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Kalter Krieg: Wem gehört der Nordpol?

Dirk Löhr

Die Idee der Nation und die Idee des Privateigentums entstanden fast zeitgleich – das ist kein Zufall. Es geht beides Mal auch um die legale (!?) Okkupation  von Territorien. Manchmal fällt beides zusammen, wie bei der Privatkolonie des belgischen Königs Leopold II im Kongo um die Wende zum 20. Jahrhundert. Später folgte das sog. “Völkerrecht” genau derselben “Logik der Zaunpfähle”.

Derzeit wird diesbezüglich ein neues Kapitel aufgeschlagen. Grund ist der Klimawandel: Das Eis des Nordpols schmilzt. Darunter befinden sich erhebliche Rohstoffvorkommen, die bald der Ausbeutung zugänglich sind.

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Quelle: Tagesschau (ARD) vom 15.12.2014 19:12 Uhr

 

Bis zu 90 Milliarden Barrel Öl und 47 Billionen Kubikmeter Gas sollen in der Region schlummern, schätzt der US Geological Survey, eine wissenschaftliche Behörde des US-Innenministeriums (o.V. / HAZ 2014). Dies dürfte rund ein Viertel der bislang unentdeckten Öl- und Gasvorräte darstellen, womit denen man die komplette Weltwirtschaft mindestens drei Jahre lang versorgen könnte. Dazu kommen Gold, Zink, Kupfer, Eisenerz und zahlreiche seltene Mineralien sowie bislang unerreichbare Fischgründe. Ein weiterer Aspekt: Die Schiffsrouten etwa von Europa über Russland nach China oder Japan würden sich deutlich verkürzen. So ist der Nordpol ein ökonomisch und strategisch höchst interessantes Gebiet.

Prompt rammte schon 2007 ein russisches U-Boot medienwirksam eine Russlandflagge auf den Meeresgrund der Arktis. In Russland stehen die Staatskonzerne Gazprom und Rosneft schon in den Startlöchern (o.V. / rp-online 2014).

Doch Russland steht mit seinen Ansprüchen nicht allein: Ein weiterer Anwärter auf den Pol ist Kanada, das wiederum von den USA in seinen Ansprüchen unterstützt wird. Kein Wunder: Unter anderem haben sich BP, Exxon und Imperial Oil Ansprüche gesichert und bereits geologische Tests unternommen.

Kanada lieferte sich übrigens schon 2004 heftige Konflikte mit dem dritten Aspiranten, dem NATO-Partner Dänemark, um die Hans-Insel. Abwechselnd hatten dort 2004 die kanadische und die dänische Marine die Nationalflagge des jeweiligen Gegners ab- und die eigene aufgehängt. Schließlich schickte Kanada sogar ein Kriegsschiff und Hubschrauber – doch geklärt ist die Sache bis heute nicht (o.V. / HAZ 2014).

Entsprechend der geltenden völkerrechtlichen Lage stehen die Ansprüche hinsichtlich des Nordpolsfür Kanada allerdings schlecht: 2013 hatten dies auch kanadische Forscher festgestellt. Premierminister Stephan Harper ließ den betreffenden Report daraufhin in der Tonne landen und wies seine Wissenschaftler an, noch mal neu zu rechnen.

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Quelle: Wikimedia

Nun prescht Dänemark im Rennen um den Nordpol noch einmal nach vorne und will belegen, dass ihm fast der ganze Nordpol gehört. Dänemerk hat bereits einen entsprechenden Antrag auf Anerkennung bei den Vereinten Nationen in New York eingereicht. Zentral geht es dabei um Grönland, das als teilautonomes Gebiet zu Dänemark gehört. Weil es noch keine internationale Einigung über die territoriale Aufteilung des Gebiets gibt, gilt die UN-Seerechtskonvention. Hiernach dürfen Staaten innerhalb einer Zone von 200 Seemeilen (rund 370 Kilometern) vor ihren Küsten die natürlichen Ressourcen ausbeuten. Kompliziert wird es dadurch, dass diese Zone vom Kontinentalsockel weg gemessen wird. Vom grönländischen Festlandsockel aus gemessen ist die Entfernung zum Nordpol vergleichsweise gering. Kopenhagen kann also tatsächlich formalen Anspruch auf den Großteil des begehrten Areals erheben, das mehr als 20-mal so groß wie Dänemark selbst ist. Hierfür haben dänische Wissenschaftler mehr als 12 Jahre lang Daten in den schwer zugänglichen nördlichen Gebieten Grönlands und auch der Schafsinseln gesammelt. Dänemark nahm die Kosten von umgerechnet 44 Millionen Euro in Kauf – die Sache ist zu bedeutend, als dass die Geltendmachung der Ansprüche an Kosten scheitern sollte. Allerdings tritt Dänemark gegen zwei Elefanten – Russland und die USA – an. Ob es auf dem Parkett der internationalen Politik tatsächlich seine Ansprüche durchsetzen kann, ist höchst fraglich. Macht formt Recht.

Doch selbst wenn: Ist dieses Recht auch legitim? Oder ist es nicht vielmehr ein antiquierter Zustand, dass ein Staat – auf welcher Grundlage auch immer – natürliche Ressourcen exklusiv (und zugunsten seiner Industrie) in Anspruch nehmen und den Rest der Menschheit hiervon ausschließen kann? Wird mit dieser Unkultur der Landnahme nicht im Extremfall sogar die Gefahr eines militärischen Konfliktes heraufbeschworen?

Der Nordpol stellt insoweit auch eine Chance dar: Für eine Abwendung von einer Ursünde der Menschheit, nämlich der (gewaltsamen) Landnahme. Der Nordpol könnte nämlich auch als gemeinsames Erbe der Menschheit betrachtet und der UNO treuhänderisch übergeben werden. Die Erträge aus den Konzessionsgebühren könnten für die gesamte Menschheit nutzbar gemacht werden. Wenn man die Zustimmung von Russen, Kanadiern und Dänen mit größeren Anteilen dabei erkaufen muss, dann soll das so sein.  Ein solches Regime gemeinsam verwalteter Ressourcen wäre allerdings ein Bruch mit dem bisher geltenden Völkerrecht. Dieses ist allerdings genauso antiquiert wie das Konzept der Privateigentum und das der Nation.

Es ist Zeit für ein Umdenken: Wo bleiben die weitsichtigen Politiker, die auf der internationalen Bühne einen Vorstoß in diese Richtung wagen?

 

Mehr Informationen:

o.V. / HAZ (2014): Der Kalte Krieg, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung (Ressort POLI) vom 17. 12., S. 4.

o.V. / rp-online (2014): Analyse: Der Kampf um den Nordpol, in: rp-online vom 17.12. Online: http://www.rp-online.de/politik/der-kampf-um-den-nordpol-aid-1.4745600

Ölpreisentwicklung und Klimaschutz: Fatale Marktsignale

Dirk Löhr

Es erscheint pervers: In einer Zeit, in der der Weltklimarat auf sofortiges Handeln drängt, um die Klimaerwärmung noch in den Griff zu bekommen (o.V. 2014), gehen von den Energiemärkten entgegengesetzte Signale aus. Und dies v.a. für die größte Volkswirtschaft der Welt und ihren zweitgrößten CO2-Emittenten, die USA. So fielen am Montag, den 3.11., die Ölpreise auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Der Grund: Saudi-Arabien senkte überraschend den Preis für seine Erdölexporte in die USA.

In unserem Blogbeitrag „Ölpreis: Abschwung oder Komplott?“ haben wir über die Gründe für diese Dumpingpolitik der Saudis gerätselt. Mittlerweile scheint aber ein wenig Licht ins Dunkel zu kommen: Anscheinend ist Saudi-Arabien v.a. darauf aus, seinen Marktanteil in den USA zu behaupten (Friedman et al. 2014) – vor dem Hintergrund der immer bedeutsamer werdenden Schieferölproduktion in den USA.

Book Cliffs - Ölschiefergestein in West-Colorado, USA
Book Cliffs – Ölschiefergestein in West-Colorado, USA

Die Saudis bilden sich zwar offenbar nicht ein, die Schieferölproduktion der USA mit ihrer Politik stoppen zu können. Solange der Preis pro Barrel nicht unter 70 Dollar fällt, dürfte die Produktion in den USA nicht gedrosselt werden (allerdings wird die Politik der Saudis sich auf die Performance der US-Ölunternehmen auswirken). Dennoch hoffen die Saudis, für US-Raffinerien einen entsprechend großen Anreiz für den Bezug ihres Öls zu bieten.

Alles in allem gehen also fatale Signale von einem vermachteten Markt aus, der Knappheiten und auf Umwelt und Mensch ausgelagerte Belastungen nicht richtig widerspiegelt. Nun kommt es darauf an, wie lange die Saudis diese Politik fahren können und wollen. Sollte die eingeschlagene Strategie von längerer Dauer sein, dürfte es noch schwerer als bisher werden, die USA als zuverlässigen Verbündeten gegen den Klimawandel mit ins Boot zu nehmen.

 

Mehr Information:

Friedman, N. / Faucon, B. / Said, S. (2014): Saudi-Arabiens Ölpreis-Rabatt stellt Märkte auf den Kopf, in: Wall Stree Journal vom 4.11. Online: http://www.wsj.de/nachrichten/SB11186790908283423711204580255480929713748

o.V. (2014): Weltklimarat drängt auf sofortiges Handeln, in: Sueddeutsche.de vom 2.11. Online: http://www.sueddeutsche.de/wissen/temperaturwandel-weltklimarat-draengt-auf-handeln-gegen-erderwaermung-1.2200829

Ölpreis: Abschwung oder Komplott?

Dirk Löhr

Innerhalb weniger Wochen ist der Ölpreis mehr als 20 Prozent gefallen. Die einen sehen hierin Vorboten eines drohenden Abschwungs, der die EU, China und die USA zeitgleich erfassen könnte.

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Die anderen mutmaßen, dass dieser Abschwung politisch gar nicht ungelegen kommt – bringt er doch v.a. Russland und Venezuela (die politisch und wirtschaftlich eng zusammen arbeiten) sowie den Iran in die Bredouille.

Die Saudis, Oman und Kuwait hingegen kommen mit einem niedrigen Ölpreis gut klar – sie können möglicherweise sogar ihren Marktanteil ausweiten. So drosseln die Saudis trotz der sinkenden Marktpreise ihre Förderung nicht. Der Sprecher der staatlichen Ölgesellschaft Rosneft, Michail Leontjew, spricht von einer politischen Manipulation der Preise. Dass die Saudis mit ihrer Schutzmacht USA eng kooperieren, ist kein Geheimnis. Unplausibel wäre eine Preismanipulation also nicht, sondern vielmehr die immerwährende Wiederkehr des Gleichen: Geostrategie und Ressourcen als Treiber politischer Konflikte.

Dagegen spricht einzig, dass auch die Fracking-Industrie in den USA durch die tiefen Ölpreise Schaden nimmt. Die kommenden Verhandlungsrunden innerhalb der OPEC werden möglicherweise mehr Licht ins Dunkel bringen.

 

Mehr Information:

Hackhausen, J. (2014): Kalter Krieg ums Öl? in: Handelsblatt online vom 16.10. Online: http://www.handelsblatt.com/finanzen/rohstoffe-devisen/rohstoffe/verschwoerung-oder-preiskampf-kalter-krieg-ums-oel-seite-all/10845812-all.html