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Karstadt: Blut, Schweiß und Tränen

Dirk Löhr

Seit Donnerstag Abend ist es bekannt: Die Kaufhauskette Karstadt wird mindestens sechs Häuser schließen. Betroffen sind insgesamt ca. 300 bis 400 Mitarbeiter an den Standorten Hamburg-Billstedt, Stuttgart, Göttingen, Köln sowie Paderborn  und Frankfurt an der Oder (o.V. 2014a). Dies war aber erst der Anfang. 2.000 weitere Stellen stehen aber aktuell auf der Abschussliste (Hahn 2014).

Leopoldplatz, Berlin (Foto: M. Manske)
Leopoldplatz, Berlin (Foto: M. Manske)

Man musste kein Prophet sein, um diese Entwicklung vorauszusehen. In unserem Beitrag „Karstadt: Den (Immobilien-) Haien zum Fraß vorgeworfen“ haben wir die Strategie des neuen Eigentümers Benko (der an Karstadt für einen symbolischen Euro gelangt ist) umrissen: Entsorgung der Verlustbringer und Verwertung der Filetgrundstücke. Und, wie es sich für einen anständigen Rent-Grabber gehört, auch das Aussaugen der Belegschaft. Die neue Konzernleitung unter Stephan Fanderl hat die Mitarbeiter schon auf Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld und die Verlängerung der „Tarifpause über 2015“ eingestellt (o.V. 2014a).

Die offiziellen Verlautbarungen sind „Blut, Schweiß und Tränen“-Reden: Die Opfer der Belegschaft seien zur Sanierung des angeschlagenen Konzerns notwendig. Tatsächlich geht es aber eben nicht nur um Sanierung, sondern v.a. auch um die Verwertung der Schmuckstücke des Traditionskonzerns. Ein schönes Beispiel ist das Kaufhaus in Stuttgart, in bester Lage in der Königsstraße auf Höhe der Schulstraße, das bis Juni 2015 geschlossen sein soll (o.V. 2014b).

Natürlich war das Sortiment nicht mehr überall auf dem neuesten Stand – aber das lässt sich mit einem fähigen Management relativ schnell ändern. Tatsächlich befand sich die Filiale in Stuttgart seit einiger Zeit auf einem guten Kurs. Karstadt Stuttgart gehöre schon immer zu den besten Standorten und entwickelte sich seit Jahren besser als der Konzern (o.V. 2014a). Problematisch waren allein die hohen Mieten – die darüber abgesaugten Bodenrenten flossen aber in die Kasse des Immobilieneigentümers Benko mit seiner Signa Holding. Offenbar musste Karstadt in Stuttgart vergleichsweise sehr hohe 15 Prozent des Umsatzes an Signa zahlen (Hahn 2014). Dies scheint Benko aber nicht genug zu sein – aus dem Standort lassen sich durch einen leistungsfähigeren Mieter (z.B. einen Filialisten) noch mehr Bodenrenten herauspressen. Derzeit kann in der betreffenden Lage eine Miete von bis zu 300 Euro pro Quadratmeter und Monat für neue vermietete Ladenlokale verlangt werden (o.V. 2014b). Die Mitarbeiter des Karstadt-Konzerns stehen da nur im Wege. An eine Reduktion der Forderungen, damit sich die Filiale erholen kann und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter gesichert werden können, denkt Benko offenbar nicht.

Das Karstadt-Grundstück in Stuttgart ist ein Filetgrundstück; es liegt in der Klammer zwischen den Shoppingcentern Gerber und Milaneo. Wie das Grundstück weiter verwendet wird (ob es z.B. an einen attraktiven Ankermieter geht) kann entscheidend für die Attraktivität und Wertentwicklung der gesamten Innenstadt sein (Hahn 2014).

In Deutschland meint man, es sei besser, so etwas vertrauenswürdigen Treuhändern des Gemeinwohls wie Benko und Co. zu überlassen anstatt der öffentlichen Hand – genauso, wie man meint, dass die (gemeinschaftlich “geschaffene”) Bodenrente in private Taschen fließen muss. Das Privateigentum an Grund und Boden und die Privatisierung der Bodenrente sind hierzulande heilige Kühe. Für die Stadt Stuttgart bleibt zu hoffen, dass der höchste Bieter für Benko auch einen entsprechenden sozialen Nutzen für die Stadt abwirft.

 

Mehr Information:

Hahn, S. (2014): Profit auf Kosten der Belegschaft? Stuttgarter-Zeitung.de vom 24.10. Online: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.karstadt-schliessung-in-stuttgart-profit-auf-kosten-der-belegschaft.81fdcdf2-1f32-4964-942e-a36d6cb81de8.html

o.V. (2014a): Kaufhauskette schließt mindestens sechs Filialen, in: Zeit Online vom 25.10. Online: http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2014-10/sanierungskurs-karstadt-filialen-schliessung

o.V. (2014b): Verdi: Schließung nicht wegen Sanierung, Stuttgarter-Nachrichten.de vom 24.10. Online: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.karstadt-stuttgart-verdi-schliessung-nicht-wegen-sanierung.f1a47d43-5611-453c-b7f5-c4f5a847b614.html

Monitor-Sendung (ARD) vom 21. August 2014

Zwei sehenswerte Beiträge mit Bezug zu unserem Thema wurden in der Monitor-Sendung vom 21. August ausgestrahlt:

Karstadt: Heuschrecke oder Sanierer? (bitte anklicken)

Es wird deutlich, dass es dem neuen Eigentümer von Karstadt, René Benko, wahrscheinlich v.a. um die wertvollen Immobilien geht. Wenn Benko die Bodenrente (dieser Begriff kommt natürlich nicht vor) mit anderen Konzepten wie Shopping-Malls ausschöpfen kann, hat das Karstadt-Konzept keine Chance mehr. S. dazu auch unseren Beitrag “Karstadt: Den (Immobilien-) Haien zum Fraß vorgeworfen

Russland vs. NATO: Droht ein neuer Kalter Krieg? (bitte anklicken)

Das Waffenarsenal der NATO wird modernisiert, die Grenzen der NATO werden entgegen allen Abmachungen immer weiter nach Osten verschoben, und die NATO soll auch den Griff nach den Ressourcen unterstützen und absichern. Mehr dazu auch in unserem Blog im Beitrag “Nochmal zur Ukraine: Gas, geostrategische Interessen und das Versagen der westlichen Medien“. Angesichts des Monitor-Beitrags ist es schön, zuzugestehen, dass es sich nicht um ein Totalversagen handelt.

Wie immer der Hinweis: Dank des geltenden Regimes “geistiger Eigentumsrechte” sind die informativen Beiträge in der ARD-Mediathek nur zeitlich begrenzt verfügbar!

 

Karstadt: Den (Immobilien-) Haien zum Fraß vorgeworfen

Dirk Löhr (Kommentar)

Nun ist es so weit: Nicolas Berggruen zieht sich aus Karstadt zurück. 2010, als er in das Unternehmen einstieg, wurde er als Heilsbringer gefeiert. Nun ist der Katzenjammer groß. Investiert wurde – entgegen den Ankündigungen – nichts, dafür hat er rd. 40 Mio. Euro aus dem Unternehmen gezogen. Für ihn vielleicht Kleingeld, nicht aber für eine Karstadt-Verkäuferin. In unserem Blogbeitrag “‘Gordon Gekko’ Berggruen: Good bye, Karstadt?” haben wir die Karriere des Nicolas Berggruen skizziert: Es ist die eines Rent Grabbers.

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Nun steigt der 37-jährige österreichische Immobilienmagnat René Benko in das Unternehmen ein. Einer Investorengruppe um Benkos Signa-Gruppe und den israelischen Geschäftsmann Beny Steinmetz gehören seit letztem Jahr schon die Renommierhäuser in Berlin (Kadewe), München (Oberpollinger) und Hamburg (Alsterhaus), die ausgegliederten Sporthäuser plus knapp ein Viertel der Immobilien der 83 Karstadt-Filialen. Für die Übernahme des Restes zahlt Benko angeblich einen symbolischen Euro. Wir hatten in unserem Beitrag “‘Gordon Gekko’ Berggruen: Good bye, Karstadt?” schon dargestellt, dass Benko keine Lust haben dürfte, die Verlustbringer innerhalb dieses Geschenkpaketes dauerhaft durchzuschleppen. Schließlich hat der Schulabbrecher Benko eine noch beeindruckendere Rent Grabber-Karriere aufzuweisen als Berggruen. Er läuft auf absehbare Zeit kein Risiko, von Papst Franziskus heilig gesprochen zu werden. Aus kleinen Verhältnissen kommend, zählt er mittlerweile zu den 50 reichsten Österreichern – wie geht so etwas in so kurzer Zeit? Es ist das Prinzip der Chodorkowskis, der Timoschenkos und anderer Senkrechtstarter: Das Abgreifen von ökonomischen Renten (“Rent Seeking”) – auf Kosten Dritter. Das geht über “Netzwerken”, also Beeinflussung der Politik (“State Capture”) – incl. Korruption, für die Benko auch schon zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde. Von Handel hat er allerdings keine Ahnung – braucht er aber auch nicht, wenn er weiß, wie man Bodenrenten effektiv abgreift.

Zählen wir also 1 + 1 zusammen: Benko wird das Geschenk filetieren, und die vielen Verlustbringer samt Belegschaft so rasch und lautlos wie möglich entsorgen – auf Kosten der Arbeitslosenversicherung und der Steuerzahler hierzulande. Der verbleibende Rest an Immobilien ist immer noch interessant, mag er nach der Filetierung auch noch so klein sein. Möglicherweise aber erst nach Umnutzung: Karstadt raus, Shopping Mall rein …

Keine guten Aussichten für die noch 17.000 Beschäftigten des Karstadt-Konzerns.

 

Mehr Informationen:

S. Löwenstein (2014): Möchtegern-Retter auf Bewährung, in: FAZ.net vom 15.07. Online: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/karstadt-investor-rene-benko-immobilientycoon-auf-bewaehrung-13099520.html

O.V. (2014): Investor Benko übernimmt Karstadt, in: Sueddeutsche.de vom 15.07. Online: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ausstieg-von-berggruen-investor-benko-uebernimmt-karstadt-1.2090229