Category Archives: Taxation

BFH watscht Bundesgrundsteuer ab

Dirk Löhr

In zwei Beschlüssen (vom 27. Mai und vom 13. Juni 2024) hat jüngst das Bundesverfassungsgericht die Bundesgrundsteuer abgewatscht. Dabei hatte sich der BFH noch nicht einmal in der Sache geäußert. Es müsse jedoch der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Wertes möglich sein, so der BFH. Ich hatte genau dies in der öffentlichen Expertenanhörung im September 2019 im Bundestags-Finanzausschuss gefordert; allerdings hatten unsere Volksvertreter ihre Ohren auf Durchzug gestellt. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass da noch wesentlich mehr kommt, wenn die höchsten Gerichte erst einmal ins Inhaltliche gehen.

Im Übrigen: Das Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg (Bodenwertsteuer) sieht den Nachweis des niedrigeren Verkehrswertes vor.

Finanzgericht Baden-Württemberg: Bodenwertsteuer ist verfassungsgemäß!

Dirk Löhr

Mit den Urteilen vom 11.06.2024 hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass das Landesgrundsteuergesetz vom 04.11.2020 verfassungsgemäß ist. Zur Pressemitteilung hier. Damit wurde dem eigentümlichen Verständnis von “Äquivalenz” als Rechtfertigung der Grundsteuer, wie es von Prof. Gregor Kirchhof (Universität Augsburg), dem Steuerzahlerbund und der Immobilienlobby vertreten wird, eine Ohrfeige verpasst. Hiernach hätte der Bodenwert nichts mit der Ausstattung an (punktförmiger) kommunaler Infrastruktur zu tun. Diese Auffassung ist nicht zuletzt deswegen merkwürdig, weil es Bibliotheken von empirischen Untersuchungen (v.a. aus dem Ausland) gibt, welche das Gegenteil belegen. Mit dieser schrägen Auffassung von Äquivalenz wird auch das Grundsteuermodell Bayerns begründet, das sich allein auf die Fläche bezieht. Für ein altes Haus in schlechter, peripherer Lage mit niedrigem (Grundstücks-) Wert muss hier dieselbe Grundsteuer entrichtet werden wie für eine neue Immobilie in einer Top-Lage. Niedersachsen, Hamburg und Hessen korrigieren dieses Modell zwar nach Lage, aber in einer Weise, dass die Bemessungsgrundlage herzlich wenig mit der Relation der Verkehrswerte zu tun hat. Natürlich ließen nach den Urteilen die Gegner nicht lange auf sich warten, die behaupteten, die Bodenwertsteuer würde zu einer Belastungsexplosion führen. Ignoriert wurde hierbei, dass die Bemessungsgrundlage zusammen mit den Steuermesszahlen nur die Belastungsstruktur bestimmt, die Höhe der Steuer aber ausschließlich in der Hand der Kommune (über deren Hebesatzrecht) liegt. Diese werden angesichts der erhöhten Bemessungsgrundlage die Hebesätze entsprechend reduzieren, wenn die Kommunalpolitiker keinen politischen Selbstmord begehen wollen. Ob dies freilich zur erwünschten Aufkommensneutralität führt, ist eher unwahrscheinlich. Das hat allerdings nichts mit der Bodenwertsteuer, sondern mit der finanziellen Situation der Kommunen zu tun. Wir hatten darüber berichtet, dass auch in Ländern mit flächenorientierter Bemessungsgrundlage Klagen über eine voraussichtlich steigende Grundsteuer laut werden. Nach dem Motto “Man muss die Unwahrheit nur oft genug wiederholen, dann wird sie irgendwann geglaubt” wird der Unsinn jedoch weiterhin unverdrossen in die Welt gesetzt.
Mit den Urteilen des Finanzgerichts Baden-Württemberg ist es noch nicht getan: Es wurde Revision zugelassen (Bundesfinanzhof). Damit bleibt es spannend.

Immobilienbesteuerung – Sinn und Unsinn

Dirk Löhr

Zu Gast im Immoblick (Blog des Deutschen Vereins für Vermessungswesen) diskutierte ich mit Peter Ache und In dieser Folge begrüßen Peter Ache (Leiter des AK Immobilienbewertung des DVW e.V.) und Robert Krägenbring (Immobilien- und Bewertungsexperte) über Sinn und Unsinn der Erbschafts- und Schenkungssteuer, der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer. 

Dabei wurde auch ein Blick auf die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz geworfen, die insofern das Potenzial »einer Bombe« hat, als sie mit Blick auf die Kritik an den Bodenrichtwerten das gesamte Bewertungswesen in Deutschland infrage stellen kann. Das Gericht hat die Vollziehung zweier Grundsteuerwertbescheide gestoppt, die nach den neuen Bewertungsregeln erlassen wurden. Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen des Bundesmodells. In diesem Blog wurde schon im Dezember 2023 hierzu ausführlich Stellung bezogen. Ich plädiere außerdem für die Schaffung eines Oberen Gutachterausschusses Bund, der die Daten für alle sammelt und bereitstellt. Zum Podcast (bitte klicken)

Die Wut der Bauern

Dirk Löhr

Ein Gespenst geht um in Deutschland – nein, es fährt: Traktor. Letzte Woche machten die Bauern mit Blockaden von Straßen und Autobahnzufahrten bundesweit auf ihre Probleme aufmerksam.  

Vordergründig geht es um die Rückführung von sog. Steuerprivilegien für Landwirte (Besteuerung des Diesels und Erhöhung der Kfz-Steuer). Natürlich, die Bundesregierung muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2023 sparen und neue Finanzierungsquellen erschließen. Dabei sollen aber der Gruppe der Landwirte überproportionale Beiträge aufgebürdet werden. Politisch ist dies verständlich – Bauern können kaum mit Abwanderung drohen. Zudem gehören sie nicht zur Kernwählerschaft der Ampel-Parteien.

Für die Beibehaltung der Privilegien wurden Seitens der Interessensvertretung der Landwirte viele Argumente angeführt, gegen die sich jedoch allesamt Einwendungen finden lassen. Beispiele: Die Landwirte befahren mit ihren Traktoren kaum öffentliche Straßen, was die Kfz-Besteuerung in Frage stellt. Hiergegen lässt sich freilich formal einwenden, dass das Prinzip Leistung-Gegenleistung der Besteuerung fremd ist (§ 3 Abs. 1 Abgabenordnung). Mit Blick auf die Privilegierung des Agrardiesels wird auf das (europäische) Ausland verwiesen. . Faktisch ist der deutsche Agrardiesel im europäischen Vergleich schon jetzt – trotz Subvention – einer der teuersten. Bei Abschaffung des Dieselprivilegs läge der Wettbewerbsnachteil gegenüber dem EU-Ausland auf der Hand. Viele Betriebe könnten bei einer Rücknahme des Privilegs leicht mit mehreren tausend bis zehntausend Euro getroffen werden können – Grenzbetriebe können das oft nicht aushalten. Hiergegen wird wiederum eingewandt, dass die Abschaffung des Diesel-Privilegs schon seit vielen Jahren in der Diskussion ist und sich die Bauern auf eine Abschaffung hätten einstellen können (so Prof. Lars Feld). Das Gegenargument: Brauchbare E-Traktoren sind nun mal nicht verfügbar.

Es geht den Bauern jedoch nicht nur um die Rücknahme der Subventionen – vielmehr besteht eine hohe Unzufriedenheit mit den allgemeinen Rahmenbedingungen. Mehr noch: Es geht um ein Demokratiedefizit.

Dennoch: Auch die wirtschaftliche Lage der Landwirte ist problematisch, wenn nicht dramatisch. Dies betrifft nicht nur die Besteuerung, sondern z.B. die Bürokratie, nicht zuletzt in Gestalt von naturschutzrechtlichen Auflagen. Bürokratiebefolgungskosten sind faktisch erhöhte Fixkosten, die regelmäßig (nicht nur in der Landwirtschaft) von größeren Betrieben leichter zu tragen sind als von kleineren.

Ein wichtiger Aspekt wurde bei der Diskussion über die Abschaffung der Subventionen kaum vorgebracht. Ca. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sind gepachtet. Die Eigentümer der Flächen sind teilweise ehemalige Landwirte, die ihren Betrieb aufgegeben haben – aber auch Nicht-Landwirte (darunter auch Investmentsfonds) dürften eine Rolle spielen. So kontrollieren Unternehmensgruppen 11 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen. Dies führt z.T. zu einer „ungesunden Bodenverteilung“, die eigentlich u.a. durch das Grundstücksverkehrsgesetz verhindert werden sollte. Der Osten Deutschlands dürfte hier stärker als der Westen betroffen sein. Wie ungesund jedoch diese Bodenverteilung genau ist, kann niemand genau sagen – der deutsche Grundstücksmarkt ist auch im landwirtschaftlichen Segment sehr intransparent.

Egal ob Unternehmen oder ehemalige Landwirte: Die Grundstückseigentümer haben faktisch eine wirtschaftliche Machtposition inne. Bis zu 40 Prozent ihrer Einnahmen beziehen Landwirtschaftsbetriebe aus Subventionen. Ein hoher Teil hiervon wird als Flächenprämie bezahlt (im Rahmen der Direktzahlungen). Ca. die Hälfte der Agrarsubventionen wird in Gestalt erhöhter Pachten abgeschöpft. Dies bedeutet:

  • Von höheren Subventionen profitieren zu einem erheblichen Teil die Grundeigentümer, nicht die das Land bewirtschaftenden Bauern. Ein hoher Teil der Subventionen landet also nicht bei der Zielgruppe. Dass es nicht noch mehr als oben beschrieben sind, dürfte an Unvollkommenheiten des Pachtmarktes liegen. V.a. die Flächenprämien stützen insoweit die Bodenrenten und könnten zugunsten leistungsbezogener Zahlungen an die Bauern (Landschaftspflege, Umweltschutz) zurückgeführt werden.
  • Umgekehrt würde – längerfristig – eine Rücknahme der Subventionen zum entsprechenden Teil zu einer Reduktion der Pachtzahlungen führen. Kurz- und mittelfristig wäre bei einer Rücknahme der Subventionen allerdings mit erheblichen Anpassungsschwierigkeiten bei den bewirtschaftenden Betrieben zu rechnen.
  • Von den Subventionen profitieren die Bauern also nur insoweit vollständig, als sie zugleich Grundeigentümer sind.

Hier könnte die Landwirtschaftspolitik reagieren, indem sie den Versuch unternimmt, den Anteil der Pachtbauern zu verringern und dafür die Eigentumsquote zu erhöhen. Der Weg dahin ist allerdings steinig, da die Verpächter nicht einfach enteignet werden können (Art. 14 GG). Zudem bleiben klassische Probleme bestehen, wie beispielsweise die Verkleinerung der Betriebe aufgrund von Erbteilungen etc. – was vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Agrarpolitik die Überlebenschancen der verkleinerten Betriebe nicht erhöhen würde.

Die Alternative wäre mehr öffentliches Bodeneigentum, das an die Bauern zu tragbaren Pachtkonditionen abgegeben werden könnte. Hierzu wäre das im Reichssiedlungsgesetz enthaltene Vorkaufsrecht zu stärken. Die Verwaltung der Pachtgrundstücke könnte im Auftrag über gemeinnützige Siedlungsunternehmen ausgeübt werden, damit die staatliche Bürokratie möglichst aus dem Spiel genommen wird. Der Haken: Es dürften schnell Bedenken mit Blick auf Art. 14 GG (Eigentumsgarantie) und auch Europarecht (Kapitalverkehrsfreiheit) aufkommen.

Der leichter durchführbare, aber auch teurere Weg wäre ein verstärkter Aufkauf von Flächen durch die öffentliche Hand auf dem freien Markt – bei Vergabe der Auftragsverwaltung bei wirtschaftlich tragfähigen Pachtzinsen durch gemeinnützige Siedlungsunternehmen.   

Die Bauern werden jedoch auch noch absatzseitig in die Zange genommen. Die Big Four – Aldi, Netto, Edeka und die Schwarz-Gruppe – zahlen oftmals keine fairen Preise. Die Vorgabe von Mindestpreisen, wie es von der Linkspartei vorgeschlagen wird, ist aber mit Skepsis zu beurteilen.

Auch das Wettbewerbsrecht stößt schnell an seine Grenzen; möglicherweise ist der intensive Wettbewerb zwischen den Supermarktketten ja ein Teil des Problems. Andererseits ist es eben auch richtig, dass die Marktmacht der Big Four mit einem Marktanteil von zusammen 76 Prozent gegenüber den Bauern zu groß ist. Hier bietet sich eigentlich nur der Ausweg an, dass die Bauern mit Gegenmacht reagieren, indem sie ihre eigenen Vertriebsstrukturen stärken und eine Gegenmacht bilden. Doch auch dem sind derzeit aufgrund des Kartellrechts (unerlaubte Preisabsprachen) enge Grenzen gesetzt. Es stellt sich die Frage, ob eine Lockerung an dieser Stelle nicht angemessen wäre – schließlich hat Deutschland ja, verglichen mit den Nachbarländern, ein sehr niedriges Preisniveau bei den Lebensmitteln. Die Deutschen geben mit 11,5 Prozent am verfügbaren Einkommen weniger als die anderen Europäer für Nahrung aus (Frankreich: 13,3 Prozent, Italien: 14,4 Prozent, Polen: ca. 19 Prozent).

Die politische Gemengelage wurde vorliegend gar nicht adressiert.

Es bleibt festzuhalten: Wege sind zu ersinnen, wie die Bauern aus der Zange zwischen den Supermärkten (Nachfrageseite) und den Pachtaufwendungen genommen werden können. Dies wird nicht ohne das Schlachten einiger liebgewonnener heiligen Kühe möglich sein.

Liebe Leser: Haben Sie Vorschläge?

Die Bodenwertsteuer wird wieder in den USA diskutiert

Dirk Löhr

In den “kapitalistischen” USA hat die Grundsteuer einen Anteil von ca. 12% an den gesamten Steuereinnahmen, in Deutschland lediglich 2%. Rechnet man noch die Sozialabgaben hinzu, sind es lediglich ein Prozent. Nun wird in den USA über ein Revival der Bodenwertsteuer diskutiert. In Pennsylvania gibt es schon seit Langem einen gespaltenen Steuersatz, bei dem das aufstehende Gebäude geringer als der Bodenwert belastet wird. Nun erhofft man sich durch die Einführung einer Bodenwertsteuer v.a. städtebauliche Impuse. Zur Diskussion, die sich v.a. um Detroit dreht, s. folgenden Artikel von Rachel M. Cohen aus Vox: Could this obscure tax idea reshape American housing?

Ein Tipp für diejenigen, die des Englischen nicht so mächtig sind: Rechte Maustaste, dann “auf Deutsch übersetzen” drücken.

Grundsteuer C: Eine neue Missgeburt?

Dirk Löhr

Ab 2025 können Gemeinden unbebaute, aber baureife Grundstücke mit einem erhöhten Steuersatz belegen, um Druck auf die Bebauung der betreffenden Flächen auszuüben. Nur in Bayern wird diese neue Grundsteuer C nicht eingeführt.

Das Ziel der Grundsteuer C ist durchaus nachvollziehbar. Ein Grundstück kann als eine sog. Realoption angesehen werden, die das Recht, aber nicht die Pflicht vermittelt, das Grundstück zu bebauen. Man bezahlt also nicht nur für zukünftige Bodenerträge, sondern auch für den Wert des “Warten Könnens”. Letzterer ist eine “spekulative Komponente”. Bei hohen Aufwertungserwartungen kann es sogar passieren, dass sich dieser Wert des “Warten Könnens” in den Vordergrund schiebt. Im Falle einer Bebauung ginge der Wert des “Warten Könnens” aber verloren; die Bebauung ergibt jedoch keinen Sinn, soweit die künftigen durch die Bebauung erzielbaren Erträge nicht den Wert des “Warten Könnens” überkompensieren. Die Grundsteuer C zielt nun konkret darauf ab, den Wert des “Warten Könnens” so weit zu reduzieren, dass er keine Hürde für die Bebauung mehr darstellen kann.

Skepsis ist dennoch angebracht: Das historische Vorbild der Baulandsteuer (1961/1962) gilt als gescheitert. Generell ist es keine gute Idee, mehrere Ziele (hier: fiskalische und bodenpolitische) mit nur einem Instrument (hier: Grundsteuer C) erreichen zu wollen. Jan Tinbergen (erster Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaften) hat deutlich gemacht, dass die Wahrscheinlichkeit dann hoch ist, alle Ziele mehr oder weniger zu verfehlen. Die “Tinbergen-Regel” als fundamentale Einsatzregel für wirtschaftspolitische Instrumente wird in der Politik allerdings hartnäckig ignoriert.

Die Zonierung für den Geltungsbereich der Grundsteuer C sowie der anzulegende Steuersatz sind im Rahmen der neuen Grundsteuer C grundsätzlich Sache der Kommunen. Viele Städte haben im Vorfeld der Einführung der Grundsteuer C schon Arbeitsgruppen gebildet. Zwei Problemfelder stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Welche Grundstücke dürfen überhaupt mit der Grundsteuer C belegt werden?
  • Wie hoch muss der Steuersatz sein, damit die gewünschte Mobilisierungswirkung entsteht?

Besonders die zweite Frage erscheint schwierig zu lösen. Für “Spekulanten” interessant sind die Grundstücke mit großen Aufwertungspotenzialen. Doch wie lassen sich diese identifizieren, und mit welchen Verfahren lassen sich die Aufwertungspotenziale ermitteln? Orientiert man sich beispielsweise beim Steuersatz an den Bodenzuwächsen der Vergangenheit, so ist keinesfalls klar, dass diese Bodenwertsteigerungen auch in Zukunft stattfinden werden. Zudem muss der Steuersatz für die Grundsteuer C in jeder Kommune einheitlich festgelegt werden. Hält man sich dabei an durchschnittliche Wertsteigerungen in der Stadt, so würden gerade die interessanten Schlüsselgrundstücke mit überdurchschnittlichem Aufwertungspotenzial nicht adäquat erfasst. Hält man sich an die Grundstücke mit dem höchsten Aufwertungspotenzial, ergibt sich eine Übersteuerung bei den Grundstücken mit geringerem Aufwertungspotenzial. Hier gibt es rechtliche Bedenken bezüglich des Übermaßverbots und des Allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach wirtschaftlich gleiche Sachverhalte gleich und wirtschaftlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu beurteilen sind.

Die Grundsteuer C ist dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, alle ihr unterliegenden Grundstücke zu mobilisieren – und in der Folge die Einnahmen aus der Grundsteuer C versiegen. Handelt es sich bei der Grundsteuer C also um eine verfassungswidrige Erdrosselungssteuer?

Der unten auszugsweise für den Download bereitgestellte Beitrag aus dem Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2-2023 versucht, die gestellten Fragen zu beantworten und auf Auswege aus den skizzierten Dilemmata zu weisen, soweit dies überhaupt möglich ist:

Grundsteuer in Hessen steigt massiv – trotz flächenbezogener Bemessungsgrundlage!

Dirk Löhr

Interessant: Das Narrativ von Haus & Grund, Steuerzahlerbund, ZIA et al. war ja, dass es zu Steuererhöhungen aufgrund der wertbasierten Bemessungsgrundlage kommen müsse. Wie also ist es möglich, dass sich offenbar auch in Hessen – mit einer modifizierten flächenbezogenen Bemessungsgrundlage – die Grundsteuer massiv erhöht? Die Kommunen steigern den Hebesatz offenbar schon im Vorfeld der Umstellung massiv. Die Umstellung auf das neue System geschieht dann tatsächlich aufkommensneutral, wie politisch erwünscht. Siehe: https://www.hna.de/hessen/reform-grundsteuer-hessen-hebesaetze-mieter-eigentuemer-verdoppeln-92720597.html. Bemessungsgrundlage und Steuermessbetrag (also der Gegenstand der Grundsteuerreform) entscheiden eben nur über die Struktur der Belastung, über die Höhe bestimmen mit ihrem Hebesatzrecht am Ende ausschließlich die – leider unterfinanzierten – Kommunen. Es ist Zeit, meine Herrschaften der Lobby der Bodenrenten-Grabber, mit Ihren Märchen aufzuhören und die Intelligenz der Bürger nicht weiter zu beleidigen.

Finanzgericht Rheinland-Pfalz zweifelt an der Tauglichkeit der Bodenrichtwerte für die grundsteuerliche Bewertung

Dirk Löhr

Der 4. Senat des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (FG) hat am 23. November 2023 in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23) zu den Bewertungsregeln des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts entschieden, dass die Vollziehung der dort angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen ist.

U.a. werden dabei die Bodenrichtwerte als Grundlage für die Besteuerung in Zweifel gezogen. Hiermit schließt sich das Finanzgericht dem unvermeidlichen Prof. Gregor Kirchhof (Universität Augsburg) an, der u.a. in einem Gutachten für Haus und Grund sowie dem Steuerzahlerbund zuvor schon in dasselbe Horn geblasen hatte.

Die Auseinandersetzung mit der Begründung des Finanzgerichts lohnt sich, zumal bislang die Bodenrichtwerte von den (Finanz-) Gerichten grundsätzlich akzeptiert wurden.

Wichtige Kritikpunkte:

a) Es bestehen Zweifel daran, dass die Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen seien. Der Senat äußerte in diesem Zusammenhang Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit der rheinland-pfälzischen Gutachterausschüsse, weil nach der rheinland-pfälzischen Gutachterausschussverordnung Einflussnahmemöglichkeiten nicht ausgeschlossen seien.

Mein Kommentar:

Ich bin seit 2006 Mitglied eines regionalen Gutachterausschusses und seit 2014 Mitglied des Oberen Gutachterausschusses Rheinland-Pfalz. Es kam des Öfteren vor, dass Bürgermeister bei Bewertungen und Bodenrichtwertermittlungen ihre Vorstellungen geäußert haben. Bei allen Sitzungen, in denen ich anwesend war, habe ich aber noch nie erlebt, dass sich die Gutachterausschüsse hiervon haben beeindrucken lassen. In einzelnen Fällen, in denen substantiierte Kritik durch die Bewertungsadressaten geäußert wurde, kam es zu Überprüfungen. Hierbei kam es manchmal zu – i.d.R. kleineren – Änderungen, häufig aber auch nicht. Anlass der Überprüfung war jedoch nicht nur die Kritik von öffentlichen Stellen, sondern auch diejenige von privaten Adressaten. Auch die von der Finanzverwaltung entsandten Mitglieder der Gutachterausschüsse verhielten sich definitiv nicht systematisch profiskalisch.

b) Der Senat äußert Bedenken bezüglich der Datengrundlage für die Bodenwertermittlung; in den Kaufpreissammlungen bestünden in erheblichem Umfang Datenlücken.

Mein Kommentar:

Nach § 196 Abs. 1. S. 1 BauGB sind Bodenrichtwerte flächendeckend zu ermitteln. Tatsächlich gab es bei der Bodenrichtwertermittlung bis vor Kurzem in Rheinland-Pfalz jedoch noch einige “weiße Flecken”, z.B. bei Aussiedlerhöfen oder Gemeinbedarfsflächen. Auch kommen in einigen Gegenden kaum Umsätze zustande. Die Gutachterausschüsse – zumindest in Rheinland-Pfalz – bemühten sich aber im Vorfeld der neuen Grundsteuer intensiv darum, diese Lücken zu schließen. U.a. wurden dabei sechs Marktsegmente gebildet. Dies erlaubt bei fehlenden Transaktionen, sich an den Verhältnissen ähnlicher Märkte in anderen Regionen zu orientieren. Läge das Finanzgericht mit seiner Kritik richtig, dürfte man im Übrigen die Bodenrichtwerte auch nicht mehr zum Zwecke zur Verkehrswertermittlung heranziehen. Der mögliche Einwand, dass bei der Verkehrswertermittlung die Bodenrichtwerte durch Umrechnungskoeffizienten modifiziert und so an die individuellen Verkehrswerte herangeführt werden, ist mit Blick auf die Grundsteuer kein Argument für die mangelnde Eignung der Bodenrichtwerte: Bodenrichtwerte können als typisierte Verkehrswerte verstanden werden. Typisierungen sind aber in einem Massenfallrecht nicht nur zulässig, sondern ausdrücklich geboten.

c) Das Finanzgericht rügt ein gleichheitswidriges Vollzugsdefizit bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte, weil diese Werte häufig aus der Aufteilung von Gesamtkaufpreisen in einen Gebäude- und einen Bodenanteil ermittelt würden, ohne dass den Gutachterausschüssen effektive Instrumente zur Sachverhaltsermittlung sowie zur Verifikation der Angaben von Grundstückseigentümern zur Verfügung stünden.

Mein Kommentar:

Sind die in den Kaufverträgen vereinbarten Bodenwerte unplausibel (das kommt häufig vor, z.B. bei Transaktionen zwischen einander nahestehenden Personen), werden sie bei der Feststellung der Bodenrichtwerte in den Bodenrichtwertsitzungen als Ausreißer außen vor gelassen. Dies ist gängige Praxis.

d) Das Finanzgericht kritisierte, dass der Steuerpflichtige nicht – wie bei der Erbschaft- oder Grunderwerbsteuer (welche im Übrigen ebenfalls die Bodenrichtwerte für die Wertermittlung heranziehen) einen Nachweis über einen geringeren Wert bringen kann.

Mein Kommentar:

In der Anhörung zur Grundsteuerreform im Finanzausschuss des Deutschen Bundestag im September 2019 hatte ich diesen Punkt ebenfalls kritisiert. Der Kritik des Finanzgerichts ist hier zuzustimmen.

e) Das FG kritisiert die Pauschalisierungen im Bundesmodell: Es äußert ernstliche Zweifel daran, dass die Regelungen des Bewertungsgesetzes überhaupt geeignet seien, eine realitäts- und relationsgerechte Grundstücksbewertung zu erreichen. So führe insbesondere die große Zahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen und eine nahezu vollständige Vernachlässigung aller individuellen Umstände der konkret bewerteten Grundstücke zu der Einschätzung des FG, dass es zu Wertverzerrungen für den gesamten Kernbereich der Grundsteuerwertermittlung kommen könne. Die gewählte Regelungstechnik bewirke eine gleichheitswidrige Nivellierung der Grundstücksbewertung mit systematischen Unterbewertungen hochwertiger Immobilien und systematischen Überbewertungen für solche Immobilien, die sich in weniger begehrten Lagen bzw. in schlechterem baulichen Zustand befinden oder deren Ausstattungsmerkmale weniger hochwertig sind. Die Regelungen führten zudem in erheblichem Umfang zu Wertverschiebungen, sodass insgesamt nicht mehr von einer gleichheitsgerechten Bewertung ausgegangen werden könne.

Mein Kommentar:

Auch hier ist dem Finanzgericht bezüglich des Bundesmodells teilweise zuzustimmen. Ich hatte ebenfalls in der schriftlichen Stellungnahme im Finanzausschuss des Bundestages auf das Problem pauschaler, nicht nach Lagen differenzierender Mietansätze bei Wohngrundstücken hingewiesen und eine Differenzierungsmöglichkeit aufgezeigt.

Hätte sich der Gesetzgeber diesen Hinweis (der im Übrigen auch von Prof. Hey in fast identischer Form kam) zu Eigen gemacht, könnte die objektive Leistungsfähigkeit sehr wohl als folgerichtig umgesetzter Belastungsgrund für die Grundsteuer dienen.

Im Übrigen dürfte der gerügte Verstoß bei den flächenbezogenen Modellen v.a. in Bayern, aber auch in Hamburg, Niedersachsen und Hessen noch viel deutlicher sein. Bei diesen besteht weder ein klarer Bezug zur (objektbezogenen) Leistungsfähigkeit noch zu den öffentlichen Leistungen – die Infrastrukturausstattung ist eben zu einem hohen Maße für den Grundstückswert verantwortlich. Die als Belastungsgrund genannte Äquivalenz ist hier gerade nicht gegeben.

Fazit:

Die Einlassungen des Finanzgerichts sind teilweise berechtigt, aber nur teilweise. Insbesondere bezüglich der Bodenrichtwerte ist die Kritik nicht nachvollziehbar. Einige Beispiele, die Prof. Kirchhof für angebliche Inkonsistenzen anführt, dürften dem Umstand geschuldet sein, dass nicht nur die Lage, sondern auch die Bebauungsdichte wertbestimmend ist. Die Bodenrichtwerte werden aus dem Markt abgeleitet und dürften daher sogar eine der verlässlichsten Größen bei der grundsteuerlichen Bewertung darstellen.

Eine persönliche Anmerkung zum Abschluss: Es ist erstaunlich, wie Juristen (wie Gregor Kirchhof) sich zu Experten in Sachen Grundstücksbewertung aufspielen. Zwar müssen Juristen immer wieder Sachverhalte rechtlich einordnen, die nicht in ihr originäres Fachgebiet fallen. Gerade deshalb wäre bei dem Thema Grundstücksbewertung ein wenig mehr Demut und Respekt vor der Expertise derjenigen angebracht, die Grundstücksbewertung hauptberuflich betreiben und auch die Marktübersicht haben. Umgekehrt löst es ja bei Juristen – oft berechtigte – “allergische” Reaktionen aus, wenn Lieschen Müller anfängt, juristische Beurteilungen abzusondern.

Kommunale Erbbaurechte, Kreisumlagen und Finanzausgleich: Geht die Rechnung auf?

Dirk Löhr

Neulich hatte ich eine Diskussion mit einem Bürgermeister. Dieser meinte sinngemäß, die Höhe des Erbbauzinssatzes sei bei der Entscheidung, ob die Kommune eine Privatisierung von Grundstücken oder eine Vergabe via Erbbaurecht vornehmen soll, von nachrangigem Interesse. Die Argumentation:

Bei einer Privatisierung kann die Kommune neben Grundsteuern in der Zukunft mit Einnahmen aus Kommunalsteuern Seitens des Investors rechnen. Diese fließen der Kommune unmittelbar zu. Den größten Batzen macht dabei die Gewerbesteuer aus, wenn der Investor das Grundstück baulich nutzt. Diese fällt allerdings in vielen Fällen gar nicht an – so z.B., wenn Immobilien im Rahmen einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft (§ 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG) oder durch natürliche Personen zu Wohnzwecken vermietet werden. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer (wie auch aus der Grundsteuer, s. unten) würden aber durch Finanzausgleich und Kreisumlage erheblich gekürzt. Nach Mühlleitner (2015) kann es insbesondere bei Gewerbegebieten durchaus möglich sein, dass nahezu die gesamten Gewerbesteuereinnahmen abgeschöpft werden (die Abzüge durch Umlagen und horizontalem Finanzausgleich sind je nach Kommune jedoch sehr unterschiedlich). Der entscheidende Vorteil des Erbbaurechts sei nun, dass der Erbbauzins nicht durch Finanzausgleich und Kreisumlage gekürzt wird und voll in den Gemeindehaushalt eingeht. Allein dies mache das Erbbaurecht selbst bei einem geringen Erbbauzins deutlich interessanter als einen Verkauf des Grundstücks.

Von minderer Relevanz für die Entscheidung Privatisierung vs. Erbbaurecht sind hingegen die Einnahmenunterschiede bei der Grundsteuer, die einen deutlich geringeren Betrag zum kommunalen Haushalt als die Gewerbesteuer beiträgt. Ob Wohnnutzung oder gewerbliche Nutzung einerseits, Volleigentum oder Erbbaurecht andererseits macht hier ebenfalls wenig Unterschied. Die Grundsteuereinnahmen werden daher nachfolgend ausgeblendet.

Ganz ohne Relevanz für die Privatisierungsentscheidung sind schließlich die Zuweisungen aus Gemeinschaftssteuern (Einkommen- und Körperschaftsteuern). Hiervon profitiert die Kommune unabhängig, ob ein Grundstück privatisiert oder via Erbbaurecht genutzt wird.

Nimmt man noch die Vorteile des Erbbaurechts bezüglich der Steuerung des Geschehens auf dem Bodenmarkt und die Möglichkeit der Verdauerung von Sozialbindungen hinzu, läge die Vorteilhaftigkeit gegenüber der Privatisierung auf der Hand.

Als Freund des Erbbaurechts freut man sich natürlich, eine so positive Beurteilung Seitens eines Bürgermeisters zu hören. Aber stimmt sie auch?  Eine stark verkürzte Überlegung hierzu:

Bei der Privatisierung eines Gewerbegrundstücks ist anzunehmen, dass aus dem Erlös entweder teure Altschulden abgetragen werden oder eine Investition zum landesüblichen Zinssatz in eine Bundesanleihe stattfindet (auch, um Risikoaspekte auszublenden). Berücksichtigt man zusätzlich die Kürzung der kommunalen Steuereinnahmen durch Finanzausgleich und Kreisumlagen, stellen sich die kommunalen Erträge in der Privatisierungsvariante wie folgt dar [1]:

Grundstücksverkaufserlös * Zinssatz
+ Steuereinnahmen auf Untern. bei Volleigentum * (1 – Finanzausgleich/Kreisumlage in v.H.)

Würde die Kommune das Grundstück nicht veräußern und stattdessen im Erbbaurecht vergeben, erhielte sie einen Erbbauzins. Hinzu kommen auch hier Gewerbesteuereinnahmen auf die Gewinne des Investors, soweit dieser gewerbesteuerpflichtig ist. Diese fallen zunächst geringer als bei einer Privatisierung aus – der steuerpflichtige Gewinn wird ja durch die an die Kommune zu zahlenden Erbbauzinsen gekürzt. Allerdings kommt es im Rahmen des § 8 S. 1 Nr. 1e GewStG wieder zu einer hälftigen Hinzurechnung der Erbbauzinsaufwendungen bei der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage. Dies bedeutet, dass die Schmälerung des gewerbesteuerlichen Gewinns durch den Abzug der Erbbauzinsen nur beschränkt auf die Gewerbesteuereinnahmen durchschlägt. Die verbleibenden Steuereinnahmen verringern sich dann noch aufgrund des Finanzausgleichs und der Kreisumlage. Hinzugerechnet werden müsste allerdings noch der Bodenwertzuwachs, der allerdings als Aufbau stiller Reserven nicht in der kommunalen Doppik erfasst wird (Anschaffungskostenprinzip) und zunächst auch nicht liquiditätswirksam ist.

Die kommunale Ertragssituation in der Erbbaurechtsvariante ergibt sich also wie folgt [2]:

Erbbauzins + Bodenwertzuwachs + Steuereinnahmen auf Untern. bei Erbbaurecht * (1 – Abzug Finanzausgl./Kreisuml. in v.H.)

Das Erbbaurecht ist damit gegenüber der Privatisierung vorzuziehen, wenn [2] > [1].

Nun wurde in verschiedenen Abhandlungen (z.B. Löhr 2023, Forum Baulandmanagement 2023) dargestellt, dass sich ein marktgerechter Erbauzinssatz am langfristigen Fremdfinanzierungssatz orientieren sollte. Folgt man dem, gilt [3]

Grundstücksverkaufserlös * Zinssatz = Erbbauzins

Die betreffenden Größen kann man dementsprechend in beiden Varianten wegkürzen. Dann aber ist das Erbbaurecht nur von Vorteil, wenn gilt [4]

Steuereinnahmen auf Untern. bei Volleigentum * (1 – Finanzausgleich/Kreisumlage in v.H.)
< 
Bodenwertzuwachs + Steuereinnahmen auf Untern. bei Erbbaurecht * (1 – Abzug Finanzausgl./Kreisuml. in v.H.)

Nun ist, wie oben dargestellt, der Unterschied bei den Grundsteuereinnahmen zwischen Privatisierung und Erbbaurecht kaum existent, und bei den Gewerbesteuereinnahmen ebenfalls überschaubar. Diese Unterschiede werden durch die Abschöpfung (Finanzausgleich und Kreisumlage) noch einmal reduziert. Mit Blick auf die Steuereinnahmen sollte daher näherungsweise Indifferenz mit einem leichten Vorteil für die Privatisierung herrschen, was aber durch die gewonnenen bodenpolitischen Handlungsspielräume mehr als aufgewogen werden dürfte.

Als wirtschaftlich ausschlaggebend erweisen sich am Ende die zukünftigen Bodenwertsteigerungen.  Allerdings werden die aufgebauten stillen Reserven nicht in der kommunalen Doppik erfasst. Sie sind daher weder liquiditäts-, ertrags- und vermögenswirksam. Daher dürften die potenziellen Bodenwertzuwächse gegenwärtig ebenfalls nur beschränkt handlungsleitend sein. Um das Erbbaurecht zu befördern, wäre es daher erwägenswert, von den Kommunen eine Abschätzung der stillen Reserven verpflichtend vornehmen zu lassen und diese außerhalb der kommunalen Bilanz auszuweisen. Auf diese Weise könnte sichtbar gemacht werden, wie kommunales Bodeneigentum sich auf die Eigenkapitalsituation der Kommune auswirkt. Dies müsste dann aber auch weitergehende Konsequenzen haben (z.B. bei der Frage, wann eine Kommune unter die Haushaltssicherung fällt).

Die vorliegende Betrachtung war überschlägig – einige Aspekte konnten nicht berücksichtigt werden (z.B. unterschiedliche Möglichkeiten der Ausgestaltung der Finanzierung bei beiden Varianten).

Dennoch kann festgehalten werden: Die Abzüge durch Finanzausgleich und Kreisumlage sollten bei der Entscheidung Privatisierung oder Erbbaurecht regelmäßig eine untergeordnete Rolle spielen. Von potenziell weit höherer – wegen der fehlenden Abbildung stiller Reserven in der kommunalen Doppik tatsächlich aber ebenfalls eingeschränkter – Bedeutung sind die potenziellen Bodenwertzuwächse. U.a. deswegen liegt es nahe, v.a. Schlüsselgrundstücke in guter Lage im Erbbaurecht zu vergeben.

Literatur

Forum Baulandmanagement (Hrsg.) (2022): Der Einsatz des Erbbaurechts aus kommunaler Perspektive, Dortmund.

D. Löhr (2023): Erbbauzinssatz: Einfach marktgerecht. Agrarbetrieb 3, S. 177-184.

D. Mühlleitner (2015): Siedlungsflächenentwicklung und ihre Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt, Diss., Herzogenrath.

Thüringer Landtag beschließt Absenkung der Grunderwerbsteuer

Dirk Löhr

Im Thüringer Landtag wurde letzte Woche eine Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 5,0 Prozent beschlossen. Das Gesetz wurde von den Oppositionsparteien CDU und FDP in den Landtag eingebracht und auch mit den Stimmen der AFD gegen den Willen der Landesregierung verabschiedet. Die Gegenfinanzierung ist unklar bzw. umstritten. Nachfolgend geht es um eine sachliche, und nicht um eine politische Bewertung der Maßnahmen (Stichwort: Fall der “Brandmauer” gegen die AFD).

Die Grunderwerbsteuer erhöht die Nebenkosten des Erwerbs von Grundstücken. Das Grunderwerbsteuergesetz ist ein Bundesgesetz; der Steuersatz wird jedoch seit der Finanzreform 2006 von den Ländern festgelegt. Er reicht derzeit von 3,5% (Bayern) bis 6,5% (Brandenburg, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein und bislang auch Thüringen). Dabei haben die ärmeren Länder tendenziell höhere Steuersätze, was deren Wettbewerbsfähigkeit nicht gerade stärkt. Bei einer Immobilie mit einem Wert von 300.000 Euro langt ein Land mit einem Steuersatz von 6,5% mit bis zu 19.500 Euro zu. Dies erschwert nicht zuletzt die Eigentumsbildung für Haushalte mit wenig Eigenkapital.

Wie sind die Maßnahmen des Thüringer Landtags einzuordnen? Grundsätzlich stehen sich bezüglich der Grunderwerbsteuer zwei politische Grundsatzpositionen gegenüber:

1) Im linken Lager möchte man die Grunderwerbsteuer noch weiter stärken und dabei v.a. “Share deals” noch stärker mit einbeziehen. Da man statt Grundstücken auch Anteile an Unternehmen mit Grundstückseigentum kaufen kann, existieren im Grunderwerbsteuergesetz Schwellenwerte, ab denen auch der Anteilserwerb der Grunderwerbsteuer unterliegt. Diese sollen nach Meinung der Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer noch weiter abgesenkt werden. Allerdings werden Share deals nicht nur aus Gründen der Steuerumgehung gemacht; sie können z.B. auch durch wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen motiviert sein. Die Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer denken auch z.T. an noch höhere Steuersätze, um Grundstücksspekulation zu erschweren – eine Art „Tobin Tax“ auf Immobilien . Schützenhilfe für diese Position kommt von unerwarteter Seite: Forscher des ifo-Instituts kamen zu dem Ergebnis, dass die Grunderwerbsteuer vor allem zu Lasten der Verkäufer geht. M.E. ist dies für angespannte Märkte plausibel, da hier das Bodenangebot hoch preisunelastisch ist. Bei weniger angespannten Märkten dürfte die Überwälzung leichter sein. Dies ist auch mit den Befunden der Studie kompatibel, die allerdings ein wenig anders argumentiert.

2) Das liberale und konservative Lager plädiert zumeist für eine Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes bundesweit auf die ehemaligen 3,5% (vor 2006). Die nun erreichten 5% in Thüringen sind insoweit nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine einheitliche bundesweite Rückführung des Steuersatzes klingt zunächst einfach, ist aber dennoch problematisch: Weil die Grunderwerbsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Länder ist, werden diese kaum einer solchen Absenkung zustimmen. Dies erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer de facto nicht in den Länderfinanzausgleich eingeht. Ebenso gegen den Strich dürfte den Ländern gehen, wenn die Festlegung des Grunderwerbsteuersatzes wieder per Bundesgesetz geregelt wird. Es bedürfte u.a. einer Änderung der Finanzverfassung. Im Falle einer generellen Absenkung hätte man allerdings auch weniger Probleme mit Umgehungen via Share deals, da sich diese kaum noch lohnen. Außerdem wäre der Immobilienmarkt liquider, da Transaktionskosten wegfallen.

Auch radikalere Vorschläge sind in der Diskussion, allerdings so gut wie ohne Umsetzungschance. So wäre eine weitere, bislang kaum diskutierte Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer abzuschaffen und statt dessen Grundstücksverkäufe in die Umsatzsteuer zu integrieren (evt. mit einem eigenständigen Steuersatz). Die Länder wären dann stärker an der Umsatzsteuer zu beteiligen, damit es zu keinen Einnahmeausfällen kommt. Diese werden jedoch auch von diesem Vorschlag nicht begeistert sein, da auch hier ein Stück Autonomie gegenüber dem Status Quo verloren geht. Außerdem wäre zu prüfen, ob die Mehrwertsteuersystemrichtlinie angepasst werden müsste, was als europäisches Recht nur unter Zustimmung aller Mitgliedstaaten geschehen könnte.

Alle genannten Optionen der Weiterentwicklung der Grunderwerbsteuer liegen maßgeblich in der Hand des Bundes, weniger bei den Ländern. Es bleibt somit festzuhalten: Einerseits sind nach den Ergebnissen der o.a. ifo-Studie die negativen Verteilungswirkungen der Grunderwerbsteuer beschränkt, was Dramatik aus der Diskussion nehmen sollte. Andererseits kann man durchaus noch die Frage stellen, ob eine weitere Stärkung der Grunderwerbsteuer in Richtung auf eine „Tobin-Steuer auf Immobilien“ Sinn ergibt. Die Quelle der Grundstücksspekulation ist das private Eigentum an Grund und Boden, das dem Boden den Charakter einer Realoption verleiht. Dabei geht es einerseits um den „Zeitwert der Option“, also den spekulativen „Wert des Warten-Könnens“. Andererseits geht es um den inneren Wert der Option, also die (abdiskontierten) Bodenrenten. Beides kann an der Quelle durch eine entsprechend starke Bodenwertsteuer bekämpft werden; eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist dagegen eine Symptomkur.

Unabhängig davon, wie man den politischen Prozess im Thüringer Landtag bewerten mag: Der Beschluss einer Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes ist vor diesem Hintergrund tendenziell sinnvoll und eine der Maßnahmen, bei denen die Bundesländer ohne den Bund schon voranschreiten können. Andere Bundesländer sollten sich ein Beispiel an Thüringen nehmen. Allerdings fährt der Zug eher in die andere Richtung: Zum 1. Januar 2023 hat Hamburg die Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5 Prozent und Sachsen von 3,5 auf 5,5 Prozent erhöht.

Unabhängig von der Diskussion um den Steuersatz sind die Bestrebungen zu sehen, die Grunderwerbsteuer gerade von privaten Immobilienerwerbern zu reduzieren. Vor dem Hintergrund der Inzidenzuntersuchungen der o.a. ifo-Studie erscheint dies vordergründig v.a. in ländlichen Regionen sinnvoll. Gerade hier könnten entsprechende Maßnahmen jedoch zu einem Mehr an Zersiedelung führen – v.a. durch Einfamilienhäuser. Allerdings steht nun einmal im Ampel-Koalitionsvertrag die Absicht, hier den Ländern die Möglichkeit zu geben, einen Freibetrag einzuführen, um den Immobilienerwerb zu erleichtern. Es gibt allerdings noch weitere Vorschläge. Neben dem Ersatz der Grunderwerbsteuer durch eine ausgeweitete Umsatzsteuer (s. oben) könnte niedrigschwelliger auch ein Vorsteuerabzug nach dem Vorbild der Umsatzsteuer eingeführt werden. Hierdurch könnte eine Kumulation der Steuer bei mehreren Verkäufen hintereinander durch den Vorsteuerabzug ggfs. vermieden und die Immobilie durch Bauträger somit billiger an den Enderwerber abgegeben werden. Für eine eingehende Bewertung all dieser Vorschläge fehlt hier der Raum.

Zumal die Einführung eines Freibetrages für Ersterwerber Bundessache wäre, umgeht Thüringen die Bundeszuständigkeit mit einem interessanten Sonderweg: De facto führt es im Alleingang einen Freibetrag für selbst genutztes Wohneigentum ein. Technisch erfolgt dies durch einen Zuschuss: Diesen soll erhalten, wer erstmals eine Wohnimmobilie erwirbt, um sie selbst zu nutzen. Dafür sieht das Gesetz allerdings einen Höchstbetrag vor. Für den Erwerb von Wohnimmobilien bis zu einem Wert von 500.000 Euro entspricht der Zuschuss der vollen Höhe der angefallenen und bezahlten Grunderwerbsteuer. Dem Gesetz zufolge wird der Wert anhand der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestimmt. Auf Erwerbskosten, die diesen Wert übersteigen, ist Grunderwerbsteuer zu entrichten.

Zu bedenken sind hier allerdings wieder die Inzidenzen: Es ist keineswegs sicher, dass der Zuschuss auch beim Erwerber ankommt, oder nicht vielmehr in Form höherer Kaufpreisforderungen wenigstens teilweise zugunsten der Verkäuferseite kapitalisiert wird.

Unabhängig davon, für wie sinnvoll man die beiden Beschlusskomponenten “Absenkung des Steuersatzes” und “Zuschuss” halten mag: Thüringen hat jedenfalls die Möglichkeiten auf Länderebene mit dem Parlamentsbeschluss maximal ausgereizt. Das Thema „Grunderwerbsteuer“ ist zudem durch den Beschluss des Thüringer Landtages wieder in Bewegung geraten.