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“Nix vor 26!” – Fehlgeleitete Energiepolitik als ein Grund für die Krise am Bau und am Wohnungsmarkt

Dirk Löhr

In einem sehr interessanten Cicero-Interview (8. August 2024, mit Bezahlschranke) wurde der Immobilienunternehmer Stefan Sellschopp über die gegenwärtige Baukrise gefragt. Die Nachfrage steigt, die Mieten steigen, aber das Angebot am Markt will einfach nicht auf die wachsenden Knappheiten reagieren. Warum?

Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass auch in diesem Jahr voraussichtlich nur ca. die Hälfte des von der Bundesregierung ausgerufenen Ziels von 400.000 neuen Wohnungen erreicht wird. Der Wahlspruch der abstinenten Investoren lautet: “Nix vor 26!”

Nach Auffassung von Sellschopp ist die oft bemühte Zinspolitik nicht das entscheidende Bauhindernis. Sellschopp macht vielmehr die verfehlte Energiepolitik der Bundesregierung für die Krise am Bau maßgeblich verantwortlich. Im vorliegenden Blog wurde wiederholt hierüber berichtet.

Denn: Egal ob Glasscheiben, Fensterrahmen mit Aluminiumprofil, Dachpannen – alles ist sehr energieintensiv. Allein im Jahre 2021 stiegen die Erzeugerpreise für Energie zwischen Januar und September um 179 Prozent. Mittlerweile entspannt sich die Lage, allerdings sind die Preise immer noch auf einem sehr hohen Niveau.

Nach Sellschopp reagiert der Wohnungsmarkt nicht auf die wachsenden Knappheiten, weil “weil wir bei einer durchschnittlichen 36-Quadratmeter-Wohnung, die von einer Person bewohnt wird, ein steigendes Auseinanderdriften zwischen Lebenshaltungskosten und Baukosten sehen. Wenn im Vergleich zum Jahr 2000 die Lebenshaltungskosten um 58 Punkte gestiegen sind, die Baugestehungskosten hingegen um 147 Punkte, also fast dreimal so hoch gestiegen sind, dann kann das nicht mehr über Mieten erwirtschaftet werden.” Zudem führt die Klimapolitik zu mehr Auflagen. Beispiel Passivhausstandard: “Das erreicht man durch Dämmung der Dämmung und jedwede Nutzung von Wärmequellen, die man zurück ins Haus führt. Daraus resultiert jedoch ein starker Zuwachs an Technik. Wenn man Kosten der technischen Ausbauwerke vom Jahre 2000 mit dem ersten Quartal 2023 vergleicht, ist ein Anstieg dieser Kosten um 336 Prozent festzustellen. Die Klimaideologie führt also zu einer signifikanten Steigerung der Baukosten. Bezeichnend dafür ist der Schaltkasten im Keller, welcher früher 60 Zentimeter breit und einen halben Meter hoch war. Heute sprechen wir von 2 mal 1,50 Meter. Dort kann man wunderbar die fehlgeleitete Klimaideologie sehen.”

Sellschopp macht folgende Rechnung zu den Baukosten auf: “Die Gestehungskosten liegen gemäß Arge derzeit bei ca. 5.000 Euro je Quadratmeter. Bei einer Annuität, also Zins und Tilgung, sind das 25 Euro je Quadratmeter und Monat. Sogar wenn man annähme, dass der Kreditnehmer nur noch 2 Prozent Annuität mithin 8,3 Euro leistete, müsste irgendjemand die Differenz zu den 25 Euro mithin 16,7 Euro je Quadratmeter und Monat bereitstellen. Bei einer Wohnung von 90 Quadratmetern ist das eine monatliche Subvention von 1.503 Euro. Wer soll das zahlen?”

Geht man von einer bezahlbaren Miete von 8 Euro/qm aus, wäre eine Baukostenreduktion von 3.400 Euro/qm erforderlich. Auch Initiativen wie der “Gebäudetyp E” werden die Problematik nicht lösen. Am Ende werden hier nur bestimmte Ausstattungsmerkmale weggelassen. Diese könnten aber einen Sachmangel darstellen – sofort befindet man sich in der Haftungsfrage.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem besteht darin, dass während der fortdauernden Baukrise Kapazitäten dauerhaft verloren gehen. Auch, wenn die Energiepolitik eines Tages wieder von Vernunft statt von Ideologie geleitet wird, dürfte es schwer werden, die entstandenen Knappheiten aufzufüllen.

Ceterum censeo: Die gesamten planwirtschaftlichen Maßnahmenpakete zur Steigerung der Energieeffizienz sind nutzlos und wohlfahrtsvernichtend. Im besten Falle, wenn also der EU-Alleingang erfolgreich wäre (was derzeit nicht in Sicht ist), sinken die Energiepreise, was dann aber Entwicklungs- und Schwellenländer in die Nachfragelücke springen lässt. Diese Rationalitätenfalle muss aufgebrochen werden – die ökonomische Spieltheorie zeigt Wege dazu. Benötigt wird am Ende ein strikter, sämtliche Sektoren umfassender und integrierender CO2-Handel (Cap & Trade), der um ein Klimageld ergänzt ist. Und benötigt wird ebenfalls ein internationaler Klimaclub, was aber eine entsprechende weltwirtschaftliche Integration voraussetzt, und kein Decoupling (oder verniedlicht “Derisking”).

Mehr Land in öffentliche Hand!

Dirk Löhr

So langsam kämpft sich der Immobilienmarkt aus der Rezession heraus. Verantwortlich für diese waren v.a. ein hohes Zinsniveau und hohe Materialkosten. Hinzu kommen als längerfristig wirkende Hemmnisse überbordende Vorschriften, darunter speziell energetische Anforderungen, die relativ sinnfrei sind (in diesem Blog wurde wiederholt darüber berichtet).

Es dürfte nicht zuletzt der demographischen Entwicklung geschuldet sein (Migration), dass ungeachtet des Einbruchs in der Bautätigkeit die Wohnungsmieten nur eine Richtung kannten und weiterhin kennen: Steil nach oben. In einem funktionierenden Markt wäre als Reaktion mit einem höheren Angebot zu rechnen gewesen – tatsächlich wurde die Zielgröße der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr (davon 100.000 mit Sozialbindung) im letzten Jahr mit weniger als 300.000 neuen Wohnungen in den vergangenen zwei Jahren deutlich verfehlt – auch 2024 besteht keine Aussicht auf Besserung.

Der Hoffnungsschimmer besteht darin, dass die Spitzen von Zinsen und Baukostensteigerungen hinter uns zu liegen scheinen. Das Problem: Viele Bauunternehmen haben den Einbruch nicht überlebt, die Bautätigkeit hat gelitten. Die Kapazität für die notwendige Bautätigkeit ist nicht vorhanden.

Zudem wäre es eine Milchmädchenrechnung anzunehmen, dass die Erleichterungen bei den Finanzierungs- und Materialkosten sich 1:1 in einer höheren Rendite der Investoren abbilden, die dann stimulierend auf die Bautätigkeit wirkt.

Tatsächlich stellen die Bodenwerte eine Restgröße dar, die sich aus der Differenz zwischen den Erträgen aus der Immobilie und den Bau- und Finanzierungskosten ergibt. Eine geringere Belastung durch Bau- und Finanzierungskosten in der Zukunft bedeutet höhere Bodenwerte. Hinzu kommen in einigen Regionen Aufschläge auf die Bodenwerte, die nicht den Ertragserwartungen, sondern eher spekulativen Erwartungen geschuldet sind. Mit anderen Worten: Künftige Erleichterungen bei den Finanzierungs- und Materialkosten dürften in hohem Maße durch weitere Bodenwertsteigerungen aufgefressen werden.

Schließlich steigt latent die Rivalität bezüglich der Nutzungsansprüche mit Blick auf den Boden. Beispielsweise steht der Umwandlung von Agrar- in Bauland die nachhaltigkeitspolitische Zielsetzung der Bundesregierung von weniger als 30 Hektar pro Jahr hingegen. Durch den Klimawandel bedingte Erhitzungen der Städte, Starkregenereignissen etc. muss mit Frischluftschneiden, Grüngürteln und Wasserretentionsflächen begegnet werden. Auch Verdichtungen (z.B. durch Aufstockungen bestehender Gebäude) sind Grenzen gesetzt, z.B. durch die Infrastrukturausstattung.

Die beschriebenen und viele weiteren Nutzungskonflikte kann ein auf Privateigentum basierender Marktmechanismus alleine nicht lösen. Dieser alloziiert die Flächen allein nach Zahlungsfähigkeit (Ökonomen benutzen das ein wenig unglückliche Wort “Zahlungsbereitschaft”). In der Logik des Marktes ist der Park in einer hochpreisigen Umgebung erst einmal Ressourcenverschwendung (Opportunitätskosten), und die Schule hat der Bankfiliale zu weichen.

Hier schlägt die Stunde der Planung: Die Nutzungskonflikte müssen auch nach anderen Kriterien als denjenigen der Effizienz aufgelöst werden. Entsprechend der Leitwerttheorie von Hartmut Bossel (1998) sind beispielsweise auch Versorgung, Gerechtigkeit, Sicherheit, Adaptivität u.a. zu beachten. So sinnvoll der Marktmechanismus bei anderen Gütern ist: Mit Blick auf diese Allokationsaufgabe muss er auf sich gestellt versagen.

Planung alleine reicht aber nicht aus. Sie muss implementiert und nachhaltig abgesichert werden (Dransfeld 2023). Hier kommt das öffentliche – v.a. kommunale – Bodeneigentum ins Spiel. Dieses müsste gegenüber dem Stand heute deutlich erhöht werden. Hierbei könnten Bodenfonds auf Länderebene sowie in den Kommunen eine Schlüsselrolle spielen. All dem steht jedoch ein unzureichendes rechtliches Instrumentarium und fehlende finanzielle Mittel entgegen. Zudem gilt es, das Instrument des kommunalen Erbbaurechts zu stärken: Auf diese Weise können nicht nur die Nutzungen selbst (z.B. über langfristige Sozialbindungen), sondern auch Zwischen- und Nachnutzungen langfristig gesteuert werden. Das Problem: Kommunen wenden Erbbaurechte immer noch wie bei ihrer Einführung von gut 100 Jahren an. Für Investoren ist dies höchst unattraktiv.

Natürlich werden jetzt v.a. Ordnungspolitiker widersprechen. Der Staat soll nicht steuern, sondern v.a. einen Rahmen setzen, innerhalb dem sich die Akteure frei, aber unter der Befolgung der vorgegebenen Regeln bewegen können. Diese Sicht der Dinge gilt jedoch v.a. globale und volkswirtschaftlich. In den untergeordneten Einheiten des Staates (v.a. Kommunen) ist hingegen Maßnahmen- und Prozesspolitik unverzichtbar. So will das Schlagloch in der Straße (öffentliches Gut) repariert werden – die Kommune muss dies unmittelbar tun oder doch zumindest veranlassen. Ähnliches gilt auch für die Wohnungspolitik: Der Markt drängt auf Segregation. Will man Banlieus und Gates communities verhindern, muss die öffentliche Hand aktiv werden und die Durchmischung managen. Dabei muss sie den Marktkräften sogar ein Stück entgegenwirken (allerdings darf sie dabei nicht das Kind mit dem Bade ausschütten).

Die zuletzt genannten Aspekte können vorliegend nicht ausgebreitet werden – es bleibt mehr als genug Stoff für künftige Artikel in diesem Blog.

Literatur:

H. Bossel (1998): Globale Wende – Wege zu einem gesellschaftlichen und ökologischen Strukturwandel, München.

E. Dransfeld (2023): Kommunales Landmanagement als Voraussetzung für eine gemeinwohlorientierte Wohnungsbaupolitik. Zfv 148, S. 342-353

Was kostet die Energiewende? Eine Bierdeckelrechnung

Dirk Löhr

Deutschland möchte bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, sich also dekarbonisieren. Aber was kostet die Energiewende? Genau weiß das keiner. Zwar gibt es Schätzungen und Hochrechnungen. Diese sind aber mit hohen Unsicherheiten behaftet, wenngleich sie teilweise sehr ins Detail gehen und damit eine Genauigkeit vortäuschen, die sie eben nicht haben. Angenehm ist mir daher eine “Bierdeckelrechnung” von André D. Thess von der Universität Stuttgart (Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung) aufgefallen, die ich nachfolgend einmal vorstellen und dabei auch ein wenig modifizieren möchte. Dabei geht es nur um Größenordnungen, nicht mehr. Ein Anspruch auf Exaktheit wird ausdrücklich nicht erhoben. Thess unterscheidet zwischen dem Wärmesektor, dem Stromsektor und der Mobilität, ich nehme noch den Gebäudesektor hinzu.

a) Wärmeesektor
Thess orientiert sich hier an den Kosten, die vor zehn Jahren bei der Stanford University anfielen, nämlich ca. 15.000 €/Kopf. Allerdings hatte die Stanford University ganz andere Bedingungen als die öffentliche Hand hierzulande. Dies betrifft nicht nur Sonne und Klima, sondern z.B. auch Ausschreibungen und andere Regeln. Dies führt dazu, dass die öffentliche Hand bei Bauvorhaben die veranschlagten Kosten regelmäßig deutlich überschreitet. Stuttgart 21 kostet beispielsweise nicht wie ursprünglich geplant 2,5 Mrd. €, sondern 11,5 Mrd. €. Dieses Beispiel ist sicherlich eher extrem; aus anderen Projekten leitet Thess jedoch einen Sicherheitsfaktor von drei ab. Bei der Stanford-Universität ist dieser hingegen nicht zu berücksichtigen; als private Institution kann sie relativ frei und wirtschaftlich agieren. Der Faktor drei ist somit auf die 15.000 €/Kopf anzulegen. Übertragen auf Deutschland ergibt sich damit:

15.000 €/P. x 3 (Sicherheitsfaktor) x 84 Mio. Menschen = 3,8 Bill. €

b) Gebäudesektor
Anders als in der Stanford University gibt es in der EU und in Deutschland aber auch Bestrebungen, mindestens die Gebäude aus den schlechtesten Energieeffizienzklassen zu sanieren. Diese Kosten sind in der “Wärmerechnung” von Thess nur teilweise enthalten. Gehen wir davon aus, dass sich 15 Prozent der 42 Mio. Wohnungen (pro Wohnung 90 qm Fläche) als sanierungsbedürftig angesehen werden, und setzen wir 750 €/qm als Sanierungskosten an (jeder Bausachverständige wird sagen, dass das nicht ausreicht). Hinzu kommen auch noch die öffentlichen und privaten Nichtwohn-Gebäude, die wir aus der Steuerstatistik mit grob 4,5 Mio. wirtschaftlichen Einheiten à 1.000 qm Nutzfläche beziffern. Wir machen keinen Unterschied zwischen Nutz- und Wohnfläche und es werden dieselben Sanierungsquoten und -kosten wie bei Wohngebäuden unterstellt. Für gut die Hälfte der Nichtwohn-Gebäude (öffentlicher Anteil) wird noch ein Sicherheitsfaktor von 3 angelegt.

Damit ergibt sich folgende Rechnung:
Wohngebäude: 0,15 x 42 Mio. x 90 qm x 750 €/qm (= 0,425 Bill. €)
Nicht-Wohngebäude privat: 0,15 x 4,5 Mio. x 0.45 (privater Anteil) x 1.000 qm x 750 €/qm (= 0,228 Bill. €)
Nicht-Wohngebäude öffentl.: 0,15 x 4,5 Mio. x 0,55 (öff. Anteil) x 1.000 qm x 750 €/qm x 3 (Sicherheitsfaktor) (= 0,835 Bill. €)

Insgesamt: 1,488 Bill. €, gerundet 1,5 Bill. €

c) Stromsektor
Hier orientiert sich Thess an der kanarischen Insel El Hierro, die Energieautarkie anstrebte. Die Kosten pro Einwohner beliefen sich zufälligerweise wieder auf 15.000 €/P. Allerdings gibt es hier andere Bedingungen für Wind- und Solarenergie als in Deutschland. Zudem ist kein stromintensives verarbeitendes Gewerbe vorhanden. In El Hierro stellte man trotzdem fest, dass die Speicherkapazität nicht ausreichte. Thess legt angesichts all dieser und weiterer Umstände wieder den Faktor 3 an. Die Berechnung:

15.000 €/P. x 3 (Sicherheitsfaktor) x 84 Mio. P. = 3,8 Bill. €

d) Mobilität
Hier orientiert sich Thess an Opportunitätskosten, die entstehen würden, wenn man fossile Energiequellen durchsynthetische (Fischer-Tropsch-Verfahren) ersetzt. Der Liter Öl wäre (ohne Steuern) um den Faktor 6 teurer als heute. Allerdings berücksichtigt er, dass sich diese Opportunitätskosten innerhalb von 20 Jahren bis auf Null abbauen. Er macht folgende Rechnung auf:

30.000 €/P. und Jahr x 84 Mio. P. = 2,5 Bill. €

Zusammengerechnet ergibt sich:

a) Wärmesektor: 3,8 Bill. €
b) Gebäudesanierung: 1,5 Bill. €
c) Stromsektor: 3,8 Bill. €
d) Mobilität: 2,5 Bill. €
Gesamt: 11,6 Bill. €

Allerdings muss in Rechnung gestellt werden, dass nicht alle Maßnahmen hier und heute durchgeführt werden, sondern sich über ca. 20 Jahre verteilen. Bei einem angenommenen Diskontierungszinssatz von 3% (!) wäre der Barwert eines Euros in 20 Jahren nur ca. 55 Cent, nach zehn Jahren (Mittel) nur ca. 74 Cent. Daher wird zunächst ein Abschlag von 25 Prozent vorgenommen. Ein weiterer Abschlag von 15 Prozent wird aufgrund von unterstellten Steigerungen der Produktivität (Kostensenkungen aufgrund technischen Fortschritts) hinzugerechnet. Mit dem Abschlag von ca. 40 Prozent reduziert sich der o.a. Wert von 11,6 Bill. € auf einen überschlägigen Barwert an Investitions- und sonstigen Aufwendungen von 7 Bill. €. Dies macht ca. 40 Prozent des gesamten Sachvermögens in Deutschland von ungefähr 17,5 Bill. € aus (Zahlen aus 2022) – oder (nicht abgezinst) ca. 350 Mrd. € pro Jahr. Man nähert sich damit den Dimensionen eines Bundeshaushalts.
Pro Kopf der Bevölkerung stellen die Kosten von insgesamt 7 Bill. € gut 80.000 € oder ca. 75 Prozent des Median-Nettovermögens von 106.600 € dar. Bezogen auf jeden Arbeiter und Angestellten, die die Belastung letztlich zu schultern haben, ergeben sich fast 150.000 €.

Würde die geplante Regulatorik beibehalten, würde also der Sachkapitalstock um 40 Prozent abgewertet. Um dies zu verhindern, müsste jeder Arbeitnehmer in den kommenden 20 Jahren ca. 150.000 Euro aufbringen, dies sind ca. 7.500 € pro Jahr. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen in Deutschland liegt bei ca. 25.000 € pro Jahr. Die Reallohnminderung durch zusätzliche Abgaben und höhere Energiekosten würde also ca. 30 Prozent betragen müssen, wenn die Dekarbonisierungsziele erreicht werden sollen. Akzeptiert dies die Gesellschaft?

Die erneuerbaren Energien (Wärme- und Stromsektor) im engen Sinne machen ca. 65 Prozent der oben errechneten Gesamtkosten aus (s. obige Rechnung). Bei Kosten für eine Kugel Eis von 2 € (und unterstellter grober Identität der Anzahl von Haushalten und Arbeitnehmern) sind dies ca. 200 Kugeln Eis pro Monat und Haushalt. Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin veranschlagte die Kosten der Erneuerbaren Energien im Jahre 2004 auf eine Kugel Eis pro Monat und Haushalt.



Energetische Gebäudesanierung: Suffizienz wird schon gelebt!

Dirk Löhr

In diesem Blog wurde schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Bestrebungen der EU wie auch von Teilen der Bundesregierung zur energetischen Gebäudesanierung zu einem erheblichen Teil redundant und überflüssig sind. Der Emissionshandel, der im Rahmen des EU ETS 2 ab 2027 auch für Gebäude gelten wird, ist als Leitinstrument ausreichend. Auf dieser Basis können die Eigentümer von Gebäuden selbst entscheiden, ob und – wenn ja – welche Art von Sanierung sich lohnt. Administrative Vorgaben, die v.a. in peripheren Regionen leicht zu wirtschaftlichen Totalschäden führen könnten (wenn die Sanierungskosten in keinem Verhältnis zum Gebäuderestwert stehen) könnten so vermieden werden.

Die grundsätzliche Beschränkung auf das Leitinstrument Emissionshandel wäre im Übrigen auch ein Beitrag zu den ökologischen Strategien der Effizienz und Suffizienz. Bestätigt wird dies ein weiteres Mal durch einen Beitrag von Daniel Stelter im Handelsblatt vom 14.04.2024. Stelter bezieht sich dabei auf mehrere Studien (v.a. mit Bezug auf Großbritannien), nach denen sich der modellierte Energieverbrauch gemäß Energieeffizienzklasse erheblich vom tatsächlichen Energieverbrauch unterscheidet (zu den Studien s. den Anhang). Die am wenigsten energieeffizienten Häuser verbrauchen deutlich weniger, energieeffizientesten Häuser deutlich mehr Energie als von den Modellen behauptet.

Stelter: “Im Vereinigten Königreich haben Studien gezeigt, dass der gemessene Gasverbrauch über alle Energieeffizienzklassen hinweg fast immer innerhalb des für Klasse C unterstellten Bereichs liegt. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen modelliertem und tatsächlichem Verbrauch in der schlechtesten Energieklasse. Der tatsächliche Energieverbrauch der Klasse G liegt ungefähr auf dem Niveau der Klasse C und nur wenig höher als in den Klassen A und B. Erzwingt man hier also eine Sanierung, dürfte sich am Energieverbrauch wenig ändern.”

Mit anderen Worten: Die Bewohner wenig energieeffizienter Wohnungen verhalten sich schon heute suffizient. Sie ziehen sich einen Pullover an oder heizen bestimmte, wenig genutzte Räume nicht mehr.

Ein ernsthaft umgesetzter CO2-Handel auch für das Gebäudesegment würde die entsprechenden Anreize noch verstärken, das Klimageld gleichzeitig für einen sozialen Ausgleich sorgen. Dies umzusetzen wäre die Aufgabe der Politik, nicht kleinteiliges Mikromanagement!

Anhang: Bezugnahme auf Studien über den Energieverbrauch

J. Few et al. (2023): The over-prediction of energy use by EPCs in Great Britain: A comparison of EPC-modelled and metered primary energy use intensity. Energy and Buildings Vol. 288. https://doi.org/10.1016/j.enbuild.2023.113024

M. Lees (2023): Why misleading EPC ratings are a national scandal. The Times, 27.02. Online: https://www.thetimes.co.uk/article/why-misleading-epc-ratings-are-a-national-scandal-ztc5ss2b0

M. Kumar (2023): Behind the scenes: Our resonse. Medium, 4. März. Online: https://madhuban-kumar.medium.com/behind-the-scenes-our-response-453c7d7b82ec

Baulandmodelle: Kommunaler Zwischenerwerb mit Erbbaurecht?

Dirk Löhr

Das Erbbaurecht erlebt eine Renaissance. Immer mehr Kommunen sind bestrebt, auch bei Zwischenerwerbsmodellen der Baulandentwicklung die Grundstücke über Erbbaurecht abzugeben. Ausschlaggebend sind hierfür zumeist soziale und städtebauliche Motive. Anders als bei herkömmlichen Sozialbindungen kann beim Erbbaurecht z.B. die Sozialbindung über die gesamte Vertragsdauer des Erbbaurechts aufrechterhalten werden (BGH, Urt. vom 08.02.2019, Az.: V ZR 176/17). Zudem kann nicht nur die Nutzung des betreffenden Grundstücks selbst, sondern auch die Zwischen- und die Nachnutzung gesteuert werden. Bei entsprechend großflächigen Vergaben über Erbbaurechte sind auch gesamthafte Überplanungen nach Ablauf der Vertragsdauer möglich. Die zuletzt genannten Aspekte sind nicht nur für Wohnbaugebiete, sondern auch für Gewerbeflächen interessant. Gewerbegebiete, die sich im Laufe der Zeit problematisch entwickelt haben, sind keine Einzelfälle.

Bei der Vergabe von durch die Kommune neu erschlossenen Baugrundstücken über Erbbaurecht ergibt sich allerdings ein zentrales Problem: Die Kommune musste mit der Entwicklung und Zwischenfinanzierung in Vorleistung treten. Dies erfordert oftmals neue Schulden, oder verhindert zumindest den Abbau von Altschulden. Das investierte Geld muss aber wieder hereingeholt werden. In einigen Bundesländern wacht die Kommunalaufsicht streng darüber – das gilt insbesondere bei Kommunen, die sich in Haushaltsschieflagen befinden.

Ähnliche Überlegungen gelten nicht nur für den Zwischenerwerb, sondern auch für andere Situationen, die mit einem kommunalen Durchgangserwerb korrespondieren (z.B. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen – s. hierzu F. Thiel, Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen mit Erbbaurecht – ein bodenpolitisches Traumpaar, GuG 2/2023).

Die aus den Erbbauzinsen eingenommenen Zahlungsströme sind nun oftmals zu gering, um die Kosten der Baulandentwicklung in überschaubaren Zeiträumen abdecken zu können. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, warum Kommunen zumeist die Veräußerung wählen (oder von der Kommunalaufsicht auf diesen Weg gedrängt werden).

Allerdings gibt es einen Weg, um dieser Problematik zu begegnen: Der Erbbauzins darf dann nicht mehr in laufenden Raten kontinuierlich bezahlt werden, sondern muss in kapitalisierter Form in einem Einmalbetrag abgelöst werden.

Der Vorteil für den Investor besteht in vorteilhafteren Beleihungskonditionen – die Vorauszahlung des Erbbauzinses in kapitalisierter Form ähnelt einem Kaufpreis für das Grundstück. Allerdings wird der Investor nur zwischenzeitig, nicht aber endgültig von Aufwertungen des Standortes profitieren können, da ja das Grundstück i.d.R. nach Ablauf des Vertrages wieder an die Kommune zurückfällt (bedingte Ausnahmen sind die Verlängerung oder Erneuerung).

Die Kommune hingegen hat langfristig Zugriff auf das Grundstück und kann die o.a. Bindungen durchsetzen. Allerdings muss sie sich klar darüber sein, dass der kapitalisierte Erbbauzins regelmäßig unterhalb eines Verkaufspreises liegen wird.

Das Beispiel China, in dem für städtische Grundstücke die Einmalzahlung des (kapitalisierten) Erbbauzinses üblich ist, zeigt zudem, dass bei Vorab-Einmalzahlungen an die Stelle der Spekulation mit Baugrundstücken die Spekulation mit Erbbaurechten treten kann. Diese Gefahr ist allerdings umso geringer, je weitreichender die Sozialbindungen sind und je kürzer die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages ist (Erbbaurechte an Gewerbegrundstücken haben i.d.R. eine deutlich kürzere Vertragslaufzeit als solche an Wohngrundstücken). Üblich sind ohnehin Zustimmungsrechte des Erbbaurechtgebers (Kommune) beim Verkauf eines Erbbaurechts; ebenfalls sind Vereinbarungen über einen zukünftigen Verkaufspreis denkbar, wenngleich bislang unüblich (zu denken ist in Anlehnung an das Münchner Verfahren die Orientierung am Verkehrswert für Volleigentum abzüglich eines Abschlags).

Die Beispiele zeigen: Auch, wenn der Wind der Refinanzierungslasten den Kommunen ins Gesicht bläst, kann das Erbbaurecht als Gestaltungsvehikel der Bodenpolitik auch im Durchgangserwerb in Betracht gezogen werden.

Immobilienbesteuerung – Sinn und Unsinn

Dirk Löhr

Zu Gast im Immoblick (Blog des Deutschen Vereins für Vermessungswesen) diskutierte ich mit Peter Ache und In dieser Folge begrüßen Peter Ache (Leiter des AK Immobilienbewertung des DVW e.V.) und Robert Krägenbring (Immobilien- und Bewertungsexperte) über Sinn und Unsinn der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer. 

Dabei wurde auch ein Blick auf die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz geworfen, die insofern das Potenzial »einer Bombe« hat, als sie mit Blick auf die Kritik an den Bodenrichtwerten das gesamte Bewertungswesen in Deutschland infrage stellen kann. Das Gericht hat die Vollziehung zweier Grundsteuerwertbescheide gestoppt, die nach den neuen Bewertungsregeln erlassen wurden. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen des Bundesmodells. In diesem Blog wurde schon im Dezember 2023 hierzu ausführlich Stellung bezogen. Ich plädiere außerdem für die Schaffung eines Oberen Gutachterausschusses Bund, der die Daten für alle sammelt und bereitstellt. Zum Podcast (bitte klicken)

Kommt der “Bau-Turbo” ins Stocken?

Dirk Löhr

Der Wohnungsbau bleibt weit hinter den von der Bundesregierung gesteckten Ziele zurück. So wurden 2023 nur 270.000 statt der geplanten 400.000 Wohnungen fertiggestellt. Die “Baukrise” hat unterschiedliche Ursachen. Hohe Zinsen, die gestiegenen Baukosten und mangelnde Baulandverfügbarkeit bilden ein giftiges Gemisch. Das Bundesbauministerium möchte die Baulandverfügbarkeit durch die Einführung eines neuen § 246e BauGB erhöhen. Es erklärt auf seiner WebSite: “Das BMWSB hat hierzu eine innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Formulierungshilfe erarbeitet, die in der 46. Kalenderwoche Gegenstand einer Länder- und Verbändebeteiligung war.

Kern des Gesetzentwurfs ist die Einführung eines neuen § 246e BauGB. Die Vorschrift dient der Umsetzung des am 25. September 2023 von der Bundesregierung im Rahmen des “Bündnisses bezahlbarer Wohnraum” verabschiedeten Maßnahmenpakets für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft. Als Teil dieses Pakets ist vorgesehen, dass der Bund in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten den Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle vereinfachen und beschleunigen und hierzu in Anlehnung an § 246 Absatz 14 BauGB eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 befristete Sonderregelung schaffen wird. Entsprechendes ist auch im Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern vom 6. November 2023 vorgesehen.

Die vorgeschlagene Regelung findet entsprechend dem Beschluss der Bundesregierung in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Anwendung, die nach § 201a BauGB bestimmt sind.

Gegenstand der Abweichung können sein: 

  • die Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
  • die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
  • die Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

Zur Wahrung der kommunalen Planungshoheit wird wie bei § 31 Absatz 3 nicht nur ein Einvernehmen, sondern eine Zustimmung der Gemeinde gefordert.

Im Außenbereich soll die Neuregelung nur auf Vorhaben Anwendung finden, die im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilen sind.”

Die Reaktionen in der Länder- und Verbändebeteiligung (46. Kalenderwoche 2023) waren überwiegend ablehnend. Auf der WebSite des Bundesbauministeriums sind die Stellungnahmen einsehbar. Jenseits hiervon, aber stellvertretend für die Kritik ist der gemeinsame gegen das Gesetzesvorhaben gerichtete Appell von Bundesarchitektenkammer (BAK), dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA), Architects for Future, anderen Umwelt- und Sozialverbänden sowie der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft als Lektüre zu empfehlen (bitte anklicken). U.a. wird kritisiert, dass der geplante § 246e BauGB nicht den riesigen Bauüberhang (Differenz zwischen genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen) adressiere, der großes Potenzial für die Schaffung von Wohnraum auf schon genehmigtem Bauland biete. Es wird die Parallele zum § 13b BauGB gezogen, der im Juli 2023 vom Bundesverwaltungsgericht als gegen EU-Recht verstoßend gekippt werden. “Durch die Hintertür” würde nun versucht, eine ähnliche Regelung zu reinstallieren.

Pestel-Studie: Fehlen mehr als 900.000 Sozialwohnungen?

Dirk Löhr

Derzeit geht eine Studie des Pestel-Instituts (“Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland) viral, die von einem Verbändebündnis in Auftrag gegeben wurde, dem der Mieterbund, die Baugewerkschaft sowie andere Sozial- und Branchenverbände angehören. Demnach fehlen mehr als 900.000 Sozialwohnungen in Deutschland. Zentral für dieses Ergebnis ist Tabelle 5 der Studie. Hier wird aufgrund verschiedener Kriterien ein Bedarf ermittelt, der einem Sollbestand gegenübergestellt wird. Immobilienökonom Michael Voigtländer vom IW Köln kritisiert allerdings, dass es sich bei diesem Sollbestand (insgesamt 2 Mio. Sozialwohnungen) um eine politisch gesetzte Größe handele – und damit auch bei dem ermittelten Defizit an Sozialwohnungen. Tatsächlich muten die Ergebnisse wenigstens teilweise merkwürdig an: Hiernach gäbe es in Hamburg und Nordrhein-Westfalen kaum ein Defizit an Sozialwohnungen, wohl aber in Niedersachsen.

Ein anderes Ergebnis der Studie ist ebenfalls interessant und wohl schwerer zu erschüttern: Demnach führt die Subjektförderung (v.a. bei den Kosten der Unterkunft) v.a. in Gebieten mit hohen Wohnungsdefiziten, starker wirtschaftlicher Dynamik, hoher Eigentumsquote und geringem Marktanteil gemeinwohlorientierter Vermieter zu überhöhten Mieten . Die entsprechenden Spielräume hierfür werden durch die Knappheiten eröffnet. Dies macht die Subjektförderung hier entsprechend teuer. Daraus kann geschlossen werden, dass v.a. in angespannten Märkten auch Objektförderung nötig ist, um die Knappheiten zu beseitigen. Für die Subjektförderung wurden in 2023 ca. 20 Mrd. Euro aufgewendet, für die Objektförderung hingegen nur 2,5 Mrd. Euro. Das bemerkenswerte Ergebnis: Es kann nicht um ein Gegeneinander von Subjekt- und Objektförderung gehen; vielmehr muss die Objektförderung in angespannten Märkten überhaupt erst die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Subjektförderung sinnvoll eingesetzt werden kann. Voigtländer kritisiert an der Objektförderung allerdings zurecht, dass sie aufgrund der hohen Anzahl von Fehlbelegungen derzeit wenig sozial treffgenau ist. Dies kann allerdings geändert werden, beispielsweise durch eine periodische Überprüfung der Wohnberechtigung. Hierfür fehlt jedoch derzeit offenbar der politische Wille.

Grundsteuer C: Eine neue Missgeburt?

Dirk Löhr

Ab 2025 können Gemeinden unbebaute, aber baureife Grundstücke mit einem erhöhten Steuersatz belegen, um Druck auf die Bebauung der betreffenden Flächen auszuüben. Nur in Bayern wird diese neue Grundsteuer C nicht eingeführt.

Das Ziel der Grundsteuer C ist durchaus nachvollziehbar. Ein Grundstück kann als eine sog. Realoption angesehen werden, die das Recht, aber nicht die Pflicht vermittelt, das Grundstück zu bebauen. Man bezahlt also nicht nur für zukünftige Bodenerträge, sondern auch für den Wert des “Warten Könnens”. Letzterer ist eine “spekulative Komponente”. Bei hohen Aufwertungserwartungen kann es sogar passieren, dass sich dieser Wert des “Warten Könnens” in den Vordergrund schiebt. Im Falle einer Bebauung ginge der Wert des “Warten Könnens” aber verloren; die Bebauung ergibt jedoch keinen Sinn, soweit die künftigen durch die Bebauung erzielbaren Erträge nicht den Wert des “Warten Könnens” überkompensieren. Die Grundsteuer C zielt nun konkret darauf ab, den Wert des “Warten Könnens” so weit zu reduzieren, dass er keine Hürde für die Bebauung mehr darstellen kann.

Skepsis ist dennoch angebracht: Das historische Vorbild der Baulandsteuer (1961/1962) gilt als gescheitert. Generell ist es keine gute Idee, mehrere Ziele (hier: fiskalische und bodenpolitische) mit nur einem Instrument (hier: Grundsteuer C) erreichen zu wollen. Jan Tinbergen (erster Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaften) hat deutlich gemacht, dass die Wahrscheinlichkeit dann hoch ist, alle Ziele mehr oder weniger zu verfehlen. Die “Tinbergen-Regel” als fundamentale Einsatzregel für wirtschaftspolitische Instrumente wird in der Politik allerdings hartnäckig ignoriert.

Die Zonierung für den Geltungsbereich der Grundsteuer C sowie der anzulegende Steuersatz sind im Rahmen der neuen Grundsteuer C grundsätzlich Sache der Kommunen. Viele Städte haben im Vorfeld der Einführung der Grundsteuer C schon Arbeitsgruppen gebildet. Zwei Problemfelder stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Welche Grundstücke dürfen überhaupt mit der Grundsteuer C belegt werden?
  • Wie hoch muss der Steuersatz sein, damit die gewünschte Mobilisierungswirkung entsteht?

Besonders die zweite Frage erscheint schwierig zu lösen. Für “Spekulanten” interessant sind die Grundstücke mit großen Aufwertungspotenzialen. Doch wie lassen sich diese identifizieren, und mit welchen Verfahren lassen sich die Aufwertungspotenziale ermitteln? Orientiert man sich beispielsweise beim Steuersatz an den Bodenzuwächsen der Vergangenheit, so ist keinesfalls klar, dass diese Bodenwertsteigerungen auch in Zukunft stattfinden werden. Zudem muss der Steuersatz für die Grundsteuer C in jeder Kommune einheitlich festgelegt werden. Hält man sich dabei an durchschnittliche Wertsteigerungen in der Stadt, so würden gerade die interessanten Schlüsselgrundstücke mit überdurchschnittlichem Aufwertungspotenzial nicht adäquat erfasst. Hält man sich an die Grundstücke mit dem höchsten Aufwertungspotenzial, ergibt sich eine Übersteuerung bei den Grundstücken mit geringerem Aufwertungspotenzial. Hier gibt es rechtliche Bedenken bezüglich des Übermaßverbots und des Allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach wirtschaftlich gleiche Sachverhalte gleich und wirtschaftlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu beurteilen sind.

Die Grundsteuer C ist dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, alle ihr unterliegenden Grundstücke zu mobilisieren – und in der Folge die Einnahmen aus der Grundsteuer C versiegen. Handelt es sich bei der Grundsteuer C also um eine verfassungswidrige Erdrosselungssteuer?

Der unten auszugsweise für den Download bereitgestellte Beitrag aus dem Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2-2023 versucht, die gestellten Fragen zu beantworten und auf Auswege aus den skizzierten Dilemmata zu weisen, soweit dies überhaupt möglich ist: