Dirk Löhr
Jeder kennt den Ärger über die Benzinpreiserhöhungen an Feiertagen – auch zu Pfingsten zeigte das Preisbarometer wieder nach oben. Es scheint so, dass die großen Mineralölkonzerne gemeinsame Sache machen – dementsprechend stehen sie unter besonderer Aufmerksamkeit des Kartellamts. Zwar stieg das Preisniveau auch diesmal – gemessen an einigen Vorjahresmarken hielten sich die Preisstände aber noch in Grenzen.
Die Konzerne selber reden sich damit heraus, dass mehr als die Hälfte des Benzinpreises mittlerweile auf Steuern entfällt. Dies ist im Grundsatz nicht verkehrt; allerdings trägt diese „künstliche“ Preiserhöhung dazu bei, die hohen externen Kosten des motorisierten Individualverkehrs wenigstens teilweise zu internalisieren (anders als die Kfz-Steuer, die bezüglich ihrer Lenkungswirkung komplett sinnfrei ist).
Doch der verbleibende Preisrest ist gewaltig. 2013 verdienten die fünf größten Gesellschaften BP, Chevron, ConocoPhillips, Exxon Mobil und Shell immerhin noch 93 Milliarden US-Dollar; dies sind 177.000 US-Dollar pro Minute (Weiss / Peterson 2014). Folgt man der öffentliche Debatte, so möchte man vermuten, die Goldquelle liege bei den Tankstellen. Den Eindruck hat man auch, wenn man auf das Bundeskartellamt hört, das zu Preisvergleichen an Feiertagen aufruft (vgl. Dudenhöfer 2011). Tatsächlich verdienen die Tankstellen – auf die sich die Diskussion um Preisvergleiche und Benzinpreisbremsen fokussiert – eher an Schokoriegeln und Getränken, nicht aber am verkauften Benzin. Auch wenn die großen Gesellschaften gemeinsame Sache machen und die Feiertage ausnutzen, erwirtschaften sie die Kapitalrenditen eben nicht im Downstream-Geschäft, das neben den Tankstellen auch noch die Raffinerien umfasst. Im Upstream-Geschäft (also der Ölförderung und -produktion) sind sie mehr als doppelt so hoch. In der Vergangenheit waren hier Kapitalrenditen zwischen 20 und 30 % üblich. Der Goldesel für die großen Fünf heißt also „Ressourcenrente“ – dies ist der Unterschied zwischen dem Weltmarktpreis für Rohöl und den Förderkosten. Wie bei anderen “High-Performen” ist also bei den großen Fünf die ökonomische Rente der Kern des Unternehmensgewinns (s. die anderen Beiträge zu Industriebranchen (Branches of Business) in diesem Blog).
Allerdings gerät mittlerweile die Kostenseite unter Druck, da sich mit Peak Oil die Zeit der kostengünstig auszubeutenden Ölquellen wohl langsam ihrem Ende zuneigt. Trotz höherer Ölproduktion in 2013 sank daher der Gewinn der Ölmultis gegenüber dem Vorjahr um rd. 27 % – was die Mineralölkonzerne prompt nach Steuererleichterungen riefen ließ. Andererseits wird durch Wirtschaftswachstum – nicht zuletzt in den “aufstrebenden Ländern” (wie Indien und China) immer noch so viel zusätzliche Nachfrage erzeugt, dass die Aktionäre der großen Ölgesellschaften sich wohl noch länger an satten Dividenden erfreuen können. Von dem Gewinn werden denn auch 32 Milliarden US-Dollar nicht ausgeschüttet, sondern in weitere Explorationsvorhaben gesteckt (Weiss / Peterson 2014). Die Eigenkapitalfinanzierung ist ein Markenzeichen „ressourcenstarker“ Unternehmen (Löhr 2013).
Ceterum censeo: Während die Ölrenten als Konzerngewinne vereinnahmt und an die Aktionäre ausgeschüttet werden, zahlen die Kosten der Exploitation (Umweltverschmutzung, Klimawandel, Konflikte aufgrund des „Ressourcenfluchs“ – s. Südsudan etc.) andere, schwach organisierte Gruppen. Mit Tiefseebohrungen und dem Griff nach den arktischen Ölfeldern drohen die externalisierten, also auf Dritte abgewälzten Kosten weiter zu steigen. Die Konzessionsgebühren sind dabei sowohl in den USA als auch in Staaten wie Nigeria etc. lachhaft gering. Nur dadurch, dass die Staaten faktisch die Ressourcen an die Konzerne verschenken, können die riesigen Gewinne entstehen. Die finanziellen Lücken in den Haushalten werden mit Steuern (die v.a. den Produktionsfaktor Arbeit belasten) und auch Entwicklungsgeldern gefüllt – Prinzip Rentenökonomie.
Mehr Informationen
Dudenhöfer, F. (2011): Benzinpreiskartelle: Falsche Fragen, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg., H. 6, S. 364-365.
Löhr, D. (2013): Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg.
Weiss, D. J. / Peterson, M. (2014): With Only $93 Billion in Profits, the Big Five Oil Companies Demand to Keep Tax Breaks, Center for American Progress, Feb. 4. Online: http://americanprogress.org/issues/green/news/2014/02/10/83879/with-only-93-billion-in-profits-the-big-five-oil-companies-demand-to-keep-tax-breaks/