Johann Walter
Die Themen „Geldmenge“ und „Assetpreise“ haben mehr miteinander zu tun als man meint! Das Wachstum der Geldmenge (M) übersteigt nämlich in vielen Ländern das Wachstum des BIP. Neues Geld wird also nicht nur zum Bezahlen neu produzierter Güter gebraucht, sondern auch gehortet oder aber angelegt bzw. auf Assetmärkten verwendet, wo mit Vermögenswerten gehandelt wird, z.B. mit Wertpapieren, Immobilien, Land, Gold oder Kunst. Insofern entsteht Überschussliquidität – z.B. in der Eurozone (vgl. Tab. 1).
Aggregat (in Mrd. €)Zeitpunkt |
Bar-geld |
M1 |
M2-M1 |
M2 |
M3 |
Nom. BIP |
Dez. 1998 |
323,7 |
1771,7 |
2115,3 |
3887,0 |
4447,8 |
5863,9 |
Dez. 2012 |
863,3 |
5105,4 |
3885,8 |
8991,2 |
9773,3 |
9487,4 |
Veränderung in % |
167% |
188% |
84% |
131% |
120% |
62% |
Tabelle 1: Geldmengen und nominales BIP in der Eurozone
Quelle: EZB-Monatsberichte 4/1999 und 4/2013 (Tab.2.3 und 5.2)
„Überschüssige“ Gelder, die in den Assetbereich der Wirtschaft fließen, steigern dort die Assetpreise und sichern (monopolartige) Renten, die aus diesen Assets erzielt werden können. Daher sollten sich alle, die sich für Probleme von Assetpreisen und ökonomischen Renten interessieren, sich auch mit Ursachen und (eventuell problematischen) Folgen der Überschussliquidität beschäftigen und damit, wie diese gedrosselt werden kann.
Ursachen für Überschussliquidität
Eine Ursache für Überschussliquidität ist umlaufbezogen: Geld kann innerhalb und zwischen Güter- und Assetbereich der Wirtschaft umlaufen oder gehortet werden. Es fließt aus der Güterwirtschaft heraus, wenn Konsumenten (steigendes) Einkommen horten bzw. zum Kauf von Assets nutzen, bei denen sie Wertzuwachs erhoffen. Es fließt in die Güterwirtschaft zurück etwa bei Emission von Aktien zur Finanzierung von Investitionen oder wenn Pensionsfonds angelegte Finanzmittel zur Zahlung von kleinen Renten ausschütten. In „reifen“, d.h. zunehmend gesättigten Volkswirtschaften fließt umlaufendes Geld per Saldo in die Assetwirtschaft hinein bzw. in die Hortung. Es ist wahrscheinlicher, dass mit Ersparnissen „ein Picasso“ gekauft wird, als dass dieser verkauft wird, um dafür Brot zu kaufen. Bereits umlaufbezogene Überschussliquidität (Typ I) kann von „Assetpreisinflation“ begleitet sein.
Die zweite Ursache für Überschussliquidität (Typ II) hat mit Geldschöpfung zu tun. Die Geldpolitik stellt derzeit, oft per Kredit, sehr viel neues Geld bereit, d.h. steigert die Geldbasis stark. Nach sekundärer Bankengeldschöpfung wachsen z.B. in den USA, in Japan und Europa auch die Geldmengen M1 bis M3 und die Bilanzsummen der Banken viel stärker als das BIP. Diese Geldpolitik handelt, als wolle sie einen Fahrradreifen (Gütersektor) aufpumpen, der aber ein Loch hat, an dem ein Ballon hängt. Der Reifen wird nicht praller (Nullwachstum), aber der Ballon (Hortung bzw. Assetvermögen, vgl. Abb. 1) wird größer. Zudem: Wird neues Geld über den Bankensektor in die Wirtschaft geleitet, so will man bildlich den Reifen „vom Ballon her“ aufpumpen. In reifen Volkswirtschaften will das Geld aber eher anders herum fließen. Insofern ist dies Geldschöpfung gegen das „monetäre Druckgefälle“ – und vergrößert tendenziell den Ballon. Kein Wunder, dass gerade das neue Geld – abhängig von Zins- bzw. Renditeerwartungen – oft auf Asset- bzw. Vermögensmärkte fließt oder als Spar- oder Termineinlagen bei Banken geparkt bleibt!
Abbildung 1 (bitte klicken)
Nun wird der Zusammenhang zwischen Geld und Assetpreisen richtig klar: wenn im Regelfall Banken neues Geld schöpfen, indem sie Kredit geben oder Vermögenswerte kaufen, dann ist es geradezu unwahrscheinlich, dass neues Geld (schnell) in der Güterwirtschaft ankommt! Eher wandert es von vornherein in die Liquiditätsfalle, d.h. verbleibt sofort im Asset- und Vermögensbereich und steigert dort Preise und stabilisiert dort die erzielbaren Renten.
Folgen und Probleme von Überschussliquidität
Geldschöpfungsbedingte Überschussliquidität führt nicht unbedingt zu Güterpreisinflation. Vielmehr versucht die Geldpolitik in Japan und auch in der Eurozone derzeit geradezu verzweifelt, Deflation zu verhindern. Schon soll die „EZB-Bazooka“ wieder „nachgeladen“ werden, d.h. in hohem Maß überschüssig Geld geschöpft werden. Dies wandert aber – geradezu konstruktionsbedingt – kaum in die Güterwirtschaft, sondern primär in Finanzierung von Assetkäufen. Somit sind erneut Assetpreisinflation (Blasen) und in Folge Finanzkrisen möglich. Überschussliquidität kann dabei – wie Drogen im Blutkreislauf – Probleme machen, wenn sie Länder überschwemmt, aber auch, wenn sie plötzlich wieder abgezogen wird.
Bei Kreditgeldschöpfung ist Überschussliquidität (Typ II) zudem Überschussverschuldung. Dann wachsen die Schulden schneller als der Produktionswert – und auch die nachfolgenden Probleme „Polarisierung“, „Instabilität“ und – ökologisch bedenklich – „Wachstumsdruck“ (vgl. z.B. Walter, 2013). Entsprechend nennt der Bericht „Global Risks 2013“ als größte globale Risiken für die künftige Entwicklung (vgl. World Economic Forum, 2013):
- die wachsende Kluft bei der Entwicklung der Einkommen,
- Trinkwasserknappheit als Folge der Klimaproblematik,
- ein völliger Ausfall des Finanzsystems bzw. chronische Ungleichgewichte und Schuldenprobleme der öffentlichen Haushalte vieler Staaten.
Diese Probleme werden in der Kreditgeldwirtschaft durch „Überschuss-Geldpolitik“ verstärkt.
Reformoptionen zur Milderung der Überschussliquiditätsproblematik
Um die Probleme von Überschussliquidität zu mildern, kann die Art der Geldschöpfung geändert und/oder korrigierend in unrunde Geldumläufe eingegriffen werden.
Ordnungspolitisch wird z.B. vorgeschlagen, die Geldschöpfung ganz oder teilweise dem Staat zuzuordnen. Dieser soll mit neu, schuldenfrei und dauerhaft geschöpftem Geld reale Güter, z.B. Infrastrukturgüter, kaufen können (vgl. Huber 2013, Walter 2013). Damit würde bildlich Luft direkt in den Reifen geblasen. Der Reifen würde praller bzw. das reale Wachstum höher. Zugleich könnten überschüssige (Zentral-)Bankengeldschöpfung und Verschuldung geringer ausfallen. So weit, so gut. Der nun „richtig“ aufgepumpte Reifen hätte aber immer noch ein Loch. Auch in diesem Szenario könnte per Saldo Luft vom Reifen in den Ballon entweichen. Auch ohne geldschöpfungsbedingte Überschussliquidität könnte die bereits umlaufende Liquidität aber in Assets oder in Hortung wandern und somit in der Güterwirtschaft fehlen. Das umlaufbezogene Problem der Überschussliquidität bliebe bestehen.
Insofern reicht eine Reform der Geldschöpfung nicht aus (vgl. auch Löhr, 2011). Es braucht vielmehr auch eine aktive Steuerung des Geldumlaufs – z.B. im Sinne eines „Geldrecyclings“.
In Bezug auf den Geldumlauf könnte die Politik – statt fortlaufend überschüssig Geld zu schöpfen, das an ungewollter Stelle (z.B. im Assetbereich) akkumuliert und zu Polarisierung beiträgt – aktiv versuchen, Geld zu „recyclen“, d.h. zurück in die Güterwirtschaft zu schleusen, bzw. bildlich Luft vom Ballon zurück in den Reifen zu pumpen.
Vor diesem Hintergrund wird seit langem über Wege diskutiert, gezielt „ruhendes“ Geld aufzuscheuchen und in den Umlauf zu treiben, z.B. die von Gesell (vgl. Gesell, 1949) für Bargeld geforderte Umlaufsicherungsgebühr. Bargeld soll demnach mit einer Gebühr belegt werden, wenn es gehortet wird und insofern nicht umläuft. Geldhalter können der Gebühr entgehen, wenn sie damit etwas bezahlen, das Geld also – ohne Zinsforderung – zurück in den (Güter-)Umlauf geben. Bildlich würde Geld vom Ballon direkt zurück in den Reifen gedrückt. Das ist der gewünschte Effekt. Zudem könnte der Staat erhobene Gebühren konsumtiv oder investiv verwenden und somit ebenfalls recyclieren (vgl. Abb. 2).
Abbildung 2 (bitte klicken)
Ein zentrales Problem sind Ausweichreaktionen. Tab. 2 zeigt Verwendungsmöglichkeiten für Geld. Werden einzelne Verwendungen mit einer Gebühr belastet, neigt das betroffene Geld zur Wanderung an „unbelastete“ Orte. Dies begrenzt die erwünschte Wirkung der Gebühr.
1. Halten von Zentralbank- bzw. Bargeld |
2. Halten von Giralgeld |
3. Halten von Spar- & Termineinlagen |
4. Kauf von Assets |
5. Kauf von Gütern |
6. Abwanderung ins Ausland |
Assetblasen? | Wachstum? | Wechselkurseffekt? |
Tabelle 2: Möglichkeiten und Effekte der Verwendung von Geld
In reifen Volkswirtschaften brauchen (gesättigte) Geldhalter nur begrenzt neue Güter. Auf der Flucht vor einer Bargeldgebühr werden sie Bargeld daher teils in auch Giralgeld, Spar- oder Termineinlagen umwandeln, teils aber auch Assets kaufen und/oder ins Ausland fliehen (vgl. Mensching, 2005). Ein Rückfluss von gehortetem Geld zurück in die Güterwirtschaft ist also unklar. So ist z.B. denkbar, dass Liquidität in andere Währungsräume flieht. Insofern erfordert wirksame Geldumlaufsteuerung sogar auch internationale Absprachen.
Dieses Bedenken gelten im Prinzip auch für andere diskutierte Gebührenvarianten, z.B. eine Gebühr auch auf Einlagen der Banken bei der Zentralbank bzw. auf die gesamte Geldbasis oder Gebühren auch auf Giralgeld bzw. auf Spar- und Termineinlagen. Stets gilt: auf der Flucht vor der Gebühr wandert Geld tendenziell in „gebührenfreie“ Bereiche – und zwar nicht nur in die Güterwirtschaft. Daher scheint eher eine „breite“ Gebührenbasis günstig. Bei einer (eventuell gestaffelten) Gebühr auf Bargeld, Sicht-, Spar- und Termineinlagen z.B. hätten vor der Gebühr fliehende Gelder weniger Ausweichmöglichkeiten, Aufkommen und potenzielle Effekte auf die Güterwirtschaft wären mithin höher.
Im Sinne von Tab. 2 kann daher auch Verwendung 4 (Kauf bzw. Halten von Assets) belastet werden. Der Staat kann etwa (die Erbschaft von) Vermögen belasten – generell oder z.B. beschränkt auf Grundvermögen – und mit diesen Einnahmen und entsprechender Vermeidung neuer Staatsschulden reale Aktivität (z.B. dringend erforderliche Investitionen in öffentliche Infrastruktur) finanzieren. Auch damit fließt letztlich Geld zurück in die Güterwirtschaft. Wird auf diese Weise über Steuern belastet, ergeben sich zwar folgende Nachteile:
- Erhebungsaufwand; dies spricht z.B. gegen Steuern auf Sachvermögen.
- Negative Struktureffekte; Erbschaftsteuern können z.B. den Mittelstand belasten.
- Ausweicheffekte; z.B. Verlagerung von Wirtschaftsaktivitäten zur Steuervermeidung.
Erhebungsaufwand und Ausweichreaktionen sind aber auch bei Umlaufsicherungsgebühren relevant. Der Unterschied ist insofern eher graduell. Hier wie dort gilt: der Saldo zwischen erwünschten Lenkungswirkungen und unerwünschten Ausweichreaktionen ist günstiger, je „breiter“ die Belastung angelegt wird: desto weniger Ausweichmöglichkeiten bleiben dem überschüssigen Geld, desto eher muss es in die Güterwirtschaft zurück, und desto geringer ist auch der Bedarf an (überschüssiger und eventuell schuldensteigernder) Geldschöpfung.
Und, zur Erinnerung: Umlaufsteuerung kann, wenn das im Umlauf gesteuerte Geld schon als Schuld entstanden ist (Überschussliquidität vom Typ II) Schuldenprobleme nicht lösen, sondern nur deren Wachstum drosseln. Hier bräuchte es somit als Ergänzung den (erwähnten) partiellen Übergang zu schuldenfreier Geldschöpfung. Insofern reicht zur Lösung von Überschussliquiditäts- und Assetpreisproblemen somit weder eine Reform der Geldschöpfung noch aktive Steuerung des Geldumlaufs alleine aus. Nötig erscheint vielmehr beides!
Literatur:
Gesell, S., Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, 9. Aufl., Lauf bei Nürnberg 1949.
Hesse, M., Der Domino-Effekt, in: Der Spiegel 36/2013, S. 64-66
Huber, J., Monetäre Modernisierung, 3. Aufl., Marburg 2013
Löhr, D., Vollgeld, Freigeld und Assetpreisinflationen, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, Nr. 168/169, 2011, S. 40-54.
Löhr, D., Zur Umlaufsicherung von Buchgeld, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, Nr. 147, 2005, S. 30-32.
Mensching, C., Umlaufsicherung und Geldsystem – Zur Notwendigkeit einer doppelten Geldreform, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, Nr. 147, 2005, S. 33-39.
Walter, J., Geldordnung: Schuldenkrise oder Free Lunch?, in: WiSt 4/2013, S. 197-201.
World Economic Forum (Hrsg.), Bericht: “Global Risks 2013 – Eighth Edition”, online unter http://www.weforum.org/reports/global-risks-2013-eighth-edition.
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