Thüringer Landtag beschließt Absenkung der Grunderwerbsteuer

Dirk Löhr

Im Thüringer Landtag wurde letzte Woche eine Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 5,0 Prozent beschlossen. Das Gesetz wurde von den Oppositionsparteien CDU und FDP in den Landtag eingebracht und auch mit den Stimmen der AFD gegen den Willen der Landesregierung verabschiedet. Die Gegenfinanzierung ist unklar bzw. umstritten. Nachfolgend geht es um eine sachliche, und nicht um eine politische Bewertung der Maßnahmen (Stichwort: Fall der “Brandmauer” gegen die AFD).

Die Grunderwerbsteuer erhöht die Nebenkosten des Erwerbs von Grundstücken. Das Grunderwerbsteuergesetz ist ein Bundesgesetz; der Steuersatz wird jedoch seit der Finanzreform 2006 von den Ländern festgelegt. Er reicht derzeit von 3,5% (Bayern) bis 6,5% (Brandenburg, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein und bislang auch Thüringen). Dabei haben die ärmeren Länder tendenziell höhere Steuersätze, was deren Wettbewerbsfähigkeit nicht gerade stärkt. Bei einer Immobilie mit einem Wert von 300.000 Euro langt ein Land mit einem Steuersatz von 6,5% mit bis zu 19.500 Euro zu. Dies erschwert nicht zuletzt die Eigentumsbildung für Haushalte mit wenig Eigenkapital.

Wie sind die Maßnahmen des Thüringer Landtags einzuordnen? Grundsätzlich stehen sich bezüglich der Grunderwerbsteuer zwei politische Grundsatzpositionen gegenüber:

1) Im linken Lager möchte man die Grunderwerbsteuer noch weiter stärken und dabei v.a. “Share deals” noch stärker mit einbeziehen. Da man statt Grundstücken auch Anteile an Unternehmen mit Grundstückseigentum kaufen kann, existieren im Grunderwerbsteuergesetz Schwellenwerte, ab denen auch der Anteilserwerb der Grunderwerbsteuer unterliegt. Diese sollen nach Meinung der Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer noch weiter abgesenkt werden. Allerdings werden Share deals nicht nur aus Gründen der Steuerumgehung gemacht; sie können z.B. auch durch wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen motiviert sein. Die Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer denken auch z.T. an noch höhere Steuersätze, um Grundstücksspekulation zu erschweren – eine Art „Tobin Tax“ auf Immobilien . Schützenhilfe für diese Position kommt von unerwarteter Seite: Forscher des ifo-Instituts kamen zu dem Ergebnis, dass die Grunderwerbsteuer vor allem zu Lasten der Verkäufer geht. M.E. ist dies für angespannte Märkte plausibel, da hier das Bodenangebot hoch preisunelastisch ist. Bei weniger angespannten Märkten dürfte die Überwälzung leichter sein. Dies ist auch mit den Befunden der Studie kompatibel, die allerdings ein wenig anders argumentiert.

2) Das liberale und konservative Lager plädiert zumeist für eine Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes bundesweit auf die ehemaligen 3,5% (vor 2006). Die nun erreichten 5% in Thüringen sind insoweit nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine einheitliche bundesweite Rückführung des Steuersatzes klingt zunächst einfach, ist aber dennoch problematisch: Weil die Grunderwerbsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Länder ist, werden diese kaum einer solchen Absenkung zustimmen. Dies erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer de facto nicht in den Länderfinanzausgleich eingeht. Ebenso gegen den Strich dürfte den Ländern gehen, wenn die Festlegung des Grunderwerbsteuersatzes wieder per Bundesgesetz geregelt wird. Es bedürfte u.a. einer Änderung der Finanzverfassung. Im Falle einer generellen Absenkung hätte man allerdings auch weniger Probleme mit Umgehungen via Share deals, da sich diese kaum noch lohnen. Außerdem wäre der Immobilienmarkt liquider, da Transaktionskosten wegfallen.

Auch radikalere Vorschläge sind in der Diskussion, allerdings so gut wie ohne Umsetzungschance. So wäre eine weitere, bislang kaum diskutierte Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer abzuschaffen und statt dessen Grundstücksverkäufe in die Umsatzsteuer zu integrieren (evt. mit einem eigenständigen Steuersatz). Die Länder wären dann stärker an der Umsatzsteuer zu beteiligen, damit es zu keinen Einnahmeausfällen kommt. Diese werden jedoch auch von diesem Vorschlag nicht begeistert sein, da auch hier ein Stück Autonomie gegenüber dem Status Quo verloren geht. Außerdem wäre zu prüfen, ob die Mehrwertsteuersystemrichtlinie angepasst werden müsste, was als europäisches Recht nur unter Zustimmung aller Mitgliedstaaten geschehen könnte.

Alle genannten Optionen der Weiterentwicklung der Grunderwerbsteuer liegen maßgeblich in der Hand des Bundes, weniger bei den Ländern. Es bleibt somit festzuhalten: Einerseits sind nach den Ergebnissen der o.a. ifo-Studie die negativen Verteilungswirkungen der Grunderwerbsteuer beschränkt, was Dramatik aus der Diskussion nehmen sollte. Andererseits kann man durchaus noch die Frage stellen, ob eine weitere Stärkung der Grunderwerbsteuer in Richtung auf eine „Tobin-Steuer auf Immobilien“ Sinn ergibt. Die Quelle der Grundstücksspekulation ist das private Eigentum an Grund und Boden, das dem Boden den Charakter einer Realoption verleiht. Dabei geht es einerseits um den „Zeitwert der Option“, also den spekulativen „Wert des Warten-Könnens“. Andererseits geht es um den inneren Wert der Option, also die (abdiskontierten) Bodenrenten. Beides kann an der Quelle durch eine entsprechend starke Bodenwertsteuer bekämpft werden; eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist dagegen eine Symptomkur.

Unabhängig davon, wie man den politischen Prozess im Thüringer Landtag bewerten mag: Der Beschluss einer Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes ist vor diesem Hintergrund tendenziell sinnvoll und eine der Maßnahmen, bei denen die Bundesländer ohne den Bund schon voranschreiten können. Andere Bundesländer sollten sich ein Beispiel an Thüringen nehmen. Allerdings fährt der Zug eher in die andere Richtung: Zum 1. Januar 2023 hat Hamburg die Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5 Prozent und Sachsen von 3,5 auf 5,5 Prozent erhöht.

Unabhängig von der Diskussion um den Steuersatz sind die Bestrebungen zu sehen, die Grunderwerbsteuer gerade von privaten Immobilienerwerbern zu reduzieren. Vor dem Hintergrund der Inzidenzuntersuchungen der o.a. ifo-Studie erscheint dies vordergründig v.a. in ländlichen Regionen sinnvoll. Gerade hier könnten entsprechende Maßnahmen jedoch zu einem Mehr an Zersiedelung führen – v.a. durch Einfamilienhäuser. Allerdings steht nun einmal im Ampel-Koalitionsvertrag die Absicht, hier den Ländern die Möglichkeit zu geben, einen Freibetrag einzuführen, um den Immobilienerwerb zu erleichtern. Es gibt allerdings noch weitere Vorschläge. Neben dem Ersatz der Grunderwerbsteuer durch eine ausgeweitete Umsatzsteuer (s. oben) könnte niedrigschwelliger auch ein Vorsteuerabzug nach dem Vorbild der Umsatzsteuer eingeführt werden. Hierdurch könnte eine Kumulation der Steuer bei mehreren Verkäufen hintereinander durch den Vorsteuerabzug ggfs. vermieden und die Immobilie durch Bauträger somit billiger an den Enderwerber abgegeben werden. Für eine eingehende Bewertung all dieser Vorschläge fehlt hier der Raum.

Zumal die Einführung eines Freibetrages für Ersterwerber Bundessache wäre, umgeht Thüringen die Bundeszuständigkeit mit einem interessanten Sonderweg: De facto führt es im Alleingang einen Freibetrag für selbst genutztes Wohneigentum ein. Technisch erfolgt dies durch einen Zuschuss: Diesen soll erhalten, wer erstmals eine Wohnimmobilie erwirbt, um sie selbst zu nutzen. Dafür sieht das Gesetz allerdings einen Höchstbetrag vor. Für den Erwerb von Wohnimmobilien bis zu einem Wert von 500.000 Euro entspricht der Zuschuss der vollen Höhe der angefallenen und bezahlten Grunderwerbsteuer. Dem Gesetz zufolge wird der Wert anhand der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestimmt. Auf Erwerbskosten, die diesen Wert übersteigen, ist Grunderwerbsteuer zu entrichten.

Zu bedenken sind hier allerdings wieder die Inzidenzen: Es ist keineswegs sicher, dass der Zuschuss auch beim Erwerber ankommt, oder nicht vielmehr in Form höherer Kaufpreisforderungen wenigstens teilweise zugunsten der Verkäuferseite kapitalisiert wird.

Unabhängig davon, für wie sinnvoll man die beiden Beschlusskomponenten “Absenkung des Steuersatzes” und “Zuschuss” halten mag: Thüringen hat jedenfalls die Möglichkeiten auf Länderebene mit dem Parlamentsbeschluss maximal ausgereizt. Das Thema „Grunderwerbsteuer“ ist zudem durch den Beschluss des Thüringer Landtages wieder in Bewegung geraten.

3 thoughts on “Thüringer Landtag beschließt Absenkung der Grunderwerbsteuer”

  1. Lieber Dirk

    Erst einmal Danke für den Blog und konkret auch diesen Beitrag!

    Vielleicht ein wenig spät, aber hier noch eine Rückmeldung:
    Er war spannend, jedoch sehr knapp gehalten und dabei über komplexe Zusammenhänge mit vielen verschiedene Aspekte in Nebensätzen angerissen, sodass ich (aber auch ein anderer promovierter Ökonom) leider nur so ungefähr diese kritische wie differenzierte Beurteilung nachvollziehen konnten ; )

    Zumindest unsererseits bestünde Bedarf an einer ausführlicheren Version. Oder aber, wenn Dir das müßig erscheinen sollte, weil Grunderwerbsteuer nicht an den Kern der Problematik geht:

    Zudem könnten wir uns vorstellen, dass im Nachgang zu der von Dir ja stark mitgetragenen Initiative “Grundsteuer: Zeitgemäß” ( https://www.grundsteuerreform.net ) durchaus breiteres Interesse bestünde an Deiner persönlichen Evaluation der verschiedenen Ländermodelle (selbst wenn diese vorläufig ausfallen muss, weil ja kommunale Hebesätze etc. noch nicht feststehen).
    Einige orientieren sich ja mehr oder fast ausschließlich am Bodenwert, aber vielleicht ist das zu simpel gedacht oder der Teufel steckt mal wieder im Detail?

    Vielleicht hast Du dazu schon etwas verfasst irgendwo – dann gerne Verlinkung hier im Blog und auch unter http://www.dirk-loehr.de/grundsteuerreform.html : )

    Besten Dank und Gruß!
    Chris

    1. Noch ein PS: Wenn Du “Grundsteuer” in die Suchfunktion eingibst, findest Du auch einige Artikelchen. Von besonderem Interesse dürfte die Popularklage der Linken in Bayern sein.

    2. Hi Chris, schön von Dir zu hören. Lass mich auch mal wissen, wie es Dir so geht.
      Ich habe Einiges dazu geschrieben, das meiste steht aber hinter Bezahlschranken.
      Ich schaue mal, dass ich ein paar Korrekturfahnen finden kann. Es geht aber wegen
      einer Corona-Infektion derzeit sehr gemächlich bei mir. Und die Post kommt dann per Mail.
      Ich habe außerdem vorhin ein verfrühtes PS gesendet.
      Viele Grüße
      Dirk

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