Die Bundesregierung hatte die Interessenverbände der Bauwirtschaft zu einem Gipfel eingeladen. Von den 400.000 Wohnungen, die pro Jahr gebaut werden sollten (darunter 100.000 Sozialwohnungen) ist man meilenweit entfernt. Vielleicht werden es im folgenden Jahr 170.000, vielleicht auch weniger. Die Bundesregierung verkündete im Rahmen des Baugipfels nun 14 Maßnahmen – teilweise waren diese schon bekannt, teilweise handelt es sich um Absichtserklärungen. So werden beispielsweise die staatlich geförderten Kredithöchstbeträge um 30.000 Euro angehoben. Die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsgünstiges Darlehen beantragt werden kann, soll von 60.000 Euro auf 90.000 Euro angehoben werden. Der Energiestandard EH 40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard soll während der laufenden Legislaturperiode ausgesetzt werden. Hier musste wohl Wirtschaftsminister Habeck einen gehörigen Sprung über seinen eigenen Schatten machen. Aber immerhin. Und Bundesbauministerin Geywitz wendet sich gegen die EU-Pläne zur Gebäudesanierung. Damit wurde das Petitum im Bogbeitrag “Teilenteignung durch EU-Gebäuderichtlinie: Wenn der Wahnsinn zur Methode wird” erhört. Kompliment an die Bundesbauministerin an dieser Stelle. Weiter können Wohnungsbauten künftig mit dem erhöhten Satz von 6 % und degressiv abgeschrieben werden. Allesamt handelt es sich um Maßnahmen, die in die richtige Richtung weisen.
Allerdings drängt die Zeit: Trotz sinkender Immobilienpreise steigen v.a. in den Großstädten die Mieten – eine Wende bezüglich der Einwanderungspolitik ist zwar in der Diskussion, aber noch nicht beschlossen. Der stärkste Gegenwind besteht in Gestalt der Zinswende. Die Kapazitätsauslastung in der Bauwirtschaft beträgt gegenwärtig nur rd. 70%; müssen Unternehmen aufgeben, wandern die Fachkräfte in andere Bereiche ab. Bröckelnde Kapazitäten machen die wohnungsbaupolitischen Ziele aber in Zukunft noch schwerer erreichbar. Dennoch wäre es nicht richtig gewesen, die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit einem “Sondervermögen” von 50 Mrd. Euro einfach wegzusubventionieren, wie die Branche forderte. Dies hätte nichts an den strukturellen Problemen (Energiewende, Bürokratie etc.) geändert, sondern statt dessen vermutlich zu einem Preisauftrieb im Bausektor geführt und die Politik der EZB konterkariert.
Bei aller Zustimmung zu den beschlossenen Maßnahmen kann man dennoch die Frage aufwerfen, ob “bauen, bauen, bauen” allein zureichend ist. Deutschland hat viel Wohnraumreserven – diese sind aber falsch alloziiert. Ein Thema für einen weiteren Beitrag.
Im Thüringer Landtag wurde letzte Woche eine Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 5,0 Prozent beschlossen. Das Gesetz wurde von den Oppositionsparteien CDU und FDP in den Landtag eingebracht und auch mit den Stimmen der AFD gegen den Willen der Landesregierung verabschiedet. Die Gegenfinanzierung ist unklar bzw. umstritten. Nachfolgend geht es um eine sachliche, und nicht um eine politische Bewertung der Maßnahmen (Stichwort: Fall der “Brandmauer” gegen die AFD).
Die Grunderwerbsteuer erhöht die Nebenkosten des Erwerbs von Grundstücken. Das Grunderwerbsteuergesetz ist ein Bundesgesetz; der Steuersatz wird jedoch seit der Finanzreform 2006 von den Ländern festgelegt. Er reicht derzeit von 3,5% (Bayern) bis 6,5% (Brandenburg, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein und bislang auch Thüringen). Dabei haben die ärmeren Länder tendenziell höhere Steuersätze, was deren Wettbewerbsfähigkeit nicht gerade stärkt. Bei einer Immobilie mit einem Wert von 300.000 Euro langt ein Land mit einem Steuersatz von 6,5% mit bis zu 19.500 Euro zu. Dies erschwert nicht zuletzt die Eigentumsbildung für Haushalte mit wenig Eigenkapital.
Wie sind die Maßnahmen des Thüringer Landtags einzuordnen? Grundsätzlich stehen sich bezüglich der Grunderwerbsteuer zwei politische Grundsatzpositionen gegenüber:
1) Im linken Lager möchte man die Grunderwerbsteuer noch weiter stärken und dabei v.a. “Share deals” noch stärker mit einbeziehen. Da man statt Grundstücken auch Anteile an Unternehmen mit Grundstückseigentum kaufen kann, existieren im Grunderwerbsteuergesetz Schwellenwerte, ab denen auch der Anteilserwerb der Grunderwerbsteuer unterliegt. Diese sollen nach Meinung der Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer noch weiter abgesenkt werden. Allerdings werden Share deals nicht nur aus Gründen der Steuerumgehung gemacht; sie können z.B. auch durch wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen motiviert sein. Die Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer denken auch z.T. an noch höhere Steuersätze, um Grundstücksspekulation zu erschweren – eine Art „Tobin Tax“ auf Immobilien . Schützenhilfe für diese Position kommt von unerwarteter Seite: Forscher des ifo-Instituts kamen zu dem Ergebnis, dass die Grunderwerbsteuer vor allem zu Lasten der Verkäufer geht. M.E. ist dies für angespannte Märkte plausibel, da hier das Bodenangebot hoch preisunelastisch ist. Bei weniger angespannten Märkten dürfte die Überwälzung leichter sein. Dies ist auch mit den Befunden der Studie kompatibel, die allerdings ein wenig anders argumentiert.
2) Das liberale und konservative Lager plädiert zumeist für eine Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes bundesweit auf die ehemaligen 3,5% (vor 2006). Die nun erreichten 5% in Thüringen sind insoweit nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine einheitliche bundesweite Rückführung des Steuersatzes klingt zunächst einfach, ist aber dennoch problematisch: Weil die Grunderwerbsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Länder ist, werden diese kaum einer solchen Absenkung zustimmen. Dies erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer de facto nicht in den Länderfinanzausgleich eingeht. Ebenso gegen den Strich dürfte den Ländern gehen, wenn die Festlegung des Grunderwerbsteuersatzes wieder per Bundesgesetz geregelt wird. Es bedürfte u.a. einer Änderung der Finanzverfassung. Im Falle einer generellen Absenkung hätte man allerdings auch weniger Probleme mit Umgehungen via Share deals, da sich diese kaum noch lohnen. Außerdem wäre der Immobilienmarkt liquider, da Transaktionskosten wegfallen.
Auch radikalere Vorschläge sind in der Diskussion, allerdings so gut wie ohne Umsetzungschance. So wäre eine weitere, bislang kaum diskutierte Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer abzuschaffen und statt dessen Grundstücksverkäufe in die Umsatzsteuer zu integrieren (evt. mit einem eigenständigen Steuersatz). Die Länder wären dann stärker an der Umsatzsteuer zu beteiligen, damit es zu keinen Einnahmeausfällen kommt. Diese werden jedoch auch von diesem Vorschlag nicht begeistert sein, da auch hier ein Stück Autonomie gegenüber dem Status Quo verloren geht. Außerdem wäre zu prüfen, ob die Mehrwertsteuersystemrichtlinie angepasst werden müsste, was als europäisches Recht nur unter Zustimmung aller Mitgliedstaaten geschehen könnte.
Alle genannten Optionen der Weiterentwicklung der Grunderwerbsteuer liegen maßgeblich in der Hand des Bundes, weniger bei den Ländern. Es bleibt somit festzuhalten: Einerseits sind nach den Ergebnissen der o.a. ifo-Studie die negativen Verteilungswirkungen der Grunderwerbsteuer beschränkt, was Dramatik aus der Diskussion nehmen sollte. Andererseits kann man durchaus noch die Frage stellen, ob eine weitere Stärkung der Grunderwerbsteuer in Richtung auf eine „Tobin-Steuer auf Immobilien“ Sinn ergibt. Die Quelle der Grundstücksspekulation ist das private Eigentum an Grund und Boden, das dem Boden den Charakter einer Realoption verleiht. Dabei geht es einerseits um den „Zeitwert der Option“, also den spekulativen „Wert des Warten-Könnens“. Andererseits geht es um den inneren Wert der Option, also die (abdiskontierten) Bodenrenten. Beides kann an der Quelle durch eine entsprechend starke Bodenwertsteuer bekämpft werden; eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist dagegen eine Symptomkur.
Unabhängig davon, wie man den politischen Prozess im Thüringer Landtag bewerten mag: Der Beschluss einer Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes ist vor diesem Hintergrund tendenziell sinnvoll und eine der Maßnahmen, bei denen die Bundesländer ohne den Bund schon voranschreiten können. Andere Bundesländer sollten sich ein Beispiel an Thüringen nehmen. Allerdings fährt der Zug eher in die andere Richtung: Zum 1. Januar 2023 hat Hamburg die Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5 Prozent und Sachsen von 3,5 auf 5,5 Prozent erhöht.
Unabhängig von der Diskussion um den Steuersatz sind die Bestrebungen zu sehen, die Grunderwerbsteuer gerade von privaten Immobilienerwerbern zu reduzieren. Vor dem Hintergrund der Inzidenzuntersuchungen der o.a. ifo-Studie erscheint dies vordergründig v.a. in ländlichen Regionen sinnvoll. Gerade hier könnten entsprechende Maßnahmen jedoch zu einem Mehr an Zersiedelung führen – v.a. durch Einfamilienhäuser. Allerdings steht nun einmal im Ampel-Koalitionsvertrag die Absicht, hier den Ländern die Möglichkeit zu geben, einen Freibetrag einzuführen, um den Immobilienerwerb zu erleichtern. Es gibt allerdings noch weitere Vorschläge. Neben dem Ersatz der Grunderwerbsteuer durch eine ausgeweitete Umsatzsteuer (s. oben) könnte niedrigschwelliger auch ein Vorsteuerabzug nach dem Vorbild der Umsatzsteuer eingeführt werden. Hierdurch könnte eine Kumulation der Steuer bei mehreren Verkäufen hintereinander durch den Vorsteuerabzug ggfs. vermieden und die Immobilie durch Bauträger somit billiger an den Enderwerber abgegeben werden. Für eine eingehende Bewertung all dieser Vorschläge fehlt hier der Raum.
Zumal die Einführung eines Freibetrages für Ersterwerber Bundessache wäre, umgeht Thüringen die Bundeszuständigkeit mit einem interessanten Sonderweg: De facto führt es im Alleingang einen Freibetrag für selbst genutztes Wohneigentum ein. Technisch erfolgt dies durch einen Zuschuss: Diesen soll erhalten, wer erstmals eine Wohnimmobilie erwirbt, um sie selbst zu nutzen. Dafür sieht das Gesetz allerdings einen Höchstbetrag vor. Für den Erwerb von Wohnimmobilien bis zu einem Wert von 500.000 Euro entspricht der Zuschuss der vollen Höhe der angefallenen und bezahlten Grunderwerbsteuer. Dem Gesetz zufolge wird der Wert anhand der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestimmt. Auf Erwerbskosten, die diesen Wert übersteigen, ist Grunderwerbsteuer zu entrichten.
Zu bedenken sind hier allerdings wieder die Inzidenzen: Es ist keineswegs sicher, dass der Zuschuss auch beim Erwerber ankommt, oder nicht vielmehr in Form höherer Kaufpreisforderungen wenigstens teilweise zugunsten der Verkäuferseite kapitalisiert wird.
Unabhängig davon, für wie sinnvoll man die beiden Beschlusskomponenten “Absenkung des Steuersatzes” und “Zuschuss” halten mag: Thüringen hat jedenfalls die Möglichkeiten auf Länderebene mit dem Parlamentsbeschluss maximal ausgereizt. Das Thema „Grunderwerbsteuer“ ist zudem durch den Beschluss des Thüringer Landtages wieder in Bewegung geraten.
Man kann sich ja darüber streiten, ob eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz Seitens Deutschlands und/oder der EU klug ist – oder ob wir am Ende nicht damit der Welt demonstrieren, wie Klimaschutz besser nicht gemacht werden soll. Tatsache ist, dass der Bürger ziemlich gefordert wird.
Zuerst das umstrittene, aber am Ende entschärfte Gebäudeenergiegesetz, das am Freitag von Bundestag verabschiedet wurde. Dann bald die Überführung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in ein eigens für Gebäude und Verkehr neu geschaffenes Segment des Europäischen Emissionshandels (EU ETS 2). Die größte Sau wurde indessen noch nicht medial durch’s Dorf gejagt, wenngleich die ersten Medien schon vor dem drohende Unwetter warnen: Brüssel arbeitet an einer neuen EU-Richtlinie zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz (nachfolgend: „Gebäuderichtlinie“). Die Richtlinie ist Teil des EU-Klimapaketes „Fit for 55“. Hiermit sollen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber 1990 gesenkt werden. In technischer Hinsicht wurden Regeln zur Einordnung der verschiedenen Gebäude in Effizienzklassen geschaffen. Im Sinne des Erfinders sollen diese zwar einheitlich sein – allein, dem saarländischen Schornsteinfegermeister fehlt der Glaube daran, wenn er über die französische Grenze blickt. Die Energieeffizienzklassen reichen von A+ bis G. In Deutschland befinden sich derzeit 42% der Wohnimmobilien in den schlechtesten Energieeffizienzklassen E bis H. Bis 2030 sollen allerdings alle Wohngebäude mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 zumindest die Energieklasse D erfüllen. Hierzu müssen die Eigentümer einen Plan vorlegen und entsprechende Sanierungsmaßnahmen ergreifen.
Eine überschlägige Berechnung (dargestellt in Anhang 1) ergibt, dass die Sanierungsaufwendungen für die betroffenen 42% der Wohngebäude ungefähr genauso hoch sind wie deren gegenwärtiger Wert – etwa 2 Billionen Euro. Dabei sind Nicht-Wohngebäude, die ja ebenfalls noch saniert werden müssen (wenn auch in geringerem Tempo – der Staat nimmt die Anforderungen für sich selbst herunter!) nicht eingerechnet.
Pessimisten würden hier von einem wirtschaftlichen Totalschaden für die betroffenen Eigentümer sprechen; die Befürworter der energetischen Sanierung setzen entgegen, dass die Energierechnung geringer ausfallen wird. Dies würde dazu führen, dass der Gebäudewert erhalten bleibt. Schließlich könne ein Vermieter aufgrund der geringeren Mietnebenkosten ja eine entsprechend höhere Kaltmiete einfordern; für selbstgenutztes Wohneigentum gelten ähnliche Überlegungen hinsichtlich der kalkulatorischen Mieten. Wer hat nun Recht?
Wir wollen einmal davon absehen, dass angesichts der Marktverhältnisse in peripheren Regionen die Durchsetzung höherer Mieten infolge geringerer Nebenkosten allenfalls nur teilweise möglich ist. In der in Anhang 2 dargestellten Überschlagsrechnung unterstellen wir jedoch kontrafaktisch die volle Durchsetzbarkeit. Die Berechnung ergibt dennoch, dass dann nur die Hälfte der Sanierungsinvestitionen i.H.v. 2 Billionen Euro werthaltig sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Wert von 42% der Wohnimmobilien halbiert wird.
Eine bessere Wahlkampfhilfe für die hiesige AfD könnte sich die Brüsseler Blase nicht einfallen lassen. Die Gesellschaft würde noch mehr gespalten, als sie es ohnehin schon ist. Betroffen sind nicht zuletzt ältere Menschen, die kaum mehr an einen Kredit kommen. Und betroffen sind v.a. die peripheren Regionen. Arm und Reich, Jung und Alt, Land und Stadt würden aufeinander losgehen, wenn die Pläne aus Brüssel Realität würden. Die Eigentümer der ärmeren Gebäude werden allerdings eine solche de facto-Teilenteignung nicht unwidersprochen hinnehmen. Die Mieter werden die Mieterhöhungen, die eigentlich erforderlich sind, nicht aufbringen können. Die Gebäuderichtlinie ist, wie sie derzeit angelegt ist, nicht nur unintelligent, sondern auch gesellschaftspolitisch gefährlich.
Der klügere Weg wäre, das immer noch überkomplexe deutsche Gebäudeenergiegesetz und auch die Gebäuderichtlinie einzustampfen bzw. gar nicht erst in die Welt zu setzen. Stattdessen sollte der CO2-Handel des EU ETS 2 in die Rolle des Leitinstruments gesetzt werden. Der CO2-Handel hat den Vorteil, dass er es den Gebäudeeigentümern überlässt, wie hoch die Sanierungsaufwendungen ausfallen sollen – oder ob es angesichts der kurzen Restnutzungsdauer eines Gebäudes nicht sinnvoller ist, das Meiste beim Alten zu belassen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass das Verbrennen von Geld auch mit einem aus ökologischer Sicht ineffizienten Ressourcenverbrauch einher geht. Und: Im Gegensatz zu den wenig kontrollierbaren Konsequenzen des geplanten Bürokratie-Kuddelmuddels steht der maximal mögliche Emissionsausstoß fest – höchste ökologische Zielgenauigkeit.
Bei der Weiterentwicklung des Emissionshandel sollte das EU ETS 2 mit dem EU ETS 1 verschnitten werden. Die bottom up-Regel des EU ETS 2, dass die Emissionen bereits mit einem Zertifikat belegt werden, wenn sie in den Verkehr gebracht werden, sollte verallgemeinert werden. Dann könnten beispielsweise auch Baustoffe miterfasst werden. Die Zertifikate sollten generell verkauft (wie für das EU ETS 2 vorgesehen), und nicht verschenkt werden. Die Erlöse sollten an die Bürger zu gleichen Teilen zurück verteilt werden; alle Bürger sind zu gleichen Teilen Berechtigte an der Atmosphäre. Da Einkommensschwächere einen geringeren CO2-Fußabdruck als „Reiche“ haben, wäre dies ein wesentlicher Beitrag zur sozialen Kompensation und auch zur Klimagerechtigkeit (s. auch: Blogbeitrag “Klimagerechtigkeit und Klimageld: Keine halben Sachen!“). Der gegenwärtige Transformations- und Klimafonds, aus dem alle möglichen öffentlichen Aufgaben finanziert werden, ist insoweit eine Fehlkonstruktion. Hoffnung macht Bundesbauministerin Geywitz, die das Problem offenbar erkannt hat und sich bezüglich der EU-Gebäuderichtlinie quer stellt.
Anhang 1: Überschlägige Berechnung der Sanierungskosten für die betroffenen Wohnimmobilien
Die Wohngebäude (ohne Grund und Boden) dürften in Deutschland in etwa 7 Billionen Euro wert sein. 42% hier von wären ca. 3 Billionen Euro; allerdings handelt es sich bei den Gebäuden der Energieklasse E bis H zumeist um unterdurchschnittlich werthaltige, oft in ländlichen Regionen belegene Gebäude. Geben wir den betreffenden Gebäuden also einen überschlägigen Wert von vielleicht 2 Billionen Euro. Nun gehen wir von einer (überdurchschnittlichen) Wohnfläche von ca. 160 qm (auf dem Land wird großzügiger gebaut, da die Bodenpreise geringer sind) und von konservativ angesetzten Sanierungskosten von 1.000 Euro/qm aus (1.500 Euro/qm dürften realistischer sein). Die gesamte Wohnfläche beträgt in Deutschland 3,87 Milliarden Quadratmeter. Weil aber die durchschnittliche Wohnfläche auf dem Land eben größer als in der Stadt ist, muss diese grob adjustiert werden. Hierfür nehmen näherungsweise einmal den Faktor 160/130, angelehnt an die Flächenrelation Land-Durchschnitt bei Einfamilienhäusern. Die Multiplikation der Sanierungskosten von 1.000 Euro/qm mit 42% von 3,87 Milliarden Quadratmetern, gewichtet mit dem o.a. Anpassungsfaktor ergibt ziemlich genau 2 Billionen Euro, also den gegenwärtigen Wert der betreffenden Immobilien.
Anhang 2: Werthaltigkeit der Sanierungsinvestitionen für die betroffenen Wohnimmobilien
Nehmen wir an, dass durch den Übergang von Energieklasse H zu D ungefähr 36 Euro/qm Energie gespart werden können. Es werden wieder Sanierungskosten von ca. 1.000 Euro/qm hierfür zugrunde gelegt. Um sauber zu rechnen, müssen die Ersparnisse an Energiekosten abgezinst werden. Hierfür legen wir 3,5% zugrunde – ein Wert, der sich an den Liegenschaftszinssätzen in eher peripheren Regionen orientiert. Es muss beachtet werden, dass gerade auch in ländlichen Regionen die meisten schlecht sanierten Immobilien schon viele Jahre auf dem Buckel haben. Gehen wir von durchschnittlichen 80 Jahren wirtschaftlicher Gesamtnutzungsdauer und 20 Jahren Restnutzungsdauer aus, so beträgt nach 20 Jahren (dem Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer) der Kapitalwert der Investitionsmaßnahmen ca. -500 Euro /qm. Für die gesamten 42% betroffenen Wohngebäude bedeutet dies einen negativen Kapitalwert von einer Billionen Euro.
Zur Begrenzung der CO2-Emissionen soll der CO2-Handel perspektivisch ausgeweitet werden. Das Brennstoffhandelsgesetz soll in ein weiteres Handelssegment überführt werden, dass auch die Bereiche Verkehr und Wärme (Gebäude) enthält (sog. EU ETS 2). Im Gegensatz zum schon bestehenden Emissionshandel (EU ETS 1) handelt es sich hierbei um ein „bottom up-System“ – d.h. die potentielle Emission muss schon dann mit einem Zertifikat unterlegt werden, wenn der Kohlenstoff in den Verkehr gebracht wird. Hierdurch ist das EU ETS 2 zugleich weitgreifender und (hoffentlich) unbürokratischer als das EU ETS 1. Baustoffe u.ä. werden allerdings noch nicht vom EU ETS 2 umfasst.
Der Sinn solcher ökonomischen Instrumente des Umweltschutzes ist letztlich die relative Verteuerung umweltschädlicher Produkte (mit hohen CO2-Emissionen). Der Konsument als letztlicher Verursacher soll belastet werden.
Was allokativ sinnvoll ist, kann sich allerdings zu einem verteilungspolitischen Problem auswachsen: Einkommensschwache Haushalte haben typischerweise eine deutliche höhere Konsumquote (Anteil des Konsums am Haushaltseinkommen) als einkommensstarke und werden daher von den betreffenden Regelungen besonders stark getroffen.
Zur sozialen Kompensation hat sich daher die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag auf ein sog. Klimageld verständigt. Im Kabinett ist v.a. Bundeswirtschafts- und Klimaminister Habeck der Anwalt dieses Vorhabens. Beim Klimageld geht es um eine Rückverteilung der Einnahmen, die durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten und der Verteuerung fossiler Energien durch anderweitige Abgaben der öffentlichen Hand zufließen („atmosphärische Renten“). Die Rückverteilung soll pro Kopf in gleichen Teilen zufließen. Dies lässt sich mit dem Gedanken der „Klimagerechtigkeit“ begründen, denn jedem Bürger steht ein gleicher Anteil an der Atmosphäre zu. Würden die gesamten Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder an die Bürger in gleichen Teilen zurück verteilt, ergäben sich folgende Effekte:
Nimmt ein Bürger mehr “atmosphärische Lagerfläche” als der Durchschnitt seiner Landsleute in Anspruch, zahlt er über die Produktpreise mehr Umweltabgaben als diese, bekommt aber nur ein durchschnittliches Aufkommen zurück. Per Saldo zahlt er drauf.
Liegt ein Bürger mit seinem CO2-Ausstoß im Durchschnitt, zahlt er so viel an den Staat, wie er wieder zurückbekommt.
Ist der Umweltverbrauch eines Bürgers geringer als der Durchschnitt, bekommt er mehr zurück, als er an Umweltabgaben gezahlt hat. Er profitiert.
Würden die gesamten Einnahmen aus der „künstlichen“ Verteuerung der Nutzung fossiler Energieträger an die Bürger in gleichen Teilen zurückgegeben, wäre die durchschnittliche Nutzung der Atmosphäre durch CO2-Einlagerungen frei. Einen positiven Zahlungssaldo haben aufgrund ihres höheren CO2-Fußabdrucks tendenziell einkommensschwächere Haushalte, einen negativen Zahlungssaldo eher einkommensstarke.
Die gesamthafte Rückverteilung der Einnahmen würde die einkommensneutrale durchschnittliche Nutzung der Atmosphäre auch dann absichern, wenn sich die Zertifikate im Zuge einer strengeren CO2-Kappung verteuern. Denn dann steigt auch die Ausschüttung an die Bürger. Die Akzeptanz einer rigideren Klimapolitik durch die Bürger würde erhöht, was für die demokratische Durchsetzung von immenser Bedeutung ist. Zumindest die älteren Grünen-Mitglieder dürften den Magdeburger Parteitag nicht vergessen haben, auf dem eine Verteuerung des Liter Benzins auf 5 DM gefordert wurde. Während die Umweltwissenschaftler Beifall zollten, watschte der Wähler die Grünen in den darauffolgenden Landtagswahlen ab.
Bei aller Sinnhaftigkeit der Rückverteilungsidee gibt es jedoch auch Einwendungen. Diese beziehen sich zunächst darauf, dass eine Politik der CO2-Einsparung auf nationalem, sogar europäischem Niveau nur beschränkt sinnvoll sein kann (Sinn 2022). Dieser Einwand bezieht sich jedoch auf die Sinnhaftigkeit einer nationalen Vorreiterrolle und hat nicht direkt etwas mit dem Rückverteilungsgedanken zu tun, der auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene zur Anwendung gelangen kann.
Ein technischer Einwand ist, dass eine Rückverteilung an die Bürger derzeit gar nicht möglich ist, weil der Staat die betreffenden Daten der Bürger nicht kennt – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit für einen sich als „entwickelt“ verstehenden Staat. Ein Weg, mit diesem Problem umzugehen wäre die Aufforderung, dass sich jeder Bürger, der das Geld in Anspruch nehmen will, mit seinem Ausweis online registrieren soll. Es bestehen auch andere Wege – das Problem ist also lösbar.
Die größte Herausforderung ist aber, dass ein Euro auch durch den Staat nur einmal ausgegeben werden kann. Nach derzeitigem Stand sollen eben nicht die gesamten Einnahmen an die Bürger zurückgegeben werden, wie in den obigen Überlegungen postuliert. Tatsächlich fließen die atmosphärischen Renten in den Klima- und Transformationsfonds (KMTF), aus dem neben der Rückverteilung auch und vor allem andere Dinge finanziert werden sollen. Mit anderen Worten wird die Grundidee der gleichen Partizipation an den atmosphärischen Renten nur teilweise verwirklicht – ein beträchtlicher Teil der Einnahmen finanziert stattdessen originär staatliche Aufgaben. Damit wird aber die Idee der Rückverteilung der atmosphärischen Renten an die Bürger korrumpiert. Diese beruht auf dem gleichen Recht aller Bürger an der Atmosphäre – der Staat als “Mitesser” ist in der Gleichung nicht vorgesehen.
Es muss daher gefragt werden,
a. ob die weiteren Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds überhaupt notwendig wären, wenn die Grundidee des CO2-Handels als Leitinstrument und der vollständigen Rückverteilung der Einnahmen konsequent durchgezogen würde. Für das das Bedarfsfeld Wohnen würde dies in überschlägiger Rechnung bedeuten: Derzeit werden hier ca. 200 Mio t CO2 pro Jahr emittiert. Die CO2-Bepreisung ist derzeit noch viel zu tief, um die gewünschte Lenkungswirkung zu entfalten. Hier müsste man eher auf ein Niveau von ca. 100 €/t CO2 und später höher gehen. Dies würde zunächst pro Kopf der Bevölkerung einer Belastung von mindestens 240 € pro Jahr entsprechen, die auch bei einer konsequenten Durchsetzung des o.a. Regimes wieder zurück verteilt würde. Für eine dreiköpfige Familie wären dies mindestens 720 Euro/Jahr. Setzen wird einmal 35% staatliche Förderung bei der Umstellung auf eine Erdwärmepumpe mit Anschaffungskosten von 20.000 Euro dagegen, ergibt sich einmalig ein aus dem KMTF ausgezahlter Förderbetrag von 7.000 Euro. Sofern keine weiteren Arbeiten auszuführen sind (Austausch von Heizkörpern etc.), wäre dieser Förderbetrag nach 10 Jahren Rückverteilung auch erreicht. Rechnet man noch die energetischen Ersparnisse gegenüber der alten Technologie für den Haushalt ein, verkürzt sich die betreffende Zeitspanne entsprechend. Am Ende stünde der Transformationshaushalt auf der Gewinnerseite des Rückverteilungsregimes. Im Übrigen könnte die Wahl der Technologie vollkommen den Haushalten überlassen und auf einen abschließend formulierten Förderkatalog verzichtet werden – dies wäre ein Beitrag zur Technologieoffenheit. Auch die EU-Gebäuderichtlinie wäre überflüssig – ein weiterer “sozialer Hammer”, der in seiner Tragweite noch gar nicht medial aufgegriffen wurde. Würden die Auszahlungen an die Bürger verlässlich (aus einem Parafiskus ohne Zugriffsmöglichkeit der Politik) ausgestaltet, wäre sogar denkbar, dass die künftigen Einnahmen aus dem Klimageld bei einem Einbau auf Kredit der Bank abgetreten würden (zus. zu einer Kreditversicherung).
b. Genauso wenig ist einzusehen, dass originäre Aufgaben der öffentlichen Hand aus dem KMTF finanziert werden, wenn die Idee der Klimagerechtigkeit ernst genommen wird. Ein Beispiel ist die Infrastruktur der Deutschen Bahn AG (DB AG). Die DB AG ist derzeit defizitär, qualitativ untragbar und für den Nutzer sehr teuer (zumindest im Fernverkehr). Ein Beispiel dafür, dass eine Bahn hochprofitabel, qualitativ hervorragend und gleichzeitig preiswert sein kann, ist die Mass Transit Railways in Hong Kong, die auf einer einzelwirtschaftlichen Anwendung des Henry George-Prinzips basiert. Ich habe an verschiedenen Stellen hierüber berichtet.
Bei aller Kritik weist die Idee des Klimageldes aber in die richtige Richtung. Es ist Robert Habeck zu wünschen, dass er sich in diesem Punkt durchsetzen kann – zumal die Idee auch im wohlverstandenen Interesse seiner Koalitionspartner ist.
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Schluss mit der krampfigen, vom Deutschland der 30er Jahre übernommenen Grundsteuer. In Luxemburg stellten sich ähnliche Probleme wie mit der deutschen Einheitsbewertung ein. Luxemburg möchte daher eine Bodenwertsteuer einführen, begleitet von einer “Baulandmobilisierungssteuer”. Diese Kombination kennen wir aus dem neuen Grundsteuergesetz von Baden-Württemberg. Allerdings sieht das Luxemburg-Modell auch Freibeträge und eine eigene Steuer für die Nicht-Belegung von Wohnraum vor. Letztere dürfte eher kompliziert zu administrieren und überflüssig sein, wenn die Sätze der Bodenwertsteuer nur hoch genug angesetzt werden. Dennoch: Kompliment, Luxemburg!