Category Archives: Agriculture

Die Wut der Bauern

Dirk Löhr

Ein Gespenst geht um in Deutschland – nein, es fährt: Traktor. Letzte Woche machten die Bauern mit Blockaden von Straßen und Autobahnzufahrten bundesweit auf ihre Probleme aufmerksam.  

Vordergründig geht es um die Rückführung von sog. Steuerprivilegien für Landwirte (Besteuerung des Diesels und Erhöhung der Kfz-Steuer). Natürlich, die Bundesregierung muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2023 sparen und neue Finanzierungsquellen erschließen. Dabei sollen aber der Gruppe der Landwirte überproportionale Beiträge aufgebürdet werden. Politisch ist dies verständlich – Bauern können kaum mit Abwanderung drohen. Zudem gehören sie nicht zur Kernwählerschaft der Ampel-Parteien.

Für die Beibehaltung der Privilegien wurden Seitens der Interessensvertretung der Landwirte viele Argumente angeführt, gegen die sich jedoch allesamt Einwendungen finden lassen. Beispiele: Die Landwirte befahren mit ihren Traktoren kaum öffentliche Straßen, was die Kfz-Besteuerung in Frage stellt. Hiergegen lässt sich freilich formal einwenden, dass das Prinzip Leistung-Gegenleistung der Besteuerung fremd ist (§ 3 Abs. 1 Abgabenordnung). Mit Blick auf die Privilegierung des Agrardiesels wird auf das (europäische) Ausland verwiesen. . Faktisch ist der deutsche Agrardiesel im europäischen Vergleich schon jetzt – trotz Subvention – einer der teuersten. Bei Abschaffung des Dieselprivilegs läge der Wettbewerbsnachteil gegenüber dem EU-Ausland auf der Hand. Viele Betriebe könnten bei einer Rücknahme des Privilegs leicht mit mehreren tausend bis zehntausend Euro getroffen werden können – Grenzbetriebe können das oft nicht aushalten. Hiergegen wird wiederum eingewandt, dass die Abschaffung des Diesel-Privilegs schon seit vielen Jahren in der Diskussion ist und sich die Bauern auf eine Abschaffung hätten einstellen können (so Prof. Lars Feld). Das Gegenargument: Brauchbare E-Traktoren sind nun mal nicht verfügbar.

Es geht den Bauern jedoch nicht nur um die Rücknahme der Subventionen – vielmehr besteht eine hohe Unzufriedenheit mit den allgemeinen Rahmenbedingungen. Mehr noch: Es geht um ein Demokratiedefizit.

Dennoch: Auch die wirtschaftliche Lage der Landwirte ist problematisch, wenn nicht dramatisch. Dies betrifft nicht nur die Besteuerung, sondern z.B. die Bürokratie, nicht zuletzt in Gestalt von naturschutzrechtlichen Auflagen. Bürokratiebefolgungskosten sind faktisch erhöhte Fixkosten, die regelmäßig (nicht nur in der Landwirtschaft) von größeren Betrieben leichter zu tragen sind als von kleineren.

Ein wichtiger Aspekt wurde bei der Diskussion über die Abschaffung der Subventionen kaum vorgebracht. Ca. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sind gepachtet. Die Eigentümer der Flächen sind teilweise ehemalige Landwirte, die ihren Betrieb aufgegeben haben – aber auch Nicht-Landwirte (darunter auch Investmentsfonds) dürften eine Rolle spielen. So kontrollieren Unternehmensgruppen 11 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen. Dies führt z.T. zu einer „ungesunden Bodenverteilung“, die eigentlich u.a. durch das Grundstücksverkehrsgesetz verhindert werden sollte. Der Osten Deutschlands dürfte hier stärker als der Westen betroffen sein. Wie ungesund jedoch diese Bodenverteilung genau ist, kann niemand genau sagen – der deutsche Grundstücksmarkt ist auch im landwirtschaftlichen Segment sehr intransparent.

Egal ob Unternehmen oder ehemalige Landwirte: Die Grundstückseigentümer haben faktisch eine wirtschaftliche Machtposition inne. Bis zu 40 Prozent ihrer Einnahmen beziehen Landwirtschaftsbetriebe aus Subventionen. Ein hoher Teil hiervon wird als Flächenprämie bezahlt (im Rahmen der Direktzahlungen). Ca. die Hälfte der Agrarsubventionen wird in Gestalt erhöhter Pachten abgeschöpft. Dies bedeutet:

  • Von höheren Subventionen profitieren zu einem erheblichen Teil die Grundeigentümer, nicht die das Land bewirtschaftenden Bauern. Ein hoher Teil der Subventionen landet also nicht bei der Zielgruppe. Dass es nicht noch mehr als oben beschrieben sind, dürfte an Unvollkommenheiten des Pachtmarktes liegen. V.a. die Flächenprämien stützen insoweit die Bodenrenten und könnten zugunsten leistungsbezogener Zahlungen an die Bauern (Landschaftspflege, Umweltschutz) zurückgeführt werden.
  • Umgekehrt würde – längerfristig – eine Rücknahme der Subventionen zum entsprechenden Teil zu einer Reduktion der Pachtzahlungen führen. Kurz- und mittelfristig wäre bei einer Rücknahme der Subventionen allerdings mit erheblichen Anpassungsschwierigkeiten bei den bewirtschaftenden Betrieben zu rechnen.
  • Von den Subventionen profitieren die Bauern also nur insoweit vollständig, als sie zugleich Grundeigentümer sind.

Hier könnte die Landwirtschaftspolitik reagieren, indem sie den Versuch unternimmt, den Anteil der Pachtbauern zu verringern und dafür die Eigentumsquote zu erhöhen. Der Weg dahin ist allerdings steinig, da die Verpächter nicht einfach enteignet werden können (Art. 14 GG). Zudem bleiben klassische Probleme bestehen, wie beispielsweise die Verkleinerung der Betriebe aufgrund von Erbteilungen etc. – was vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Agrarpolitik die Überlebenschancen der verkleinerten Betriebe nicht erhöhen würde.

Die Alternative wäre mehr öffentliches Bodeneigentum, das an die Bauern zu tragbaren Pachtkonditionen abgegeben werden könnte. Hierzu wäre das im Reichssiedlungsgesetz enthaltene Vorkaufsrecht zu stärken. Die Verwaltung der Pachtgrundstücke könnte im Auftrag über gemeinnützige Siedlungsunternehmen ausgeübt werden, damit die staatliche Bürokratie möglichst aus dem Spiel genommen wird. Der Haken: Es dürften schnell Bedenken mit Blick auf Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) und auch Europarecht (Kapitalverkehrsfreiheit) aufkommen.

Der leichter durchführbare, aber auch teurere Weg wäre ein verstärkter Aufkauf von Flächen durch die öffentliche Hand auf dem freien Markt – bei Vergabe der Auftragsverwaltung bei wirtschaftlich tragfähigen Pachtzinsen durch gemeinnützige Siedlungsunternehmen.   

Die Bauern werden jedoch auch noch absatzseitig in die Zange genommen. Die Big Four – Aldi, Netto, Edeka und die Schwarz-Gruppe – zahlen oftmals keine fairen Preise. Die Vorgabe von Mindestpreisen, wie es von der Linkspartei vorgeschlagen wird, ist aber mit Skepsis zu beurteilen.

Auch das Wettbewerbsrecht stößt schnell an seine Grenzen; möglicherweise ist der intensive Wettbewerb zwischen den Supermarktketten ja ein Teil des Problems. Andererseits ist es eben auch richtig, dass die Marktmacht der Big Four mit einem Marktanteil von zusammen 76 Prozent gegenüber den Bauern zu groß ist. Hier bietet sich eigentlich nur der Ausweg an, dass die Bauern mit Gegenmacht reagieren, indem sie ihre eigenen Vertriebsstrukturen stärken und eine Gegenmacht bilden. Doch auch dem sind derzeit aufgrund des Kartellrechts (unerlaubte Preisabsprachen) enge Grenzen gesetzt. Es stellt sich die Frage, ob eine Lockerung an dieser Stelle nicht angemessen wäre – schließlich hat Deutschland ja, verglichen mit den Nachbarländern, ein sehr niedriges Preisniveau bei den Lebensmitteln. Die Deutschen geben mit 11,5 Prozent am verfügbaren Einkommen weniger als die anderen Europäer für Nahrung aus (Frankreich: 13,3 Prozent, Italien: 14,4 Prozent, Polen: ca. 19 Prozent).

Die politische Gemengelage wurde vorliegend gar nicht adressiert.

Es bleibt festzuhalten: Wege sind zu ersinnen, wie die Bauern aus der Zange zwischen den Supermärkten (Nachfrageseite) und den Pachtaufwendungen genommen werden können. Dies wird nicht ohne das Schlachten einiger liebgewonnener heiligen Kühe möglich sein.

Liebe Leser: Haben Sie Vorschläge?

Wegweisendes Urteil gegen den Flächenfraß

Dirk Löhr

Die Baulandkommission hatte sich nicht mit Ruhm bekleckert, als sie in ihrem Abschlussbericht 2019 trotz der im Raum stehenden Europarechtswidrigkeit empfahl, § 13b BauGB befristet zu verlängern. § 13b BauGB erlaubt den Kommunen, Bebauungspläne in einem beschleunigten Verfahren unter Außerachtlassung der durch EU-Recht vorgeschriebenen Umweltprüfungen zu erlassen. Der Sinn der Vorschrift war, eine schnellere Reaktion auf einen steigenden Bedarf nach Wohnraum zu ermöglichen, wie man ihn häufig in den Ballungsräumen infolge von Zuzügen stattfindet. Tatsächlich wurde § 13b BauGB aber offenbar intensiv v.a. von kleineren, ländlichen Gemeinden ohne angespannte Wohnungsmärkte genutzt. Dies ist auch verständlich, wenn man sich die dortige enge Haushalts- und Personalsituation vor Augen hält. Viele größere Kommunen verzichteten hingegen freiwillig auf die Anwendung von § 13b BauGB. Die Verlängerung von §13b BauGB wurde dann mit dem Baulandmobilisierungsgesetz 2021 beschlossen.

Nun stellte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem Urteil (BverwG 4CN 3.22 – Urt. vom 18. Juli 2023) fest, dass § 13B BauGB europarechtswidrig ist und gab damit einer Klage des BUND gegen eine §13b-Bebauung statt. Freiflächen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde dürfen nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden. § 13b BauGB darf wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. 

Das Urteil könnte erhebliche Auswirkungen auf die Flächenneuinanspruchnahme gerade in ländlich strukturierten Gebieten haben.

Hintergründe:

A.-M. Buchmann (2023): BUND-Klage stoppt §13b-Bebauung: Neue Schranke für den Flächenfraß? agrarheute vom 20.08. Online: https://www.agrarheute.com/management/recht/bund-klage-stoppt-13b-bebauung-neue-schranke-fuer-flaechenfrass-610146

Haufe Online-Redaktion (2023): BVerwG: § 13b BauGB nicht mit Europarecht vereinbar. News 19.07. Online: https://www.haufe.de/immobilien/wirtschaft-politik/grosse-regionale-unterschiede-bei-flaechenverbrauch-in-deutschland_84342_347216.html

Hinweis: Landraub (Film)

Dirk Löhr

Es handelt sich um ein Phänomen, dass spätestens seit der Finanzkrise 2008 immer augenscheinlicher geworden ist: Überall auf der Welt wird Ackerland aufgekauft, egal ob in Osteuropa oder in Entwicklungsländern. Bauern und indigene Völker müssen den Profit-Interessen finanzstarker Länder und Investoren weichen.

Aus: Phnom Phen Post, irgendwann in 2011
Aus: Phnom Phen Post, irgendwann in 2011

Auf diese Weise wurde bereits eine Fläche, die etwa halb so groß wie Europa ist, an Agrokonzerne und lokale Oligarchen verkauft oder nahezu zum Nulltarif langfristig verpachtet.

“Buy land, they’re not making it anymore”, wie Mark Twain schon treffend sagte. Eine tolle Anlage für die Schönen und Reichen, Vermögen und den Zugriff auf die Ressourcen auch in Zukunft zu sichern – den Preis dafür zahlen andere.

Der Dokumentarfilmer Kurt Langbein zeichnet in einem neuen Film die Entwicklung des Landraubes nach. Eine Kurzfassung zum Hineinriechen finden Sie hier (Kulturjournal, NDR):

Landraub (bitte klicken)

Der Film startet diese Woche in den deutschen Kinos, in Österreich ist er schon seit dem 18. September angelaufen. Allerdings kann ich mir ein Ceterum censeo nicht verkneifen: Land Grabbing ist Rent Grabbing. Land Grabbing kann man beklagen, wirksam bekämpfen kann man es aber nur mit dem zugrunde liegenden Rent Grabbing.

Im Übrigen unterstützt auch die sog. “Entwicklungszusammenarbeit” die unseelige Entwicklung. Zu den Hintergründen siehe

Das Scheidern der Bodenprivatisierung (bitte klicken)

 

Agrarsubventionen: Wer hat, dem wird gegeben

Dirk Löhr

Wem hat, dem wird gegeben. Zu diesem Schluss muss man gelangen, wenn man sich die Empfänger der Agrarsubventionen ansieht.

Quelle: WDR 5
Quelle: WDR 5

Mittlerweile veröffentlicht nämlich auch Deutschland wieder nach einigem Zaudern die Höhe der EU-Agrar-subventionen im Internet – angeblich stand der Datenschutz dagegen, so die Bundesregierung. Diese wollte offenbar die Daten “schützen”, die die zugrunde liegende Einkommensumverteilungsmaschinerie transparent machen. S. hierzu den Kommentar und den Artikel von Carola Böse-Fischer in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 2. Juni (S. 7):

Agrarsubventionen (bitte klicken)

 

ZDFzoom: Die Macht der Agrarriesen

Dirk Löhr

Ein sehenswerter Beitrag über die Macht der Agrarriesen, ausgestrahlt am 3. Juni im ZDF: Täter oder Wohltäter?

Cargill

Aus dem Begleittext: “Kaum jemand kennt Cargill. Dabei mischt das Unternehmen überall mit: Ob Cornflakes, Katzenfutter, Schokolade oder Weizenmehl. Der US-Konzern kauft und verkauft weltweit Agrarrohstoffe. Doch Cargill wird vorgeworfen, die lokale Landwirtschaftsproduktion zu zerstören. Wer ist der geheimnisvolle Rohstoffriese? Dieser Frage gehen zwei französische Reporter für ZDFzoom nach.Die Dokumentation zeigt, mit welchen Methoden Cargill weltweit arbeitet. Bei ihrer Spurensuche treffen die Autoren auf betrogene Bauern und auf Wissenschaftler, die vor einer massiven Umweltzerstörung warnen. Eindrucksvoll zeigen die Autoren, wie etwa der Anbau von Soja in Brasilien die Landschaft verändert, und Monokulturen den Lebensraum der Bewohner bedrohen. Nach langem Zögern nimmt auch Cargill Stellung zu den Recherchen und weist die Vorwürfe zurück.” Zur Sendung:

Täter oder Wohltäter (bitte klicken)

Bauernlegen: Steigende Pacht- und Landpreise zerstören bäuerlichen Mittelstand

Dirk Löhr

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) in einem Artikel von Carola Böse-Fischer

Ackerland wird für Bauern zu teuer (bitte klicken)

vom 21. Mai berichtet, wird die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Flächen für immer mehr Bauern zu einem ernsthaften Problem. Der Grund ist der hohe Anstieg von Pachten und Preisen.

Kaufpreisentwicklung landwirtschaftlicher Nutzflächen (Quelle: HAZ)
Kaufpreisentwicklung landwirtschaftlicher Nutzflächen (Quelle: HAZ)

Der Artikel der HAZ nennt allerdings nicht alle Gründe hierfür. Richtig ist, dass die Konkurrenz mit Veredelungsbetrieben (Tierprodukte) eine große Rolle spielt. Aber eben auch mit durch das EEG geförderten “Energiebauern”. Und dann wird zu Recht kritisiert, dass die “Shareholder-Landwirtschaft” angesichts der Niedrigrenditen auf dem Kapitalmarkt einen immer größeren Beitrag zum modernen “Bauernlegen” leistet – also “Investitionen” in den Faktor Boden. “Land-Grabbing” gibt es nämlich auch in Deutschland – auch hier ist es im Wesentlichen “Rent-Grabbing”. Schließlich wird die landwirtschaftliche Fläche auch dadurch immer mehr verknappt, dass pro Tag ca. 70 Hektar Agrarland in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt werden – dies bringt sowohl für Grundstückseigentümer als auch für die planungsverantwortlichen Kommunen höhere Einnahmen. So stirbt nach und nach die mittelständische konventionelle Landwirtschaft – von einer größeren Rolle der Biobauern kann man ohnehin nur träumen.

Und wie reagiert die Politik? Im Prinzip nicht anders als bei der parallel laufenden Entwicklung auf den Wohnungsmärkten: Nach dem Motto “ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt” (s. unseren Blogbeitrag “Pippi-Langstrumpf-Politik der GroKo: Mietpreisbremse und Bestellerprinzip” vom 28.2.2015) wird z.B. von der rot-grünen Landesregierung Niedersachsens wieder einmal über eine “Pachtpreisbremse” und Beschränkungen des Grundstücksverkehrs gesprochen. Dies ist eine weitere konzeptionell-intellektuelle Bankrotterklärung – diesmal im Agrarbereich.

Flüchtlingsdrama im Mittelmeer: Wie die EU die Fluchtursachen schafft (Monitor, ARD)

Monitor (ARD)

“Fluchtursachen bekämpfen!” Dies ist die zentrale Forderung europäischer Spitzenpolitiker als Reaktion auf das Massensterben von Flüchtlingen im Mittelmeer – derselben Politiker, die diese Fluchtursachen zu verantworten haben. Was nämlich verschwiegen wird: Schuld an dem tausendfachen Tod ist auch die Handels- und Agrarpolitik der EU und Deutschlands, durch die hunderttausende Bauern und Fischer ihre Lebensgrundlage verloren haben. Statt hier eine Kehrtwende zu vollziehen, wird diese fatale Politik noch durch neue Handelsabkommen intensiviert, welche die Entwicklungsländer noch weiter an den Rand drängen werden. Hierzu s. die Reportage von Monitor (ARD, 30.04.):

Flüchtlingsdrama im Mittelmeer: Wie die EU Fluchtursachen schafft, statt sie zu bekämpfen (bitte klicken)

… und wenn sie dann bei uns ist, müssen die Flüchtlinge aufpassen, dass braune Dumpfbacken ihnen nicht die Bude über den Köpfen abbrennen.

China: Die fetten Jahre sind vorbei

Dirk Löhr

“Wo eine Mine ist, da ist auch Korruption”. Fette Erträge, die die Aufwendungen der Rohstoffförderung weit übersteigen (auch, weil viele Kosten auf die Allgemeinheit und die Minenarbeiter abgewälzt werden): Das sind ökonomische Renten. Durch sie (nicht durch Zins und Zinseszins) wurden nicht nur die russischen, sondern auch die chinesischen Oligarchen in kurzer Zeit steinreich. Neben Immobilienspekulation ist ein weiteres Spielfeld eben die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen. Die Jagd nach ökonomischen Renten ist eine wesentliche Triebfeder der Korruption, wie  der Beitrag im Auslandsjournal vom 4. März eindrucksvoll illustriert:

Die fetten Jahre sind vorbei (bitte klicken)

Oder, einprägsamer formuliert: Rent seeking bedingt State capture. Dabei ist das Einparteiensystem in China wesentlich anfälliger als das westliche, auf Check and Balance of Power ausgerichtete politische System. Dies zeigt Hong Kong, das aus der Zeit der britischen Herrschaft heraus in Puncto Korruption vorbildlich war und nun um diesen Ruf zu kämpfen hat. Die auf Korruptionsbekämpfung ausgerichtete Politik von Premier Li Keqiang dient dabei nicht zuletzt auch dazu, missliebige Konkurrenten kalt zu stellen. Politische und wirtschaftliche Konkurrenten, die bei der Monopolisierung der Quellen des Reichtums durch wenige Clans lästig werden könnten.

Beim nun beginnenden Volkskongress dürfte es interessant werden: Li bezichtigte das chinesische Wirtschaftssystem zuvor der Ineffizienz. Auch die Korruption wird in diesem Zusammenhang – zu Recht – wieder angeprangert. Zudem steht das Finanzsystem auf wackligen Füßen, eine Vermögenspreisblase lastet wie eine dunkle Wolke über der chinesischen Volkswirtschaft und droht zu platzen. Die Wachstumsraten sinken. Im Vorfeld des Volkskongresses wurde bekannt, dass die chinesische Regierung auf mehr Umweltschutz und mehr Militär setzt. Ein Programm mit keynesianischen Zügen – das Aufrüstungsprogramm ist wohl auch als Kind der jüngst wieder neu entbrannten Konflikte um Bodenschätze (mit Vietnam und Japan) sowie den Einkreisungsängsten Chinas gegenüber den USA zu verstehen (deren Einfluss oder direkte Militärpräsenz reicht von zentralasiatischen Staaten über Afghanistan bis Pakistan, Indien, Thailand, Vietnam, die Philippinen, Südkorea und Japan).  Immer wieder spannend ist auch, ob China am bisherigen System des formalen Eigentums des Staates am städtischen Grund und Boden festhält (die Bodenrenten können ja heute schon privatisiert werden), und ob das kollektive System des Eigentums an landwirtschaftlich genutzten Flächen noch weiter durch industriell bewirtschafteten Großgrundbesitz nach westlichem Muster ersetzt wird. Werden für ein Fünftel der Menschheit Weichen neu gestellt? Die kommenden Tage dürften spannend werden.