Tag Archives: Berggruen

Karstadt: Den (Immobilien-) Haien zum Fraß vorgeworfen

Dirk Löhr (Kommentar)

Nun ist es so weit: Nicolas Berggruen zieht sich aus Karstadt zurück. 2010, als er in das Unternehmen einstieg, wurde er als Heilsbringer gefeiert. Nun ist der Katzenjammer groß. Investiert wurde – entgegen den Ankündigungen – nichts, dafür hat er rd. 40 Mio. Euro aus dem Unternehmen gezogen. Für ihn vielleicht Kleingeld, nicht aber für eine Karstadt-Verkäuferin. In unserem Blogbeitrag “‘Gordon Gekko’ Berggruen: Good bye, Karstadt?” haben wir die Karriere des Nicolas Berggruen skizziert: Es ist die eines Rent Grabbers.

800px-Blacknose_shark_nmfs

Nun steigt der 37-jährige österreichische Immobilienmagnat René Benko in das Unternehmen ein. Einer Investorengruppe um Benkos Signa-Gruppe und den israelischen Geschäftsmann Beny Steinmetz gehören seit letztem Jahr schon die Renommierhäuser in Berlin (Kadewe), München (Oberpollinger) und Hamburg (Alsterhaus), die ausgegliederten Sporthäuser plus knapp ein Viertel der Immobilien der 83 Karstadt-Filialen. Für die Übernahme des Restes zahlt Benko angeblich einen symbolischen Euro. Wir hatten in unserem Beitrag “‘Gordon Gekko’ Berggruen: Good bye, Karstadt?” schon dargestellt, dass Benko keine Lust haben dürfte, die Verlustbringer innerhalb dieses Geschenkpaketes dauerhaft durchzuschleppen. Schließlich hat der Schulabbrecher Benko eine noch beeindruckendere Rent Grabber-Karriere aufzuweisen als Berggruen. Er läuft auf absehbare Zeit kein Risiko, von Papst Franziskus heilig gesprochen zu werden. Aus kleinen Verhältnissen kommend, zählt er mittlerweile zu den 50 reichsten Österreichern – wie geht so etwas in so kurzer Zeit? Es ist das Prinzip der Chodorkowskis, der Timoschenkos und anderer Senkrechtstarter: Das Abgreifen von ökonomischen Renten (“Rent Seeking”) – auf Kosten Dritter. Das geht über “Netzwerken”, also Beeinflussung der Politik (“State Capture”) – incl. Korruption, für die Benko auch schon zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde. Von Handel hat er allerdings keine Ahnung – braucht er aber auch nicht, wenn er weiß, wie man Bodenrenten effektiv abgreift.

Zählen wir also 1 + 1 zusammen: Benko wird das Geschenk filetieren, und die vielen Verlustbringer samt Belegschaft so rasch und lautlos wie möglich entsorgen – auf Kosten der Arbeitslosenversicherung und der Steuerzahler hierzulande. Der verbleibende Rest an Immobilien ist immer noch interessant, mag er nach der Filetierung auch noch so klein sein. Möglicherweise aber erst nach Umnutzung: Karstadt raus, Shopping Mall rein …

Keine guten Aussichten für die noch 17.000 Beschäftigten des Karstadt-Konzerns.

 

Mehr Informationen:

S. Löwenstein (2014): Möchtegern-Retter auf Bewährung, in: FAZ.net vom 15.07. Online: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/karstadt-investor-rene-benko-immobilientycoon-auf-bewaehrung-13099520.html

O.V. (2014): Investor Benko übernimmt Karstadt, in: Sueddeutsche.de vom 15.07. Online: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ausstieg-von-berggruen-investor-benko-uebernimmt-karstadt-1.2090229

 

“Gordon Gekko” Berggruen: Good bye, Karstadt?

Dirk Löhr

Berlin_-_Kaufhaus_des_Westens

Langsam stellt sich Ernüchterung ein. Langsam, nach dem Abgang der ehemaligen Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt. Auch die hochgejubelte Managerin konnte keine Wunder vollbringen, konnte aus dem was von Karstadt noch übrig geblieben ist, keinen profitablen Konzern mehr schmieden. Zumindest nicht ohne Geldspritzen von Berggruen – und diese sind ausgeblieben, entgegen allen Versprechungen. Nach fünf Monaten warf Sjöstedt das Handtuch.

Dem ehemals gefeierten Karstadt-„Retter“ Nicolas Berggruen dürfte das egal sein. Er hat schon Kasse nach altbewährter Gordon Gekko-Manier (“Wall Street”)  gemacht. Berggruen übernahm im Juni 2010 Karstadt für einen symbolischen Preis von einem Euro. Die Versprechungen waren groß, genauso die Hoffnungen bei den Mitarbeitern. Doch anstatt Geld in das Unternehmen zu stecken, filetierte der „Investor“ die Warenhauskette. Die Mehrheit an den Filetstücken wie Karstadt Sports und den drei Luxuswarenhäusern in Berlin, Hamburg und München (incl. dem Berliner KaDeWe insgesamt 17 Karstadt-Häuser in besten Lagen) ging an den österreichischen Investor Rene Benko mit seiner Signa-Gruppe, der diese zusammen mit dem Londoner Diamantenhändler Beny Steinmetz betreibt . Und “Gekko” Berggruen verdiente daran natürlich nicht schlecht. Der Gegenwert wanderte freilich nicht in Karstadt, wie er es ursprünglich versprochen hatte (n-tv 2014).

Nun hat Benko die Möglichkeit, auch den Rest der Gruppe zu übernehmen – für einen symbolischen Euro könnten 75,1 Prozent der kriselnden Karstadt-Stammgesellschaft an ihn übergehen, die die verbliebenen 83 klassischen Warenhäuser betreibt (o.V. 2014). Nichts wäre “Gekko” Berggruen lieber, als den abgenagten Knochen bzw. den schwarzen Peter weiterzugeben. Doch ob Benko die Option zieht, ist mehr als ungewiss. Die Filetstücke hat er ja schon in der Tasche, und Benko dürfte keine Lust haben, sich die Verlustbringer ans Bein zu binden.

Berggruen ist mit Grundstücken in guten Lagen und dem Filetieren von Unternehmen reich geworden. Wir haben in diesem Blog schon diverse Male beschrieben, dass auch Unternehmen als „Land Banks“ gesehen werden können. In jungen Jahren hatte der Sohn des Berliner Galeristen, Kunstsammlers und Mäzens Heinz Berggruen in New York heruntergekommene Immobilien erstanden, saniert und mit Gewinn verkauft. Die Erfolgsgeschichte des “Gekko” Berggruen begann also schon mit Immobilienspekulation. Er wurde schließlich zum Eigentümer an einem Hedgefonds, der sich wiederum an anderen erfolgreichen Hedgefonds beteiligte. Schließlich begann die Berggruen Holding, direkt in Unternehmen zu investieren. So erwarb Berggruen etwa vor zehn Jahren einen amerikanischen Sonnenbrillenhersteller für acht Millionen Dollar. Sechs Jahre später verkaufte er die Firma – für 400 Millionen Dollar. Wie kommt man schnell zu Reichtum? Wer keinen Reichtum anstrebt, arbeitet am besten hart und leistet viel. Wer hingegen schnell reich werden will, raubt am besten die von der Gemeinschaft erzeugten Bodenrenten und bemächtigt sich der Bodenwertzuwächse. Dies ist das Rezept der russischen, ukrainischen, chinesischen, amerikanischen und deutschen Oligarchen.

Wer da glaubte, bei der Übernahme von Karstadt wolle ein Philantrop Gutes tun, muss auf den Deal schon mit sehr blauen Augen geschaut haben. Nun hat der Mohr Karstadt hat seine Schuldigkeit offenbar getan – und man muss wohl kein Prophet sein, schlechte Zeiten für die 17.000 Mitarbeiter vorauszusagen. Ihre Zukunft steht mehr auf der Kippe als jemals zuvor.

Unterdessen verdient “Gekko” Berggruen fleissig weiter – ökonomische Renten natürlich (vgl. Appenzeller 2014). Seit 2005 investierte seine Immobilienholding rund 300 Millionen Euro in den Erwerb und die Sanierung von rund 100 Wohn- und Geschäftshäusern in Berlin und Potsdam. Deren Wert soll inzwischen bei rund 450 Millionen Euro liegen, erfuhr die WirtschaftsWoche aus Immobilienkreisen. Neben typischen Berliner Mietskasernen besitzt Berggruen in Berlin etwa das legendäre Café Moskau, die Sarotti-Höfe und das einst königliche Hauptpostamt in Potsdam. Mitte Mai kaufte seine Holding ein 80.000-Quadratmeter-Grundstück in Berlin-Schöneberg. Im früheren Stammwerk von Knorr-Bremse, das seit August 2012 zu Berggruens Immobilienbesitz gehört, residiert seit kurzem der Onlinehändler und Karstadt-Konkurrent Zalando (Hielscher 2014).

“Gekko” Berggruen geht es nicht um das Handelshaus Karstadt, es geht ihm um die Bodenrenten und den Bodenwertzuwachs. Unmoralisch? “Gekko” Berggruen spielt das Spiel des Systems – und er spielt es gut. Und: Nicht Gordon Gekko Berggruen ist unmoralisch, sondern das Spiel, das mit seinen Regeln ein solches Verhalten geradezu herausfordert.

 

Mehr Informationen

G. Appenzeller (2014): Macht Karstadt dicht, leidet die ganze Stadt, in: Der Tagesspiegel vom 11.7., S. 10.

H. Hielscher (2013): Nicolas Berggruen verdient prächtig mit Berliner Immobilien, in: Wirtschaftswoche Online 22.6. Online: http://www.wiwo.de/unternehmen/handel/karstadt-inhaber-nicolas-berggruen-verdient-praechtig-mit-berliner-immobilien/8380090.html

n-tv (2014): Verhandlungen mit Benko – Berggruen verliert Interesse an Karstadt vom 11.7. Online: http://www.n-tv.de/wirtschaft/Berggruen-verliert-Interesse-an-Karstadt-article13192006.html

o.V. (2014): Ein Euro für 83 Kaufhäuser, TAZ online vom 11.7. Online: http://www.taz.de/!142255/