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Was ist ein Monopol? Widersprüche in der Wettbewerbspolitik

Dirk Löhr

Was ist ein Monopol? Nach der neoklassischen Theorie kann es sich der Monopolist leisten, bei der Preissetzung keine Rücksicht auf seine Konkurrenten zu nehmen: Er bietet somit eine geringere Menge zu einem höheren Preis an als in einer Konkurrenzsituation. Auch die Theorie vollkommener Konkurrenz wurde v.a. durch Chamberlin zu einer Theorie „monopolistischer Konkurrenz“ ergänzt, in der die Anbieter einen gewissen Preissetzungsspielraum haben. Die monopolistische Konkurrenz wird heutzutage eher als Regelfall angesehen. Die neoklassische Vorstellung vom „Monopol“ ist allerdings nicht identisch mit demjenigen der ökonomischen Klassiker, die u.a. beim Boden von einem „Monopol“ sprachen. Die neoklassische Theorie ist nämlich im Wesen eigentlich eine antiklassische Theorie.

U.a. auch Israel M. Kirzner (als in der Tradition der österreichischen Schule stehend eher unverdächtig) stellte bereits im Jahre 1973 in seinem Buch „Competition and Entrepreneurship“ (Chicago) die Frage, wie es überhaupt zu diesem (von der Neoklassik postulierten) monopolistischen Preissetzungsspielraum kommen kann. Die orthodoxe Theorie erklärt nämlich nicht, warum nicht einfach Konkurrenten in den Markt eintreten und den Platzhirschen den Preissetzungsspielraum wieder nehmen.

Es muss also irgendwie geartete Markteintrittsbarrieren geben. In früheren Zeiten waren dies Privilegien und Regulierungen. In diametralem Gegensatz zur neoklassischen Auffassung, dass „Land“ als Produktionsfaktor heute nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, gewinnt tatsächlich die Kontrolle über „Land“ i.w.S. heutzutage mehr und mehr an Gewicht. Insbesondere bei den unvermehrbaren Ressourcen handelt es sich um nichts anderes als um „Land“ i.S. der klassischen Ökonomen. In den Branchenstudien wurden in diesem Blog bereits einige Beispiele für diese Geschenke gegeben:

– Die Luftfahrtindustrie erhält die wichtigen Start- und Landerechte („Land“ i.w.S.!) geschenkt. Je größer und mächtiger ein Unternehmen, umso üppiger fällt das Geschenk aus.

– Die Energieriesen erhielten in der Vergangenheit die raren Standorte („Land“ i.w.S.!) für ihre Grundlastkraftwerke zu einem Schnäppchenpreis. Bekämen sie nicht ebenfalls die CO2-Zertifikate („Land“ i.w.S.!) zu einem Schnäppchenpreis, würden sich die Kohlekraftwerke kaum mehr rechnen. Speziell Braunkohlekraftwerke ergeben nur für diejenigen Unternehmen einen Sinn, die auch die Ressourcen (im Braunkohletagebau, wieder „Land“ i.w.S.!)) kontrollieren.

McDonald`s ist im Kern keine Burgerbraterei, sondern ein Immobilienunternehmen. Standorte und Standortpolitik („Land“ i.w.S.!) spielen eine zentrale Rolle im Unternehmenskonzept.

– In der Vergangenheit unterboten sich die Kommunen in der Ausweisung von Gewerbeflächen für den großflächigen Einzelhandel. So kam dieser kostengünstig und flächendeckend zu nicht integrierten Standorten („Land“ i.w.S.!) – auf Kosten des inhabergeführten Einzelhandels, ausblutender Städte und ausgepresster Lieferanten. Heute teilen sich die fünf führenden Supermarktketten Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Metro rund 90 Prozent des Marktes. Angesichts von zweifelhaften Konkurrenten wie Walmart mag man es nicht so richtig bedauern, wenn diese auf dem deutschen Markt keinen Fuß fassen können. Zwar schaute das Bundeskartellamt sich die Sache im Jahr 2011 näher an, alarmiert durch unfaire Einkaufspraktiken. Diese umfassen z.B. die rückwirkende Änderungen von Konditionen, d.h. der Lieferant muss rückwirkend Geldbeträge in fünf- oder sechsstelliger Höhe bezahlen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten; Listungsgebühren, d.h. die Lieferanten müssen Gebühren bezahlen, damit sie überhaupt ihre Produkte liefern dürfen; Regalmieten, d.h. Lieferanten müssen für gute Regalplätze Geld auf den Tisch legen; Androhung von Auslistung, wenn Lieferanten nicht auf die Bedingungen der Supermarktketten eingehen. Geändert hat sich allerdings nichts – hierzu fehlt den Wettbewerbshütern auch das Instrumentarium (s. unten).

Das Beispiel der Supermärkte ist in vielerlei Hinsicht sehr interessant – zeigt es doch, dass Marktmacht und eine monopolistische Position i.S. Kirzners mit intensivem Wettbewerb (zwischen den Supermärkten) vereinbar ist, und wie viel Geld man selbst im harten Wettbewerb verdienen kann, wenn man die entsprechenden Ressourcen kontrolliert. Es zeigt weiter, dass die Kontrolle über Ressourcen (also „Land“ i.w.S.) auch jenseits von Privateigentum erfolgen kann, wenn die öffentliche Planung der Ressourcennutzung unzulänglich ist. 

Bislang haben die Wettbewerbshüter allerdings kein vernünftiges Konzept zur Hand, um die genannten und viele weitere Auswüchse unter Kontrolle zu bekommen. Dabei ginge es anders, wenn man aus der Analyse von Kirzner die sich aufdrängenden Schlüsse zieht. Konkret: Standorte für Supermärkte (mit ihren mannigfaltigen externen Kosten) sind durch eine zentrale, überörtliche Planung zu beschränken und an die Supermarktketten zu versteigern. Standorte für Grundlastkraftwerke (mit ihren mannigfaltigen externen Kosten) sind zu limitieren und, soweit diese tatsächlich noch gebraucht werden, an die sog. „Energieversorger“ zu versteigern. Start- und Landerechte (mit ihren mannigfaltigen externen Kosten) sind (auf koordinierten Flughäfen) zu versteigern, und nicht zu verschenken. Über die Versteigerungserlöse werden die ökonomischen Renten zugunsten der Gemeinschaft abgeschöpft, die ansonsten in den Gewinn der betreffenden Unternehmen fließen (und dessen Kern bilden). Andererseits sollte bei solchen Versteigerungen der Preis nicht die alleinige Rolle spielen – es können soziale und ökologische Nebenbedingungen gesetzt werden. Die Voraussetzung ist aber immer, dass sich die Eigentumsrechte an „Land“ i.w.S. in öffentlicher Hand befinden. Wettbewerb und die private Kontrolle über die Schlüsselressource „Land“ i.w.S. schließen sich aus.

Die derzeitige Wettbewerbspolitik möchte unternehmerische Macht beschränken, ohne an den Fundamenten dieser Macht -nämlich der Kontrolle über „Land“ i.w.S. – zu rütteln. Hier liegt auch der fundamentale Widerspruch der ordoliberalen Schule, die ansonsten sehr zutreffend die Gefahr der wirtschaftlichen Macht für eine freiheitliche Ordnung erkannte. So merkwürdig es in orthodoxen Ohren klingen mag: Ohne eine Verschränkung der Wettbewerbspolitik mit der Land- und Ressourcenplanung und ohne eine andere Eigentumsordnung bei “Land” i.w.S. wird der Wettbewerb langsam, aber sicher ausgehebelt – und damit die freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zerstört.

Ja, eine freiheitliche Gesellschaft braucht Privateigentum – aber nur Privateigentum am Produktionsfaktor „Kapital“. Privateigentum am Produktionsfaktor „Land“ hingegen untergräbt Freiheit und Wettbewerb.

Mehr in:

Kirzner, I. M. (1973): Competition and Entrepreneurship, Chicago.

Zur Macht der Supermärkte: http://www.supermarktmacht.de/

Aderlass durch Dr. Steinmeier: Der griechische Patient in der Hand von Kurpfuschern

Dirk Löhr

Er kam, um aufzumuntern. Und wie schon Mutti vor ihm zog Steinmeier quasi-biografische Vergleiche für die persönliche Einschätzung der Lage in Griechenland . Noch mehr: Wie sein Vorgänger wollte er die Griechen anspornen, die Konsolidierungspolitik fortzuführen („fordern und fördern“). Was da im Klartext heißt: Weitere Privatisierungen (von Monopolen und ihren ökonomischen Renten), weitere Steuererhöhungen, und keine Diskussion über den Verbleib in der Eurozone, in der Griechenland nie etwas zu suchen hatte. Als Damoklesschwert droht immer wieder die Einstellung der Rettungspakete – als ob die Griechen, und nicht die deutschen Banken gerettet werden sollten. Die Weisheit sozialdemokratischer Außen-Wirtschaftspolitik reicht also offenbar nicht weiter als diejenige der lobby-liberalen.

Griechenland ist aber ein Staat am Rande Europas, in der raumwirtschaftlichen Peripherie. In der Denkweise des klassischen Ökonomen David Ricardo handelt es sich um „Grenzland“, in dem – prinzipiell nicht anders als in den 60er Jahren im Zonenrandgebiet Deutschlands oder in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung – gerade noch kostendeckend gewirtschaftet werden kann. Anders als in den europäischen Kernländern ist kaum ein Überschuss über die Reproduktionskosten von Arbeit und Kapital (das sind ökonomische Renten) vorhanden – und damit auch nicht das Steuersubstrat, aus dem die von der Troika aus EZB, IWF und Europäischer Kommission geforderten Abgabenerhöhungen schadlos finanziert werden könnten. Und mit diesem nicht vorhandenen Überschuss soll Griechenland weiter zur Ader gelassen werden.

Wird aber den Staaten der Peripherie (ähnliches gilt auch für Spanien, Portugal, und sogar für Teile von Frankreich) von der Troika die Erhöhung klassischer Steuern (Einkommen-, Körperschaft-, Mehrwertsteuer) oder weitere Sparanstrengungen zugemutet, blutet das europäische „Grenzland“ regelrecht aus. Zu Recht hatte man dies in Deutschland seinerzeit weder dem Zonenrandgebiet noch den neuen Bundesländern zugemutet. Daher zeugte schon Muttis Vergleich mit den Erfahrungen aus dem Aufbau der neuen Bundesländer von tiefem wirtschaftspolitischen Unverständnis. Und Kurpfuscher Dr. Steinmeier folgt ihr in großkoalitionärer Eintracht treu.

Was er hingegen nicht zur Sprache bringt: Mit der Ausweitung des „Grenzlandes“ durch den Beitritt von neuen, wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten stiegen die ohnehin schon relativ hohen Bodenrenten (die als Differentialrenten zugleich soziale Überschüsse darstellen) in der jüngeren Vergangenheit gerade in den Kernländern noch weiter an – und damit deren Abgabensubstrat. Der große Gewinner heißt hier Deutschland. Allerdings profitieren hier wie in anderen Kernstaaten neben (grund-)vermögenden Privatpersonen vor allem die Unternehmen (s. die Branchenstudien in diesem Blog).

Was wäre zu tun?

Erstens: Griechenland sollte schleunigst aus dem Euro verschwinden, damit die Produktivitätsunterschiede zu den Kernländern wieder durch einen Wechselkurs abgefedert werden können. Außerhalb des Euro sollte es unter dem Schirm eines Marshall-Plans wieder auf die Beine kommen – mit einem späteren Wiedereintritt als Option. Solange Griechenland aber mit seiner schwachen Wettbewerbsfähigkeit unter dem Dach einer Währung mit Staaten wie Deutschland konkurrieren muss, wird Hellas bis zum Hals im Schlamassel steckenbleiben.

Zweitens: Bedingt durch periphere Staaten wie Griechenland, Rumänien etc. sprudelt in den Kernstaaten die Bodenrente (als Differentialrente) wie selten zuvor. Nach dem Henry-George-Theorem ist aber genau diese die Abgabenquelle der Wahl. Deren wenigstens teilweise Abschöpfung mittels einer auf EU-Ebene verankerten Bodenwertabgabe und ihre solidarische Rückverteilung an die Mitgliedstaaten nach Zahl der Einwohner (unabhängig, ob im Euro oder außerhalb) könnte die Staaten der Peripherie entlasten, ohne die ökonomische Effizienz der übrigen EU-Staaten zu beeinträchtigen. Zugleich könnten europaweit die traditionellen Steuern, die v.a. Arbeit und Verbrauch belasten, zurückgefahren werden (“tax shift”).

Eine europäische Bodenwertabgabe wäre zudem ein Einstieg in eine europäische Finanzverfassung, der wesentlich kompatibler mit den vier Grundfreiheiten wäre als andere finanzpolitische Optionen.

So etwas erfordert allerdings Visionen. Diejenigen der Sozialdemokraten sind spätestens seit Schröder voll im neoliberalen Gedankengut aufgegangen. Der große sozialdemokratische Nebelwerfer, Helmut Schmidt, tönte seinerzeit: Wer Visionen hat, möge doch zum Arzt gehen. Mag ja bei den damaligen sozialdemokratischen Visionen so sein. Seine Partei zeigt aber, dass man ganz ohne Visionen einen langsamen und qualvollen Tod erleidet – in den Armen von Dr. Steinmeier und seinen Kollegen von der politischen Kurpfuscherei.

Mehr in:

Löhr, D. / Harrison, F. (2013): Ricardo und die Troika — für die Einführung einer EU-Bodenwertabgabe, Wirtschaftsdienst, October 2013, S. 702-709. Online: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10273-013-1586-1#page-1

Löhr, D. (2012): Gresham und die Drachme, in: Humane Wirtschaft 02, S. 26-27. Online: http://www.humane-wirtschaft.de/2012_02/HW_2012_02_S26-27.pdf

Sueddeutsche.de (2014): Steinmeier in Athen: Smalltalk und gewagte Vergleiche, 10.1. Online: http://www.sueddeutsche.de/politik/steinmeier-in-athen-small-talk-und-gewagte-vergleiche-1.1860491

Kommentar: Totgeburt Südsudan

Dirk Löhr

Indische Blauhelmsoldaten werden getötet, Massengräber werden gefunden, ein Putschversuch scheitert, das junge Land Südsudan gleitet langsam aber sicher in einen grausamen Bürgerkrieg ab. In mehreren Regionen des vor zweieinhalb Jahren unabhängig gewordenen Staates von der Größe Frankreichs wird inzwischen gekämpft. Die ölreiche Unity-Provinz ist nach Angaben des Putschistenführers Riek Machar bereits in die Hände der ihm loyalen Truppenteile gefallen, dort soll es auch zu blutigen Zusammenstößen zwischen Angehörigen der beiden größten Bevölkerungsgruppen des Landes, Dinka und Nuer, gekommen sein. In Bor, der Hauptstadt der Jonglei-Provinz, bahnt sich unterdessen eine gewalttätige Konfrontation zwischen Machars Truppen und Regierungssoldaten an, die derzeit aus der 200 Kilometer weiter südlich gelegenen südsudanesischen Hauptstadt Juba verlegt werden. Der Konflikt breitet sich weiter aus.

Dabei bereitet zunehmend Sorge, dass sich die Konfliktlinien anhand der ethnischen Zugehörigkeit bewegen. Kiir, dem zunehmend diktatorischer Regierungsstil vorgeworfen wird, gehört dem größten südsudanesischen Volk der Dinka an, Machar dem zweitgrößten Volk der Nuer. Machar hatte sich bereits während des Bürgerkriegs gegen den Nordsudan vorübergehend von der nunmehr herrschenden Rebellenorganisation SPLA abgespalten: 1991 schloss er sich den Feinden aus dem Norden an. Schon damals kam es in Bor zu einem Massaker. Rund 2.000 Dinkas wurden von Nuer-Kämpfern umgebracht.

In den Medien hört man die Tage, trotz der unglaublichen Ölreserven drohe der Südsudan als Staat zu scheitern. Nein. Nicht trotz der Ölreserven, sondern WEGEN der Ölreserven. Der Südsudan ist ein typisches Opfer des Ressourcenfluchs. Die Rebellenarmee SPLM, welche die Abspaltung bewirkte, hatte von Anfang an kein politisches Programm. Der bewaffnete Kampf gegen den Norden war ihre einzige Daseinsberechtigung. Und bei diesem Kampf stand wieder einmal die Ressource Öl und ihre Erträge (die Ölrenten) im Mittelpunkt. Die rivalisierenden Führer wollten sich diese Schlüsselressourcen und ihre Renten unter den Nagel reißen. Die Unabhängigkeit war lediglich ein Mittel hierzu, sie war aber nicht der eigentliche Zweck.

Eigentlich wäre sogar ein friedlicher Pfad nach der Abspaltung vorgezeichnet gewesen. Der Südsudan ist nämlich als Staat nicht lebensfähig. Nordsudan und Südsudan brauchen einander. Im Süden liegen die größten Ölfelder Gesamt-Sudans. Die Raffinerien, der Ölverladehafen und die Pipelines dorthin aber befinden sich im Norden. Laut dem 2005 ausgehandelten Friedensvertrag hatte Sudan eine Hälfte der Öleinnahmen behalten dürfen, Südsudan die andere. Das funktionierte. Dann wurde der Südsudan unabhängig und nahm drei Viertel der sudanesischen Ölproduktion mit sich. Die wirtschaftlichen Beziehungen wurden gekappt. Dies geschah zwar auch zum Schaden der südsudanesischen Bevölkerung, was aber die SPLM nicht kümmerte.

Der Regierung des jungen Staates war jedoch reichlich unbekümmert – konnte sie doch auf den Westen setzen, der von Anfang an als Geburtshelfer an seiner Seite stand: Mit Entwicklungshilfe, aber auch militärischer Unterstützung. Jeweils 300 Millionen Euro zahlen die EU und Amerika dafür allein bis 2013, viele Dutzend privater Hilfsorganisationen im Schlepptau. Dies waren nichts anderes als Eintrittsgelder der westlichen Konzerne zu den südsudanesischen Ressourcen und ihren Renten. Umgekehrt hingen die Südsudanesen von Anfang an am Tropf westlicher Entwicklungshilfe. Die Helferarmada ließ ihnen keine andere Chance. Das zementierte wiederum die Macht der SPLM. Wahrlich keine soliden Fundamente für das neue Staatsgebäude.

Zwar ließ die Rebellenarmee pro Tag mehrere hunderttausend Barrel Öl fördern. Eigentlich hätte dies reichen sollen, um davon für ein Acht-Millionen-Volk Schulen, Straßen und Krankenhäuser zu bauen. Doch die Gelder fließen in die Taschen der Warlords, und die elementarsten staatlichen Funktionen werden durch Entwicklungsgelder aufrecht erhalten.

Dennoch: Für Medien und Politik waren gut und böse wieder einmal deutlich: Die guten Christen aus dem Süden im Aufstand gegen die Unterdrückung durch den arabischen Kriegsverbrecher aus dem Norden. Wenig kam hingegen über das Interesse des Westens an den Ölvorkommen zur Sprache.

Bleibt zu sagen: Frohe Weihnachten, Juba.

Gewinne und Renten: Alles Aldi oder was?

Dirk Löhr

Die kritische Diskussion über unsere Wirtschaftsordnung konzentriert sich in Deutschland hauptsächlich auf die Themen Geld und Banken. Um nicht missverstanden zu werden: diese Themen sind wichtig. Die reichsten Deutschen sind jedoch nicht etwa Bankiers, sondern die Gebrüder Albrecht (Aldi). Mit ihren Discount-Ketten bringt jeder der Albrecht-Brüder rund 17 Mrd. Euro auf die Waage, s. o.V. / Fokus Money Online 2008). Gefolgt werden sie von Dieter Schwarz (u.a. Lidl) mit rund 11 Mrd. Euro Vermögen.

Wie kam es zu diesem Siegeszug der Supermärkte? Typisch für Discounter wie Aldi oder Lidl sind z.B. die hohe Konzentration auf ein relativ begrenztes Warensortiment, wenige, jedoch umsatzstarke und umschlagsintensive Produkte, eine einfache Warenpräsentation und ein hoher Anteil sog. Handelsmarken (Letzteres hängt wiederum mit der „Rückwärtsintegration“ infolge ihrer Marktmacht zusammen). Dieses Konzept ermöglicht den Anbietern einen großen Flächenumsatz bei relativ niedrigen Laden- und Personalkosten. Niedrige Handelsmargen, kombiniert mit niedrigen Einkaufspreisen (aufgrund der großen Mengen in Verbindung mit Logistikvorteilen) erlauben den Discountern, ihre Produkte zu niedrigen Verkaufspreisen an den Mann oder die Frau zu bringen (Milchindustrie-Verband 2013).

Doch entgegen einer landläufigen Meinung ist nicht nur die Effizienz von Aldi & Co. der Grund für ihren Erfolg. Ein unterschätzter Faktor ist die Okkupation von Standorten – womit wir wieder beim vergessenen Faktor Boden und dessen Erträgen (Bodenrenten) angelangt wären. Ohne die großen und weit verzweigten Verkaufsflächen wären Aldi & Co. nicht das, was sie heute tatsächlich sind. Ohne diese Flächen geht es nicht – wie das Scheitern von Wal Mart in Deutschland eindrucksvoll belegt (Knorr / Arndt 2003). Man könnte sagen „good luck!“ und sich interessanteren Dingen zuwenden.

Aber: Aldi & Co. sind nicht so preiswert, wie sie scheinen. Und die versteckten Preise zahlt die Öffentlichkeit:
Die vergrößerten Betriebsflächen entstehen oft an neuen Standorten an der Peripherie der Siedlungen. Sie entstehen auf der grünen Wiese, an neuen, weder städtebaulich noch verkehrsbezogen gut integrierten Standorten – meist ohne Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr. Die Wettbewerber suchen dabei die räumliche Nähe zueinander (Fühlungsvorteile); so entstehen größere Einzelstandorte mit überörtlicher Funktion. Ein Vollsortimenter (Umsatzleistung rund 5.000 Euro pro m²) mit etwa 1.500 m² Verkaufsflächen benötigt für einen wirtschaftlichen Betrieb einen Umsatz von rund 7,5 Mio. Euro. Eine Umsatzleistung in dieser Größenordnung entspricht in etwa der Lebensmittelkaufkraft von rund 5.000 Einwohnern. Ungefähr das gleiche gilt für einen Discounter mit 800 m² Verkaufsfläche (1,5 bis 2-fache Flächenproduktivität bei geringerer sortimentsspezifischer Kaufkraft). Die deutschen Verkaufsflächen sind (in qm/Einwohner gerechnet) wesentlich größer als diejenigen in Frankreich oder Großbritannien (Knorr / Arndt 2003). Durch die zunehmende Verbreitung der Discounter mit immer größeren und neuen Verkaufsflächen werden v.a. inhabergeführte Lebensmittel- und Facheinzelhändler, die ihre Produkte auf kleinen Verkaufsflächen anbieten, zunehmend verdrängt. So ist z.B. die Anzahl von Geschäften mit einer Verkaufsfläche von unter 400 Quadratmetern von 56.000 1993 auf rund 33.000 2006 gesunken (Milchindustrie-Verband 2013). Verstärkt wird dieser Trend durch andere Faktoren wie z.B. die Deregulierung des Ladenschlussrechts, wodurch der mittelständisch geprägte und oft an städtebaulich integrierten Standorten etablierte Facheinzelhandel unter Druck gerät.

Durch die Verdrängung inhabergeführter, etablierter Unternehmen in integrierten Lagen wird jedoch die Versorgungsfunktion der Innenstädte ausgehöhlt. Gemischt genutzte Ortszentren verlieren ihre bewährte Funktion. Früher getätigte öffentliche Investitionen in zentrale Infrastrukturen werden entwertet. Bemerkbar macht sich dies u.a. in der Verödung und Auszehrung der Ortskerne, in denen nach dem Auszug des Lebensmittelhandels der Auszug des Fachhandels droht. Danach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch andere Dienstleistungen (Banken, Post, …) schließen und die Ortskerne damit endgültig verkommen.

Es ist pervers: Einerseits wurden in den letzten Jahrzehnten mit Milliarden privater und öffentlicher Gelder Innenstädte saniert und neu gestaltet. So hat allein das Land Baden-Württemberg zwischen 1974 und 2004 rund 4,7 Mrd. Euro Städtebaufördermittel zur Sanierung und Aufwertung der Ortskerne aufgewendet, die durch viele zusätzliche kommunale und private Mittel ergänzt wurden. Die Verlagerung des Einzelhandels auf autoaffine Standorte auf der grünen Wiese entwertet aber diese öffentlichen und privaten Investitionen (NABU 2013).

Die vier größten Handelsunternehmen vereinen inzwischen rund 85% des Absatzmarktes in Deutschland auf sich (Bundeskartellamt 2011). Diese führt heute schon zu einem enormen Druck auf die Produzenten – es ist eine Frage der Zeit, wann die Marktmacht sich auch gegenüber den Kunden bemerkbar macht.

Dass es hierzu überhaupt kommen konnte, hat viel mit der verfehlten Flächenausweisungspolitik der Kommunen zu tun. Es ist zu vermuten, dass Einzelhandelsvorhaben bereits ab einer Größe von rund 700 m² Verkaufsflächen bzw. 1.200 m² Geschossfläche überörtliche Wirkungen entfalten. Doch fast alle derzeit diskutierten Einzelhandelsformen überschreiten die Schwelle dieser Regelvermutung (§ 11 Abs. 3 der BauNVO; NABU 2013). Dennoch überbieten sich die Kommunen mit großzügigen Ausweisungen. Dies folgt einer destruktiven Logik: Ist die eine Kommune mit ihren Anforderungen an Aldi & Co. zu rigide, wandert der großflächige Einzelhandel eben in die konkurrierende Nachbarkommune und zahlt dort die Gewerbesteuern. Zwar gibt es in der Mehrzahl der Bundesländer Regelungen in den Landesraumordnungsprogrammen sowie Einzelhandelserlasse zu der Zulässigkeit großflächiger Einzelhandelsbetrieben. Am Ende wird jedoch zumeist „einzelfallbezogen“ entschieden – zugunsten der betreffenden Märkte.

Mit dieser Brille wird das Erfolgsprinzip der Discounter deutlich: Am Ende fußt es ganz maßgeblich auf großzügigen Geschenken der Kommunen in Gestalt großer und billiger Flächen. Damit unterscheidet sich das Grundkonzept des großflächigen Einzelhandels im Prinzip nicht grundlegend von anderen “Erfolgsbranchen”. Nehmen wir die großen Energieversorgungsunternehmen: Diese bekommen im Rahmen ihrer fossilen Stromerzeugung „zu billig“ und sehr üppig Zugang zur Atmosphäre, wo sie ihr CO2 einlagern können (s. den Blogbeitrag „Gewinne und Renten: Beispiel Stromproduktion” vom 11.10.2013). Wenn beispielsweise die Bepreisung der Inanspruchnahme der Atmosphäre (mit Blick auf das 2 Grad-Ziel) angemessen erfolgen würde, wäre kein Braunkohlekraftwerk mehr in Betrieb. Während zum Zeitpunkt der Niederschrift die Emission einer Tonne CO2 im europäischen  Emissionshandel um die 5 Euro kostet, wäre vermutlich das 15-20 fache angemessen. Diese einzelwirtschaftliche Ersparnis, von der (ähnlich wie bei den Discountern) auch die Stromverbraucher teilweise profitieren, geht jedoch auch zu Lasten einer diffusen Allgemeinheit (v.a. in vielen Entwicklungsländern, die von klimatischen Extremereignissen betroffen sind). Es gibt eben nichts umsonst: „There is no such thing as a free lunch“; ein großer Teil des Aufwandes wird immer auf andere, schwach organisierte Akteure abgewälzt.

Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen: Wenn die Fluggesellschaften für die Nutzung der Start- und Landerechte, des Luftraumes und den verursachten Lärm zahlen müssten, wäre der Luftverkehr realistischer bepreist und würde eingedämmt (s. den Blogbeitrag “Gewinne und Renten: Beispiel Luftfahrt” vom 10.10.2013). Heute jedoch trägt die nicht fliegende Allgemeinheit einen großen Teil der Kosten, und zwar in Form von Gesundheitsschäden, sinkenden Immobilienwerten, den Folgen der Treibhausgasemissionen und nicht zuletzt auch in Gestalt der fehlenden Staatseinnahmen, die durch den Steuerzahler ausgeglichen werden muss.

Die Branchenbeispiele könnten fortgesetzt werden.

Das Geheimnis des wirtschaftlichen Erfolges von Aldi & Co. sind also Geschenke des Staates an die betreffenden Unternehmen. Auf diese Weise gelangen „Energieversorger“, Fluggesellschaften und Supermärkte „zu billig“ an die zugrunde liegende Ressourcenbasis können diese im Übermaß in Anspruch nehmen. Bei den Vertriebsstandorten, bei der Atmosphäre als Kohlenstoffspeicher, bei den Time-Slots für Starts und Landungen handelt es sich aber allesamt um „Land“ im Sinne der klassischen Ökonomen, das Seitens des Staates den betreffenden Unternehmen für „‘nen Appel und ein Ei“ zur Verfügung gestellt wird – auf Kosten der Allgemeinheit. Auf diese werden die negativen Effekte abgewälzt. Die steuerzahlende Allgemeinheit hat auch die finanziellen Löcher aufzufüllen, die mit den Geschenken an die betreffenden Unternehmen in die Staatskasse gerissen werden.

Das Gegenmittel bei der Produktion von Strom aus fossilen Energieträgern liegt auf der Hand: Eine Verknappung von Emissionsrechte, und deren Versteigerung. Die Erträge sollten der Allgemeinheit zukommen. Dasselbe Prinzip lässt sich für die Luftfahrt anwenden. Warum werden den Fluglinien Start- und Landerechte geschenkt, die im Einzelfall den Wert der gesamten Flugzeugflotte übersteigen können? Nicht anders verhält es sich aber auch mit den Supermärkten: Bei entsprechendem politischen Willen könnten die Standorte strikt begrenzt und ebenfalls versteigert werden. Die Planung der verbleibenden Standorte müsste freilich mindestens auf regionaler Ebene geschehen, damit die unproduktive Konkurrenz der Kommunen ausgeschaltet wird. Voraussetzung wäre hierbei eine Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsautonomie (Art. 28 II GG) – bislang eine heilige Kuh für die Kommunen, selbst wenn diese nicht selten ihre Herren auf die Hörner nimmt. Noch mehr: Die betreffenden Flächen sollten sich auch in öffentlicher Hand befinden. Die über die Versteigerung abgeschöpften Kontingentierungsrenten würden dann in öffentliche Kassen fließen. Sie würden nicht mehr an die Supermärkte verschenkt und würden – anders als heute – auch nicht mehr den harten Kern ihrer Gewinne darstellen.  Stattdessen könnten die Bodenrenten wieder an die Kommunen der Region zurückverteilt werden. Dies würde die Voraussetzung dafür schaffen, dass auch der inhabergeführte, mittelständische Einzelhandel mit seinem regionalen Bezug wieder eine realistische Chancen hätte. Zudem würde der teils ruinösen Flächenausweisungspraxis der Kommunen der Boden entzogen.

Mehr in:

NABU (2013): http://www.nabu.de/themen/siedlungsentwicklung/praxis/planung/04787.html.

Milchindustrie-Verband (2013), Welches europäische Land besitzt die größte Ladenfläche pro Einwohner?, online: http://www.meine-milch.de/kuh-iz/welches-europaeische-land-besitzt-die-groesste-ladenflaeche-pro-einwohner?fakuh=1

A. Knorr / A. Arndt (2003):  Wal-Mart in Deutschland – eine verfehlte Internationalisierungsstrategie, Materialien des Wissenschaftsschwerpunktes „Globalisierung der Weltwirtschaft“, Band 25, Universität Bremen.

Bundeskartellamt (2011):  Bundeskartellamt startet Marktermittlungen im Rahmen der Sektoruntersuchung Lebensmitteleinzelhandel, Pressemeldung vom 16.9., online:

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Presse/2011/2011-09-16_PM_SU_LEH.pdf

Postwachstumsökonomie und die ökonomische Gretchenfrage

Dirk Löhr

Allein zwischen 1960 und 2000 hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt (auf 6,12 Mrd. Menschen) und das globale Bruttoinlandsprodukt versechsfacht. Jeder Euro, jeder Dollar BIP zieht dabei eine energetische Schleifspur nach sich, erzeugt Abfall und benötigt Land und weitere Ressourcen.

Insbesondere seitdem Indien und China den nicht nachhaltigen westlichen Ökonomien in ihrer Entwicklung folgen, zeichnen sich die Grenzen des Wachstums deutlicher ab denn je. Sprachen Meadows et al. („Die Grenzen des Wachstums“) noch von „Peak Oil“, so ist heute auch die Rede von „Peak Soil“. Unabhängig davon, welchen Aspekt man nun betont: Der limitierende Faktor des Wachstums ist „Land“ – in dem weiten Verständnis der ökonomischen Klassiker. Zu „Land“ in diesem weiten Sinne zählt all das, was der liebe Herrgott und nicht der Mensch geschaffen hat. Hierzu zählen neben Grund und Boden in seinen unterschiedlichen Nutzungsvarianten auch mineralische Ressourcen, Öl, Wasser, die Atmosphäre, das elektromagnetische Spektrum, der biogenetische Reichtum etc.

Land in diesem weiten Sinne bildet die Wiege, den Beginn der Wertkette eines Produktes. Und es stellt auch das Ende der Wertkette dar: Nach Ende der Nutzung müssen die Überreste der Produkte deponiert werden (sei es in einer Land-Deponie oder durch Verbrennung in der Atmosphäre).

Die oft beschworene Postwachstumsökonomie ist vor dem Hintergrund der Endlichkeit von Land mehr als nur ein bedenkenswertes Ziel. Um diesen Zustand zu erreichen, bedarf es allerdings einer Kontrolle des wirtschaftlichen „Stoffwechsels“. M.E. müssen hierfür jedoch mindestens drei Bedingungen erfüllt sein:

a) Die Öffentlichkeit muss wie beschrieben den Anfang und das Ende der Wertkette – also Land – unter Kontrolle haben. Dies schließt insbesondere Privateigentum an Land i.w.S. aus, da hiermit gerade diese Kontrolle in die Hand der privaten Eigentümer gelegt wird. Private Nutzungsrechte an „Land“ i.w.S. reichen vollkommen aus. Volleigentum (mit dem Recht auf die Erträge, die Wertzuwächse und dem Recht, das Wirtschaftsgut in seinem Wesen zu verändern) ist hingegen nicht nur nicht nötig, sondern kontraproduktiv.

b) Diese privaten Nutzungsrechte an Land i.w.S. müssen allerdings „entkapitalisiert“ sein. Wenn stark organisierte Gruppen aus dem Land ökonomische Renten ziehen und gleichzeitig die Inwertsetzungs- und Verzichtskosten auf schwach organisierte Gruppen abwälzen können, entstehen finanzielle Fehlanreize. Der unnachhaltige Umgang mit Land i.w.S. wird dadurch ermutigt. Dies ist heute in mannigfacher Art und Weise der Fall. Ein Beispiel ist die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche auf Kosten v.a. landwirtschaftlicher Flächen, das mit dem Wirtschaftswachstum (weniger mit dem Bevölkerungswachstum!) Hand in Hand geht. Developer und Bodeneigentümer stoßen sich durch Landkonversionen finanziell gesund, während die Inwertsetzung der Flächen zu einem erheblichen Teil durch die Steuerzahler erfolgt. Der Staat unterstützt diese unnachhaltige Entwicklung – zumal er aufgrund der Privatisierung der Renten chronisch unterfinanziert ist (dieses Grundproblem wurde in diesem Blog schon wiederholt angesprochen). Ein anderes Beispiel sind die Gewinne, die durch den Eintrag von CO2 in die Atmosphäre gemacht werden. Anstatt die Rechte zur Nutzung der Atmosphäre (Land i.w.S.) rigoros zu begrenzen und zum Wohl der öffentlichen Haushalte zu versteigern, werden sie heutzutage großzügig bemessen und größtenteils an die Verschmutzer verschenkt. Die Löcher in der Staatskasse muss der Steuerzahler auffüllen. Hinzu kommen die Kosten, die auf andere Menschen in Form von Klima- und Gesundheitsschäden abgewälzt werden.

Ein weiterer Fehlanreiz wird durch das Geldwesen und den Zins hervorgerufen. Durch das Allais-Phelps-Theorem wurde der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Zinssatz beschrieben, was hier nicht näher ausgeführt werden soll (s. die Literaturhinweise). Postwachstumsökonomie ist daher auch nur über eine Reform des Geldwesens durchsetzbar.

c) Privateigentum an Land bedeutet wie gesagt den Verzicht auf die Kontrolle von Anfang und Ende der Wertketten. Nichts anderes geschieht heute; dieser Kontrollverzicht ist der Normalfall. Der Preis indes ist hoch: Will man die gröbsten umweltpolitischen Auswüchse dennoch wenigstens halbwegs unter Kontrolle bringen, muss man in den Wertketten selber herum dirigieren und Stoffströme umlenken („Stoffstrommanagement“). Dann sagt der Staat u.a. an, mit welchen Verfahren die Unternehmer zu produzieren haben, verbietet Glühbirnen und bestimmte Staubsauger – dies allerdings mit nicht gerade durchschlagendem Erfolg. Die grundlegende Idee der Marktwirtschaft, nämlich dezentrale und eigenverantwortliche Entscheidungen der Unternehmer, geht zudem hierdurch verloren. Stattdessen wächst ein interventionistischer Staatsapparat heran, der den Unternehmen vorschreibt, was sie zu tun haben und fallbezogene (diskretionäre) sowie gleichheitswidrige (weil bestimmte Gruppen begünstigende) Maßnahmenpolitik auf Kosten der Allgemeinheit betreibt. Hiermit schließt sich der Kreis, denn einzelfallbezogene politische Interventionen stellen ein Einfallstor für Lobbyismus und Rent Seeking dar. Ein schönes Beispiel war die Umweltprämie in 2009 („Abwrackprämie“), mit der unter dem Deckmäntelchen der Umweltpolitik in Wirklichkeit die Automobillobby bedient wurde. Die Anreizwirkung war mehr als fragwürdig: Dies gilt selbst industriepolitisch, zumal in erheblichem Maße mit deutschen Steuergeldern de facto der Import ausländischer Kleinwagen gefördert wurde. Im ersten Halbjahr 2010 gingen die Neuzulassungen deutscher Marken gegenüber dem Vorjahr um 28 % zurück (darunter Ford 40 %, Opel und VW je 37 %). Dies wurde bereits im Vorfeld von den meisten Ökonomen vorhergesagt – ohne von der Politik gehört zu werden. Umweltpolitisch war die Umweltprämie ein Desaster; durch das Abwracken tauglicher Fahrzeuge dürften enorme unnötige Stoffströme und ein unnötiger Ressourcenverbrauch initiiert worden sein.

Das Gegenstück zum Interventionsstaat wäre ein starker, sich selbst beschränkender Staat (Wilhelm von Humboldt). Hält dieser nur den Anfang und das Ende der Wertkette in der Hand, könnte er sich auf das Setzen eines Ordnungsrahmens (Spielregeln) beschränken und sich ansonsten weitgehend aus dem Wirtschaftsleben heraushalten.

Erstaunlicherweise wurde der letzte Schritt, nämlich die Unvereinbarkeit von Privateigentum an Land i.w.S. und einer marktwirtschaftlichen Ordnung auch von den Ordoliberalen nicht konsequent zu Ende gedacht. Dies, obwohl sogar wichtige Gründungsväter der neoklassischen Ökonomie (wie J.M. Walras, J.H. Gossen, J.S. Mill u.a.) mit ihrer Kritik am Privateigentum an Grund und Boden eigentlich schon die intellektuelle Steilvorlage zu dieser Schlussfolgerung gelegt hatten. Bei allen Verdiensten: Eucken & Co. wollten leider eben die ökonomische Gretchenfrage nicht stellen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Befürworter der Postwachstumsökonomie nicht ebenfalls hierum herumdrücken.

Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.doc

Dirk Loehr, The Euthanasia of the Rentier, in: Ecological Economics Vol. 84, 12/2012, S. 232-239. Online: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921800911004873

Dirk Löhr, Nullwachstum und Nullzins – Renaissance einer alten Idee, in: Zeitschrift für Sozialökonomie November 2010, S. 3-20. Online: http://www.zfsoe-online.de/ZfSO-166-167_Lohr.pdf

Drehtüren – Revolving Doors

Dirk Löhr

Wieder rotiert die Drehtür zwischen Wirtschaft und Politik: im Oktober wurde bekannt, dass SPD-Politiker Kurt Beck zum Pharmakonzern Boehringer Ingelheim wechselt. Die Gewinne von Pharmakonzernen wie Boehringer stützen sich maßgeblich auf Renten, die erst durch die heutige Patentgesetzgebung ermöglicht werden. Den Preis zahlen im sprichwörtlichen Sinne Patienten und Versicherte. Auch Innovationen werden – entgegen der Begründung der Pharmaindustrie – eher blockiert als gefördert. Der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz soll nun die Konzernspitze von Boehringer beraten. Das fünfköpfige Gremium, dem Beck neuerdings angehört, soll die Arbeit der Unternehmensleitung begleiten.

Interessant hinsichtlich der Beratungskompetenz von Beck dürfte für die Konzernspitze dabei weniger sein unternehmerisches Know How sein. Dass er dieses gerade nicht besitzt, hat er u.a. mit dem Nürburgring-Desaster und dem Hotelskandal in Bad Bergzabern hinreichend bewiesen. Vielmehr dürfte es darum gehen, über seine politischen Kontakte Türen für das Unternehmen zu öffnen.

Beck ist indessen kein Ausnahmefall. Nehmen wir Günter Verheugen. Während seiner Zeit als EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie (2004-2009) zog er mehrfach heftige Kritik wegen seiner Industrienähe auf sich, vor allem von Umweltverbänden. Nach seinem Ausscheiden nahm Verheugen Beraterjobs bei der Royal Bank of Scotland, dem Bundesverband der deutschen Raiffeisenbanken und Volksbanken (BVR), der Lobbyagentur Fleishman Hillard International Communications und dem türkischen Rohstoffbörsenverband (TOBB) an – ohne die Kommission hierüber zu informieren, was eigentlich seine Pflicht gewesen wäre. Dennoch gab ihm die Europäische Kommission im Juli 2010 grünes Licht für seine Engagements, mit der Begründung, Verheugen sei nicht in Lobbytätigkeiten involviert. Verheugen verschwieg der Kommission ebenso pflichtwidrig die Gründung einer eigenen Lobbyagentur. Erst als die Wirtschaftswoche dies aufdeckte, stellte die Kommission Nachfragen. Schließlich erlaubte die EU-Kommission Verheugen die Tätigkeit für die European Experience Company.

Die Fälle Beck und Verheugen sind typisch für Interessenkonflikte, von denen es nicht mehr weit zum unappetitlichen Thema der „weißen Korruption“ ist. Unter „weißer Korruption“ versteht man das entgeltliche Einbinden von Politikern in Nebenjobs, wobei die Gegenleistung oftmals – auch angesichts des teilweise nicht vorhandenen Sachverstandes – fragwürdig ist. „Weiße Korruption“ wird in Deutschland nicht nur geduldet; manch eine Stimme spricht diesbezüglich hierzulande sogar von einem regelrechten „El Dorado“. Ein Interessenkonflikt bestand beispielsweise, als der ehemalige OB Schuster (Stuttgart), Mitglied im Konzernbeirat der EnBW und Aufsichtsrat der EnBW Regional AG, derselben EnBW u.a. die Wasserbetriebe (Wasserrente!) verkaufte, die von den Bürgern zuvor über Generationen hinweg aufgebaut und bezahlt und am Ende eben Herrn Schuster & Co. anvertraut wurden.

Die personifizierte Interessenverflechtung zwischen Industrie und Politik war Werner Müller (Wirtschaftsminister der rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2002). Seit 1973 war er in Unternehmen wie RWE, Veba und Kraftwerke Ruhr AG tätig (Energierenten!). Nach seinem Ausscheiden aus der Politik wurde er Vorstandsvorsitzender der Ruhrkohle AG (RAG, die auch von Ex-Bundeskanzler Schröder „beraten“ wurde). Der Interessenkonflikt wurde deutlich, als er das Verbot des Bundeskartellamtes für die Übernahme der Ruhrgas AG durch die E.ON nicht hinnehmen wollte. Er wies seinen Staatssekretär Tacke (später Vorstandsvorsitzender des Stromkonzerns STEAG) an, den Weg für die Fusion durch eine Ministererlaubnis (§ 42 GWB) freizumachen. Und damit sind wir wieder bei den Revolving doors. Der Wechsel von der Ministerialbürokratie in Unternehmen (hierzulande seltener zurück), werden mehr und mehr zur Normalität.

Los geht es allerdings schon im Amt. Schon das Selbstverständnis mancher Ministerien ist problematisch. Entlarvend hierfür war z.B. ein unbedachter Satz des früheren Bundeswirtschaftsministers Glos. Dieser verkündete (im Zusammenhang mit dem Beschluss des Entsende- und des Mindestarbeitsbedingungengesetzes) unbedarft wie stolz, wie erfolgreich er als verlängerter Arm der Industrielobby agierte („wir haben eine wirtschaftsfreundliche Lösung durchgesetzt“). In einer politischen Welt mit halbwegs geraden politisch-moralischen Maßstäben hätte sich der politische Boden auftun und Glos verschlingen müssen. In einer bis ins Mark korrumpierten Gesellschaft denkt sich aber niemand mehr etwas dabei – weder der Minister, der mit solchen Parolen hausieren geht, noch die Medien, die seine Aussage kommentarlos widergeben, noch das Volk, das ein solches Gebaren mittlerweile für „normal“ hält und sich daran gewöhnt hat.

Ein durch Partikularinteressen durchsetzter Staat wird offenbar als Normalität angesehen. Adamek / Otto beschreiben z.B. in ihrem bemerkenswerten Buch „Der gekaufte Staat“ (2009), wie – v.a. durch das rot-grüne „Personalaustauschprogramm“ inspiriert – durch staatliche Organe private Sonderinteressen exekutiert werden. So wurde es Normalität, dass in den Bundesministerien, sogar im Kanzleramt externe Mitarbeiter aus Unternehmen und Verbänden mitwirken. Beschäftigte des Verbands öffentlicher Banken und der Deutsche Börse AG arbeiteten beispielsweise an der Fortentwicklung des Kreditwesengesetzes, des Finanzaufsichtsdienstleistungsgesetzes und der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie mit. Im Bundeswirtschaftsministerium mischten Vertreter von BASF, Bayer, dem Verband der Chemischen Industrie und dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer bei Regelungen mit, von denen sie selber betroffen sind.

Was für ein Film läuft hier eigentlich? Im Kern geht es um den Missbrauch von Macht. Die Beschränkung von Macht war ein zentrales inhaltliches Anliegen der ordoliberalen Schule um Walter Eucken. Zu Recht betrachtet man das Gewaltmonopol des Staates als einen zivilisatorischen Fortschritt. Merkwürdig ist jedoch, dass Macht in privater Hand weitgehend toleriert wird. Macht ist jedoch die „Mutter der Gewalt“ (Andres) und in Wirklichkeit viel gefährlicher als diese, da sie sich wie der Wolf im Schafspelz unscheinbar in die Belange der Öffentlichkeit einschleicht. Sie macht sich bemerkbar in der sukzessiven Reduktion von Deutungsmustern und Handlungsmöglichkeiten. Die herrschende Philosophie lautet vor diesem Hintergrund: Wirtschaftliche Macht darf sich zwar entwickeln, sie muss aber kontrolliert und reguliert werden. Eucken & Co. setzten dagegen, dass Macht möglichst gar nicht erst entstehen darf. Nach Eucken sollten einerseits Wirtschaft und Gesellschaft von Macht und andererseits der Staat von privaten Interessen frei gehalten werden. Nur dann ist das Recht in der Lage, eine freiheitliche Ordnung zu garantieren.

Dementsprechend brauchen wir politisch-institutionelle Arrangements, um nicht nur eine Unabhängigkeit der Gerichte, sondern auch der Gesetzgebung und der Regierung von Partikularinteressen gewährleisten. Von größter Bedeutung ist hierbei die Einrichtung einer „virtuellen Bannmeile“ um Gesetzgebung und Regierung. Es wird eine größere Unabhängigkeit von Exekutive und Legislative sowie gleichzeitig mehr direkte demokratische Kontrolle benötigt. Anzustreben ist nichts weniger als ein Umbau des Staates: Weg vom heutigen Staat, der Privilegien und ökonomische Renten sichert hin zu einem Staat, der sich von Sonderinteressen emanzipiert und als Treuhänder des Gemeinwohls waltet. Parlamente sollten ihre Gesetze und Entscheidungen unter Kenntnis, aber nicht unter Beeinflussung durch private Sonderinteressen treffen. Lobbyismus und anderweitige Beeinflussung der Entscheidungsträger außerhalb der hierfür vorgesehenen Kanäle sind zu ächten, rent seeking- wie state capture-Aktivitäten sind zu kriminalisieren.

Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.doc

Grundsteuerreform und Aufruf „Grundsteuer: Zeitgemäß!“

Dirk Löhr

Grundsteuer: Welch ein Gähn-Thema! Dennoch: Es handelt sich um eine der ältesten und wichtigsten aller Abgaben – und zugleich um eine der am meisten unterschätzten. Die Grundsteuer stellt nämlich den Einstieg in den Ausstieg aus der Rentenökonomie dar.

Die gegenwärtige Grundsteuer ist höchstwahrscheinlich verfassungswidrig. Derzeit sind die Finanzminister der Länder mit einer Reform der Grundsteuer befasst. Allerdings ist es gelinde gesagt erschreckend, dass dieser Gruppe fundamentale ökonomische Konzepte und Einsichten wie das der ökonomischen Rente (bzw. der Bodenrente) und das Henry George-Theorem (http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_George_Theorem) offenbar vollkommen unbekannt sind. Für diesen bedauerlich geringen Wissenstand der Verantwortlichen ist offenbar der Rat einschlägiger Lobbyisten und einseitig neoklassisch ausgerichteter Ökonomen verantwortlich.

So favorisieren die Finanzminister der Länder bislang sog. „verbundene Modelle“, die Grund und Boden im Verbund mit dem aufstehenden Gebäude besteuern. Eines der diskutierten Modelle („Modell Süd“) soll dabei sogar gänzlich wertunabhängig sein. Konkret würde dies bedeuten, dass ein Grundstück mitten in München bei gleicher Größe und Bebauung derselben Besteuerung wie ein Grundstück auf dem Lande in Mecklenburg-Vorpommern unterliegt. Doch auch bei den anderen favorisierten Modellen lastet die Abgabe primär auf den aufstehenden Gebäuden, und nur zu einem geringen Anteil auf dem Grund und Boden.

Aber: Die im Gebäude geschaffenen Werte wurden vom Eigentümer des Grundstücks geschaffen. Sie sollten nicht belastet werden. Der Bodenwert jedoch wurde von der Allgemeinheit geschaffen. Der Grundstückseigentümer sackt ihn jedoch heutzutage weitgehend ohne Gegenleistung ein. Die verbundene Grundsteuer trägt somit dazu bei, private Werte zu konfiszieren und öffentlich geschaffene Werte zu privatisieren.

Zudem werden unerwünschte Anreize gesetzt: Einerseits forciert die Politik die energetische Sanierung von Gebäuden sowie – um der Zersiedelung Einhalt zu gebieten – das kompakte Siedeln und die effiziente Nutzung von Grundstücken. Genau dies wird aber durch die „verbundene Grundsteuer“ bestraft. Nach der Sanierung, nach der möglichst effizienten Nutzung eines Grundstücks nach den planerischen Vorgaben ist nämlich die Grundsteuer höher als zuvor.

Schließlich pocht die Politik auch auf bezahlbaren Wohnraum. Soweit die Grundsteuer auf dem Gebäude lastet, ist sie jedoch auf den Mieter überwälzbar. Wird der Wert von Grund und Boden besteuert und dabei die Bodenrente abgeschöpft, trägt der Eigentümer des Grundstücks die Steuer (sie geht zu Lasten der Bodenrente) – eine halbwegs strikte Bauleitplanung vorausgesetzt.

Und: Während der Wert von Grund und Boden flächendeckend (in Gestalt der Bodenrichtwerte; über die Arbeit der Gutachterausschüsse) bekannt ist, sind die verbundenen Modelle mit einem enormen Erhebungsaufwand verbunden. Die Erstbewertung auf Basis von Verkehrswerten beim verbundenen Modell würde Kosten i.H.v. knapp 2 Mrd. Euro verursachen, die Verbesserung der vorhandenen Bodenrichtwerte zum Zwecke der Besteuerung lediglich ca. 10 Mio . Euro! Die Werte bei der verbundenen Bemessungsgrundlage sind zudem streitbefangen: Wie sollen gefangene Räume, versetzte Geschosse, Dachschrägen etc. in einem Massenverfahren richtig abgebildet werden?

Wieder einmal scheint eine Chance für eine vernünftige Reform der Grundsteuer und der Einstieg in ein effektiveres, effizienteres und gerechteres Abgabensystem, das auf der Abschöpfung von ökonomischen Renten basiert, vertan zu werden.

Die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ möchte die Finanzminister dazu bewegen, zwei Alternativmodelle durchzurechnen und durchzudenken. Dabei sollte der Vergleich aber fair sein. Es geht nicht an, dass z.B. bei der Kalkulation von Belastungsverschiebungen für Wohnnutzung bei den favorisierten Modellen mit einem reduzierten, bei den von der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ vorgeschlagenen Modellen aber mit vollen Steuersätzen gerechnet wird.

Viele Argumente für die betreffenden Modelle finden Sie unter:

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