Der „grüne Klimafonds“: Zu kurz gesprungen

Dirk Löhr

Anlässlich der Erstauffüllung des “Grünen Klimafonds” (Green Climate Fund / GCF) fand am 20. November in Berlin eine Geberkonferenz statt, zu der Interessierte aus Industrie- und Schwellenländern geladen waren.  Der GCF gilt als wichtiges Instrument der künftigen Klimafinanzierung und soll Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Umsetzung anspruchsvoller Klimaschutzaktivitäten unterstützen. Diese Aktivitäten sind dringend nötig. Erst am Mittwoch wurde ein neuer Emissions Gap Report des Uno-Umweltprogramms UNEP  veröffentlicht. Dieser legt dar, dass die Welt nur noch eine Billion Tonnen Kohlendioxid ausstoßen darf, wenn sie potenziell katastrophale Folgen des Klimawandels verhindern will. Geht der CO2-Ausstoß darüber hinaus, wird die globale Temperatur im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung um mehr als zwei Grad steigen. Mögliche Folge wären extreme Fluten, massenhafte Dürren und schmelzende Polarkappen. Zudem würden die Meeresspiegel steigen und Hunderte Millionen Menschenleben gefährden (o.V. / SpiegelOnline; o.V. / FAZ.net 2014).

Nicht anpassungsfähig und ausgestorben
Nicht anpassungsfähig und ausgestorben

Die Rettung der Welt darf man sich freilich auch von der Geberkonferenz in Berlin nicht erhoffen. Bereits in der Geberkonferenz in Bali 2007  hatte man einen Anpassungsfonds vereinbart, der mit jährlich 300 bis 500 Millionen US Dollar dotiert war. Diese Summe stellte angesichts der anstehenden Aufgaben aber nur einen Tropfen auf den heißen Stein dar. In Berlin waren die Ambitionen höher: Die jetzt beschlossene Anschubfinanzierung soll ein erster Schritt darstellen, um die Zusagen der Klimakonferenz von Kopenhagen 2009 umzusetzen. Hier hatten die Industriestaaten zugesagt, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen bereitzustellen. Der GCF soll den Großteil dieses Geldes verwalten.

Positiv an der Geberkonferenz in Berlin ist nun zu bewerten, dass neben Großbritannien, Frankreich und Japan auch die USA als einer der größten Treibhaus-Emittenten mit am Tisch saßen. Diese leisten mit bis zu drei Milliarden Dollar auch den höchsten Beitrag. Deutschland sagt Zuschüsse in Höhe von 750 Millionen Euro zu. Großbritannien ist definitiv mit 1,2 Milliarden US-Dollar dabei. Neue Kredite und Zuschüsse wurden u.a. von Panama, Finnland, Neuseeland, die Mongolei und Spanien angekündigt. So brachten rund 20 Staaten Finanzierungszusagen für den GCF von rund 9,3 Milliarden Dollar zusammen.

Klingt zunächst nach viel Geld. Allerdings wurde damit die ursprüngliche Zielmarke von zehn Milliarden Dollar verfehlt, wenn auch nur knapp. Bedenklich ist auch, dass sogar diese zehn Milliarden Dollar von den in Kopenhagen in 2009 angepeilten 100 Milliarden Dollar ein gutes Stück entfernt sind.  Woher das Geld langfristig genau kommen soll, ist unklar.

Interessant ist ebenfalls, dass Russland in Berlin zwar teilnahm, aber keine Finanzierungszusagen machte. China und Indien hatten erst gar keine Vertreter zu der Konferenz geschickt. Verwundern tut’s nicht. Zwar ist China (2013) absolut gesehen mit einem jährlichen Ausstoß von 9.977 Megatonnen der größte Klimasünder dieser Erde (gefolgt von den USA 5.233 Megatonnen). Der Durchschnittschinese nimmt die Atmosphäre allerdings „nur“ mit 7,2 t CO2 pro Jahr in Anspruch, der Durchschnittsamerikaner mit 16 t CO2 pro Jahr okkupiert nahezu das Doppelte  (o.V. / ZeitOnline 2014). Das in seinem Selbstbewusstsein erstarkte China sieht nicht ein, warum es sich durch Restriktionen bei der CO2-Ablagerung in die Atmosphäre in seiner wirtschaftlichen Entwicklung beschneiden lassen soll, während die USA dies offenbar nicht tun.

Das Schlüsselwort, an dem bislang alle Klimaverhandlungen scheiterten, heißt somit „Klimagerechtigkeit“. Jeder Mensch sollte dieselben Rechte an der Atmosphäre haben. Egal, ob im Rahmen von Kyoto oder dem Europäischen Emissionshandel: Die Emissionsrechte sollten nicht mehr wie bisher den größten Verschmutzern aus der Vergangenheit zugestanden werden. Auf diesem besitzstandswahrenden „Grandfathering-System“ sind sowohl das Kyoto-System wie auch der Europäische Emissionshandel gebaut (in Europa bewegt man sich langsam hiervon weg). Chinesen und Inder, die in der Vergangenheit eben einen sehr geringen CO2-Ausstoß pro Kopf hatten, würden bei vollständiger Einbindung in ein Klimaschutzregime, das nach der Grandfathering-Logik funktioniert, ziemlich schlecht wegkommen. Sie müssten sich von den Industrieländern – die den Klima-Schlamassel verursachten – das Recht zur Entwicklung erkaufen. Die Finanzströme würden von Arm nach Reich gehen. Chinesen und Inder wollen dies nicht mit machen und verweigerten sich daher der vollständigen Integration – wie in Kyoto. Allerdings sind gerade diese sich schnell entwickelnden Staaten mit großer Bevölkerungszahl klimapolitisch besonders kritisch. Aus diesem Grunde wurden die betreffenden Länder an der Oberfläche des Kyoto-Abkommens im sog. „Clean Development Mechanism“ eingebunden, das durchaus kritisch gesehen wird (http://carbonmarketwatch.org/).

Wie können v.a. die großen und wirtschaftlich dynamischen Entwicklungs- und Schwellenländer eingebunden werden? Und wie kann man die nötigen Mittel für die Reduktion der CO2-Emissionen aufbringen? Der Forderung nach gleichen Rechten an der Atmosphäre, nach Teilhabe an diesem gemeinschaftlichen Gut, entspricht man am besten mit der Vergemeinschaftung der atmosphärischen Rente. Hierzu sollten zunächst die Verschmutzungsrechte versteigert werden. Die Erlöse könnten in einen Treuhandfonds fließen, der von der UN verwaltet wird (Simonis 2007). Der Einwand hiergegen liegt auf der Hand: Die reichen Staaten würden den Löwenanteil der Verschmutzungsrechte bekommen. Das würde stimmen, wenn man die Auktion nicht mit einem Rückverteilungsmechanismus flankiert (Haas / Barnes 2009). Die Erträge aus der Auktion könnten an die Bürger der teilnehmenden Mitgliedstaaten (ersatzweise an die Staaten selbst) zu gleichen Teilen zurückverteilt werden. Die jeweilige Verteilungsposition hängt vom Ausmaß der Nutzung der Atmosphäre ab: Je höher die Beanspruchung, umso mehr muss ein Land oder ein Wirtschaftsteilnehmer in den Fonds einzahlen und umgekehrt. Mit der Rückverteilung tritt so ein interessanter Anreiz ein:

  • Solche Akteure, die die Atmosphäre in überdurchschnittlichem Ausmaß nutzen (wie die USA, gemessen am Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung), zahlen mehr in den Klimafonds als der durchschnittliche Nutzer ein. Andererseits werden sie nur eine durchschnittliche Rückerstattung erhalten. Ihr Zahlungssaldo ist also negativ.
  • Akteure, die die Atmosphäre unterdurchschnittlich nutzen (wie die Volksrepublik China), bekommen demgegenüber mehr zurück, als sie in den Treuhandfonds einzahlen.
  • Ein Staat, der die Atmosphäre durchschnittlich belastet, bekommt so viel zurück wie er in den Treuhandfonds leistet. Für ihn ergeben sich durch die Existenz des betreffenden Regimes keine finanziellen Auswirkungen.

Jeder Staat hätte einen Anreiz, in eine Nettoempfängerposition zu gelangen. Damit ist gleichzeitig ein Anreiz gesetzt, mit dem Gemeinschaftsgut Atmosphäre effizient umzugehen (und nicht mehr zu beanspruchen, als man unbedingt benötigt). Würde das rückverteilte Geld an die einzelnen Bürger fließen, hätte zudem jeder Bürger auf dieser Welt die finanzielle Möglichkeit, zu gleichen Teilen an der Atmosphäre zu partizipieren. Sollte der Preis der Nutzungsrechte in der Auktion ansteigen (aufgrund einer gestiegenen Nachfrage oder einer Reduktion der ausgegebenen Nutzungsrechte), würden auch die Redistributionszahlungen steigen. Damit könnten auch eine stärkere – klimapolitisch notwendige – Kontingentierung bei der Nutzung der Atmosphäre leichter politisch durchgesetzt werden.

Allerdings werden sich die westlichen Staaten gegen ein solches Redistributionsregime sträuben, denn das Ergebnis wäre ein massiver Finanztransfer von Reich nach Arm. Den westlichen Industriestaaten muss aber klar sein: Business as Usual ist keine Alternative. Es wird in Zukunft auf jeden Fall teurer. Werden die Zahlungen nicht in den Klimafonds geleistet, fallen sie trotzdem an – nämlich in Gestalt höherer Ausgaben zur Bewältigung der Folgekosten des Klimawandels (Stern 2006). Bei den politischen Entscheidern ist dies leider bislang noch nicht angekommen.

Der grüne Klimafonds ist somit sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Man muss aber kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass die in Kopenhagen 2009 angepeilte finanzielle Ausstattung für den Klimaschutz so nicht zustande kommen wird. Und das Schlüsselproblem der Klimadebatten – die fehlende Klimagerechtigkeit – wird durch die Vereinbarung gar nicht erst angegangen.

 

Literatur:

Haas, J. / Barnes, P. (2009): Die Atmosphäre als Gemeingut – Zukunft des Europäischen Emissionshandels, in: Helfrich, S. 7 Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Wem gehört die Welt – Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter, München. Online: https://commonsblog.files.wordpress.com/2008/08/netzausgabe_wem_gehrt_die_welt_2.pdf

o.V. / FAZ.net (2014): Fast 10 Milliarden Dollar für den Klimaschutz, in: FAZ.net vom 20.11.2014. Online: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/gruener-klimafonds-gcf-steht-geberlaender-stellen-9-4-milliarden-bereit-13276936.html

o.V. / SpiegelOnline (2014): Geld für arme Länder: Uno-Klimafonds startet mit Finanzlücke, in: SpiegelOnline vom 20.11.2014. Online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/gruener-klimafonds-geberkonferenz-verfehlt-10-milliarden-dollar-marke-a-1004077.html

o.V. / ZeitOnline (2014): Die größten Klimasünder, in: ZeitOnline vom 23.09. Online: http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-09/klimawandel-klimaschutz-china-usa

Simonis, U. E.  (2007): Strukturmängel und Reformbedarf der Umweltpolitik der Vereinten Nationen, Zeitschrift für Sozialökonomie 44, S. 17-24.

Stern-Review (2006): The Economics of Climate Change. Online: http://mudancasclimaticas.cptec.inpe.br/~rmclima/pdfs/destaques/sternreview_report_complete.pdf

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