial, das derzeit v.a. in den Ballungsräumen kräftig steigt, richtig gut ausgenutzt werden. Wunschlisten, auch wenn sie in Gesetzesform gegossen sind, können hiergegen nicht anschwimmen.

Wir haben in diesem Blog wiederholt Vorschläge gebracht, wie man das Wohnungsproblem wirksam – und von der Wurzel her – anpacken kann (s. den Blogbeitrag “GCN-Initiative: Wohnraumsituation in den Großstädten“).

 

Mietpreisexplosion: Förderung des Wohnungsbaus?

Dirk Löhr

Wohnen wird gerade in den Ballungsräumen immer mehr zu einem Luxusgut – nicht nur einkommensschwache Schichten können sich dieses Grundbedürfnis immer weniger leisten. Geht es nach dem Willen des Mieterbundes und der Immobilienbranche, soll der Staat den Wohnungsbau stärker fördern.

Mietpreise

Damit soll erreicht werden, dass die Mieten auch für Normalverdiener erschwinglich bleiben. Wie die Stuttgarter Zeitung vom 11.09. berichtet, wurden in einer Studie des Pestel-Instituts höhere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten (3 bzw. 4 statt bisher 2 Prozent), öffentliche Finanzierungshilfen (um die Finanzierungskosten um ca. 1 Prozent zu senken) sowie um 25 Prozent verbilligtes Bauland aus öffentlicher Hand im Gespräch. Die Hoffnung: Auf diese Weise sollen die Mieten auf einem niedrigen Stand gehalten werden; gleichzeitig soll der Bau der Häuser einen Schub an Steuern und Sozialabgaben bringen.

Wir haben in diesem Blog wiederholt beschrieben, wer von diesen Subventionsmaßnahmen vor allem profitieren wird: Die Eigentümer von Grundstücken, an die die Förderungen „durchsickern“.  Hierbei verhält es sich nicht anders als bei anderen Subventionen, z.B. in Erneuerbare Energien. Die Subventionierung der Windenergie kommt v.a. beim Grundeigentümer an, die Subventionierung von Bioenergie schlägt sich in höheren Pachten und Grundstückspreisen nieder (vgl. den Blogbeitrag “Die toxische Wirkung von Subventionen“).

Anstatt zu subventionieren, sollte eine Belastung der Grundstücke in Höhe der erzielbaren Bodenrente erfolgen. Wer sein Grundstück dann nicht den planerischen Vorgaben entsprechend nutzt, zahlt drauf (s. hierzu auch die Initiative von Global Change Now: “Wohnraumsituation in den Großstädten“). Wird dieser Weg konsequent beschritten, kann man auch andere Steuern zurückführen bzw. ganz auf diese verzichten. Und man könnte sogar ein rentenbasiertes Grundeinkommen finanzieren, mit dem u.a. der Zugang zum Grundbedürfnis Wohnen gesichert werden kann.

Der Vorschlag des Pestel-Instituts kocht hingegen in phantasieloser Weise eine unbekömmliche Rezeptur erneut auf.

Neue IW-Studie: Urbane Armut

Dirk Löhr

Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) zeigt: Die Einkommen in den Großstädten sind zwar höher als in den peripheren Regionen; diese Einkommensvorteile werden aber in Gestalt von höheren Lebenshaltungskosten wieder mehr als ausgeglichen. Ein Münchner Single braucht 1.030 Euro, um sich genauso viel leisten zu können wie ein durchschnittlicher deutscher Bürger mit 870 Euro monatlich.  Das IW Köln spricht in diesem Zusammenhang von “Kaufkraftunterschieden”. Nicht betont wird dabei leider, dass diese Kaufkraftunterschiede kaum durch Preisunterschiede von Lebensmitteln und Gebrauchsgütern verursacht werden, sondern v.a. die Unterschiede in den Mieten eine große Rolle spielen.

Mietpreise

Wir haben immer wieder in diesem Blog dargestellt, dass die Unterschiede in den Mieten v.a. durch unterschiedlich hohe Bodenrenten in zentralen und peripheren Lagen zustande kommen. Also: Die Einkommensvorteile in den Großstädten fallen am Ende v.a. den privaten Grundstückseigentümern in Gestalt von entsprechend erhöhten Bodenrenten zu! Die Folge: Armut ist v.a. ein Phänomen der Großstädte.  Sozial schwächere Schichten können sich Wohnen nicht mehr leisten und werden abgedrängt.

Ein wichtiger Sonderfall sind die in ihrer Struktur geschwächten Städte im Ruhrgebiet.  Ein vielseitiger Mittelstand, der für andere Agglomerationen typisch ist, konnte sich in den Ruhrgebietsstädten nicht entwickeln. Die mächtigen Montankonzerne (Kohle: Ressourcenrente!)  wussten in der Vergangenheit u.a. durch Bodenblockaden das Aufkommen von Konkurrenz um Arbeitskräfte zu verhindern.  Die Karawane der Rent-Grabber zog zwischenzeitig weiter, zurück blieben die Städte und Menschen mit ihren Problemen. Weite Teile des Ruhrgebiets stellen wirtschaftsstrukturell Peripherie dar, die pure Bevölkerungsdichte macht dennoch relativ hohe Bodenrenten möglich. Die Folge: Verarmung.

Gemeinsam mit Global Change Now hatten wir versucht, die Parlamentarier des Deutschen Bundestages auf diese sozialen Probleme hin anzusprechen und wiesen auf Lösungsmöglichkeiten hin:

http://globalchangenow.de/mitmachen/hey-parlament/mietpreise/

Die Reaktionen waren allerdings dürftig, um nicht zu sagen armselig.

Einen Link zur IW-Studie, das interessante Daten  und eine ebenso interessante Karte enthält, finden Sie hier:

http://www.iwkoeln.de/de/presse/pressemitteilungen/beitrag/regionaler-armutsvergleich-grossstaedte-schneiden-schlecht-ab-179372

 

 

Ist das den ganzen Aufwand wert? Abschöpfungen im Rahmen der städtebaulichen Sanierung

Dirk Löhr

Deutschland, ein Land der Rent-Seeker und Rent-Grabber. Nirgendwo ist dies deutlicher ersichtlich als an der Eigentumsverfassung an Grund und Boden.

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Das Privateigentum an Grund und Boden ist in Deutschland eine heilige Kuh. Die Grundsteuer ist lächerlich gering und besteuert noch dazu größtenteils die vom Eigentümer geschaffenen Werte (aufstehende Gebäude), kaum aber die Werte, die von der Allgemeinheit geschaffen wurden (und die sich in den Bodenrenten und Bodenwerten niederschlagen; der Bodenwert V ergibt sich dabei näherungsweise aus der mit dem Realzinssatz r diskontierten Bodenrente R: V = R/r). Die Bodenrenten werden grundsätzlich privatisiert, die Aufwendungen für Inwertsetzung und Verzichtsleistungen werden hingegen der Allgemeinheit aufgebürdet.

Charakteristisch für den Tanz um das goldene Kalb „Privateigentum an Grund und Boden“ ist z.B. die folgende Schieflage: Kommt es zu einer Bodenrenten- und Bodenwertsteigerung  aufgrund einer Änderung der Bauleitplanung, so steht diese dem Bodeneigentümer zu. Verursacht die Planung hingegen (z.B. über eine „Rückzonung“) eine Wertminderung („Planungsschaden“), so ist die Öffentlichkeit hierfür verantwortlich, der Grundstückseigentümer wird entschädigt.

Von diesem Prinzip, das die Bodenrentenzuwächse privatisiert, die entgegenstehenden Kosten aber sozialisiert, gibt es ein paar rühmliche Ausnahmen, darunter die Abschöpfungsbeiträge im Rahmen der städtebaulichen Sanierung (§ 136 Abs. 2 BauGB). Kommt es hier zu Bodenwertsteigerungen, so wird der Eigentümer über Abschöpfungen derselben herangezogen (§ 154 BauGB). Dies beruht auf einem Rechtsgedanken, der schon in Art. 155 der Weimarer Reichsverfassung enthalten war, zwischenzeitig aber immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde.

Bedauerlich ist allerdings, dass über solche Abschöpfungen vielleicht nur 10-15 % der für derartige Sanierungen (die u.a. angesichts der demographischen Herausforderungen immer dringlicher werden) aufzuwendenden Kosten refinanziert werden können (der betreffende Leitfaden für Rheinland-Pfalz spricht gar nur von 9 %; ISM RP 2009). Für den Rest steht wiederum die Öffentlichkeit ein. Darum wurde die Sinnhaftigkeit solcher Abschöpfungen auch verschiedentlich schon infrage gestellt.

Warum aber kommen nur 10-15 % der öffentlichen Aufwendungen einer Sanierung beim Bodeneigentümer in Gestalt höherer Bodenrenten und höherer Bodenwerte an? Der Grund sind v.a. die Ineffizienzen, die unserem Abgabensystem geschuldet sind. In einer effizient gestalteten Wirtschaftsordnung könnte man die öffentlichen Leistungen allein aus den Bodenrenten finanzieren – genau, wie die Bodenrenten erst aus den öffentlichen Leistungen resultieren. Dies besagt das Henry George Theorem, das u.a. von Arnott / Stiglitz (1979) und Atkinson / Stiglitz (1987) formalisiert wurde und in der untenstehenden Abbildung illustriert ist.

Tabelle: Henry George-Theorem (vereinfachte Version, eigene Darstellung)

Volkseinkommen
Zusammensetzung   Verteilung   Charakter
Private Güter und Dienstleistungen

<=>

Löhne (Arbeit)Zinsen (Kapital)

<=>

Kosten
Öffentliche Leistungen

<=>

(Boden-) Renten

<=>

Sozialer Überschuss

Zur Erläuterung: Die Bodenrente geht zwar in die Preise der Produkte ein, allerdings nicht als Kostenfaktor. Vielmehr ist sie ein Residuum. Sie kann als sozialer Überschuss interpretiert werden – als das, was bleibt, nachdem die anderen Produktionsfaktoren (incl. der Staat) bezahlt wurden.

Wenn man nun – wie dies in Deutschland der Fall ist – die Bodenrenten (bzw. den sozialen Überschuss) privatisiert, stehen diese nicht mehr für die Finanzierung des Staates zur Verfügung. Die o.a. Sachgesetzlichkeit des Henry George-Prinzips wird durchbrochen, und die öffentlichen Leistungen müssen über Abgaben finanziert werden. Durch Steuern und Sozialabgaben werden dann aber die Kosten v.a. für Arbeit erhöht (Kapital kann flüchten und wird daher bevorzugt behandelt, Stichwort „duales Steuersystem“). Das heißt, das Residuum Bodenrente wird wegen der höheren Kosten, die v.a. auf der Arbeit lasten, geschmälert. Die Bodenrente ist also keine absolute Größe, sondern v.a. im Zusammenhang mit den Abgabenlasten zu sehen: In den Ländern mit geringeren Abgabenlasten ist die Bodenrente vergleichsweise höher (abzulesen an einem höheren Bodenwert, z.B. in der Schweiz oder in Luxemburg), in Ländern mit einer höheren Abgabenbelastung (wie Deutschland) ist die Bodenrente geringer. Daher muss man auch zwischen der tatsächlichen (“kinetischen”) und der potenziellen Bodenrente unterscheiden (die sich ergeben würde, wenn die öffentlichen Leistungen aus den Bodenrenten und nicht aus Steuern und Sozialabgaben finanziert werden, die als Kosten die Bodenrente drücken).

Um die Größenordnungen zu skizzieren: In meinem Buch „Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird“ (Marburg 2013) habe ich die kinetische Bodenrente in Deutschland (2010 / 2011) auf knapp 100 Mrd. Euro geschätzt. Geht man von einer Abgabenbelastung (Steuern und Sozialabgaben) von knapp 50 % des Volkseinkommens aus (das sich in den besagten Jahren bei ca. 2.000 Mrd. Euro bewegte), dürfte das Bodenrentenpotenzial vielleicht das 10-fache der kinetischen Bodenrente ausmachen (wenn auch steuerliche Zusatzlasten wegfielen). Dies gilt zumindest für zentrale Volkswirtschaften wie Deutschland; das Bodenrentenpotenzial in peripheren Volkswirtschaften dürfte wesentlich geringer sein. Zum selben Ergebnis gelangt auch Harrison (2014).

Die verteilungspolitischen Auswirkungen dieser 100 Mrd. Euro Bodenrente sind zwar störend und zeigen sich v.a. auf lange Sicht. Richtig ärgerlich sind aber die Rückwirkungen auf die Effizienz unseres Wirtschaftssystems, denn es wird durch die Allgemeinheit ein ungeheurer Aufwand zugunsten einer überschaubaren Beute einer Minderheit betrieben. Die Kuh Bodenrente ist in Deutschland zwar heilig, aber sie wird so sehr gemolken, bis sie vollkommen abgemagert ist. Wenn nun bei städtebaulichen Sanierungen die Kosten nur zu 10 bis 15 % der Kosten wieder über die Abschöpfungen der Bodenwerterhöhungen eingefahren werden können, ist dies ein beredtes Zeugnis der Ineffizienz: Die Lücke zeigt die enorme Diskrepanz zwischen öffentlich betriebenem Aufwand und den damit erzeugten Werten auf. Wiederum dürfte die Lücke in der raumwirtschaftlichen Peripherie noch wesentlich größer als in den Zentren sein: Gerade hier werden städtebauliche Maßnahmen verstärkt durchgeführt;  allerdings sind die Bodenrenten generell geringer als in den Zentren.

Für die oben angesprochene städtebauliche Sanierung heißt das konkret: Trotz der Abschöpfungen wird der Löwenanteil der Aufwendungen von der Allgemeinheit getragen. An sich gute und richtige Maßnahmen wie die Abschöpfung der Bodenwerterhöhungen im Rahmen der städtebaulichen Sanierung schwimmen gegen einen kräftigen Strom des Rent Grabbing und funktionieren nicht richtig. Eingebettet in die Unkultur des Rent Grabbing sind an sich gute und richtige Maßnahmen leider auch nur halbe Sachen.

 

Literatur

Arnott, R. J.  / Stiglitz, J. E. (1979): “Aggregate Land Rents, Expenditure on Public Goods, and Optimal City Size”, Quarterly Journal of Economics, Vol. 93 No. 4, pp. 471-500.

Atkinson, A. B.  /Stiglitz, J. E. (1987): Lectures on Public Economics. McGraw-Hill Book Co., London.

Harrison, F. (2014): Financial Rules for Constructing a Strong State, in: Journal of Translation from Foreign Literature of Economics, Special Issue. Online: http://se.xmu.edu.cn/jzyc/UploadFiles/2014371853467055475115776.pdf

Ministerium des Innern und für Sport (ISM) Rheinland-Pfalz (2009): Ausgleichsbeiträge in Sanierungsgebieten, Mainz.

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg.