Dirk Löhr
Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ist höchst umstritten. Kritisiert wird u.a. die Überförderung der Solarenergie und die „Anmaßung von Wissen“ (Hayek), die mit der administrativen Festsetzung von Vergütungssätzen durch die Berliner Bürokratie einhergeht. Woher wissen die Berliner Bürokraten, welche Technologie sich in der Zukunft durchsetzen wird? Die unterschiedlichen Energielinien werden orientiert an ihren (Grenz-) Kosten mit unterschiedlichen Sätzen gefördert, aber auch andere Kriterien spielen bei der Festlegung der Sätze eine Rolle. So gibt es mittlerweile schon rund 4.000 unterschiedliche Fördersätze. Die Möglichkeit, den „Markt als Entdeckungsverfahren“ (Hayek) für neue, noch unbekannte Technologien zu nutzen, besteht im gegenwärtigen Fördersystem nicht. Schließlich werden die Marktrisiken über Umlagen auf die schwach organisierte Gruppe der Stromverbraucher abgewälzt, die für viele Jahre die betreffenden Lasten zu tragen haben. Dabei belaufen sich die mittlerweile getätigten Förderzusagen für den Ökostrom (bezogen auf den gesamten Förderzeitraum) schon auf ca. 200 Mrd. Euro. Zugleich wurden industriepolitische Ziele wie die Förderung der heimischen Solarindustrie (angesichts der asiatischen Billigkonkurrenz) grandios verfehlt.
Das EEG ist also dringend reformbedürftig. Sachverständigenrat (Jahresgutachten 2011/2012, http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/240.0.html) und Monopolkommission (http://www.monopolkommission.de/sg_65/s65_volltext.pdf) favorisieren zu diesem Zweck eine Orientierung am schwedischen Quotenmodell. Anders als beim gegenwärtigen EEG würde nicht der Preis festgelegt, sondern die Menge an erwünschtem Grünstrom. Diese würde über den Zeitverlauf hinweg kontinuierlich zu Lasten des konventionell produzierten Stroms erhöht. Die Produzenten von Ökostrom würden für ihre Leistungen „Grünstromzertifikate“ erhalten. Die Energieversorger würden unter Androhung finanzieller Strafzahlungen dazu verpflichtet, am Ende eines jeden Abrechnungszeitraums eine bestimmte Menge an „Grünstromzertifikaten“ vorzuweisen. Die Produzenten von Ökostrom wären also die Anbieter, die Energieversorger die Nachfrager auf einem börsenähnlich gestalteten Markt. So könnte sich ein einheitlicher Preis für die „Grünstromzertifikate“ herausbilden. Die Produzenten von Grünstrom hätten so zwei Einnahmequellen: Einmal die Marktvergütung aus dem Verkauf des Stroms und zweitens die Vergütung aus dem Verkauf der Zertifikate an der Börse. Die Befürworter des Quotensystems erhoffen sich von seiner Einführung die Beseitigung der o.a. Mängel des gegenwärtigen EEG, allen voran eine höhere „Technologieneutralität“.
Gegen das Quotenmodell hat Peter Bofinger im Auftrag von IZES gGmbH und der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH ein Auktionsmodell in die Diskussion gebracht (http://www.um.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/110541/Gutachten_Bofinger_EEG.pdf). Bofinger ist zwar auch Mitglied des Sachverständigenrates, als das von den Gewerkschaften entsandte Mitglied allerdings in einer notorischen Minderheitssituation. Bofinger kritisiert am Quotenmodell zu Recht, dass die behauptete „Technologieneutralität“ nur eine scheinbare ist.
Unterschiedliche Technologien haben nämlich unterschiedlich hohe Grenzkosten. Bei einem einheitlichen Preis für Strom und Grünstromzertifikate würden sich damit unterschiedlich hohe intramarginale Renten für die diversen Technologien herausbilden. Somit werden über den einheitlichen Fördersatz implizit Technologien mit hohen intramarginalen Renten (v.a. Onshore-Windkraft) privilegiert. Die intramarginalen Renten verteuern jedoch die Energiewende für den Verbraucher unnötigerweise – zugunsten der Bezieher besagter Renten. Ökonomische Renten stellen nämlich eine Mehrvergütung über die Kosten hinaus dar, die die Produzenten gar nicht benötigen, um die Leistung auf dem Markt anzubieten. Bofingers Gegenmodell einer Auktion um eine im Zeitablauf gleichbleibende Förderung bezweckt, die Angebotskurve zu offenbaren: Der Windenergieproduzent würde um eine geringere Förderung buhlen als derjenige von Solarstrom. So sollen die intramarginalen Renten abgeschöpft werden. Bofingers Vorschlag klingt zunächst gut, hat jedoch Tücken:
– Anders als im Quotenmodell tragen die Ökostromproduzenten kein Preisrisiko – die Förderung ist nach der Auktion fixiert. Preisrisiken, die sich aus Marktschwankungen ergeben, werden wieder einmal auf die schwach organisierte Gruppe der Stromverbraucher abgewälzt. Diese Privilegierung ist schwer verständlich, tragen doch auch Unternehmer in anderen Märkten vergleichbare oder noch höhere Risiken wie die Produzenten von Ökostrom. Zwar handelt es sich bei erneuerbaren Energien um sozial nützliche Produkte, doch auch andere Unternehmer stellen solche her.
– Ebenso ist das Problem der standortbedingt unterschiedlich hohen intramarginalen Renten nicht auf den Stromsektor beschränkt. Es tritt vielmehr überall in der Wirtschaft auf. Nur so lassen sich steigende Angebotskurven und positive Deckungsbeiträge erklären (s. die eingehenden Ausführungen hierzu in D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg) – die neoklassische Erklärung für dieses Phänomen stößt sich hingegen an der Empirie. Wollte man die Logik des Gutachtens von Bofinger auch auf andere Branchen anlegen, müsste man sich vom marktwirtschaftlichen Preismechanismus verabschieden.
– Das Referenzszenario der Reformvorschläge sollte sich – nicht nur beim Strommarkt – an einem Idealzustand orientieren, in dem sämtliche externen Kosten internalisiert sind. Doch auch dann gäbe es in einen einheitlichen Preis, mit der Folge intramarginaler Renten – und zwar nicht nur für die Stromproduzenten. Für die gesamte Wirtschaft kommt ein umfassender Ersatz des Preismechanismus durch administrative Vorgaben oder Auktionen wegen der prohibitiven Informations- und v.a. Transaktionskosten aber nicht in Betracht.
Somit stellt sich die Frage, ob es neben dem Auktionsmechanismus nicht andere Möglichkeiten gibt, die intramarginalen Renten abzuschöpfen. Und diese existieren sehr wohl: Die intramarginalen Renten entfallen (nach Abzug der fixen Kosten) auf den Produktionsfaktor mit der geringsten Angebotselastizität, und das ist „Land“.
Ein Hektar Ackerland bringt normalerweise nicht mehr als ein paar Hundert Euro Pacht pro Jahr. Mit einem Windrad darauf dagegen kann der Eigentümer rund 20.000 Euro kassieren, weht der Wind besonders stark, sind bis zu 50.000 Euro möglich. Noch vor wenigen Jahren waren sechs Prozent der Erträge des Windrades für die Berechnung der Landpacht die Regel, mittlerweile werden bis zu zwölf Prozent gefordert. Die Landwirte haben ihre Pachtforderungen kontinuierlich erhöht, weil geeignete Standorte rar sind. An den (trotz derzeit differenzierter Fördersätze) ca. zwei Milliarden Euro jährlichen Subventionen für Windenergie verdienen also weniger die Betreiber und Hersteller (die mittlerweile mit erheblicher Konkurrenz zu kämpfen haben), sondern die Bodeneigentümer.
Es gilt also, die (Boden-) Renten abzuschöpfen und der Allgemeinheit zuzuführen, und zwar nicht nur bezogen auf erneuerbare Energien und den Stromsektor (rein technisch wäre dies unproblematisch möglich, allein die Erkenntnis und der politische Wille fehlen).
Aus der liberalen Forderung einer Förderung mit einem einheitlichen Satz bzw. der Mengensteuerung wird also nur ein Schuh, wenn man ihn mit der Vergemeinschaftung der damit erzeugten (Boden-) Renten kombiniert. Ansonsten befeuern die Protagonisten des Quotenmodells ein grünes Rent Seeking.
Solange man allerdings keine Vergemeinschaftung der Renten will oder durchsetzen kann, ist allerdings die nach den jeweiligen Grenzkosten diskriminierende Förderung des Auktionsmodells für die Reform des EEG vorzuziehen – wenngleich es sich um ein halbgares und problematisches Konzept handelt.
Mehr in: D. Löhr (2013), Prinzip Rentenökonomie: Wenn Eigentum zu Diebstahl wird, Marburg 2013. Online: http://www.metropolis-verlag.de/Prinzip-Rentenoekonomie/1013/book.do