Dirk Löhr
„Neudeutsch“ klingt immer modern, weltoffen, aufgeschlossen – wenngleich nicht jeder weiß, was sich dahinter so alles verbirgt. Wenn man interessierten Anwälten folgt, sind Public Private Partnerships (kurz: „PPPs“) DIE Lösung v.a. für die finanziellen Probleme der öffentlichen Hand. Wir erlauben uns jedoch, ein wenig Wasser in den Wein zu gießen. PPPs stellen oft ein El Dorado für Rent Grabbing-Aktivitäten dar. Um richtig verstanden zu werden: Uns geht es vorliegend nicht darum, PPPs pauschal zu verdammen. Dies ist allein schon deswegen schlecht möglich, weil es keine allgemeinverbindliche Definition von PPPs gibt. Einige Autoren gehen von einem PPP aus, wenn sich mindestens zwei der nachstehend genannten Elemente in der Hand eines der beiden Partner (privat oder öffentlich) befinden: Planung, Erstellung, Finanzierung, Betrieb oder das sog. „wirtschaftliche Eigentum“ an dem Projekt. Würde also z.B. eine Schule von einem Privaten erstellt und finanziert, würde man danach bereits von einem PPP sprechen. Wenn es hier auch nicht um eine pauschale Ablehnung von PPPs geht, so sind problematische Konstellationen leider eher der Regel- als der Ausnahmefall.
Der wichtigste Geburtshelfer von PPPs ist wie gesagt die finanzielle Not der öffentlichen Hand. Diese ist aber eine unmittelbare Folge der in diesem Blog problematisierten Privatisierung der ökonomischen Renten. Dies kann mittels des Henry George-Theorems („Golden Rule of Local Public Finance“) illustriert werden, das nachfolgend in vereinfachter und verallgemeinerter Form dargestellt ist. Formalisiert wurde es u.a. durch den Nobelpreisträger und früheren Weltbank-Chefökonomen Joseph Stiglitz – zuerst für die kommunale Ebene, mittlerweile wird es verallgemeinert.
Volkseinkommen als Funktion der Bevölkerung (eigene Darstellung) |
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Zusammensetzung | Verteilung | |
Private Güter und Dienstleistungen | <=> | Löhne (Produktionsfaktor Arbeit) |
Zinsen (Produktionsfaktor Kapital) | ||
Öffentliche Güter und Dienstleistungen | <=> | Renten (Produktionsfaktor Land i.w.S.) |
Abbildung: Das Henry George-Theorem (vereinfacht)
Nach dem Henry George-Theorem könnten die öffentlichen Güter (Infrastruktur, Sicherheit, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen) unter bestimmten Bedingungen vollständig aus den Bodenrenten finanziert werden. Werden aber – wie in den meisten westlichen Staaten üblich – die (Boden-) Renten privatisiert und damit der durch das Henry George-Theorem beschriebene sachgesetzliche Zusammenhang durchbrochen (der eine Vergemeinschaftung der Renten impliziert), muss die Inwertsetzung der öffentlichen Güter durch Steuern auf Kapital und Arbeit finanziert werden. Das Gegenstück zur Privatisierung öffentlicher Werte (Renten) ist also die Konfiskation privater Werte.
Betroffen ist dabei v.a. der Faktor Arbeit, über die Lohnsteuer, da dieser – anders als das Kapital – kaum flüchten kann. In vielen Staaten wird der Zahltag über die Aufnahme von Schulden in die Zukunft verschoben und damit auf künftige Generationen abgewälzt. Will man dies vermeiden, heißt es „sparen“: Die öffentlichen Güter werden dann nur unzureichend zur Verfügung gestellt, was z.B. weniger Schulen und Polizei oder Schlaglöcher in den Straßen bedeutet. Eine nachhaltige Finanzierung der öffentlichen Güter ist dann nicht mehr gewährleistet. Das Angebot des „vierten Produktionsfaktors“, nämlich der Infrastruktur, ist dem entsprechend dürftig.
Sicher: Auch die Steuerfinanzierung der Infrastruktur ist kein Königsweg – zumal damit regelmäßig auch ein Entmutigungseffekt einhergeht (in Gestalt steuerlicher Zusatzlasten). Doch selbst unter Einrechnung der steuerlichen Zusatzlasten sind PPPs kein finanzieller Gesundbrunnen.
Allerdings scheinen PPPs DIE Lösung zu sein, wenn man die „heilige Kuh“ nicht antasten, d.h. die ökonomische Rente nicht abschöpfen will. Den privaten Partnern stehen nicht selten die Euro-Zeichen in den Augen geschrieben, verspricht man sich doch oft eine weitgehend konkurrenzfreie Beteiligung an den ökonomischen Renten, welche die zu finanzierende Infrastruktur abwirft. Beispiele sind Infrastrukturmonopole (wie die Erhebung von Straßennutzungsgebühren durch private Betreiber) oder die private Entwicklung von Baugebieten – finanziert über die private Abschöpfung von Bodenrenten und Bodenwerten („Value Capture“). Der durch die Privatisierung der Bodenrente finanziell geschwächte Staat gibt z.B. einem privaten Developer einen Freibrief zur Abschöpfung der durch die Entwicklungsmaßnahmen kreierten Bodenrente in die Hand. Da sich diese jedoch nicht nur aus den (direkt zurechenbaren) Anstrengungen des privaten Developers, sondern auch aus (nicht direkt zurechenbaren) Gemeinschaftsleistungen (z.B. Angebot an Kindergartenplätzen, Attraktivität des gesamten Umfeldes) speist, zieht der private Entwickler in den meisten Fällen wesentlich mehr durch „Value Capture“ (Vereinnahmung des Bodenwertzuwachses) heraus, als er in die Entwicklung eines Areals investierte. Dies geschieht zudem regelmäßig in einer ziemlich intransparenten Weise. Zu fordern wäre, dass der Staat sich der Bodenrente bemächtigt und hieraus den Developer auf Grundlage von transparenten, öffentlich zugänglichen und kontrollierbaren Verträgen bezahlt („Cost Covering“ statt „Value Capture“).
PPPs sind aber – insbesondere dann, wenn ökonomische Renten angezapft werden – regelmäßig intransparent. Sie werden – sofern es sich um „institutionelle PPPs“ handelt – im Rahmen privater Rechtsformen vollzogen. Hierdurch und durch Geheimhaltungsklauseln zieht man den Informationsfreiheitsgesetzen, die ja eigentlich Einsicht für die Bürger bringen sollten, die Zähne. Oft werden unter diesem Schleier versteckt Risiken auf die öffentliche Hand bzw. auf intransparente Weise finanzielle Lasten auf schwach organisierte Gruppen (Steuerzahler) verlagert bzw. auf Kosten nachfolgender Generationen über intransparente Schattenhaushalte in die Zukunft verschoben.
Das Argument angeblich höherer Effizienz der Privaten zieht dabei zur Rechtfertigung von PPPs in den seltensten Fällen: Private haben regelmäßig wesentlich höhere Kapitalkostenforderungen als die öffentliche Hand, welche normalerweise die Effizienzvorteile (wenn sie denn bestehen) mehr als aufwiegen. Dies betrifft v.a. die geforderten Eigenkapitalrenditen. Die Kritik der Rechnungshöfe an bestehenden PPPs füllt mittlerweile Bibliotheken.
Auf der anderen Seite hat sich jedoch auch manch ein privater Partner schon heftig verkalkuliert – wenn nämlich die durch seine Investitionen geschaffenen Renten in andere private Taschen fließen. Das Henry George-Theorem kann nämlich auch von links nach rechts gelesen werden: Sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen generieren Bodenrenten und Bodenwerte. Der private Partner kann sich die Renten aber nur zunutze machen, wenn er das Eigentum am betroffenen „Land“ i.w.S. hat und somit nicht ein Anderer die Sahne der Bodenrente abschöpfen kann – eine wesentliche Bedingung für das Gelingen des Geschäftskonzepts, das an den zeitgenössischen Kaderschmieden des Managements aber nicht gelehrt wird.
„Institutionelle PPPs“ – bei denen sich also ein erwerbswirtschaftlich orientiertes Unternehmen mit der öffentlichen Hand unter dem Dach einer Gesellschaft zusammentut – sind zudem auch aufgrund der oftmals unterschiedlichen Orientierung der „Partner“ problematisch. Anders als bei einer Ehe (die im doppelten Sinne zwecklos) ist, sollten die Anteilseigner einer Gesellschaft nämlich einen gemeinsamen Zweck verfolgen. In der Mehrzahl der Fälle geht es der öffentlichen Hand dabei um die Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen (Leitwert: Versorgung), dem privaten Partner aber (legitimer Weise) um Gewinne. Dass sich dies „beißen“ muss, können wohl sehr viele PPP-Praktiker bestätigen. Zudem soll der Staat – in seiner Rolle als Hüter des Gemeinwohls unterschiedliche Interessen in neutraler Weise ausgleichen. Zudem ist es problematisch, wenn sich der Staat von bestimmten Sonderinteressen vereinnahmen lässt. Es ist z.B. ein Unding, wenn der private Partner – motiviert durch einzelwirtschaftliche Rentabilitätsinteressen – im Rahmen von Projektentwicklungen wesentlich das öffentliche Gut „Planung“ mitbestimmt (vgl. §§ 11, 12 BauGB). Die Planung verliert dann ihre Fähigkeit, widerstreitende Interessen von Anspruchsgruppen in neutraler Weise ausgleichen zu können.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Der Staat hat andere Aufgaben, als selber Lastwagen zu fahren. Soweit keine hoheitlichen Aufgaben betroffen sind, kann und soll sich der Staat der Hilfe privater Unternehmer bedienen, allerdings nur auf der Grundlage transparenter und kontrollierbarer Kostenübernahmevereinbarungen – das private „Value Capture“ ist hingegen zu einem großen Teil Diebstahl an der Allgemeinheit. Um dabei bestehende Interessengegensätze zwischen Privatwirtschaft und Allgemeinheit offen und transparent zu gestalten, bietet das Schuldrecht (und nicht das Gesellschaftsrecht) gute Möglichkeiten. Gesellschaftsrechtliche Lösungen sind hier nicht Ziel führend.
Es verwundert wenig, dass nach einigen Jahren der Euphorie mittlerweile auch viele PPPs wieder hart auf dem Boden der Realität gelandet sind. Die Versprechen vieler Berater (die sich inzwischen finanziell gesund gestoßen haben) an die Kommunen, erwiesen sich als Schall und Rauch. Die blauäugige Jungfrau hatte sich mit dem Schurken ins Bett gelegt und musste beim Aufwachen erkennen, dass sie während des Tiefschlafs missbraucht wurde. Berater und Anwälte verfolgten ihre eigenen Geschäftsinteressen und traten keineswegs als neutrale Sachwalter auf. Die Verträge verteilen Lasten und Risiken oft sehr einseitig zuungunsten der Öffentlichen Hand. Aus diesem Grunde versuchen viele Kommunen mittlerweile einen Ausstieg aus PPP-Arrangements – „Rekommunalisierung“ ist hier das Stichwort. Ein solcher Ausstieg kann aber zuweilen teuer kommen.
Somit bleibt die Frage: Warum verzichtet der Staat auf die ökonomischen Renten und überlässt diese Privaten? Die Basis für die staatliche Finanzierung ist in den ökonomischen Renten, die durch sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen generiert wird, durchaus vorhanden. Es gilt allerdings, diese konsequent abzuschöpfen.
Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do
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