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Grundsteuer C: Eine neue Missgeburt?

Dirk Löhr

Ab 2025 können Gemeinden unbebaute, aber baureife Grundstücke mit einem erhöhten Steuersatz belegen, um Druck auf die Bebauung der betreffenden Flächen auszuüben. Nur in Bayern wird diese neue Grundsteuer C nicht eingeführt.

Das Ziel der Grundsteuer C ist durchaus nachvollziehbar. Ein Grundstück kann als eine sog. Realoption angesehen werden, die das Recht, aber nicht die Pflicht vermittelt, das Grundstück zu bebauen. Man bezahlt also nicht nur für zukünftige Bodenerträge, sondern auch für den Wert des “Warten Könnens”. Letzterer ist eine “spekulative Komponente”. Bei hohen Aufwertungserwartungen kann es sogar passieren, dass sich dieser Wert des “Warten Könnens” in den Vordergrund schiebt. Im Falle einer Bebauung ginge der Wert des “Warten Könnens” aber verloren; die Bebauung ergibt jedoch keinen Sinn, soweit die künftigen durch die Bebauung erzielbaren Erträge nicht den Wert des “Warten Könnens” überkompensieren. Die Grundsteuer C zielt nun konkret darauf ab, den Wert des “Warten Könnens” so weit zu reduzieren, dass er keine Hürde für die Bebauung mehr darstellen kann.

Skepsis ist dennoch angebracht: Das historische Vorbild der Baulandsteuer (1961/1962) gilt als gescheitert. Generell ist es keine gute Idee, mehrere Ziele (hier: fiskalische und bodenpolitische) mit nur einem Instrument (hier: Grundsteuer C) erreichen zu wollen. Jan Tinbergen (erster Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaften) hat deutlich gemacht, dass die Wahrscheinlichkeit dann hoch ist, alle Ziele mehr oder weniger zu verfehlen. Die “Tinbergen-Regel” als fundamentale Einsatzregel für wirtschaftspolitische Instrumente wird in der Politik allerdings hartnäckig ignoriert.

Die Zonierung für den Geltungsbereich der Grundsteuer C sowie der anzulegende Steuersatz sind im Rahmen der neuen Grundsteuer C grundsätzlich Sache der Kommunen. Viele Städte haben im Vorfeld der Einführung der Grundsteuer C schon Arbeitsgruppen gebildet. Zwei Problemfelder stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Welche Grundstücke dürfen überhaupt mit der Grundsteuer C belegt werden?
  • Wie hoch muss der Steuersatz sein, damit die gewünschte Mobilisierungswirkung entsteht?

Besonders die zweite Frage erscheint schwierig zu lösen. Für “Spekulanten” interessant sind die Grundstücke mit großen Aufwertungspotenzialen. Doch wie lassen sich diese identifizieren, und mit welchen Verfahren lassen sich die Aufwertungspotenziale ermitteln? Orientiert man sich beispielsweise beim Steuersatz an den Bodenzuwächsen der Vergangenheit, so ist keinesfalls klar, dass diese Bodenwertsteigerungen auch in Zukunft stattfinden werden. Zudem muss der Steuersatz für die Grundsteuer C in jeder Kommune einheitlich festgelegt werden. Hält man sich dabei an durchschnittliche Wertsteigerungen in der Stadt, so würden gerade die interessanten Schlüsselgrundstücke mit überdurchschnittlichem Aufwertungspotenzial nicht adäquat erfasst. Hält man sich an die Grundstücke mit dem höchsten Aufwertungspotenzial, ergibt sich eine Übersteuerung bei den Grundstücken mit geringerem Aufwertungspotenzial. Hier gibt es rechtliche Bedenken bezüglich des Übermaßverbots und des Allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach wirtschaftlich gleiche Sachverhalte gleich und wirtschaftlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu beurteilen sind.

Die Grundsteuer C ist dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, alle ihr unterliegenden Grundstücke zu mobilisieren – und in der Folge die Einnahmen aus der Grundsteuer C versiegen. Handelt es sich bei der Grundsteuer C also um eine verfassungswidrige Erdrosselungssteuer?

Der unten auszugsweise für den Download bereitgestellte Beitrag aus dem Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2-2023 versucht, die gestellten Fragen zu beantworten und auf Auswege aus den skizzierten Dilemmata zu weisen, soweit dies überhaupt möglich ist:

Thüringer Landtag beschließt Absenkung der Grunderwerbsteuer

Dirk Löhr

Im Thüringer Landtag wurde letzte Woche eine Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 5,0 Prozent beschlossen. Das Gesetz wurde von den Oppositionsparteien CDU und FDP in den Landtag eingebracht und auch mit den Stimmen der AFD gegen den Willen der Landesregierung verabschiedet. Die Gegenfinanzierung ist unklar bzw. umstritten. Nachfolgend geht es um eine sachliche, und nicht um eine politische Bewertung der Maßnahmen (Stichwort: Fall der “Brandmauer” gegen die AFD).

Die Grunderwerbsteuer erhöht die Nebenkosten des Erwerbs von Grundstücken. Das Grunderwerbsteuergesetz ist ein Bundesgesetz; der Steuersatz wird jedoch seit der Finanzreform 2006 von den Ländern festgelegt. Er reicht derzeit von 3,5% (Bayern) bis 6,5% (Brandenburg, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein und bislang auch Thüringen). Dabei haben die ärmeren Länder tendenziell höhere Steuersätze, was deren Wettbewerbsfähigkeit nicht gerade stärkt. Bei einer Immobilie mit einem Wert von 300.000 Euro langt ein Land mit einem Steuersatz von 6,5% mit bis zu 19.500 Euro zu. Dies erschwert nicht zuletzt die Eigentumsbildung für Haushalte mit wenig Eigenkapital.

Wie sind die Maßnahmen des Thüringer Landtags einzuordnen? Grundsätzlich stehen sich bezüglich der Grunderwerbsteuer zwei politische Grundsatzpositionen gegenüber:

1) Im linken Lager möchte man die Grunderwerbsteuer noch weiter stärken und dabei v.a. “Share deals” noch stärker mit einbeziehen. Da man statt Grundstücken auch Anteile an Unternehmen mit Grundstückseigentum kaufen kann, existieren im Grunderwerbsteuergesetz Schwellenwerte, ab denen auch der Anteilserwerb der Grunderwerbsteuer unterliegt. Diese sollen nach Meinung der Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer noch weiter abgesenkt werden. Allerdings werden Share deals nicht nur aus Gründen der Steuerumgehung gemacht; sie können z.B. auch durch wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen motiviert sein. Die Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer denken auch z.T. an noch höhere Steuersätze, um Grundstücksspekulation zu erschweren – eine Art „Tobin Tax“ auf Immobilien . Schützenhilfe für diese Position kommt von unerwarteter Seite: Forscher des ifo-Instituts kamen zu dem Ergebnis, dass die Grunderwerbsteuer vor allem zu Lasten der Verkäufer geht. M.E. ist dies für angespannte Märkte plausibel, da hier das Bodenangebot hoch preisunelastisch ist. Bei weniger angespannten Märkten dürfte die Überwälzung leichter sein. Dies ist auch mit den Befunden der Studie kompatibel, die allerdings ein wenig anders argumentiert.

2) Das liberale und konservative Lager plädiert zumeist für eine Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes bundesweit auf die ehemaligen 3,5% (vor 2006). Die nun erreichten 5% in Thüringen sind insoweit nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine einheitliche bundesweite Rückführung des Steuersatzes klingt zunächst einfach, ist aber dennoch problematisch: Weil die Grunderwerbsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Länder ist, werden diese kaum einer solchen Absenkung zustimmen. Dies erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer de facto nicht in den Länderfinanzausgleich eingeht. Ebenso gegen den Strich dürfte den Ländern gehen, wenn die Festlegung des Grunderwerbsteuersatzes wieder per Bundesgesetz geregelt wird. Es bedürfte u.a. einer Änderung der Finanzverfassung. Im Falle einer generellen Absenkung hätte man allerdings auch weniger Probleme mit Umgehungen via Share deals, da sich diese kaum noch lohnen. Außerdem wäre der Immobilienmarkt liquider, da Transaktionskosten wegfallen.

Auch radikalere Vorschläge sind in der Diskussion, allerdings so gut wie ohne Umsetzungschance. So wäre eine weitere, bislang kaum diskutierte Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer abzuschaffen und statt dessen Grundstücksverkäufe in die Umsatzsteuer zu integrieren (evt. mit einem eigenständigen Steuersatz). Die Länder wären dann stärker an der Umsatzsteuer zu beteiligen, damit es zu keinen Einnahmeausfällen kommt. Diese werden jedoch auch von diesem Vorschlag nicht begeistert sein, da auch hier ein Stück Autonomie gegenüber dem Status Quo verloren geht. Außerdem wäre zu prüfen, ob die Mehrwertsteuersystemrichtlinie angepasst werden müsste, was als europäisches Recht nur unter Zustimmung aller Mitgliedstaaten geschehen könnte.

Alle genannten Optionen der Weiterentwicklung der Grunderwerbsteuer liegen maßgeblich in der Hand des Bundes, weniger bei den Ländern. Es bleibt somit festzuhalten: Einerseits sind nach den Ergebnissen der o.a. ifo-Studie die negativen Verteilungswirkungen der Grunderwerbsteuer beschränkt, was Dramatik aus der Diskussion nehmen sollte. Andererseits kann man durchaus noch die Frage stellen, ob eine weitere Stärkung der Grunderwerbsteuer in Richtung auf eine „Tobin-Steuer auf Immobilien“ Sinn ergibt. Die Quelle der Grundstücksspekulation ist das private Eigentum an Grund und Boden, das dem Boden den Charakter einer Realoption verleiht. Dabei geht es einerseits um den „Zeitwert der Option“, also den spekulativen „Wert des Warten-Könnens“. Andererseits geht es um den inneren Wert der Option, also die (abdiskontierten) Bodenrenten. Beides kann an der Quelle durch eine entsprechend starke Bodenwertsteuer bekämpft werden; eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist dagegen eine Symptomkur.

Unabhängig davon, wie man den politischen Prozess im Thüringer Landtag bewerten mag: Der Beschluss einer Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes ist vor diesem Hintergrund tendenziell sinnvoll und eine der Maßnahmen, bei denen die Bundesländer ohne den Bund schon voranschreiten können. Andere Bundesländer sollten sich ein Beispiel an Thüringen nehmen. Allerdings fährt der Zug eher in die andere Richtung: Zum 1. Januar 2023 hat Hamburg die Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5 Prozent und Sachsen von 3,5 auf 5,5 Prozent erhöht.

Unabhängig von der Diskussion um den Steuersatz sind die Bestrebungen zu sehen, die Grunderwerbsteuer gerade von privaten Immobilienerwerbern zu reduzieren. Vor dem Hintergrund der Inzidenzuntersuchungen der o.a. ifo-Studie erscheint dies vordergründig v.a. in ländlichen Regionen sinnvoll. Gerade hier könnten entsprechende Maßnahmen jedoch zu einem Mehr an Zersiedelung führen – v.a. durch Einfamilienhäuser. Allerdings steht nun einmal im Ampel-Koalitionsvertrag die Absicht, hier den Ländern die Möglichkeit zu geben, einen Freibetrag einzuführen, um den Immobilienerwerb zu erleichtern. Es gibt allerdings noch weitere Vorschläge. Neben dem Ersatz der Grunderwerbsteuer durch eine ausgeweitete Umsatzsteuer (s. oben) könnte niedrigschwelliger auch ein Vorsteuerabzug nach dem Vorbild der Umsatzsteuer eingeführt werden. Hierdurch könnte eine Kumulation der Steuer bei mehreren Verkäufen hintereinander durch den Vorsteuerabzug ggfs. vermieden und die Immobilie durch Bauträger somit billiger an den Enderwerber abgegeben werden. Für eine eingehende Bewertung all dieser Vorschläge fehlt hier der Raum.

Zumal die Einführung eines Freibetrages für Ersterwerber Bundessache wäre, umgeht Thüringen die Bundeszuständigkeit mit einem interessanten Sonderweg: De facto führt es im Alleingang einen Freibetrag für selbst genutztes Wohneigentum ein. Technisch erfolgt dies durch einen Zuschuss: Diesen soll erhalten, wer erstmals eine Wohnimmobilie erwirbt, um sie selbst zu nutzen. Dafür sieht das Gesetz allerdings einen Höchstbetrag vor. Für den Erwerb von Wohnimmobilien bis zu einem Wert von 500.000 Euro entspricht der Zuschuss der vollen Höhe der angefallenen und bezahlten Grunderwerbsteuer. Dem Gesetz zufolge wird der Wert anhand der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestimmt. Auf Erwerbskosten, die diesen Wert übersteigen, ist Grunderwerbsteuer zu entrichten.

Zu bedenken sind hier allerdings wieder die Inzidenzen: Es ist keineswegs sicher, dass der Zuschuss auch beim Erwerber ankommt, oder nicht vielmehr in Form höherer Kaufpreisforderungen wenigstens teilweise zugunsten der Verkäuferseite kapitalisiert wird.

Unabhängig davon, für wie sinnvoll man die beiden Beschlusskomponenten “Absenkung des Steuersatzes” und “Zuschuss” halten mag: Thüringen hat jedenfalls die Möglichkeiten auf Länderebene mit dem Parlamentsbeschluss maximal ausgereizt. Das Thema „Grunderwerbsteuer“ ist zudem durch den Beschluss des Thüringer Landtages wieder in Bewegung geraten.