Category Archives: Housing

Grundsteuer in Hessen steigt massiv – trotz flächenbezogener Bemessungsgrundlage!

Dirk Löhr

Interessant: Das Narrativ von Haus & Grund, Steuerzahlerbund, ZIA et al. war ja, dass es zu Steuererhöhungen aufgrund der wertbasierten Bemessungsgrundlage kommen müsse. Wie also ist es möglich, dass sich offenbar auch in Hessen – mit einer modifizierten flächenbezogenen Bemessungsgrundlage – die Grundsteuer massiv erhöht? Die Kommunen steigern den Hebesatz offenbar schon im Vorfeld der Umstellung massiv. Die Umstellung auf das neue System geschieht dann tatsächlich aufkommensneutral, wie politisch erwünscht. Siehe: https://www.hna.de/hessen/reform-grundsteuer-hessen-hebesaetze-mieter-eigentuemer-verdoppeln-92720597.html. Bemessungsgrundlage und Steuermessbetrag (also der Gegenstand der Grundsteuerreform) entscheiden eben nur über die Struktur der Belastung, über die Höhe bestimmen mit ihrem Hebesatzrecht am Ende ausschließlich die – leider unterfinanzierten – Kommunen. Es ist Zeit, meine Herrschaften der Lobby der Bodenrenten-Grabber, mit Ihren Märchen aufzuhören und die Intelligenz der Bürger nicht weiter zu beleidigen.

Wie den Erbbauzins bestimmen? Eine Faustformel

Dirk Löhr

Die Ermittlung eines marktgerechten anfänglichen Erbbauzinses ist essenziell für die Akzeptanz des Erbbaurechts im Markt, für kommunale Ausgeber von Erbbaurechten, darüber hinaus auch für die Konformität zum kommunalen Haushaltsrecht sowie zum Beihilferecht. Ein marktgerechter anfänglicher Erbbauzinssatz, der dann auf den Bodenwert angelegt wird, kann jedoch derzeit in Deutschland speziell für Mehrfamilienhäuser kaum aus dem Markt abgeleitet werden. Dementsprechend bestehen erhöhte Unsicherheiten und sehr unterschiedliche Vorstellungen über dessen Höhe. Im Beitrag “Eine Faustformel für marktgerechte kommunale Erbbaurechte” (vhw-werkStadt Nr. 64) wird daher zunächst ein marktgerechter Erbbauzinssatz auf modelltheoretischer Grundlage für zwei Erbbaurechts-Varianten abgeleitet:

  • Beim „konventionellen“ Erbbaurechtsmodell findet die Anpassung des anfänglichen Erbbauzinses entsprechend der Entwicklung der Verbraucherpreise statt (Gleitklausel). Dabei werden die Ertragsrisiken weitgehend auf den Erbbaurechtnehmer übertragen. Es wird hier die Hypothese untersucht, dass ein längerfristiger Baufinanzierungszinssatz (10 Jahre) eine gute Näherung für den modellhaft bestimmten Erbbauzinssatz ist.
  • Beim Partnerschaftsmodell erfolgt die Indizierung entsprechend des Mietindex (Spannungsklausel). Erbbaurechtgeber und Erbbaurechtnehmer teilen sich die Ertragsrisiken weitgehend. Hier wird die Annäherung des modellhaft bestimmten Erbbauzinssatzes durch den Liegenschaftszinssatz (Volleigentum) getestet.

Die Prüfungen der Hypothesen geschehen auf Basis von Kapitalmarktdaten und Liegenschaftszinssätzen aus Niedersachsen. Beide Hypothesen können vorläufig bestätigt werden; allerdings sind eine Reihe von Vorbehalten zu machen.

Zum Download des Textes: https://www.vhw.de/nachricht/eine-faustformel-fuer-marktgerechte-kommunale-erbbaurechte/

Photo: Pixabay

Kosten oder Nutzen? Ein kleines Bodenrichtwert-Rätsel

Dirk Löhr

Als Mitglied eines regionalen Gutachterausschusses für Grundstückswerte stieß ich in den Bodenrichtwertsitzungen der Vergangenheit wiederholt auf ein Rätsel, so auch in diesem Jahr.

In strukturschwachen ländlichen Gebieten liegt der Bodenrichtwert (erschließungsbeitragsfrei) für die Nutzungsart Wohnen oftmals nur zwischen 20 und 30 Euro pro Quadratmeter. Dies wird z.T. auch durch Kauffälle unterlegt. Wird ein Neubaugebiet ausgewiesen, dieses entwickelt und die Grundstücke verkauft, so geschieht dies häufig zu Preisen zwischen 50 und 60 Euro. Dementsprechend ergeben sich häufig hohe Wertsprünge in benachbarten Bodenrichtwertzonen.

Die Gutachter erklären dies zumeist mit den zwischenzeitig für Neubaugebiete gestiegenen Erschließungskosten. Allerdings sind Werte, auch Bodenwerte, grundsätzlich monetarisierte und abdiskontierte Zukunftsnutzen – zumindest in der Theorie können sie kaum aus Entwicklungskosten erklärt werden. M.a.W.: Solange ein Grundstückseigentümer einen identischen Nutzen aus der Infrastruktur eines Bestandsgebietes im Vergleich zu einem Neubaugebiet hat, also in gleicher Weise Elektrizität und Strom bezieht sowie Zugangsmöglichkeiten hat, ist kein Grund für eine Wertdifferenz ersichtlich. Eine weitere Ursache für den Wertunterschied könnte auch die Umgebung sein: In Neubaugebieten sind die Häuser schick, in Bestandsgebieten reiht sich häufig ein fast abrissreifer “Schandfleck” an den anderen. Dies erklärt aber nicht, warum auch an der Grenze der Bodenrichtwertzone des Neubaugebietes immer noch ziemlich hohe Bodenpreise bezahlt werden – eigentlich müsste hier ja ein Bestandsgebiet mit seinen “Schandflecken” hin ausstrahlen. Möglicherweise ist auch einfach die Zahlungsbereitschaft von Grundstücksverkäufern in Neubaugebieten höher als diejenige in Bestandsgebieten.

Meine Bitte an die Leserinnen und Leser: Wer hier Ideen oder Erfahrungen hat, möglicherweise auch Studien zu diesem Komplex kennt, möge diese mit den Adressaten dieses Blogs bitte teilen!

Kommunale Erbbaurechte, Kreisumlagen und Finanzausgleich: Geht die Rechnung auf?

Dirk Löhr

Neulich hatte ich eine Diskussion mit einem Bürgermeister. Dieser meinte sinngemäß, die Höhe des Erbbauzinssatzes sei bei der Entscheidung, ob die Kommune eine Privatisierung von Grundstücken oder eine Vergabe via Erbbaurecht vornehmen soll, von nachrangigem Interesse. Die Argumentation:

Bei einer Privatisierung kann die Kommune neben Grundsteuern in der Zukunft mit Einnahmen aus Kommunalsteuern Seitens des Investors rechnen. Diese fließen der Kommune unmittelbar zu. Den größten Batzen macht dabei die Gewerbesteuer aus, wenn der Investor das Grundstück baulich nutzt. Diese fällt allerdings in vielen Fällen gar nicht an – so z.B., wenn Immobilien im Rahmen einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft (§ 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG) oder durch natürliche Personen zu Wohnzwecken vermietet werden. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer (wie auch aus der Grundsteuer, s. unten) würden aber durch Finanzausgleich und Kreisumlage erheblich gekürzt. Nach Mühlleitner (2015) kann es insbesondere bei Gewerbegebieten durchaus möglich sein, dass nahezu die gesamten Gewerbesteuereinnahmen abgeschöpft werden (die Abzüge durch Umlagen und horizontalem Finanzausgleich sind je nach Kommune jedoch sehr unterschiedlich). Der entscheidende Vorteil des Erbbaurechts sei nun, dass der Erbbauzins nicht durch Finanzausgleich und Kreisumlage gekürzt wird und voll in den Gemeindehaushalt eingeht. Allein dies mache das Erbbaurecht selbst bei einem geringen Erbbauzins deutlich interessanter als einen Verkauf des Grundstücks.

Von minderer Relevanz für die Entscheidung Privatisierung vs. Erbbaurecht sind hingegen die Einnahmenunterschiede bei der Grundsteuer, die einen deutlich geringeren Betrag zum kommunalen Haushalt als die Gewerbesteuer beiträgt. Ob Wohnnutzung oder gewerbliche Nutzung einerseits, Volleigentum oder Erbbaurecht andererseits macht hier ebenfalls wenig Unterschied. Die Grundsteuereinnahmen werden daher nachfolgend ausgeblendet.

Ganz ohne Relevanz für die Privatisierungsentscheidung sind schließlich die Zuweisungen aus Gemeinschaftssteuern (Einkommen- und Körperschaftsteuern). Hiervon profitiert die Kommune unabhängig, ob ein Grundstück privatisiert oder via Erbbaurecht genutzt wird.

Nimmt man noch die Vorteile des Erbbaurechts bezüglich der Steuerung des Geschehens auf dem Bodenmarkt und die Möglichkeit der Verdauerung von Sozialbindungen hinzu, läge die Vorteilhaftigkeit gegenüber der Privatisierung auf der Hand.

Als Freund des Erbbaurechts freut man sich natürlich, eine so positive Beurteilung Seitens eines Bürgermeisters zu hören. Aber stimmt sie auch?  Eine stark verkürzte Überlegung hierzu:

Bei der Privatisierung eines Gewerbegrundstücks ist anzunehmen, dass aus dem Erlös entweder teure Altschulden abgetragen werden oder eine Investition zum landesüblichen Zinssatz in eine Bundesanleihe stattfindet (auch, um Risikoaspekte auszublenden). Berücksichtigt man zusätzlich die Kürzung der kommunalen Steuereinnahmen durch Finanzausgleich und Kreisumlagen, stellen sich die kommunalen Erträge in der Privatisierungsvariante wie folgt dar [1]:

Grundstücksverkaufserlös * Zinssatz
+ Steuereinnahmen auf Untern. bei Volleigentum * (1 – Finanzausgleich/Kreisumlage in v.H.)

Würde die Kommune das Grundstück nicht veräußern und stattdessen im Erbbaurecht vergeben, erhielte sie einen Erbbauzins. Hinzu kommen auch hier Gewerbesteuereinnahmen auf die Gewinne des Investors, soweit dieser gewerbesteuerpflichtig ist. Diese fallen zunächst geringer als bei einer Privatisierung aus – der steuerpflichtige Gewinn wird ja durch die an die Kommune zu zahlenden Erbbauzinsen gekürzt. Allerdings kommt es im Rahmen des § 8 S. 1 Nr. 1e GewStG wieder zu einer hälftigen Hinzurechnung der Erbbauzinsaufwendungen bei der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage. Dies bedeutet, dass die Schmälerung des gewerbesteuerlichen Gewinns durch den Abzug der Erbbauzinsen nur beschränkt auf die Gewerbesteuereinnahmen durchschlägt. Die verbleibenden Steuereinnahmen verringern sich dann noch aufgrund des Finanzausgleichs und der Kreisumlage. Hinzugerechnet werden müsste allerdings noch der Bodenwertzuwachs, der allerdings als Aufbau stiller Reserven nicht in der kommunalen Doppik erfasst wird (Anschaffungskostenprinzip) und zunächst auch nicht liquiditätswirksam ist.

Die kommunale Ertragssituation in der Erbbaurechtsvariante ergibt sich also wie folgt [2]:

Erbbauzins + Bodenwertzuwachs + Steuereinnahmen auf Untern. bei Erbbaurecht * (1 – Abzug Finanzausgl./Kreisuml. in v.H.)

Das Erbbaurecht ist damit gegenüber der Privatisierung vorzuziehen, wenn [2] > [1].

Nun wurde in verschiedenen Abhandlungen (z.B. Löhr 2023, Forum Baulandmanagement 2023) dargestellt, dass sich ein marktgerechter Erbauzinssatz am langfristigen Fremdfinanzierungssatz orientieren sollte. Folgt man dem, gilt [3]

Grundstücksverkaufserlös * Zinssatz = Erbbauzins

Die betreffenden Größen kann man dementsprechend in beiden Varianten wegkürzen. Dann aber ist das Erbbaurecht nur von Vorteil, wenn gilt [4]

Steuereinnahmen auf Untern. bei Volleigentum * (1 – Finanzausgleich/Kreisumlage in v.H.)
< 
Bodenwertzuwachs + Steuereinnahmen auf Untern. bei Erbbaurecht * (1 – Abzug Finanzausgl./Kreisuml. in v.H.)

Nun ist, wie oben dargestellt, der Unterschied bei den Grundsteuereinnahmen zwischen Privatisierung und Erbbaurecht kaum existent, und bei den Gewerbesteuereinnahmen ebenfalls überschaubar. Diese Unterschiede werden durch die Abschöpfung (Finanzausgleich und Kreisumlage) noch einmal reduziert. Mit Blick auf die Steuereinnahmen sollte daher näherungsweise Indifferenz mit einem leichten Vorteil für die Privatisierung herrschen, was aber durch die gewonnenen bodenpolitischen Handlungsspielräume mehr als aufgewogen werden dürfte.

Als wirtschaftlich ausschlaggebend erweisen sich am Ende die zukünftigen Bodenwertsteigerungen.  Allerdings werden die aufgebauten stillen Reserven nicht in der kommunalen Doppik erfasst. Sie sind daher weder liquiditäts-, ertrags- und vermögenswirksam. Daher dürften die potenziellen Bodenwertzuwächse gegenwärtig ebenfalls nur beschränkt handlungsleitend sein. Um das Erbbaurecht zu befördern, wäre es daher erwägenswert, von den Kommunen eine Abschätzung der stillen Reserven verpflichtend vornehmen zu lassen und diese außerhalb der kommunalen Bilanz auszuweisen. Auf diese Weise könnte sichtbar gemacht werden, wie kommunales Bodeneigentum sich auf die Eigenkapitalsituation der Kommune auswirkt. Dies müsste dann aber auch weitergehende Konsequenzen haben (z.B. bei der Frage, wann eine Kommune unter die Haushaltssicherung fällt).

Die vorliegende Betrachtung war überschlägig – einige Aspekte konnten nicht berücksichtigt werden (z.B. unterschiedliche Möglichkeiten der Ausgestaltung der Finanzierung bei beiden Varianten).

Dennoch kann festgehalten werden: Die Abzüge durch Finanzausgleich und Kreisumlage sollten bei der Entscheidung Privatisierung oder Erbbaurecht regelmäßig eine untergeordnete Rolle spielen. Von potenziell weit höherer – wegen der fehlenden Abbildung stiller Reserven in der kommunalen Doppik tatsächlich aber ebenfalls eingeschränkter – Bedeutung sind die potenziellen Bodenwertzuwächse. U.a. deswegen liegt es nahe, v.a. Schlüsselgrundstücke in guter Lage im Erbbaurecht zu vergeben.

Literatur

Forum Baulandmanagement (Hrsg.) (2022): Der Einsatz des Erbbaurechts aus kommunaler Perspektive, Dortmund.

D. Löhr (2023): Erbbauzinssatz: Einfach marktgerecht. Agrarbetrieb 3, S. 177-184.

D. Mühlleitner (2015): Siedlungsflächenentwicklung und ihre Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt, Diss., Herzogenrath.

Wohnungsmarkt und Konsumentenrente

Dirk Löhr

Vor einiger Zeit warteten die drei Professoren Kühling (Jurist, Uni Regensburg), Siegloch (VWL, Uni Köln), Sebastian (Immobilienfinanzierung, Uni Regensburg, ZEW), mit einer provokanten Analyse und einem radikalen Vorschlag auf. Die Knappheit an Wohnraum hänge auch damit zu zusammen, dass aufgrund der wohnungspolitischen Regulierungen (ortsübliche Vergleichsmiete, Mietpreisbremse etc.) unterhalb des markträumenden Gleichgewichtspreises liegt. So kommt es zu Konsumentenrenten auf dem Wohnungsmarkt, und folglich würde auch zu viel Wohnraum wird von Bestandsmietern nachgefragt. Die ginge zu Lasten von Zuzüglern und Familien, die wachstumsbedingt eine neue Bleibe suchen. Außerdem sei die Regulierung nicht sozial zielgenau, zumal auch einkommensstarke Haushalte in ihren Genuss kommen, die einen entsprechenden Schutz nicht brauchen. Die Lösung des Trios: Die betreffenden Regulierungen sollten geschliffen werden. Dies würde natürlich zu einem Anstieg der Mieten führen. Die Differenz zur gegenwärtigen, regulierten Miete solle jedoch nicht bei den Vermietern bleiben, sondern über geeignete Maßnahmen abgeschöpft werden. Diese Mittel sollten wiederum verwendet werden, um gezielt bedürftige Haushalte zu stützen. Der mutige Vorstoß der drei Professoren wurde scharf kritisiert, und zwar sowohl von Mieter- wie auch Vermieterorganisationen. Ich meine allerdings, dass es keine Denkverbote geben sollte, und dass die Analyse des Trios nicht aus der Luft gegriffen ist. Aus diesem Grunde habe ich in einem Artikel im letzten Wirtschaftsdienst den Versuch einer Einordnung und konstruktiven Kritik an den Vorschlägen vorgenommen. Zum Link: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/9/beitrag/wohnungspolitik-das-paradoxon-regulierungsbedingter-konsumentenrenten.html. Die Kritik wurde zumindest von Prof. Sebastian auch positiv aufgenommen – ich bin gespannt, ob und welche Schlüsse das Trio daraus zieht.

Wohnungsbaugipfel in Berlin: Kurs stimmt, aber massiver Gegenwind

Dirk Löhr

Die Bundesregierung hatte die Interessenverbände der Bauwirtschaft zu einem Gipfel eingeladen. Von den 400.000 Wohnungen, die pro Jahr gebaut werden sollten (darunter 100.000 Sozialwohnungen) ist man meilenweit entfernt. Vielleicht werden es im folgenden Jahr 170.000, vielleicht auch weniger. Die Bundesregierung verkündete im Rahmen des Baugipfels nun 14 Maßnahmen – teilweise waren diese schon bekannt, teilweise handelt es sich um Absichtserklärungen. So werden beispielsweise die staatlich geförderten Kredithöchstbeträge um 30.000 Euro angehoben. Die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsgünstiges Darlehen beantragt werden kann, soll von 60.000 Euro auf 90.000 Euro angehoben werden. Der Energiestandard EH 40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard soll während der laufenden Legislaturperiode ausgesetzt werden. Hier musste wohl Wirtschaftsminister Habeck einen gehörigen Sprung über seinen eigenen Schatten machen. Aber immerhin. Und Bundesbauministerin Geywitz wendet sich gegen die EU-Pläne zur Gebäudesanierung. Damit wurde das Petitum im Bogbeitrag “Teilenteignung durch EU-Gebäuderichtlinie: Wenn der Wahnsinn zur Methode wird” erhört. Kompliment an die Bundesbauministerin an dieser Stelle. Weiter können Wohnungsbauten künftig mit dem erhöhten Satz von 6 % und degressiv abgeschrieben werden. Allesamt handelt es sich um Maßnahmen, die in die richtige Richtung weisen.

Allerdings drängt die Zeit: Trotz sinkender Immobilienpreise steigen v.a. in den Großstädten die Mieten – eine Wende bezüglich der Einwanderungspolitik ist zwar in der Diskussion, aber noch nicht beschlossen. Der stärkste Gegenwind besteht in Gestalt der Zinswende. Die Kapazitätsauslastung in der Bauwirtschaft beträgt gegenwärtig nur rd. 70%; müssen Unternehmen aufgeben, wandern die Fachkräfte in andere Bereiche ab. Bröckelnde Kapazitäten machen die wohnungsbaupolitischen Ziele aber in Zukunft noch schwerer erreichbar. Dennoch wäre es nicht richtig gewesen, die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit einem “Sondervermögen” von 50 Mrd. Euro einfach wegzusubventionieren, wie die Branche forderte. Dies hätte nichts an den strukturellen Problemen (Energiewende, Bürokratie etc.) geändert, sondern statt dessen vermutlich zu einem Preisauftrieb im Bausektor geführt und die Politik der EZB konterkariert.

Bei aller Zustimmung zu den beschlossenen Maßnahmen kann man dennoch die Frage aufwerfen, ob “bauen, bauen, bauen” allein zureichend ist. Deutschland hat viel Wohnraumreserven – diese sind aber falsch alloziiert. Ein Thema für einen weiteren Beitrag.

Foto: Bundesbauministerin Geywitz – Bundesregierung

Teilenteignung durch EU-Gebäuderichtlinie: Wenn der Wahnsinn zur Methode wird

Dirk Löhr

Man kann sich ja darüber streiten, ob eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz Seitens Deutschlands und/oder der EU klug ist – oder ob wir am Ende nicht damit der Welt demonstrieren, wie Klimaschutz besser nicht gemacht werden soll. Tatsache ist, dass der Bürger ziemlich gefordert wird.

Zuerst das umstrittene, aber am Ende entschärfte Gebäudeenergiegesetz, das am Freitag von Bundestag verabschiedet wurde. Dann bald die Überführung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in ein eigens für Gebäude und Verkehr neu geschaffenes Segment des Europäischen Emissionshandels (EU ETS 2). Die größte Sau wurde indessen noch nicht medial durch’s Dorf gejagt, wenngleich die ersten Medien schon vor dem drohende Unwetter warnen: Brüssel arbeitet an einer neuen EU-Richtlinie zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz (nachfolgend: „Gebäuderichtlinie“). Die Richtlinie ist Teil des EU-Klimapaketes „Fit for 55“. Hiermit sollen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber 1990 gesenkt werden. In technischer Hinsicht wurden Regeln zur Einordnung der verschiedenen Gebäude in Effizienzklassen geschaffen. Im Sinne des Erfinders sollen diese zwar einheitlich sein – allein, dem saarländischen Schornsteinfegermeister fehlt der Glaube daran, wenn er über die französische Grenze blickt. Die Energieeffizienzklassen reichen von A+ bis G. In Deutschland befinden sich derzeit 42% der Wohnimmobilien in den schlechtesten Energieeffizienzklassen E bis H. Bis 2030 sollen allerdings alle Wohngebäude mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 zumindest die Energieklasse D erfüllen. Hierzu müssen die Eigentümer einen Plan vorlegen und entsprechende Sanierungsmaßnahmen ergreifen.

Eine überschlägige Berechnung (dargestellt in Anhang 1) ergibt, dass die Sanierungsaufwendungen für die betroffenen 42% der Wohngebäude ungefähr genauso hoch sind wie deren gegenwärtiger Wert – etwa 2 Billionen Euro. Dabei sind Nicht-Wohngebäude, die ja ebenfalls noch saniert werden müssen (wenn auch in geringerem Tempo – der Staat nimmt die Anforderungen für sich selbst herunter!) nicht eingerechnet.

Pessimisten würden hier von einem wirtschaftlichen Totalschaden für die betroffenen Eigentümer sprechen; die Befürworter der energetischen Sanierung setzen entgegen, dass die Energierechnung geringer ausfallen wird. Dies würde dazu führen, dass der Gebäudewert erhalten bleibt. Schließlich könne ein Vermieter aufgrund der geringeren Mietnebenkosten ja eine entsprechend höhere Kaltmiete einfordern; für selbstgenutztes Wohneigentum gelten ähnliche Überlegungen hinsichtlich der kalkulatorischen Mieten. Wer hat nun Recht?

Wir wollen einmal davon absehen, dass angesichts der Marktverhältnisse in peripheren Regionen die Durchsetzung höherer Mieten infolge geringerer Nebenkosten allenfalls nur teilweise möglich ist. In der in Anhang 2 dargestellten Überschlagsrechnung unterstellen wir jedoch kontrafaktisch die volle Durchsetzbarkeit. Die Berechnung ergibt dennoch, dass dann nur die Hälfte der Sanierungsinvestitionen i.H.v. 2 Billionen Euro werthaltig sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Wert von 42% der Wohnimmobilien halbiert wird.

Eine bessere Wahlkampfhilfe für die hiesige AfD könnte sich die Brüsseler Blase nicht einfallen lassen. Die Gesellschaft würde noch mehr gespalten, als sie es ohnehin schon ist. Betroffen sind nicht zuletzt ältere Menschen, die kaum mehr an einen Kredit kommen. Und betroffen sind v.a. die peripheren Regionen. Arm und Reich, Jung und Alt, Land und Stadt würden aufeinander losgehen, wenn die Pläne aus Brüssel Realität würden. Die Eigentümer der ärmeren Gebäude werden allerdings eine solche de facto-Teilenteignung nicht unwidersprochen hinnehmen. Die Mieter werden die Mieterhöhungen, die eigentlich erforderlich sind, nicht aufbringen können. Die Gebäuderichtlinie ist, wie sie derzeit angelegt ist, nicht nur unintelligent, sondern auch gesellschaftspolitisch gefährlich.

Der klügere Weg wäre, das immer noch überkomplexe deutsche Gebäudeenergiegesetz und auch die Gebäuderichtlinie einzustampfen bzw. gar nicht erst in die Welt zu setzen. Stattdessen sollte der CO2-Handel des EU ETS 2 in die Rolle des Leitinstruments gesetzt werden. Der CO2-Handel hat den Vorteil, dass er es den Gebäudeeigentümern überlässt, wie hoch die Sanierungsaufwendungen ausfallen sollen – oder ob es angesichts der kurzen Restnutzungsdauer eines Gebäudes nicht sinnvoller ist, das Meiste beim Alten zu belassen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass das Verbrennen von Geld auch mit einem aus ökologischer Sicht ineffizienten Ressourcenverbrauch einher geht. Und: Im Gegensatz zu den wenig kontrollierbaren Konsequenzen des geplanten Bürokratie-Kuddelmuddels steht der maximal mögliche Emissionsausstoß fest – höchste ökologische Zielgenauigkeit.

Bei der Weiterentwicklung des Emissionshandel sollte das EU ETS 2 mit dem EU ETS 1 verschnitten werden. Die bottom up-Regel des EU ETS 2, dass die Emissionen bereits mit einem Zertifikat belegt werden, wenn sie in den Verkehr gebracht werden, sollte verallgemeinert werden. Dann könnten beispielsweise auch Baustoffe miterfasst werden. Die Zertifikate sollten generell verkauft (wie für das EU ETS 2 vorgesehen), und nicht verschenkt werden. Die Erlöse sollten an die Bürger zu gleichen Teilen zurück verteilt werden; alle Bürger sind zu gleichen Teilen Berechtigte an der Atmosphäre. Da Einkommensschwächere einen geringeren CO2-Fußabdruck als „Reiche“ haben, wäre dies ein wesentlicher Beitrag zur sozialen Kompensation und auch zur Klimagerechtigkeit (s. auch: Blogbeitrag “Klimagerechtigkeit und Klimageld: Keine halben Sachen!“). Der gegenwärtige Transformations- und Klimafonds, aus dem alle möglichen öffentlichen Aufgaben finanziert werden, ist insoweit eine Fehlkonstruktion. Hoffnung macht Bundesbauministerin Geywitz, die das Problem offenbar erkannt hat und sich bezüglich der EU-Gebäuderichtlinie quer stellt.

Anhang 1: Überschlägige Berechnung der Sanierungskosten für die betroffenen Wohnimmobilien

Die Wohngebäude (ohne Grund und Boden) dürften in Deutschland in etwa 7 Billionen Euro wert sein. 42% hier von wären ca. 3 Billionen Euro; allerdings handelt es sich bei den Gebäuden der Energieklasse E bis H zumeist um unterdurchschnittlich werthaltige, oft in ländlichen Regionen belegene Gebäude. Geben wir den betreffenden Gebäuden also einen überschlägigen Wert von vielleicht 2 Billionen Euro. Nun gehen wir von einer (überdurchschnittlichen) Wohnfläche von ca. 160 qm (auf dem Land wird großzügiger gebaut, da die Bodenpreise geringer sind) und von konservativ angesetzten Sanierungskosten von 1.000 Euro/qm aus (1.500 Euro/qm dürften realistischer sein). Die gesamte Wohnfläche beträgt in Deutschland 3,87 Milliarden Quadratmeter. Weil aber die durchschnittliche Wohnfläche auf dem Land eben größer als in der Stadt ist, muss diese grob adjustiert werden. Hierfür nehmen näherungsweise einmal den Faktor 160/130, angelehnt an die Flächenrelation Land-Durchschnitt bei Einfamilienhäusern. Die Multiplikation der Sanierungskosten von 1.000 Euro/qm mit 42% von 3,87 Milliarden Quadratmetern, gewichtet mit dem o.a. Anpassungsfaktor ergibt ziemlich genau 2 Billionen Euro, also den gegenwärtigen Wert der betreffenden Immobilien.

Anhang 2: Werthaltigkeit der Sanierungsinvestitionen für die betroffenen Wohnimmobilien

Nehmen wir an, dass durch den Übergang von Energieklasse H zu D ungefähr 36 Euro/qm Energie gespart werden können. Es werden wieder Sanierungskosten von ca. 1.000 Euro/qm hierfür zugrunde gelegt. Um sauber zu rechnen, müssen die Ersparnisse an Energiekosten abgezinst werden. Hierfür legen wir 3,5% zugrunde – ein Wert, der sich an den Liegenschaftszinssätzen in eher peripheren Regionen orientiert. Es muss beachtet werden, dass gerade auch in ländlichen Regionen die meisten schlecht sanierten Immobilien schon viele Jahre auf dem Buckel haben. Gehen wir von durchschnittlichen 80 Jahren wirtschaftlicher Gesamtnutzungsdauer und 20 Jahren Restnutzungsdauer aus, so beträgt nach 20 Jahren (dem Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer) der Kapitalwert der Investitionsmaßnahmen ca. -500 Euro /qm. Für die gesamten 42% betroffenen Wohngebäude bedeutet dies einen negativen Kapitalwert von einer Billionen Euro.  

Klimagerechtigkeit und Klimageld: Keine halben Sachen!

Dirk Löhr

Zur Begrenzung der CO2-Emissionen soll der CO2-Handel perspektivisch ausgeweitet werden. Das Brennstoffhandelsgesetz soll in ein weiteres Handelssegment überführt werden, dass auch die Bereiche Verkehr und Wärme (Gebäude) enthält (sog. EU ETS 2). Im Gegensatz zum schon bestehenden Emissionshandel (EU ETS 1) handelt es sich hierbei um ein „bottom up-System“ – d.h. die potentielle Emission muss schon dann mit einem Zertifikat unterlegt werden, wenn der Kohlenstoff in den Verkehr gebracht wird. Hierdurch ist das EU ETS 2 zugleich weitgreifender und (hoffentlich) unbürokratischer als das EU ETS 1. Baustoffe u.ä. werden allerdings noch nicht vom EU ETS 2 umfasst.

Der Sinn solcher ökonomischen Instrumente des Umweltschutzes ist letztlich die relative Verteuerung umweltschädlicher Produkte (mit hohen CO2-Emissionen). Der Konsument als letztlicher Verursacher soll belastet werden.

Was allokativ sinnvoll ist, kann sich allerdings zu einem verteilungspolitischen Problem auswachsen: Einkommensschwache Haushalte haben typischerweise eine deutliche höhere Konsumquote (Anteil des Konsums am Haushaltseinkommen) als einkommensstarke und werden daher von den betreffenden Regelungen besonders stark getroffen.

Zur sozialen Kompensation hat sich daher die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag auf ein sog. Klimageld verständigt. Im Kabinett ist v.a. Bundeswirtschafts- und Klimaminister Habeck der Anwalt dieses Vorhabens. Beim Klimageld geht es um eine Rückverteilung der Einnahmen, die durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten und der Verteuerung fossiler Energien durch anderweitige Abgaben der öffentlichen Hand zufließen („atmosphärische Renten“). Die Rückverteilung soll pro Kopf in gleichen Teilen zufließen. Dies lässt sich mit dem Gedanken der „Klimagerechtigkeit“ begründen, denn jedem Bürger steht ein gleicher Anteil an der Atmosphäre zu. Würden die gesamten Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder an die Bürger in gleichen Teilen zurück verteilt, ergäben sich folgende Effekte:

  • Nimmt ein Bürger mehr “atmosphärische Lagerfläche” als der Durchschnitt seiner Landsleute in Anspruch, zahlt er über die Produktpreise mehr Umweltabgaben als diese, bekommt aber nur ein durchschnittliches Aufkommen zurück. Per Saldo zahlt er drauf.
  • Liegt ein Bürger mit seinem CO2-Ausstoß im Durchschnitt, zahlt er so viel an den Staat, wie er wieder zurückbekommt.
  • Ist der Umweltverbrauch eines Bürgers geringer als der Durchschnitt, bekommt er mehr zurück, als er an Umweltabgaben gezahlt hat. Er profitiert.

Würden die gesamten Einnahmen aus der „künstlichen“ Verteuerung der Nutzung fossiler Energieträger an die Bürger in gleichen Teilen zurückgegeben, wäre die durchschnittliche Nutzung der Atmosphäre durch CO2-Einlagerungen frei. Einen positiven Zahlungssaldo haben aufgrund ihres höheren CO2-Fußabdrucks tendenziell einkommensschwächere Haushalte, einen negativen Zahlungssaldo eher einkommensstarke.

Die gesamthafte Rückverteilung der Einnahmen würde die einkommensneutrale durchschnittliche Nutzung der Atmosphäre auch dann absichern, wenn sich die Zertifikate im Zuge einer strengeren CO2-Kappung verteuern. Denn dann steigt auch die Ausschüttung an die Bürger. Die Akzeptanz einer rigideren Klimapolitik durch die Bürger würde erhöht, was für die demokratische Durchsetzung von immenser Bedeutung ist. Zumindest die älteren Grünen-Mitglieder dürften den Magdeburger Parteitag nicht vergessen haben, auf dem eine Verteuerung des Liter Benzins auf 5 DM gefordert wurde. Während die Umweltwissenschaftler Beifall zollten, watschte der Wähler die Grünen in den darauffolgenden Landtagswahlen ab.

Bei aller Sinnhaftigkeit der Rückverteilungsidee gibt es jedoch auch Einwendungen. Diese beziehen sich zunächst darauf, dass eine Politik der CO2-Einsparung auf nationalem, sogar europäischem Niveau nur beschränkt sinnvoll sein kann (Sinn 2022). Dieser Einwand bezieht sich jedoch auf die Sinnhaftigkeit einer nationalen Vorreiterrolle und hat nicht direkt etwas mit dem Rückverteilungsgedanken zu tun, der auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene zur Anwendung gelangen kann.

Ein technischer Einwand ist, dass eine Rückverteilung an die Bürger derzeit gar nicht möglich ist, weil der Staat die betreffenden Daten der Bürger nicht kennt – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit für einen sich als „entwickelt“ verstehenden Staat. Ein Weg, mit diesem Problem umzugehen wäre die Aufforderung, dass sich jeder Bürger, der das Geld in Anspruch nehmen will, mit seinem Ausweis online registrieren soll. Es bestehen auch andere Wege – das Problem ist also lösbar.

Die größte Herausforderung ist aber, dass ein Euro auch durch den Staat nur einmal ausgegeben werden kann. Nach derzeitigem Stand sollen eben nicht die gesamten Einnahmen an die Bürger zurückgegeben werden, wie in den obigen Überlegungen postuliert. Tatsächlich fließen die atmosphärischen Renten in den Klima- und Transformationsfonds (KMTF), aus dem neben der Rückverteilung auch und vor allem andere Dinge finanziert werden sollen. Mit anderen Worten wird die Grundidee der gleichen Partizipation an den atmosphärischen Renten nur teilweise verwirklicht – ein beträchtlicher Teil der Einnahmen finanziert stattdessen originär staatliche Aufgaben. Damit wird aber die Idee der Rückverteilung der atmosphärischen Renten an die Bürger korrumpiert. Diese beruht auf dem gleichen Recht aller Bürger an der Atmosphäre – der Staat als “Mitesser” ist in der Gleichung nicht vorgesehen.

Es muss daher gefragt werden,

a. ob die weiteren Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds überhaupt notwendig wären, wenn die Grundidee des CO2-Handels als Leitinstrument und der vollständigen Rückverteilung der Einnahmen konsequent durchgezogen würde. Für das das Bedarfsfeld Wohnen würde dies in überschlägiger Rechnung bedeuten: Derzeit werden hier ca. 200 Mio t CO2 pro Jahr emittiert. Die CO2-Bepreisung ist derzeit noch viel zu tief, um die gewünschte Lenkungswirkung zu entfalten. Hier müsste man eher auf ein Niveau von ca. 100 €/t CO2 und später höher gehen. Dies würde zunächst pro Kopf der Bevölkerung einer Belastung von mindestens 240 € pro Jahr entsprechen, die auch bei einer konsequenten Durchsetzung des o.a. Regimes wieder zurück verteilt würde. Für eine dreiköpfige Familie wären dies mindestens 720 Euro/Jahr. Setzen wird einmal 35% staatliche Förderung bei der Umstellung auf eine Erdwärmepumpe mit Anschaffungskosten von 20.000 Euro dagegen, ergibt sich einmalig ein aus dem KMTF ausgezahlter Förderbetrag von 7.000 Euro. Sofern keine weiteren Arbeiten auszuführen sind (Austausch von Heizkörpern etc.), wäre dieser Förderbetrag nach 10 Jahren Rückverteilung auch erreicht. Rechnet man noch die energetischen Ersparnisse gegenüber der alten Technologie für den Haushalt ein, verkürzt sich die betreffende Zeitspanne entsprechend. Am Ende stünde der Transformationshaushalt auf der Gewinnerseite des Rückverteilungsregimes. Im Übrigen könnte die Wahl der Technologie vollkommen den Haushalten überlassen und auf einen abschließend formulierten Förderkatalog verzichtet werden – dies wäre ein Beitrag zur Technologieoffenheit. Auch die EU-Gebäuderichtlinie wäre überflüssig – ein weiterer “sozialer Hammer”, der in seiner Tragweite noch gar nicht medial aufgegriffen wurde. Würden die Auszahlungen an die Bürger verlässlich (aus einem Parafiskus ohne Zugriffsmöglichkeit der Politik) ausgestaltet, wäre sogar denkbar, dass die künftigen Einnahmen aus dem Klimageld bei einem Einbau auf Kredit der Bank abgetreten würden (zus. zu einer Kreditversicherung).

b. Genauso wenig ist einzusehen, dass originäre Aufgaben der öffentlichen Hand aus dem KMTF finanziert werden, wenn die Idee der Klimagerechtigkeit ernst genommen wird. Ein Beispiel ist die Infrastruktur der Deutschen Bahn AG (DB AG). Die DB AG ist derzeit defizitär, qualitativ untragbar und für den Nutzer sehr teuer (zumindest im Fernverkehr). Ein Beispiel dafür, dass eine Bahn hochprofitabel, qualitativ hervorragend und gleichzeitig preiswert sein kann, ist die Mass Transit Railways in Hong Kong, die auf einer einzelwirtschaftlichen Anwendung des Henry George-Prinzips basiert. Ich habe an verschiedenen Stellen hierüber berichtet.

Bei aller Kritik weist die Idee des Klimageldes aber in die richtige Richtung. Es ist Robert Habeck zu wünschen, dass er sich in diesem Punkt durchsetzen kann – zumal die Idee auch im wohlverstandenen Interesse seiner Koalitionspartner ist.

Titelfoto: Wikimedia Commons | Ersteller und Urheberrecht: Stephan Roehl | CC BY SA 4.0

Grundsteuerreform in Frontal 21 – Stimmungsmache statt Journalismus

Dirk Löhr

Suggestivjournalismus vom Feinsten im ZDF-Politikmagazin Frontal 21 vom 22.08.2023. In einem Beitrag von Andreas Halbach „Chaos um die Grundsteuer – Ungerecht und teuer?“ wird durch eine Aneinanderkettung von Halbwahrheiten und Auslassungen Stimmung gegen die neue Grundsteuer gemacht.

Die Neuregelungen wurden erforderlich, nachdem das Bundesverfassungsgericht die von 1964 (Westen) und 1935 (Osten) stammenden Einheitswerte zur Bemessung der Grundsteuer in seinem wegweisenden Urteil vom 10.04.2018 als verfassungswidrig erkannt hatte: Diese hat weder in ihrer Höhe noch in ihrer Struktur noch irgendetwas mit den Verkehrswerten zu tun.

Vorausgeschickt werden muss, dass einige Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Hamburg) von einer grundgesetzlichen Öffnungsklausel Gebrauch gemacht haben, die es erlaubt, vom Bundesgrundsteuergesetz auch in umfassender Weise abzuweichen.

Gemeinsam ist den Gesetzen in allen Bundesländern, dass sich an der bisherigen Struktur der Grundsteuer nichts ändert: Auf die Bemessungsgrundlage (die je nach Steuergesetz anders ausfallen kann) werden Steuermesszahlen angelegt, die gesetzlich vorgegeben sind. Das Ergebnis ist der Grundsteuermessbetrag. Auf diesen legen die Kommunen nun den Hebesatz an.

Die Kommunen sind gehalten, die Umstellung auf die neue Grundsteuer möglichst aufkommensneutral vorzunehmen. Wenn also die Bemessungsgrundlage um das 10-fache steigt, wäre der Hebesatz entsprechend zu verringern. Die Kritik, dass der damalige Kanzler Scholz ein entsprechendes Versprechen niemals hätte geben dürfen, ist berechtigt – denn zuständig für die Festsetzung der Hebesätze sind die Gemeinden. Lediglich das Land Niedersachsen hat die Aufkommensneutralität bei der Umstellung auf das neue Recht gesetzlich verankert (§ 7 NGrStG).

Richtig ist ebenfalls, dass viele Kommunen sich wahrscheinlich nicht an das Postulat der Aufkommensneutralität halten werden. Absehbar werden viele Kommunen die Systemumstellung für eine Steigerung der Einnahmen nutzen, da einerseits gewisse Unsicherheiten bezüglich der Einnahmen im neuen System bestehen und zweitens ein erheblicher Teil der Kommunen auch finanziell überlastet ist. Letzteres ist aber unabhängig von der Grundsteuerreform zu sehen: Das eigentliche Problem, das von Halbach auch beschrieben wird, ist die Verletzung des sog. Konnexitätsprinzips. Bund und Länder weisen den Kommunen immer mehr Aufgaben zu, ohne aber die Finanzierung sicherzustellen. Halbach verweist beispielhaft anhand der Stadt Übach-Palenberg in NRW auf den Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in Grundschulen ab 2026 oder die einzurichtenden Flüchtlingsunterkünfte. Die Kommunen sind unabhängig vom Grundsteuersystem darauf angewiesen, die Hebesätze zu erhöhen, wenn sie die Finanzierung dieser zugewiesenen Aufgaben sicherstellen wollen. Dies wird bei (fast) jedem Grundsteuermodell passieren und wäre im Übrigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei einer Fortgeltung des alten Grundsteuersystems erfolgt.

Insoweit ist nichts an dem Beitrag auszusetzen.

Ärgerlich ist etwas anderes: So bemüht sich Halbach gleich zu Beginn, die Volksseele mit dem Beispiel des Freiburger Grundstückseigentümers Norbert Stalter zum Kochen zu bringen. Hierbei schürt er in unverantwortlicher Weise bestehende Ängste in der Bevölkerung im Wesentlichen. Dabei hat er insbesondere wertbasierte Grundsteuermodelle im Visier, wie sie mit der Bundesgrundsteuer sowie dem Bodenwertmodell in Baden-Württemberg verfolgt werden. Freiburg liegt bekanntlich in Baden-Württemberg, wo künftig nur der Bodenwert – ohne das aufstehende Gebäude – besteuert wird. Dem Eigentümer Stalter aus Freiburg gehört nun ein 2.500 qm großes Grundstück im Süden der Stadt mit einem Bodenrichtwert von 1.050 Euro pro qm. Der Bodenwert des gesamten Grundstücks dürfte hiernach ca. 2,6 Mio. Euro betragen. Stalter hatte des Grundstück lt. dem Bericht Ende der 80er Jahre gekauft. Zum damaligen Zeitpunkt dürfte der Bodenwert nur einen Bruchteil des heutigen Wertes betragen haben. Hätten sich die Bodenwerte wie im Rest der Republik entwickelt, wären Stalter über 2 Mio. Euro „einfach so“, ohne weiteres Zutun zugewachsen. Wahrscheinlich dürften es aber mehr gewesen sein, da sich die Bodenwerte in den aufstrebenden Städten im Süden der Republik mit einer überdurchschnittlichen Dynamik entwickelten. „Gemacht“ hat den Bodenwertzuwachs allerdings nicht Herr Stalter, sondern die Allgemeinheit, nämlich v.a. über technische, soziale und institutionelle Infrastruktur, die über Steuermittel finanziert wurden. Herr Stalter findet es aber ungerecht, dass er fortan einen möglicherweise mehr von den ihm durch anderer Leute Arbeit zugefallenen Werten an die Allgemeinheit zurückgeben muss. Genau dies ist aber der Sinn der Bodenwertsteuer, da eben nicht der Eigentümer des Bodens dessen Wert „gemacht“ hat – im Unterschied zu den Bauten, die sich auf dem Grundstück befinden und die nicht der Besteuerung unterliegen. Der Eigentümer klagt dabei, dass die Grundsteuer sich von 433 Euro jährlich nun auf über 14.000 Euro erhöhen würde. Dies würde allerdings nur dann stimmen, wenn der zukünftige, ab 2025 geltende Hebesatz vollkommen unverändert belassen würde – diesen kann aber weder Herr Halbach noch der Eigentümer derzeit kennen. Tatsächlich dürften die Hebesätze vor allem in hochpreisigen Gebieten jedoch erheblich abgesenkt werden. Die Milchmädchenrechnung des Eigentümers wird durch Halbach aber durch keinen Einwand relativiert. Lediglich gegen Ende des Beitrages wird auf einmal außerhalb des o.a. Kontextes bemerkt „Kommt es in Extremfällen so wie in Freiburg zu einer Senkung der Hebesätze …“. Die Absenkung der Hebesätze wird jedoch nicht in Extremfällen, sondern regelmäßig stattfinden. Lediglich in ländlich strukturierten Kommunen mit geringen Bodenwerten und folglich geringen Änderungen des Steuermessbetrages wird dies in geringerem Umfang der Fall sein.

Der Eigentümer lamentiert weiter, dass ein Teil seines Grundstücks aufgrund von Wegerechten etc. nur eingeschränkt nutzbar sei und er daher zu hoch besteuert würde. Wenn dies so ist, würde dies die o.a. Aussage bezüglich der 2,6 Mio. Euro relativieren. Doch wieder wird von Halbach mit keinem Wort erwähnt, dass er gem. § 38 Abs. 4 des Landesgrundsteuergesetzes Baden-Württemberg ein Gutachten beibringen könnte, in dem er die Wertbeeinträchtigung darlegt.

Halbach interviewt stattdessen – um seine Aussagen zu bekräftigen – noch einen Vermieter. Und wieder dieselbe unseriöse Suggestion: Wenn die Hebesätze unverändert blieben, käme es zu einer Verzehnfachung der Grundsteuerlast, welche die Vermietung fortan unmöglich machen würde. Die Grundsteuerlast von 225 Euro pro Mieter und Monat (!) wäre nämlich untragbar. Und für das Privatgrundstück des Vermieters (800 qm) würde die Grundsteuer um das 80-fache auf 6.800 Euro pro Jahr steigen. Noch einmal: Die Hebesätze werden aber nicht unverändert bleiben. Es wird ebenfalls nicht erwähnt, dass die Bodenwertsteuer auf lange Sicht schlechter als andere Grundsteuermodelle wirtschaftlich auf die Mieter umlegbar sind. Genauso wenig, dass es gewichtige Stimmen gibt, welche eine Umlage der Bodenwertsteuer auf die Mieter für rechtswidrig halten (dies wird allerdings noch gerichtlich auszufechten sein). Weiß Herr Halbach das alles nicht oder will er es nicht wissen?

Halbach interviewt noch einen Wirtschaftsprüfer, der angibt, dass es bei der Bodenwertsteuer insbesondere für Ein- und Zweifamilienhäuser teurer wird. Dies ist – ungeachtet der verquasten Argumentation des Wirtschaftsprüfers – zwar grundsätzlich richtig, aber es geht nicht, wie hier suggeriert, um tausende von Prozenten. Hierzu gibt es tiefgehende Belastungsverschiebungsrechnungen aus verschiedenen Quellen (s. die vertiefende Literatur im Anhang dieses Artikels), die freilich von Halbach mit keinem Wort erwähnt werden. Der Autor dieser Zeilen hat selber Belastungsverschiebungsrechnungen vorgenommen, und diese u.a. in verschiedenen Landesfinanzministerien vorgestellt bzw. diesen Einblick gewährt. Ergebnis: Bei Aufkommensneutralität wird es für die Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern moderat teurer werden – es geht hier bei höheren Bodenrichtwertniveaus um Beträge von vielleicht 50 bis 100 Euro pro Jahr. Allerdings ist dies auch so gewünscht, da diese Bauweisen besonders viel Fläche in Anspruch nehmen, die dann für die Schaffung von Wohnraum insbesondere in Ballungsräumen fehlt. Es soll ja ein sanfter Druck auf mehr Flächeneffizienz vorgenommen werden. In niedrigpreisigen, peripheren Gegenden sind hingegen die Mehrbelastungen sehr überschaubar. Auch zu diesen Aspekten kein Wort von Halbach.

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Grundsteuer einen weiten Spielraum zugestanden. Geht der Gesetzgeber folgerichtig vor, so ist eine Verschiebung der Steuerlast zwischen den Steuerpflichtigen nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern gerade ein Gebot für eine neue Grundsteuer. Ansonsten hätte sich das Bundesverfassungsgericht sein Urteil sparen und alles beim Alten lassen können.

Halbach interviewt in seiner offenbar bestehenden Absicht, die Grundsteuerreform zu skandalisieren, auch nur die Verlierer der Reform. Die vielen Gewinner, die diesen bei Aufkommensneutralität gegenüberstehen müssen, werden hingegen nicht benannt. Die Verlierer sind bei wertbezogenen Bemessungsgrundlagen (Bundesgrundsteuermodell und Bodenwertsteuer Baden-Württemberg) aber v.a. vermögensstarke Haushalte, die Gewinner sind eher vermögensschwache Eigentümer und Mieter, die in eher kompakten Behausungen leben.

Im Übrigen dürfte für den Laien auch nicht klar hervorgehen, worauf sich die Aussagen einiger Interviewpartner überhaupt beziehen. Florian Köbler von der deutschen Steuergewerkschaft spricht von 5 Millionen Einsprüchen gegen die Festsetzung des Steuermessbetrages. Unklar bleibt, welche Modelle von dieser Aussage umfasst sind und in welchem Maße. Hans-Joachim Beck, ehemaliger Vorsitzender des Finanzgerichts Berlin und nunmehr für den Immobilienlobbyverband IVD tätig, beklagt die Mängel des – ja welchen? – Gesetzes. Offenbar ist das Bundesmodell gemeint.  Dies alles wird jedoch ohne Abgrenzung und quasi “in einem Atemzug” mit den oben dargestellten (unhaltbaren) Vorwürfen gegen das Bodenwertmodell vorgebracht.

Die Auflistung der Mängel, Fehler und Auslassungen im Beitrag von Halbach könnte fortgesetzt werden. Frontal 21 hat in der Vergangenheit auch über das Thema Grundsteuerreform durchaus kritisch und zugleich kompetent berichtet. Der Beitrag von Halbach ist diesbezüglich leider ein journalistischer Tiefpunkt; er diskreditiert auch Halbachs eigene, bislang sehr verdienstvolle Arbeit. Der Applaus vieler Interessensgruppen, die von Haus & Grund und andere Lobbyverbände der Immobilienwirtschaft, den Steuerzahlerbund bis hin zur AfD reichen, dürfte ihm sicher sein. Mit Stolz sollte ihn das nicht erfüllen. Hoffentlich war der Beitrag nur ein Ausreißer. Fehler macht schließlich jeder, und einen Schuss sollte jeder frei haben. Vielleicht hat Halbach ja die Größe, sich selbst zu korrigieren.

Zur Vertiefung (Beispiele):
R. Henger, T. Schäfer (2015): Mehr Boden für die Grundsteuer. IW-Policy Paper Nr. 32, 14.10. Online: https://www.iwkoeln.de/studien/ralph-henger-thilo-schaefer-mehr-boden-fuer-die-grundsteuer.html;

D. Löhr (2023): Impacts of Property Taxes on Planning and Settlement Development – Germany as a Living Lab. Modern Economy 14 (3). Online: https://scirp.org/(S(czeh2tfqyw2orz553k1w0r45))/journal/paperinformation.aspx?paperid=123605