Dirk Löhr
Nicht weniger als die Überwindung des Kapitalismus durch eine neue Form des Wirtschaftens: Mit diesem Anspruch betraten die Vertreter der Share Economy die wirtschaftliche Bühne. Das Prinzip: Teilhaben statt Haben. Nicht das Eigentum, sondern der Zugang zu Dingen und Dienstleistungen rückt in den Vordergrund. Ein eigener Parkplatz mitten in der Stadt muss nicht unbedingt sein, aber man will parken können, wenn man einen Parkplatz braucht (Werner 2014).
Altbekannte Probleme des Kapitalismus wie Ressourcenverschwendung, Überproduktion, Umweltbelastung sollten einer neuen postindustriellen Gesellschaft, Co-Konsum, Tauschhandel, dem Leihen, Teilen und Mieten von Gegenständen, Räumen und Kenntnissen weichen (Baumgärtel 2014). Der Weg in diese schöne neue Welt führt über das Internet: Neue technologische Entwicklungen wie v.a. die Smartphone-Apps beflügeln den Trend.
Tatsächlich traten in der Vergangenheit schon viele Internet-Unternehmen mit idealistischen Motiven an. Sogar Google schrieb sich einst “Don’t be evil” (Sei nicht böse) auf seine Fahnen, und hat es dennoch mittlerweile zu einem der umstrittensten Internetgiganten geschafft (Baumgärtel 2014). Und in der aktuellen “Share Economy“, zeigt sich ein ähnliches Bild: So diente beispielsweise Couchsurfing.org lange Zeit als Paradebeispiel für den freundlichen und guten Co-Konsum – so konnte man sich einen Schlafplatz irgendwo in der Welt organisieren. Die Initiative wurde von Freiwilligen ins Leben gerufen, die kostenlos ihre Kräfte zur für diese WebSite Verfügung stellten. Mittlerweile handelt es sich um eine profitorientierte Firma zum Nutzen ihrer privaten Anteilseigner. Wie konnte es zu dieser Korruption der Ursprungsidee kommen? Auch hier ist ein wichtiger Aspekt die ökonomische Rente. Bei ökonomischen Renten fließen Erträge, ohne dass deren Nutznießer Kosten zu tragen haben. Abgezinst ergeben diese Renten den Wert eines Vermögensgegenstandes – dies ist bei Grund und Boden nicht anders als bei Unternehmen.
Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man sich vor Augen führt, dass der Wert des “Ridesharing”-Unternehmens Uber mittlerweile geschätzte 17 Milliarden Dollar beträgt. Die Wohnungsbörse Airbnb wird auf einen Marktwert von ca. 10 Milliarden Dollar geschätzt (Baumgärte 2014). Dies ist ein Indikator für die enormen ökonomischen Renten, die mittlerweile in der Share Economy erzielt werden. Uber übernimmt als neuer Intermediär beispielsweise die Rolle der herkömmlichen Taxizentralen. Statt der 70 Cent, welche die Berliner Taxizentralen im Schnitt pro vermittelter Fahrt verdienen, nimmt Uber stolze 20 Prozent vom Fahrpreis ein. Kosten entstehen dem Unternehmen dabei kaum (Baumgärtel 2014).
So merkwürdig es zunächst klingen mag: Das Erfolgsprinzip von Uber gleicht demjenigen von grundstücksbasierten Unternehmen (wir haben in diesem Blog in der Rubrik “Branches of Business” einen Abriss hierüber gegeben). So nutzen auch Uber & Co. de facto die von der Allgemeinheit geschaffene Netzinfrastruktur und die Agglomeration von Teilnehmern im Netz (Netzwerkeffekte) über nahezu zum Nulltarif erworbene Domains – die hierfür gezahlten Preise bilden den wirtschaftlichen Wert für die Betreibergesellschaften auch nicht annähernd ab. Diese Domains sind im Prinzips nichts anderes als “virtuelle Grundstücke”, mit denen genauso Geld verdient werden kann wie mit physischen Grundstücken. Physische Grundstücke werfen eine Bodenrente ab, virtuelle Grundstücke eine “Cyberrente”.
Dabei geht die Ausschöpfung der “Cyberrente” aber Hand in Hand mit der Ausschöpfung physischer Renten: Bei den Anbietern auf der Plattform Airbnb handelt es sich zu 70 Prozent um Profi-Vermieter. Und gerade in guten Lagen können diese entsprechend viel für ihre Wohnung verlangen (Schnaas 2014). Auch das Angebot an Bohrmaschinen, Tauchsiedern etc. – und damit die Tauschmöglichkeiten – ist in Ballungsräumen naturgemäß größer als in der raumwirtschaftlichen Peripherie.
Letztlich ist die Privatisierung der Cyberrente für die Korruption des guten Grundgedankens der Share Economy verantwortlich (vgl. Harrison 2008). Statt der Umsetzung einer kommunitaristischen Idee steht “der nächste Goldrausch” (“the next tech gold rush” – so das US-Technologiemagazin Wired) an – wobei der Goldrausch allein die Investoren beglückt, nicht aber z.B. die hierbei ausgenommenen Putzkräfte (Baumgärtel 2014).
Fragen wir uns: Wie lägen die Anreize, wenn die Cyberrenten, die durch die gemeinsam geschaffene Netzinfrastruktur und die Agglomeration von Netzteilnehmern entstanden sind, auch an die Allgemeinheit wieder zurückzugeben wären? Die Extragewinne von Uber würden abgesaugt – wie auch die Cyberrenten von Google. Das Interesse von gewinnorientierten Unternehmen, in die Share Economy einzusteigen, würde schlagartig verebben. Die Share Economy würde auf ihre Ursprungsidee zurück geführt.
Wie kann dies praktisch geschehen? Zunächst sollte sich der Staat seiner Rolle als Inhaber der “Eminent Domain” bewusst werden – nicht nur bezüglich der physischen, sondern auch der virtuellen Grundstücke (vgl. Löhr 2013). Konkret bedeutet dies:
– Wer in Deutschland geschäftlich tätig sein will, benötigt ein .de-Kennzeichen. Die Domains werden auf Zeit vergeben. Wer Internet-Geschäfte außerhalb dieser Domains abwickelt, riskiert drastische Strafen, die mit denen bei Steuerhinterziehung vergleichbar sind. Dies nicht nur beim Verkäufer, sondern auch beim Käufer. Zudem wird jeglicher Rechtsschutz verwehrt – die Teilnehmer auf illegalen Kanälen wären also “vogelfrei”. Bei schwerer Missachtung von Rechtsvorschriften kann die Domain dem Betreiber einer Internet-Plattform auch wieder entzogen werden (dies kommt einer Betriebsschließung gleich).
– Nicht profitorientierte Unternehmen erhalten das Kennzeichen gegen eine die Verwaltungskosten deckende Gebühr. Ähnlich wie gemeinnützige Vereine heute werden die nicht profitorientierten Unternehmen periodisch durch die Finanzbehörden überprüft (ggfs. könnte man dies in das Gemeinnützigkeitsrecht integrieren).
– Profitorientierte Unternehmen müssen hingegen die Kontingente grundsätzlich für einen bestimmten Zeitraum ersteigern. Dabei decken die Domains immer ein bestimmtes Umsatzvolumen pro Periode ab (“Kontingent-Domains”). Internetgeschäfte müssen grundsätzlich über qualifizierte Konten abgewickelt werden, die von Kontrollbehörden permanent eingesehen werden können. So kann z.B. (automatisch) kontrolliert werden, ob sich ein Unternehmen noch im Rahmen seines ersteigerten Umsatzkontingentes befindet.
Werden die Renten auf diese Art und Weise abgeschöpft, könnte man auf jegliche weitere Besteuerung verzichten, die bei Netzgeschäften ohnehin schwierig ist (man könnte jedoch eine Option zur herkömmlichen Besteuerung gestatten, wobei die Auktionsgebühren als Werbungskosten absetzbar sein sollten).
Über die Auktionen würden so auch die Vorteile von Externalisierungen abgeschöpft. Die Vorteile, die Uber & Co. aus dem unregulierten Raum ziehen, würden wieder weggenommen. Uber hätte gegenüber den regulierten Unternehmen keine Vorteile mehr. Der Anreiz, einen unregulierten Raum zu betreten, würde so verringert.
Letztlich geht es vom Prinzip her um die Einrichtung eines öffentlichen “Erbbaurechtes” für das Internet. Share Economy funktioniert nicht ohne das “Sharing” der “Cyberrenten”. Klar, bislang hat man dies (auch in Deutschland) noch nicht einmal für physische Grundstücke und deren Renten geschafft. Der gedankliche Sprung dürfte also schwer werden.
Literatur und Hinweise
Baumgärtel, T. (2014): Teile und verdiene, in: Zeit online vom 15.7. Online: http://www.zeit.de/2014/27/sharing-economy-tauschen
Harrison, F. (2008): The Silver Bullet, London, UK (The International Union for Land Value Taxation).
Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie – wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do
Schnaas, D. (2014): Tauchsieder: Die Gefahren der Share-Economy, in: WirtschaftswocheOnline vom 14.09. Online: http://www.wiwo.de/politik/deutschland/tauchsieder-uber-und-airbnb/10695116-2.html
Werner, K. (2014): Teilst du schon? Sueddeutsche.de vom 8.6. Online: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/trend-sharing-economy-teilst-du-schon-1.1989642