Dirk Löhr
Der Fernbusmarkt wird ordentlich umgekrempelt. 2015 startet mit einer Großfusion: Die beiden Unternehmen MeinFernbus und Flixbus wollen sich zusammenschließen.
MeinFernbus hatte im vergangenen Jahr 7,2 Millionen Fahrgäste befördert, FlixBus 3,5 Millionen. Gemessen an den Fahrgastzahlen dürften sie damit etwa die Hälfte des Fernbusmarktes abdecken. Diese werden für 2014 auf etwa 20 Millionen Fahrgäste geschätzt. Der Markt wächst seit seiner Freigabe Anfang 2013 stark.
Wettbewerb auf dem Fernbusmarkt durch die Fusion gefährdet?
Die beiden größten Anbieter wollen ihre Streckennetze in den nächsten Monaten flächendeckend verbinden. Ziel ist u.a. ein europaweites Fernbusliniennetz (o.V. / SpiegelOnline 2015). Auch kleine Margen in einem hoch kompetitiven Markt können sich, wenn sie flächendeckend verdient werden, zu erklecklichen Gewinnen aufsummieren. Man strebt also eine Art „Netzeffekt“ ähnlich wie Verkaufs- oder Informationsportale im Internet an: Gerade dadurch, dass die besagten Anbieter schon viele Kunden auf sich ziehen und dadurch ihr Netz ausweiten können, werden sie für die Kunden noch attraktiver. Zumindest vorläufig. Denn auf die Dauer stellt sich die Frage, ob nicht der Wettbewerb gefährdet wird. Gerade kleinere Fernbusanbieter – die sich die besagten „Netzeffekte“ nicht zunutze machen können – sind nämlich immer weniger in der Lage, mitzuhalten. So meldete DeinBus.de im November letzten Jahres Insolvenz an. Selbst der ADAC hat sich aus dem Markt zurückgezogen und ist nicht mehr am ehemaligen Gemeinschaftsunternehmen ADAC Postbus beteiligt (o.V. / SZ 2015).
Das Bundeskartellamt kann und will die geplante Fusion aber nicht stoppen. Auf dem als „relevant“ angesehenen Markt ist der Anteil der fusionierten Unternehmen nämlich noch zu klein. Verglichen mit Flugzeug, Auto und Bahn deckt der Bus nur einen relativ schmalen Teil des Fernverkehrsmarktes ab (allein die Bahn hatte 2013 in ihren ICE-, IC- und EC-Zügen 131 Millionen Fahrgäste; o.V. / Handelsblatt 2015). Für die Sichtweise des Kartellamtes spricht, dass die Fusion einen ernsthaften Wettbewerber der Bahn weiter stärkt und damit den Wettbewerb auf dem Fernverkehrsmarkt anheizt. Das Motto lautet anscheinend „Workable Competition“, also lieber ein scharfer Wettbewerb zwischen wenigen Großen als die „Schlafmützenkonkurrenz“ zwischen vielen Kleinen. Darüber, ob diese Konzeption v.a. mit Blick auf die Entwicklung eines starken mittelständischen Rückgrats der Wirtschaft Ziel führend ist, kann man freilich trefflich streiten.
Fairer Wettbewerb zwischen Bahn und Fernbussen?
Generell ist eine Verlagerung des Verkehrs weg vom Auto hin zu Bus und Bahn auch ökologisch vernünftig – ein weiterer Grund, den Erfolg der Fernbusse zu begrüßen. Andererseits: Wird die Bahn dabei aber kaputtgemacht, ist dies nicht „im Sinne des Erfinders“. Insbesondere im Gefolge des Streiks der Lokführergewerkschaft stiegen im vergangenen Jahr massiv Fernverkehrskunden von der Bahn auf Fernbusse um. Aber auch ohne Lokführerstreik macht es durchaus einen Unterschied, wenn man ein Fernbusticket für nur 15-20 Prozent eines Bahntickets im Fernverkehr erwerben kann. So wird die Bahn – und dabei nicht nur die Deutsche Bahn AG – derzeit von den Fernbussen massiv ausgebremst. So ist der private Fernzug InterConnex von Leipzig über Berlin nach Rostock am Ende. Genauso ergeht es dem Eurocity von Hamburg über Berlin nach Breslau. Und auch die Nachtzüge der Bahn von Berlin nach Paris, Kopenhagen und Amsterdam werden demnächst Vergangenheit sein (rbb/Klartext 2014). Die Diskussion um den ungleichen Wettbewerb macht sich derzeit v.a. an der Maut fest (Brönstrup 2014). Die Bahn zahlt Trassenpreise und an jeder Station, wo sie anhält, Stationsgebühren. Fernbusse zahlen hingegen kaum etwas für die Nutzung der Straßen und der sonstigen Infrastruktur: Nur an den zentralen Omnibusbahnhöfen in größeren Städten werden Gebühren entrichtet.
Kann der drohende Niedergang der Bahn also durch eine Maut für Fernbusse gestoppt werden? Einerseits wäre dies ein vernünftiger Schritt, um Kosten verursachungsgemäß anzulasten. Andererseits dürften bei einer Fernbus-Maut die Preise um lediglich rund 20 Prozent steigen. Wenn aus einem Fernbus-Ticket von 19 Euro dann 25 Euro würden, würde dies wohl kaum einen Kunden vom Umstieg auf den Fernbus abhalten (rbb/Klartext 2014) – so zumindest die gängigen Rechenexempel. Diese sind allerdings mit Vorsicht zu genießen:
Um wirklich fairen Wettbewerb herzustellen, kommt es letztlich auf die Ausgestaltung der Maut an. Eine Fernbus-Maut sollte nämlich gerade nicht zur Beteiligung an der Finanzierung und Instandhaltung der Straßen und der Omnibusbahnhöfe dienen. Analoges gilt für die Bahn: Die Trassenentgelte sollten ebensowenig zur Finanzierung der Infrastruktur verwendet werden. (Fernbus-) Maut und Trassenentgelte sollten vielmehr die Ballungskosten abbilden: Nur zu den Tageszeiten und auf den Strecken, bei denen es (egal ob auf der Autobahn oder dem Schienennetz) eng wird, sollte die Gebühr entsprechend hoch ausfallen.
Alternativen zur Infrastrukturfinanzierung
Für die Finanzierung der Infrastrukturkosten gibt es hingegen einen wesentlich eleganteren Weg, den wir in diesem Blog immer wieder propagiert haben: Die Finanzierung über die Bodenrente. Busterminals und Bahnhöfe tragen nämlich dazu bei, Bodenerträge zu erhöhen. Die Finanzierung der Infrastruktur (Straße, Schiene, Busterminals) findet derzeit aus öffentlichen Mitteln oder durch die (Bahn-) Kunden statt – die dadurch erhöhten Bodenerträge werden in unserer Republik jedoch privat eingesackt. Das George-Hotelling-Vickrey-Theorem (siehe z.B. Arnott / Stiglitz 1979) beschreibt, dass allein aus der Bodenrente die gesamten Fixkosten der öffentlichen Einrichtungen abgedeckt werden könnten, wenn man diese nicht privatisiert, sondern den öffentlichen Haushalten zuführt.
Dies ist keine wilde Phantasie, wie das Beispiel Hong Kong zeigt. Dort wurde die MTR Aktiengesellschaft 1975 als Betreibergesellschaft der Bahn eingerichtet. Ursprünglich war die Regierung zu 77 % beteiligt (in 2000 wurde die Gesellschaft privatisiert, was hier nicht als vorbildlich dargestellt werden soll). Das Entscheidende aber war jedoch: Die MTR fungierte gleichzeitig als Immobiliengesellschaft. Neu angelegte Bahntrassen führen zu einer Steigerung der Bodenerträge und Bodenwerte. Da die Gesellschaft sich vorher in den Besitz der betroffenen Areale gebracht hatte, brachten die erhöhten Mieten und Pachten genügend Geld ein, um die Netzinfrastruktur zu finanzieren. Erstaunlich: Obwohl die Gesellschaft durchaus nach kommerziellen Prinzipien agierte, konnten die Ticketpreise ab 1997 für viele Jahre eingefroren werden – dennoch wurden Gewinne erzielt (Harrison 2006).
Würden der Netzbetrieb der Bahn und die kommunalen Eigentümer der Busterminals sich das Prinzip der „sich selbst finanzierenden Infrastruktur“ (Harrison 2006) zu Nutze machen, beschränkten sich die Ticketpreise – egal ob von Bahn oder Bus – auf die sog. Grenzkosten des Betriebs: Die Kosten des Benzins, des Busfahrers, des Lokomotivführers, der Abschreibungen sowie der an die Kunden weitergereichten Ballungskosten (auf hochfrequentierten Strecken und zu Stoßzeiten). Dies sind die Kosten, die der Fahrgast durch seine Nachfrage unmittelbar ausgelöst hat – diese sind ihm verursachungsgerecht anzulasten. Und: Allein dadurch, dass die fixen Kosten der Bahninfrastruktur aus den Ticketpreisen heraus fallen, dürfte sich die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn wesentlich besser darstellen als heutzutage.
Zwar wäre die Bahn mit den dann machbaren „BahnCard 50-Preisen“ immer noch gegenüber den Fernbussen kostenmäßig im Hintertreffen – allerdings kommt man dann in einen Bereich, wo die Geschwindigkeitsvorteile der Bahn gegenüber dem Fernbus als Argument wiegen.
Auf die beschriebene Weise könnten Fernbus und Bahn wirklich zu fairen Konditionen (nämlich den Grenzkosten des Betriebs) konkurrieren. Beide könnten allerdings nur dann den motorisierten Individualverkehr ausstechen, wenn dieser ebenfalls wenigstens näherungsweise mit den Kosten belastet würde, die er in seiner augenblicklichen Form verursacht.
Mehr Information:
Arnott, R. J. / Stiglitz, J. E. (1979): Aggregate Land Rents, Expenditure on Public Goods, and Optimal City Size, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 93, Nr. 4, S. 471-500.
Brönstrup, C. (2014): Maut soll auch für Fernbusse gelten, in: Tagesspiegel vom 04.04. Online: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/politik-will-gleiches-recht-fuer-alle-maut-soll-auch-fuer-fernbusse-gelten/9720362.html
Harrison, F. (2006): Wheels of Fortune, Self-funding Infrastructure and the Free Market Case for a Land Tax, The Institute of Economic Affairs, London 2006, S. 87-94.
o.V./Handelsblatt (2015): Riesenfusion im deutschen Fernbusmarkt, in: Handelsblatt vom 7.1. Online: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/meinfernbus-und-flixbus-riesenfusion-im-deutschen-fernbusmarkt/11195306.html
o.V. / SZ (2015): MeinFernbus und FlixBus schließen sich zusammen, in: Sueddeutsche.de vom 7.1. Online: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fusion-auf-fernbusmarkt-mein-fernbus-und-flixbus-schliessen-sich-zusammen-1.2293261
rbb/Klartext (2014): Keine Maut für Fernbusse – ungleicher Wettbewerb zwischen Bus und Bahn, Sendung vom 15.10., 22:15 (rbb). Online-Text: http://www.rbb-online.de/klartext/archiv/20141015_2215/keine-maut-fuer-fernbusse-ungleicher-wettbewerb-zwischen-bus-und-bahn.html
o.V./SpiegelOnline (2015): FlixBus und MeinFernbus: Großfusion auf deutschem Fernbusmarkt, in: SpiegelOnline vom 7.1. Online: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/flixbus-und-meinfernbus-fusionieren-a-1011637.html