Category Archives: Public goods

Ressourcenbasiertes Grundeinkommen oder Single Tax?

Dirk Löhr

Zumindest die Anhänger von Henry George (und mit weniger Nachdruck auch diejenigen von Silvio Gesell) sind sich darüber einig, dass die ökonomischen Renten aus „Land“ in einem weiten Sinne zugunsten der Gemeinschaft abgeschöpft werden sollten. Im Sinne vieler klassischer Ökonomen und von Henry George gehört dabei zu „Land“ alles, was ökonomisch genutzt werden kann, aber nicht vom Menschen hergestellt wurde –  wie z.B. Grund und Boden, Wasser, die Atmosphäre, die biogenetischen Ressourcen, das elektromagnetische Spektrum, Ölquellen etc.(viele Kritiker fügen noch geistige Eigentumsrechte hinzu – die dem Privateigentum an Land „nachgeäfft“ sind und per Gesetz monopolartige Positionen im Wirtschaftsleben ermöglichen).

Dieses breite Verständnis von „Land“ hat allerdings auch einen Nachteil: Während man sich einig darüber ist, dass die ökonomischen Renten der Gemeinschaft zustehen und abgeschöpft werden müssen („share the rents!“), besteht doch eine gewisse Uneinigkeit dahingehend, wie die (Boden-) Renten verwendet werden sollen. Holzschnittartig gegenübergestellt, stehen folgende Positionen gegeneinander:

– Auf der einen Seite gibt es (in der Tradition der Physiokraten und von Henry George) die „Single Taxer“, welche die gesamten Einnahmen aus Renten in den Staatshaushalt fließen lassen und dafür alle anderen Steuern abschaffen wollen. Nach dem Henry George-Theorem ist dies unter bestimmten Umständen möglich (s. unten mehr). Öffentliche Güter und Dienstleistungen sollen dementsprechend nur noch zu Gebühren erbracht werden, welche die unmittelbar entstehenden Kosten der Leistungserstellung (Grenzkosten). Dies würde beispielsweise BahnCard 50-Preise für alle bedeuten. Im Zentrum dieser im georgistischen Spektrum dominierenden Ansicht steht der „Leitwert“ (Bossel 1998) der Effizienz.

– Auf der anderen Seite gibt es die Befürworter eines ressourcenbasierten Grundeinkommens. Ihr Argument: Das „Land“ i.w.S. und deren Erträge stehen allen Menschen zu gleichen Teilen zu, da niemand das Land und seine Bodenschätze gemacht hat (Mill). Es geht also v.a. um Verteilungsgerechtigkeit im Sinne gleicher Zugangschancen zu „Land“ i.w.S. Diese soll hergestellt werden, indem die ökonomischen Renten nicht in den Staatshaushalt fließen, sondern zu gleichen Teilen auf die Bürger zurückverteilt werden. Jemand, der eine Ressource in überdurchschnittlichem Ausmaß in Anspruch nimmt, zahlt damit mehr Renten an die Gemeinschaft, als er von dieser zurück bekommt – also eine Art „Miete“ an die Gemeinschaft. International bekannt geworden ist v.a. der Vorschlag von Barnes / Pomerance (2000), CO2-Zertifikate meistbietend zu versteigern und die Erlöse hieraus nach der Zahl der Köpfe (an die Staaten) zurück zu verteilen. Im deutschen Sprachraum hat sich u.a. Fritz Andres (o.J.) und Alwine Schreiber-Martens (2007) für ein ressourcenbasiertes Grundeinkommen stark gemacht. Auch Gedanken wie der Öko-Bonus gehen in dieselbe Richtung. Die Erlöse müssen dabei nicht unbedingt aus der Versteigerung von Verschmutzungszertifikaten resultieren, sondern können auch aus „Öko-Steuern“ kommen, mit denen externe Kosten auf den Verursacher zurückgeführt werden sollen.

In der Wissenschaft wird die Umverteilungslösung gemischt beurteilt. Als Maßstab dienen dabei v.a. Verwendungsalternativen wie die Investition in Umweltgüter oder die Senkung von Lohnnebenkosten. Insbesondere die letztgenannte Variante ist hinsichtlich der Effizienz der Umverteilungslösung überlegen, wirkt aber verteilungspolitisch regressiver (Baur / Himmel 2012). Dieser Rahmen der Möglichkeiten klammert allerdings eine wichtige Option vollkommen aus. Diese ist imstande, Effizienz und Verteilung zu versöhnen, wird jedoch offenbar von der herrschenden Ökonomie als „no go“ betrachtet. Hierbei handelt es sich um die Vergemeinschaftung der ökonomischen Renten. Über diesen Weg könnte – entsprechend dem Henry George-Theorem – auf die üblichen Steuern verzichtet werden. Die Lohnnebenkosten ließen sich so absenken.

Hinsichtlich der Frage „Ausschüttung der Renten als ressourcenbasiertes Grundeinkommen oder Einbehaltung zur Abdeckung der staatlichen Aufgaben“ sollte m.E. zwischen hoheitlichen und sonstigen Aufgaben des Staates unterschieden werden. Dies ist eng verbunden mit der Frage der eingeforderten Gebühren für die öffentlichen Güter:

–  Für hoheitliche Aufgaben des Staates wie Justiz, Polizei etc. ergeben Gebühren auf der Basis von Grenzkosten keinen Sinn, wohl aber ein staatliches Monopol. Dementsprechend sollten ausreichende Teile der Renten einbehalten werden, um diese Kosten abdecken zu können.

–  Andere Aufgaben hingegen (insbesondere solche, die auch von Privaten entweder selbstständig oder als Agenten des Staates erbracht werden können) sollten zu Grenzkostenpreisen an die Bürger abgegeben werden. Dies betrifft Schulen, Kindergärten, Gesundheitsleistungen etc. Hierbei können durchaus private Akteure in Ergänzung staatlicher Akteure oder im Auftrag des Staates tätig werden. Grenzkostenpreise sind (bei entsprechendem Kostenverlauf) durchaus in der Lage, sowohl fixe wie auch variable Kosten der Anbieter abzudecken.

–  Nur am Rande (ohne dies hier theoretisch vertiefen zu wollen) sei erwähnt, dass komplett kostendeckende Grenzkostenpreise – anders als es die neoklassische Theorie suggeriert –selbst für natürliche Monopole möglich sind (v.a. die Netzinfrastruktur). Dennoch sollten natürliche Monopole in der Hand des Staates bleiben. Bei unzureichenden Möglichkeiten der Preisgestaltung könnten eventuelle Defizite auch hier über Bodenrenten abgedeckt werden.

Ein ressourcenbasiertes Grundeinkommen würde jedem Bürger gleiche Zugangschancen zu den natürlichen Ressourcen und den öffentlichen Gütern ermöglichen, wenn diese zu Grenzkosten bepreist werden. Hinsichtlich der Frage: „Grundeinkommen oder Einbehaltung der Bodenrenten zum Zwecke der Staatsfinanzierung?“ ist also nicht ein entweder-oder sachgerecht, sondern ein sowohl als auch. Über die Einbehaltung von Teilen der ökonomischen Renten zum Zwecke der Finanzierung des Kernstaates könnten die Steuern im Idealfall bis gegen Null reduziert werden – mit entsprechenden Folgen für Lohnnebenkosten und die Effizienz der Volkswirtschaft. Dennoch bliebe noch ausreichend Finanzmasse übrig, um dieses als Grundeinkommen auszuschütten.

Würden die öffentlichen Güter im Wettbewerb angeboten, entschieden dann die Bürger, und nicht die Politiker darüber, in welcher Form und Quantität diese in Anspruch genommen würden. Was den Zugang zu Ressourcen angeht, finden sich Ansätze eines solchen ressourcenbasierten Grundeinkommens schon heute beispielsweise im Alaska Permanent Fund. Die Möglichkeiten der Umverteilung gehen jedoch weit über dieses praktizierte Beispiel hinaus. (Ob und wie weit sich ein ressourcenbezogenes Grundeinkommen von Land zu Land unterscheidet, hängt davon ab, ob man die betreffenden Ressourcen als nationales oder übernationales Gemeinschaftseigentum betrachtet).

Im Gegensatz zu bedingungslosen Grundeinkommenskonzepten (wie v.a. von Götz Werner, 2008, propagiert) wäre ein solches ressourcenbasiertes Grundeinkommen aber bewusst nicht existenzsichernd ausgestaltet. Zudem würde es bewusst den Zusammenhang von Nutzen (aus dem Grundeinkommen) und Kosten (Finanzierung des Grundeinkommens aus den Früchten der Erwerbsarbeit Dritter) nicht aufheben, sondern im Gegenteil stärken. Neue Renten und neues Rent-Seeking soll nicht geschaffen werden. Die Entkopplung von Nutzen und Kosten (privater Bereich) bzw. Einnahmen und Ausgaben (im Rahmen der Steuerfinanzierung des Gemeinwesens) ist nämlich gerade das Prinzip der heutigen Rentenökonomie, das überwunden werden muss. Kopplung von Nutzen und Kosten bedeutet: Wenn die Gemeinschaft mit ihrer Agglomeration und ihren Infrastrukturleistungen die Bodenrente erzeugt, so steht diese auch der Gemeinschaft zu. Und wenn die natürlichen Ressourcen allen Menschen zu gleichen Teilen gehören, so stehen ihnen auch deren Erträge zu.

Erst der Steuerstaat ermöglicht heutzutage über die Entkopplung von Erträgen und Kosten auch die Privatisierung der ökonomischen Renten. Egal, wie die Steuern im Einzelfall heißen: Am Ende belasten sie entweder Arbeit, Boden oder Kapital. In der heutigen Rentenökonomie wird aber Land mit seinen Erträgen aus der Besteuerung weitgehend ausgeklammert. Kapital kann fliehen und wird daher privilegiert besteuert (daher die duale Einkommensteuer). Die volle Last der Besteuerung trifft hingegen die Arbeit. Diese finanziert somit die Infrastruktur, die die v.a. die städtischen Bodenrenten am Ende ermöglicht. Die hohen Arbeitskosten drücken zudem die Nachfrage nach Arbeit. Die schwerwiegendsten Folgen der Arbeitslosigkeit sollen wiederum durch ein soziales Netz aufgefangen werden, das abermals durch den Faktor Arbeit finanziert ist und diesen belastet. So entsteht ein Teufelskreis, der durch das Konzept von Götz Werner nicht durchbrochen, sondern noch weiter verschärft würde. Im Buch „Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird“ (2013) und in diesem Blog wurden noch weitere Beispiele für die Entkopplung von Nutzen und Kosten in der Rentenökonomie gegeben. Ein bedingungsloses, existenzsicherndes und steuerfinanziertes Grundeinkommen festigt diese ungute Entwicklung und geht somit in eine falsche Richtung.

Um einen Einwand auszuräumen: Die Forderung nach Kopplung von Nutzen und Kosten, Einnahmen und Ausgaben spricht nicht gegen sozialpolitische Sicherheitsnetze in besonderen Lebenslagen, und sie spricht auch nicht gegen die sachgerechte Entkopplung in anderen Bereichen, wie z.B. der Kultur.

Ansonsten bewegt man sich – wie es heutzutage der Fall ist – auf eine Entkopplung im Wirtschaftsbereich zu (Rentenökonomie);  gleichzeitig wird eine zunehmende Kopplung von Nutzen und Kosten in anderen Lebensbereichen hergestellt. Letzteres bedeutet aber nichts anderes als eine sachfremde Durchökonomisierung des sozialen Bereichs und der Kultur.

Literatur:

Andres, F. (o.J.): Wem gehört die Erde, wem die Atmosphäre? INWO-Standpunkte, online: http://www.inwo.de/uploads/media/Boden_und_Klima.pdf

Barnes, P. / Pomerance, R. (2000): Pie in the sky? Online: http://community-wealth.org/content/pie-sky-battle-atmospheric-scarcity-rent

Baur, M. / Himmel, M. (2012): Ökologische Steuerreform: Pläne des Bundesrates für eine zweite Phase der Energiestrategie 2050, in: Die Volkswirtschaft, online: http://www.efv.admin.ch/d/downloads/finanzpolitik_grundlagen/els/06_Baur_d.pdf

Bossel, H. (1998): Globale Wende – Wege zu einem gesellschaftlichen und ökologischen Strukturwandel, München: Droemer Knaur.

Homepage von Fred Harrison: http://www.sharetherents.org/

Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg (Metropolis), online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do

Schreiber-Martens, A. (2007): Ein Grundeinkommen für alle aus Abgaben für die Nutzung der Naturressourcen, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, S. 27-32, online: http://www.sozialoekonomie-online.de/ZfSO-154_Schreiber-M.pdf

Werner, G. (2008): Einkommen für alle, Köln.

Boden behalten – Basel gestalten: Rückzug und Neulancierung

Dirk Löhr

Niemand weiß, was in 100 Jahren in städtebaulicher Hinsicht “richtig” sein wird. Und niemand weiß, was sich in 100 Jahren an der Stelle eines Hauses in einer Stadt richtigerweise befinden sollte. Vielleicht ein Park? Vielleicht ein Neubau? Und weil das so ist, muss eine Stadt ihre Fähigkeit wahren, zu handeln und zu gestalten. Am besten kann sie das, wenn die Abgabe von Boden im (Erb-) Baurecht zur Norm wird. Nur so bleibt eine Stadt flexibel und behält die Fähigkeit, die langfristigen Entwicklungen des Wohnraums demokratisch legitimiert zu steuern. Zudem zahlt sich eine Abgabe im Baurecht langfristig stabil und finanziell sicher aus in Form des Baurechtszinses.

Die Initiative “Boden behalten, Basel gestalten!” hat dies erkannt und fordert daher, dass Liegenschaften und Grundstücke des Kantons Basel grundsätzlich nicht verkauft, sondern Dritten allenfalls im (Erb-) Baurecht überlassen werden. Die Initiative verfolgt zudem eine langfristige Änderung der Bodenpolitik des Kantons. Er soll deutlich mehr gemeinnütziges, familien- und umweltschonendes Bauen ermöglichen, und sein Land behalten für die künftige Stadtentwicklung.

Bedauerlicherweise hat die Initiative gestern, am 18.12.20 im Grossen Rat mit 47 zu 46 Stimmen (bei einer Enthaltung) eine Abstimmungsniederlage gegen die bürgerliche Mehrheit des Parlaments erlitten. Das Initiativkomitee von „Boden behalten – Basel gestalten! (Bodeninitiative)“ ist enttäuscht über diesen Grossratsentscheid, welcher stark von Ideologie geprägt war und fernab der künftigen Herausforderungen für den Kanton Basel gefällt wurde. Mit dem neuen baselstädtischen Wohnraumfördergesetz wurden allerdings bereits wichtige Forderungen der Bodeninitiative umgesetzt. Das Initiativkomitee wird deshalb seine ursprüngliche Initiative zurückziehen und den verbleibenden zentralen Teil der Initiative – dass der Kanton seinen Boden grundsätzlich nicht mehr verkauft – Anfang 2014 neu lancieren. Dies soll in Form einer neuen Volksinitiative geschehen. Über den Einsatz des (Erb-) Baurechts soll eine sinnvolle Stadtentwicklung ermöglicht, privaten Bauherren Raum für Investitionen gelassen und auch weniger kapitalkräftigen Bauträgern erlaubt werden, Projekte zu realisieren. Mit dieser neuen Initiative soll das zentrale Anliegen der Bodeninitiative – Nein zum Ausverkauf des Tafelsilbers – verbindlich verankert werden.

Mehr Informationen:

http://www.bodeninitiative-basel.ch/bodeninitiative-basel/Initiative/Weshalb-diese-Initiative.html

Eigentum ist Diebstahl – auch an Kunst

Dirk Löhr

Mehr wurde – zumindest offiziell und legal – noch nie für ein Bild bezahlt: Ein New Yorker Auktionshaus hat im November 2013 ein Triptychon von Francis Bacon für 142,4 Mio. Dollar (106 Mio. Euro) verkauft. Damit liegt der Preis ca. 22 Mio. Dollar über dem von Edvard Munchs “Schrei” – selbst Experten sind überrascht. Die drei Bilder Bacons zeigen den in Berlin geborenen britischen Maler Lucian Freud, ein Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud und ein enger Freund sowie Malerkollege von Bacon. Der Käufer des Bildes ist unbekannt.

Viele Kenner (also nicht nur Kunstbanausen wie der Verfasser dieses Beitrags) haben sich die Frage nach dem „warum“ dieses Preises gestellt. Neben seinem künstlerischen Gehalt dürfte ein wichtiger Grund sein, dass sein Schöpfer seit 1992 tot ist. Damit sind seine Werke nicht mehr reproduzierbar und auch nicht durch andere Schöpfungen des Künstler ersetzbar. Sie sind also absolut knapp. Dies ist eine Eigenschaft, die Werke v.a. toter Künstler mit „Land“ im weiten Sinne der ökonomischen Klassiker gemeinsam haben (hierzu zählen auch andere unvermehrbare Güter wie Wasser, die Atmosphäre, die biogenetischen Ressourcen, das elektromagnetische Spektrum etc.). Vordergründig betrachtet generiert Kunst – anders als Land – zwar keine ökonomischen Renten. Allerdings erzeugt Kunst  – ganz ähnlich wie Land –doch einen permanenten (Netto-) Nutzenstrom für den Kunstkonsumenten. Und somit macht sein Wertsteigerungspotenzial es zu einer interessanten Assetklasse.

Ein weiterer Grund für den Rekordpreis, dass die Notenbanken in den letzten Jahren die Schleusen für neue Liquidität weit geöffnet haben, die verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten sucht. Es ist kein Zufall, dass Aktien (die als indirekte Investments in „Land“ i.w.S. betrachtet werden können), Grund und Boden wie auch Kunst (v.a. toter Künstler) in letzter Zeit Höchstpreise erzielen. Bei Licht besehen ist dies eigentlich wenig Grund zur Freude, sondern vielmehr ein erkennbares Symptom einer volkswirtschaftlichen Blasenkrankheit (s. auch den diesbezüglichen Beitrag von Johann Walter in diesem Blog). Das Geld in der Finanzstratosphäre steht aber für reale Transaktionen nicht zur Verfügung – die Wirkung für die Realwirtschaft ist nicht viel anders, als ob es unter der Matratze läge. Zudem ist volkswirtschaftlich gesehen „Sparen“ in Kunst (von toten Künstlern) wie auch in Land (und übrigens auch in Aktien, hierzu mehr in einem späteren Beitrag) eigentlich gar nicht möglich. „Sparen“ bedeutet nämlich den Aufbau von Werten in Periode 1 und den Verbrauch dieser Werte in Periode 2 – also einen Transfer von realen Werten von der Gegenwart in die Zukunft zum Zwecke des späteren Verbrauchs. Letzteres ist bei den genannten Vermögenswerten aber nicht möglich. Ihr Preis kann aufgeblasen werden – sticht aber die Notenbank mit der Zinsnadel in diese Blase, platzt sie auch wieder – zumeist mit beträchtlichen realwirtschaftlichen Folgewirkungen.

Damit stellt sich – ähnlich wie bei Land – auch bei Kunst die Frage, ob Privateigentum hieran wirklich der Weisheit Letzter Schluss ist. Freilich, bei Kunst liegt der Fall ein wenig problematischer. Zunächst geht es darum „Kunst“ (hierin steckt das Wort „Können“) von bloßer „Wunst“ („Wollen“) zu unterscheiden. Hierfür ist die Zahlungsbereitschaft von Kunstfreunden freilich kein schlechter Indikator. Andererseits: Rechtfertigt dies das Privateigentum? Für den Künstler selbst hat Privateigentum an seinen Werken ähnlich sinnige allokative Konsequenzen wie Privateigentum an Land: Es sichert sein Überleben theoretisch erst dann, wenn er tot ist.

Und: Zur Wertschätzung der Kunst bedarf es nicht nur des künstlerischen Talents; vielmehr muss es auch in die Kultur der Gemeinschaft der Kunstkonsumenten eingepasst sein. Erst der Geschmack der Letzteren macht den Wert der Kunst aus. Vor diesem Hintergrund sollte auch die Frage erlaubt sein, wie sinnvoll es ist, durch Privateigentum an Kunstwerken gerade diese Gemeinschaft der “Wertschätzenden” auszuschließen. Nichts machte dieses Problem so deutlich wie die verzweifelte Aktion der Basler Bürger im Jahre 1967, als diese einem Kredit von 6 Mio. Schweizer Franken zustimmten, um zwei Picasso-Werke wieder ins Basler Kunstmuseum zurückzuholen. Diese waren damals Leihgaben von privater Hand und sollten aus finanzieller Not veräußert werden. Die 6 Mio. Franken waren 1967 übrigens eine gewaltige finanzielle Last – auch für Basel.

Also: Genau wie Land wird Kunst erst durch die Gemeinschaft in Wert gesetzt, genau wie Land wirft beides einen dauerhaften (Netto-) Nutzenstrom (also eine Art “Rente”) ab. Genau wie in Wert gesetztes Land ist Kultur ein Gemeinschaftswerk. Privateigentum an Land und seinen Renten ist daher genauso widersinnig wie Privateigentum an Kunst und seinen Nutzen, da es gerade die Inwertsetzenden von der Nutzung ausschließt. Der Sinn des Privateigentums, durch die individuelle Zurechnung dieses Nutzens eine Reproduktion anzureizen, geht bei Land wie bei Kunst (toter Künstler) ins Leere.

Als alternatives Regime wäre beispielsweise denkbar, dass Privateigentum an Land und “gelisteter” Kunst als „no go“ erklärt wird – „privare“ stammt bekanntlich aus dem Lateinischen und bedeutet „rauben“. Hierzu müsste von fachkundiger Stelle ein Verzeichnis über die Künstler erstellt werden, deren Werke als Vermögensanlage infrage kommen. Statt Privateigentum könnten Nutzungsrechte an deren Werken erworben werden: Solange ein Künstler noch lebt, mag man diesem für die Nutzung eines Werkes ein Entgelt zahlen, das dieser behalten kann. Dies würde wahrscheinlich gerade jungen lebenden Künstlern zugutekommen. Allerdings wird damit nur ein Nießbrauch erworben: Stirbt der Künstler, fällt der Kunstgegenstand automatisch und ohne Entschädigung an Vater Staat zurück. Wer die Kunstgegenstände zurückbehält, begeht Diebstahl an der Allgemeinheit. Der Verkauf dieser Gegenstände wäre Hehlerei, Eigentum könnte nicht erworben werden. Der Staat seinerseits vergibt allenfalls Nutzungsrechte an Werken toter Künstler nur auf Zeit – im Wege einer Auktion (falls sich jemand unbedingt den Picasso ins Wohnzimmer hängen und damit die Gemeinschaft von der Nutzung des gemeinschaftlichen Kulturgutes ausschließen will). Ansonsten sollten Kunstwerke dort stehen, wo sie hingehören: Im Museum.

Privateigentum an Kunst und die damit verbundenen Ausschlussrechte sind symptomatisch für eine (Un-) Kultur, die auf Diebstahl an der Allgemeinheit begründet ist. „Eigentum ist Diebstahl“ – dieses Wort Proudhons gilt nicht nur für Land, sondern auch für Kunst.

Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.doc

Homage to Henry George

Fred Harrison

I have launched a new initiative for economic justice on www.sharetherents.org  This is based on the audit of my performance. I came to realise that there was never a chance of succeeding with the language and strategies that I inherited when I first walked into the London headquarters of the British Georgist movement back in the 1960s. So I celebrate my departure from the past with a homage to the activist who, in the 1880s, successfully launched the first global reform movement.

It was towards the end of a decade-long campaign to help the people of Russia that I realised why we had failed. I identified two reasons. First, the rent-seeking culture had become so deeply embedded that it would never allow fiscal reform anywhere in the world. Second, our tools undermined our ambitions. I share my reflections in case they are of value to others. I have road-tested them in China (last month) and the United States earlier this month). I was left encouraged.

(1) The assumption that ours is a rational society. If I and my colleagues strained hard to explain the integrity of land value taxation to policymakers and the media, reason would ultimately prevail. On the basis of deep historical research, I now understand that under no circumstances can the Georgist paradigm be negotiated into existence. I describe what I call the statecraft of greed in The Traumatised Society and in Ten Theses being serialised on www.sharetherents.org The agents of power have to be bypassed.

(2) The concept of “land value taxation” obstructs progress. I no longer use it. Here’s why:

(i) land: emphasis on this word distracted me from the other half of what people were excluded from when land was enclosed. Rent is the value of the services of both nature and society. People were excluded from society when they were deprived of their rights of access to the commons. By failing to demand the restoration of the right to create an authentic democratic culture, the void was left for other ideologies to fill.

(ii) land value: this term concedes the right to privately own the capitalised value of rent. This strengthened people’s determination to avoid public claims on “their” asset values.

(iii) taxation: “tax” shuts down people’s minds. Denial is the default position. I was embarked on Mission Impossible. And: by threatening a tax on “their” land, I implicitly conceded that government would only recover a part of the rent (a 100% charge would be resisted as confiscation, as a “taking”). I allowed myself to be co-opted by the rent-seeking agenda!

(3) Language By talking about “increases in the value of their land”, I misrepresented economic reality. The value of their land did not increase. It was the value of public services that were further enhanced by tax-funded investments. Derelict governments allowed land owners to capture enhanced rents. I reinforced rent-seeking by endorsing the myth that “their” land increased in value.

(4) Objectivity   My books presented an objective account of land value taxation without the passion that is required to reconstruct communities on the basis of freedom and justice. I ought to have offered visions of the future that might flow from the recovery of the community’s rents. Restoration of an authentic democratic culture would lead to ways of living significantly different from those bequeathed by the predators. My objectivity lacked the inspiration needed to overcome the despair and denial which, I now recognise, helps people to cope with the perverse laws of the land. Over the course of four generations, the Georgist paradigm was dumbed down.

(5) The Shift       We need a culture shift (facilitated by a tax shift) to control the geopolitical trends that pose an existential threat to humanity. I am exploring ways to mobilise people beyond the methods employed by most NGOs (which seek to ameliorate painful symptoms rather than alter the foundations of a corrupted social system).

Georgists from around the world pitched in to our Russian campaign. It was a wonderful exercise in collaboration. I do not want that effort to have been wasted. Failure to save the people of Russia will not have been in vain if the lessons are learnt. Today, in China, the World Bank is once again pushing to privatise land and rent. Reasoned discourse with the international financial institutions and sovereign governments will not yield change: their mandate is to protect the rent-seeking culture.

We need to foster what Mason Gaffney calls a Great Awakening: a renewal of humanity’s moral/spiritual heritage, the kind that preceded great reforms of the past. The way to achieve this is to excise the mind-bending language bequeathed to us by the culture that was incubated by the predators of the past. Their vitriolic values have all but erased the last traces of decency in our communities.

I am optimistic, for this reason. The next generation of activists will be unique in the history of our species. So far, humans have lived according to the rules of territoriality. This was a necessary evolutionary strategy. Territoriality, however, has been rendered obsolete. Time and space are overcome by clicks on keyboards. Cell phones mobilised tens of thousands of people into the squares of Arab cities, and their sheer numbers was sufficient to overthrow those who exercised monopoly power. But they were not equipped with the knowledge of what it would take to lay the foundations for a better future: hence the re-assertion of rent-seeking in Egypt by the military, the owners of one of the country’s largest landed estates.

Back in the 19th century, Henry George provided a clear exposition which empowered the people of the street. He even animated some policy-makers (who, at the turn into the 20th century, realised that they were faced with the opportunity to change the course of history). We now need a narrative that resonates with the realities of the 21st century. Those realities cannot be adequately articulated in the idioms that pass for economic and political discourse today. My effort to scope out new concepts is but one contribution to what I hope will be a fresh start to redeem the selfless sacrifices of four generations of activists.

If you view this initiative with sympathy, please check out the Cheating Index plan and register your support: http://sharetherents.org/the-cheating-index/

Public Private Partnerships – ein El Dorado für Rent Grabbing

Dirk Löhr

„Neudeutsch“ klingt immer modern, weltoffen, aufgeschlossen – wenngleich nicht jeder weiß, was sich dahinter so alles verbirgt. Wenn man interessierten Anwälten folgt, sind Public Private Partnerships (kurz: „PPPs“) DIE Lösung v.a. für die finanziellen Probleme der öffentlichen Hand. Wir erlauben uns jedoch, ein wenig Wasser in den Wein zu gießen. PPPs stellen oft ein El Dorado für Rent Grabbing-Aktivitäten dar. Um richtig verstanden zu werden: Uns geht es vorliegend nicht darum, PPPs pauschal zu verdammen. Dies ist allein schon deswegen schlecht möglich, weil es keine allgemeinverbindliche Definition von PPPs gibt. Einige Autoren gehen von einem PPP aus, wenn sich mindestens zwei der nachstehend genannten Elemente in der Hand eines der beiden Partner (privat oder öffentlich) befinden: Planung, Erstellung, Finanzierung, Betrieb oder das sog. „wirtschaftliche Eigentum“ an dem Projekt. Würde also z.B. eine Schule von einem Privaten erstellt und finanziert, würde man danach bereits von einem PPP sprechen. Wenn es hier auch nicht um eine pauschale Ablehnung von PPPs geht, so sind problematische Konstellationen leider eher der Regel- als der Ausnahmefall.

Der wichtigste Geburtshelfer von PPPs ist wie gesagt die finanzielle Not der öffentlichen Hand. Diese ist aber eine unmittelbare Folge der in diesem Blog problematisierten Privatisierung der ökonomischen Renten. Dies kann mittels des Henry George-Theorems („Golden Rule of Local Public Finance“) illustriert werden, das nachfolgend in vereinfachter und verallgemeinerter Form dargestellt ist. Formalisiert wurde es u.a. durch den Nobelpreisträger und früheren Weltbank-Chefökonomen Joseph Stiglitz – zuerst für die kommunale Ebene, mittlerweile wird es verallgemeinert.

Volkseinkommen als Funktion der Bevölkerung (eigene Darstellung)

Zusammensetzung   Verteilung
Private Güter und Dienstleistungen  <=> Löhne (Produktionsfaktor Arbeit)
Zinsen (Produktionsfaktor Kapital)
Öffentliche Güter und Dienstleistungen  <=> Renten (Produktionsfaktor Land i.w.S.)

Abbildung: Das Henry George-Theorem (vereinfacht)

Nach dem Henry George-Theorem könnten die öffentlichen Güter (Infrastruktur, Sicherheit, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen) unter bestimmten Bedingungen vollständig aus den Bodenrenten finanziert werden. Werden aber – wie in den meisten westlichen Staaten üblich – die (Boden-) Renten privatisiert und damit der durch das Henry George-Theorem beschriebene sachgesetzliche Zusammenhang durchbrochen (der eine Vergemeinschaftung der Renten impliziert), muss die Inwertsetzung der öffentlichen Güter durch Steuern auf Kapital und Arbeit finanziert werden. Das Gegenstück zur Privatisierung öffentlicher Werte (Renten) ist also die Konfiskation privater Werte.

Betroffen ist dabei v.a. der Faktor Arbeit, über die Lohnsteuer, da dieser – anders als das Kapital – kaum flüchten kann. In vielen Staaten wird der Zahltag über die Aufnahme von Schulden in die Zukunft verschoben und damit auf künftige Generationen abgewälzt. Will man dies vermeiden, heißt es „sparen“: Die öffentlichen Güter werden dann nur unzureichend zur Verfügung gestellt, was z.B. weniger Schulen und Polizei oder Schlaglöcher in den Straßen bedeutet. Eine nachhaltige Finanzierung der öffentlichen Güter ist dann nicht mehr gewährleistet. Das Angebot des „vierten Produktionsfaktors“, nämlich der Infrastruktur, ist dem entsprechend dürftig.

Sicher: Auch die Steuerfinanzierung der Infrastruktur ist kein Königsweg – zumal damit regelmäßig auch ein Entmutigungseffekt einhergeht (in Gestalt steuerlicher Zusatzlasten). Doch selbst unter Einrechnung der steuerlichen Zusatzlasten sind PPPs kein finanzieller Gesundbrunnen.

Allerdings scheinen PPPs DIE Lösung zu sein, wenn man die „heilige Kuh“ nicht antasten, d.h. die ökonomische Rente nicht abschöpfen will. Den privaten Partnern stehen nicht selten die Euro-Zeichen in den Augen geschrieben, verspricht man sich doch oft eine weitgehend konkurrenzfreie Beteiligung an den ökonomischen Renten, welche die zu finanzierende Infrastruktur abwirft. Beispiele sind Infrastrukturmonopole (wie die Erhebung von Straßennutzungsgebühren durch private Betreiber) oder die private Entwicklung von Baugebieten – finanziert über die private Abschöpfung von Bodenrenten und Bodenwerten („Value Capture“). Der durch die Privatisierung der Bodenrente finanziell geschwächte Staat gibt z.B. einem privaten Developer einen Freibrief zur Abschöpfung der durch die Entwicklungsmaßnahmen kreierten Bodenrente in die Hand. Da sich diese jedoch nicht nur aus den (direkt zurechenbaren) Anstrengungen des privaten Developers, sondern auch aus (nicht direkt zurechenbaren) Gemeinschaftsleistungen (z.B. Angebot an Kindergartenplätzen, Attraktivität des gesamten Umfeldes) speist, zieht der private Entwickler in den meisten Fällen wesentlich mehr durch „Value Capture“ (Vereinnahmung des Bodenwertzuwachses) heraus, als er in die Entwicklung eines Areals investierte. Dies geschieht zudem regelmäßig in einer ziemlich intransparenten Weise. Zu fordern wäre, dass der Staat sich der Bodenrente bemächtigt und hieraus den Developer auf Grundlage von transparenten, öffentlich zugänglichen und kontrollierbaren Verträgen bezahlt („Cost Covering“ statt „Value Capture“).

PPPs sind aber – insbesondere dann, wenn ökonomische Renten angezapft werden – regelmäßig intransparent. Sie werden – sofern es sich um „institutionelle PPPs“ handelt – im Rahmen privater Rechtsformen vollzogen. Hierdurch und durch Geheimhaltungsklauseln zieht man den Informationsfreiheitsgesetzen, die ja eigentlich Einsicht für die Bürger bringen sollten, die Zähne. Oft werden unter diesem Schleier versteckt Risiken auf die öffentliche Hand bzw. auf intransparente Weise finanzielle Lasten auf schwach organisierte Gruppen (Steuerzahler) verlagert bzw. auf Kosten nachfolgender Generationen über intransparente Schattenhaushalte in die Zukunft verschoben.

Das Argument angeblich höherer Effizienz der Privaten zieht dabei zur Rechtfertigung von PPPs in den seltensten Fällen: Private haben regelmäßig wesentlich höhere Kapitalkostenforderungen als die öffentliche Hand, welche normalerweise die Effizienzvorteile (wenn sie denn bestehen) mehr als aufwiegen. Dies betrifft v.a. die geforderten Eigenkapitalrenditen. Die Kritik der Rechnungshöfe an bestehenden PPPs füllt mittlerweile Bibliotheken.

Auf der anderen Seite hat sich jedoch auch manch ein privater Partner schon heftig verkalkuliert – wenn nämlich die durch seine Investitionen geschaffenen Renten in andere private Taschen fließen. Das Henry George-Theorem kann nämlich auch von links nach rechts gelesen werden: Sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen generieren Bodenrenten und Bodenwerte. Der private Partner kann sich die Renten aber nur zunutze machen, wenn er das Eigentum am betroffenen „Land“ i.w.S. hat und somit nicht ein Anderer  die Sahne der Bodenrente abschöpfen kann – eine wesentliche Bedingung für das Gelingen des Geschäftskonzepts, das an den zeitgenössischen Kaderschmieden des Managements aber nicht gelehrt wird.

„Institutionelle PPPs“ – bei denen sich also ein erwerbswirtschaftlich orientiertes Unternehmen mit der öffentlichen Hand unter dem Dach einer Gesellschaft zusammentut – sind zudem auch aufgrund der oftmals unterschiedlichen Orientierung der „Partner“ problematisch. Anders als bei einer Ehe (die im doppelten Sinne zwecklos) ist, sollten die Anteilseigner einer Gesellschaft nämlich einen gemeinsamen Zweck verfolgen. In der Mehrzahl der Fälle geht es der öffentlichen Hand dabei um die Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen (Leitwert: Versorgung), dem privaten Partner aber (legitimer Weise) um Gewinne. Dass sich dies „beißen“ muss, können wohl sehr viele PPP-Praktiker bestätigen. Zudem soll der Staat – in seiner Rolle als Hüter des Gemeinwohls unterschiedliche Interessen in neutraler Weise ausgleichen. Zudem ist es problematisch, wenn sich der Staat von bestimmten Sonderinteressen vereinnahmen lässt. Es ist z.B. ein Unding, wenn der private Partner – motiviert durch einzelwirtschaftliche Rentabilitätsinteressen – im Rahmen von Projektentwicklungen wesentlich das öffentliche Gut „Planung“ mitbestimmt (vgl. §§ 11, 12 BauGB). Die Planung verliert dann ihre Fähigkeit, widerstreitende Interessen von Anspruchsgruppen in neutraler Weise ausgleichen zu können.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Der Staat hat andere Aufgaben, als selber Lastwagen zu fahren. Soweit keine hoheitlichen Aufgaben betroffen sind, kann und soll sich der Staat der Hilfe privater Unternehmer bedienen, allerdings nur auf der Grundlage transparenter und kontrollierbarer Kostenübernahmevereinbarungen – das private „Value Capture“ ist hingegen zu einem großen Teil Diebstahl an der Allgemeinheit. Um dabei bestehende Interessengegensätze zwischen Privatwirtschaft und Allgemeinheit offen und transparent zu gestalten, bietet das Schuldrecht (und nicht das Gesellschaftsrecht) gute Möglichkeiten. Gesellschaftsrechtliche Lösungen sind hier nicht Ziel führend.

Es verwundert wenig, dass nach einigen Jahren der Euphorie mittlerweile auch viele PPPs wieder hart auf dem Boden der Realität gelandet sind. Die Versprechen vieler Berater (die sich inzwischen finanziell gesund gestoßen haben) an die Kommunen, erwiesen sich als Schall und Rauch. Die blauäugige Jungfrau hatte sich mit dem Schurken ins Bett gelegt und musste beim Aufwachen erkennen, dass sie während des Tiefschlafs missbraucht wurde. Berater und Anwälte verfolgten ihre eigenen Geschäftsinteressen und traten keineswegs als neutrale Sachwalter auf. Die Verträge verteilen Lasten und Risiken oft sehr einseitig zuungunsten der Öffentlichen Hand. Aus diesem Grunde versuchen viele Kommunen mittlerweile einen Ausstieg aus PPP-Arrangements – „Rekommunalisierung“ ist hier das Stichwort. Ein solcher Ausstieg kann aber zuweilen teuer kommen.

Somit bleibt die Frage: Warum verzichtet der Staat auf die ökonomischen Renten und überlässt diese Privaten? Die Basis für die staatliche Finanzierung ist in den ökonomischen Renten, die durch sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen generiert wird, durchaus vorhanden. Es gilt allerdings, diese konsequent abzuschöpfen.

Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do

Gewinne und Renten: Beispiel Stromproduktion

Dirk Löhr

Jeder Bürgermeister heutzutage kennt den Begriff “Merit-Order”. Bei der Stromproduktion ist sie von großer Bedeutung; man versteht hierunter die Einzelreihenfolge der eingesetzten Kraftwerke. Beginnend mit den niedrigsten Grenzkosten werden zur Versorgung so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten zugeschaltet, bis die Nachfrage gedeckt ist. Nach der Liberalisierung des Strommarktes ist für den Strompreis an der Strombörse das letzte Gebot bestimmend, das noch den Zuschlag bekommt (Market Clearing Price). Dieser wird durch das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten bestimmt.

Abb.: Merit Order (Strommarkt)  (bitte anklicken)

Nun sind sog. „Grundlastkraftwerke“ (Atomkraftwerke, Braunkohlekraftwerke) durch sehr hohe fixe und sehr geringe variable Kosten bzw. durch geringe Grenzkosten gekennzeichnet. Um die Durchschnittskosten zu minimieren, werden die betreffenden Kraftwerke mit hoher Last gefahren und nach Möglichkeit niemals abgeschaltet („must-run“). Die Kostenstruktur von Spitzenlastkraftwerken ist entgegengesetzt (relativ hohe variable Kosten bzw. Grenzkosten, relativ geringe fixe Kosten). Dazwischen stehen Mittellastkraftwerke. Somit können im traditionellen Energiemix im Bereich der Grundlast die höchsten Deckungsbeiträge bzw. ökonomischen Renten (Differenz zwischen Marktpreis und (Grenz-) Kosten) erzielt werden. Bei den schon abgeschriebenen Grundlastkraftwerken gehen diese nahezu voll in den Gewinn. Dabei besteht ein Schutzraum vor Wettbewerb. Allein schon wegen der hohen Kapitalintensität sind „Newcomer“ kaum in der Lage, den alteingesessenen Energieversorgungsunternehmen im Bereich der Grundlast Konkurrenz zu machen. Die betreffenden Märkte sind kaum durch Wettbewerber „bestreitbar“. Nicht zufällig besaß das Kollektivmonopol der „großen Vier“ (RWE, E.On, Vattenfall und EnBW) bis vor dem Atomausstieg 96 % aller Grundlastkapazitäten auf dem deutschen Energiemarkt.

Die Produzentenrenten, die die Gewinne der „großen Vier“ im Grundlastbereich speisen, sind dabei aber nichts anderes als „versteckte“ Bodenrenten: Ein Braunkohlekraftwerk kann beispielsweise nicht irgendwo betrieben werden; wegen der hohen Transportkosten von Kohle und Kalksteinmehl sollte entweder ein Braunkohletagebau, eine Eisenbahnlinie oder aber ein Hafen in unmittelbarer Nähe gelegen sein. Aus diesem Grunde entstanden Braunkohlekraftwerke historisch v.a. um die Vorkommen im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland und in der Lausitz (die sich ebenfalls in der Hand der großen „Energieversorger“ befinden), aber auch an Standorten, wo die Anlieferung über Binnenschiffe erfolgen kann. Zudem sollte ein Verbrauchsschwerpunkt weniger als 70 km vom Ort der Erzeugung entfernt sein und es sollte sich möglichst eine Stromautobahn (Höchstspannungsnetz) in unmittelbarer Nähe befinden. Die betreffenden Kraftwerke bedürfen schließlich der Planung und Genehmigung; längst nicht jedes geplante Kraftwerk hat diesbezüglich Erfolg. Weil die unterschiedlichen Kraftwerkstypen (Grund-, Mittel- und Spitzenlast) unterschiedlich hohe ökonomische Renten generieren und eben nicht jeder beliebige Kraftwerkstyp überall entstehen kann, ist die Standortfrage von hervorragender Bedeutung. Die planerische Zuweisung solcher Standorte ist ein Privileg, dass das exklusive Einstreichen der ökonomischen Renten erlaubt. Analoges kann für andere Verfahren der Stromerzeugung durchdekliniert werden. Überflüssig zu betonen, dass die betreffenden Bodenrenten nur zu einem geringen Teil – wenn überhaupt – abgeschöpft werden; der Löwenanteil fließt in die Schatulle der großen “Energieversorger”. Zur Kasse gebeten werden statt dessen Steuerzahler und Stromverbraucher.

Schließlich wäre kein Braunkohlekraftwerk in Betrieb, wenn die Bepreisung der Inanspruchnahme der Atmosphäre  (mit Blick auf das 2 Grad-Ziel) angemessen erfolgen würde. Während zum Zeitpunkt der Niederschrift die Emission einer Tonne CO2 im europäischen  Emissionshandel 4-5 Euro kostet, wäre vermutlich das 15-20 fache angemessen. Diese einzelwirtschaftliche Ersparnis, von der auch die Stromverbraucher teilweise profitieren, geht jedoch ebenfalls zu Lasten einer diffusen Allgemeinheit (v.a. in vielen Entwicklungsländern, die von klimatischen Extremereignissen betroffen sind). Letztlich wird “Land” i.w.S. (das nämlich ist die Atmosphäre – zumindest im Sinne der ökonomischen Klassiker) mitsamt seiner rententragenden Kraft von den großen Stromproduzenten als Deponie einfach okkupiert.

Gerade die besagten Energierenten im Grundlastbereich wurden – und werden auch noch im Rahmen der sog. „Energiewende“ – von den „Großen Vier“ mit Zähnen und Klauen verteidigt.  Der Ausbau der erneuerbaren Energien geschieht derzeit eher als „Add-Up“ zum weiter fortschreitenden Ausbau der Kohlekraftwerke. Eine Abkehr vom ökologisch bedenklichen Grundlastkonzept ist bis auf Weiteres nicht in Sicht.

Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do

Die toxische Wirkung von Subventionen

Dirk Löhr

Im Beitrag „Koalitionsverhandlungen: Der Streit um den zukünftigen Kurs in der Steuerpolitik“ (Oktober 2013) wurde dargestellt, dass die Basisfinanzierung der staatlichen Aufgaben allein über die ökonomischen Renten geschehen könnte. Steuern, wie wir sie heute kennen, wären hierfür eigentlich nicht notwendig.

Diesen Zusammenhang beschreibt das sog. „Henry George-Theorem“ („Golden Rule of Local Public Finance“), das u.a. vom Nobelpreisträger und früheren Weltbank-Chefökonomen Joseph Stiglitz formalisiert wurde.

Volkseinkommen als Funktion der Bevölkerung (eigene Darstellung)
Zusammensetzung   Verteilung
Private Güter und Dienstleistungen  <=> Löhne (Produktionsfaktor Arbeit)
Zinsen (Produktionsfaktor Kapital)
Öffentliche Güter und Dienstleistungen  <=> Renten (Produktionsfaktor Land i.w.S.)

Abbildung: Das Henry George-Theorem (vereinfacht)

Das Henry George-Theorem kann von links nach rechts und umgekehrt interpretiert werden: Die öffentlichen Güter (Infrastruktur, Sicherheit, Bildung, Gesundheitseinrichtungen) können unter bestimmten Bedingungen vollständig aus den Bodenrenten finanziert werden, wobei „Boden“ in einem sehr weiten Sinne verstanden wird (als alles, was der Mensch nicht geschaffen hat, und sogar – wie bei geistigen Eigentumsrechten – noch darüber hinaus). Umgekehrt werden die Bodenrenten erst durch die öffentlichen Leistungen erzeugt; der Staat ist also eine „rent creating institution“.

Werden nun aber die (Boden-) Renten privatisiert und damit der durch das Henry George-Theorem beschriebene sachgesetzliche Zusammenhang durchbrochen, muss die Inwertsetzung der öffentlichen Güter durch Steuern auf Kapital und Arbeit finanziert werden. Dementsprechend ist es der Steuerstaat, der einerseits die Privatisierung der ökonomischen Rente und andererseits die Auflösung des Finanzierungszusammenhangs zwischen öffentlichem Gut und ökonomischer Rente absichert. Spiegelbildlich hierzu geschieht eine Entkopplung von Nutzen und Lasten der Staatsfinanzierung. Steuern sind per definitionem Zahlungen des Bürgers ohne Anspruch auf eine konkrete Gegenleistung; diese fließen also in einen großen Topf und können für alles Mögliche verwendet werden (Nonaffektationsprinzip). Die Administration gibt dann Geld aus, das keiner besonderen Zweckbindung unterliegt – und dabei handelt es sich auch noch um das Geld anderer Leute – nämlich der Steuerzahler. Dies alles führt a) zu Steuervermeidung Seitens der Bürger (die keine Gegenleistung sehen) und b) zu Fehlallokation und Verschwendung Seitens der Administration (die mit dem Geld der Bürger eigene Ziele verfolgt; man denke an das Drohnendebakel der Bundeswehr, an Stuttgart 21 oder die “Bankenrettungen”). Über die Entkopplung von Nutzen und Lasten ist der Steuerstaat zudem  ein wesentliches Element der heutigen Umverteilung von unten nach oben.

Das Gegenstück zur Steuer sind die Subventionen. Folgt man dem 29. Subventionsbericht der Bundesregierung (S. 19, Übersicht 5), so wurden 2012 in Deutschland rd. 44 Mrd. Euro an Subventionen gewährt. Um ein Missverständnis von vornherein auszuräumen: Die den Subventionen immanente Entkopplung von Leistung und Gegenleistung kann jenseits der erwerbswirtschaftlichen Sphäre durchaus sinnvoll sein, so z.B. im kulturellen Bereich.

Im erwerbswirtschaftlichen Bereich haben Subventionen allerdings eine toxische Wirkung. Es kommt zu einer Entkopplung von Leistung und Gegenleistung, von Nutzen und Lasten. Nur fließt das Geld in die entgegengesetzte Richtung wie bei Steuern. Genau wie Lenkungsnormen im Steuerrecht ist auch das “Gegenstück” der Subvention selektiv, diskriminierend, gleichheitswidrig und daher ein Einfallstor für Rent Seeking und State Capture. Subventionen setzen zudem den Preismechanismus außer Kraft und wirken allokativ verzerrend – eine klare Abgrenzung zwischen Subventionen und Dumping ist kaum darstellbar. Subventionen kommen übrigens am Ende wiederum hauptsächlich den Eigentümern von Land i.w.S. zugute – also dem Produktionsfaktor mit der geringsten Angebotselastizität. Ein Beispiel ist die EEG-Förderung für „Bioenergie“: Aufgrund dieser können „Energiebauern“ wesentlich höhere Erträge als konventionell oder gar ökologisch wirtschaftende Bauern erzielen. Bodenwerte und –pachten, die sich am „highest and best use“ orientieren, stiegen vielfach rasant an und setzten gerade konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauern massiv unter Druck. Weitere Folgen sind u.a. Bodendegradation und Grundwasserprobleme (Stichwort: „Vermaisung“ der Landschaft) sowie ein Rückgang der Biodiversität. So ergeben sich eine Vielzahl von Folgeproblemen, die die Urheber der Subventionen gar nicht im Auge hatten. Sie sind die „gute Kraft, die Böses schafft.“

Heißt dies aber im Umkehrschluss, dass der Staat kein Geld mehr für die Herstellung von öffentlichen Güter in die Hand nehmen darf? Es gehört nun einmal zu seinen Aufgaben des Staates, für die Bereitstellung öffentlicher Güter zu sorgen. Es ist allerdings weder notwendig noch zweckmäßig, dass der Staat alles selbst in die Hand nimmt (im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sollte das sogar vermieden werden). Im Sinne Wilhelm von Humboldts sollte sich der Staat vielmehr selbst beschränken und sich selbst Grenzen setzen. D.h., der Staat kann und soll sich durchaus für die Erstellung öffentlicher Güter privater Erfüllungsgehilfen bedienen. Dies sollte allerdings auf Basis des Prinzips Leistung – Gegenleistung geschehen. Der Grundsatz ist also durchaus einfach: „Gegenseitigkeit“ (Proudhon) bzw. „Pay for what you get“ (Fred Harrison).

Konkret bedeutet dies z.B., dass an Landwirte keine flächenbezogenen Prämien gegeben werden, sondern diese für konkret zu beschreibende und nachzuweisende Leistungen im Natur- und Landschaftsschutz (entsprechend gut) zu bezahlen sind. Der Anteil der Agrarausgaben am EU-Budget ist zwar rückläufig, allerdings mit 44 Prozent (ca. 57 Milliarden Euro in 2012) immer noch der zweitgrößte Topf in den EU-Haushalten. Der größte Teil hiervon fließt als Direktzahlungen, die unabhängig von der produzierten Menge gewährt werden. Diese flächenbezogenen Prämien können leicht 350 Euro / ha betragen. Wenngleich die Prämien zunehmend unter Umweltschutzauflagen („Cross Compliance“) gezahlt werden, handelt es sich primär um eine Maßnahme zur Stützung der agrarischen Bodenrente, von der v.a. größere Betriebe und sogar Großunternehmen profitieren.

Will man den Bauern als Natur- und Landschaftsschützer, so soll er für entsprechend definierte Aufgaben – gut und einheitlich pro Leistungseinheit – bezahlt werden, und zwar im Rahmen entsprechender zivilrechtlich ausgestalteter und im Erfolg kontrollierbarer Verträge (analog zu den „Grünstromzertifikaten“ bei der quotenorientierten Reform des EEG; s. den Blogbeitrag „Die ´grünen Renten´ – der Streit um die Reform des EEG“, Oktober 2013). Diese Verträge können durchaus langfristigen Charakter haben. Vor allem muss das Einkommen der Bauern aber aus anständigen Preisen für ihre Produkte resultieren (analog zu der Marktvergütung für Strom bei der quotenorientierten Reform des EEG; s. den Blogbeitrag „Die ´grünen Renten´ – der Streit um die Reform des EEG“, Oktober 2013).

Beim „Einkauf“ der öffentlichen Güter ist der Staat (wie schon heute durch das Vergaberecht) an Regeln zu binden, die Diskriminierung einzelner Produkte und Anbieter verhindern und den Wettbewerb nicht außer Kraft setzen. Bei einem einheitlichen Preis für die Erstellung öffentlicher Güter haben beispielsweise verschiedene Landwirte aufgrund unterschiedlicher Lage und Bodengüte unterschiedlich hohe (Grenz-) Kosten. Die Renten, die den begünstigten Landwirten hieraus entstehen, müssen wiederum beim Produktionsfaktor mit der geringsten Angebotselastizität – dem Boden – abgeschöpft werden. Wieder ist die Logik dieselbe wie im Blogbeitrag „Die ´grünen Renten´ – der Streit um die Reform des EEG“ (Oktober 2013) bereits beschrieben.

Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do