Bodenwertsteuer: Verschränkung von Selbstveranlagung und Bodenrichtwertermittlung

Dirk Löhr

Ein zentrales Argument gegen die Bodenwertsteuer ist die Bewertungsproblematik. Tatsächlich liegen die Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) je nach Bundesland derzeit nur in sehr unterschiedlicher Qualität vor. Die Gutachterausschüsse sind je nach Bundesland verschieden zugeschnitten, arbeiten mit unterschiedlichen Methoden und haben eine unterschiedliche finanzielle Ausstattung. Generell ist hier eine größere Vereinheitlichung notwendig; dies geht von der Verbindlichmachung der Bodenrichtwert-Richtlinie bis hin zur Stärkung des Arbeitskreises der Oberen Gutachterausschüsse, der zu einem zentralen Organ mit Direktivbefugnis weiterentwickelt werden sollte.

Technisch betreffen die Probleme v.a. kaufpreisarme Lagen in Innenstädten, Gewerbegrundstücke in Familienhand und ländliche Regionen mit geringen Grundstücksumsätzen. Eine Bodenwertsteuer hätte zwar bei aufkommensneutraler Umstellung eine geringe Eingriffstiefe zur Folge, so dass die Grenzen der Typisierung (im Steuerrecht als einem Massenfallrecht) entsprechend großzügiger ausgelegt werden könnten. Würde eine Bodenwertsteuer – infolge einer Tax Shifts – mehr Bedeutung gewinnen, so zöge sie automatisch auch eine höhere Mobilisierungswirkung in Bezug auf den Bodenmarkt nach sich. Damit stiegen auch die Vergleichsmöglichkeiten für die Gutachterausschüsse, und die Bewertung würde an Qualität gewinnen.

Allerdings mag dies immer noch nicht hinreichend befriedigend sein – wo bewertet wird, passieren Ungenauigkeiten. Dies ist DIE zentrale Schwachstelle der Bodenwertsteuer. Hier bedarf es innovativer Wege. Ein solcher Weg könnte die Verschränkung von Selbstveranlagung und Bodenrichtwertermittlung darstellen. Dies könnte folgendermaßen funktionieren:

Die Gutachterausschüsse stellen die Bodenrichtwerte normalerweise im Zweijahres-Turnus fest. Die Steuerpflichtigen könnten ebenfalls im Zweijahresturnus – aber versetzt zu den Feststellungen der Gutachterausschüsse – Steuererklärungen abgeben, und zwar in elektronischer Form. Dabei könnten die Grundstücksflächen und die Bodenrichtwerte ebenso wie Name und Adresse der Steuerpflichtigen schon voreingestellt sein. Ist der Steuerpflichtige mit den Bodenrichtwerten einverstanden, drückt er auf „Return“ und sendet die vorausgefüllte Erklärung ab. Hat er Einwendungen gegen die Bodenrichtwerte, so setzt der Steuerpflichtige den seines Erachtens richtigen Wert ein.

Damit es zu keinem Missbrauch kommt, greift bei einer Veräußerung eine gesetzliche Vermutung: Wenn zum Zeitpunkt des Verkaufs der Kaufpreis z.B. um 30% oberhalb des aktuellen Bodenrichtwertes liegt, wird unterstellt, dass diese prozentuale Abweichung des Verkehrswertes zum jeweiligen Bodenrichtwert während der gesamten letzten 10 Jahre bestand. Für diesen Fall ist die Nachzahlung der Steuer auf den Unterschiedsbetrag fällig, der sich zwischen dem vermuteten Wert und den selbst ermittelten Werten in den letzten 10 Jahren ergibt. Hat der Steuerpflichtige auf die Selbstveranlagung verzichtet, ist die Steuer auf den Unterschied zum Bodenrichtwert zu entrichten. Ebenfalls ist eine Verzinsung fällig, die sich jedoch an den Kapitalmarktverhältnissen orientieren sollte, solange der derzeitige gesetzliche Zinssatz nicht kapitalmarktgerecht nach unten adjustiert wird. Die Rückzahlungen werden einkommensteuerlich genauso wie die grundsteuerlichen Regelzahlungen behandelt (ertragsteuerliche Abzugsfähigkeit bei Einkünfteerzielungsabsicht). Lagen die selbst veranlagten Werte in der Vergangenheit hingegen oberhalb der Bodenrichtwerte oder erfolgt der Verkauf unterhalb der Bodenrichtwerte, erfolgt Seitens der Kommune keine Rückzahlung (ausgenommen bei Nachweis von Notverkäufen und dergleichen).

Dieses Regime schafft eine Orientierung an den bei Veräußerung realisierbaren Werten. Es wird ein Anreiz gesetzt, dass der Steuerpflichtige auf eine Korrektur eventueller Fehler der Gutachterausschüsse aktiv hinwirkt:

  • Einerseits wird er zu hohe Werte bei der Selbstveranlagung einfach deswegen vermeiden, weil seine laufende Besteuerung dann zu hoch ausfällt – und er keine Rückerstattung der überzahlten Steuer erhält.
  • Andererseits wird auch der Anreiz genommen, im Rahmen der Selbstveranlagung zu geringe Werte anzugeben, da bei einer evt. Veräußerung die Nachversteuerung incl. der rückwirkenden Verzinsung des Steuervorteils droht.

Die Gutachterausschüsse wiederum können die zusätzlichen Informationen ähnlich wie Kauffälle (also Marktrealisierungen) bei der Bodenrichtwert-Feststellung berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine kaufpreisarme Lage handelt oder nicht. Auch der Eigentümer eines Grundstücks in einer kaufpreisarmen Lage wird nicht ausschließen können, dass er aus unverhersehbaren Gründen nicht doch irgendwann zu einer Veräußerung gezwungen sein wird.

Die betreffende Regelung müsste in ein Rechtskleid gegossen werden. Insbesondere wäre auf die Schnittstelle zwischen Bau- und Steuerrecht zu achten. Es sollte geprüft werden, ob 10 Jahre „Rückwirkung“ (entspricht der Rückgriffsfrist bei Steuerhinterziehung) machbar sind oder ob man sich nicht mit fünf Jahren Rückwirkung (entspricht der Rückgriffsfrist bei leichtfertiger Steuerverkürzung) zufriedengeben muss.

Die Diskussion über die Selbstveranlagung im Kontext der Bodenwertsteuer ist zwar nicht neu. Sie wurde aber v.a. im Kontext mit öffentlichen Vorkaufsrechten zum selbst erklärten Wert geführt. Was sich zunächst einfach und plausibel anhört, stößt jedoch im Detail auf erhebliche Schwierigkeiten. Beispiele:

  • Diejenigen Grundstückseigentümer, die absehen können, dass sie z.B. in vier Jahren verkaufen, geben möglicherweise in den kommenden drei Jahre einen wesentlich geringeren Wert an, um diesen erst kurz vor Verkauf realitätsgerecht anzupassen. So wäre eine Umgehung möglich.
  • Außerdem wird Seitens der veräußerungswilligen Bürger möglicherweise Druck auf die Kommune ausgeübt, das Vorkaufsrecht nicht auszuüben. Ein solcher Druck sollte möglichst gar nicht erst entstehen (dies öffnet Tür und Tor für Einflussnahme und Korruption).
  • Manche Kommunen sind finanziell gar nicht in der Lage, das Vorkaufsrecht auszuüben. Das Damoklesschwert des öffentlichen Vorkaufs ist dann stumpf.
  • Schließlich wäre durch ein Vorkaufsrecht nichts hinsichtlich einer Verbesserung der Bodenrichtwerte gewonnen.

Hat der Bodenrichtwert unmittelbare Konsequenzen für die Besteuerung, und unterstützt man die Bodenrichtwertermittlung nicht durch begleitende Maßnahmen (wie oben diskutiert), besteht immer die Gefahr, dass Druck auf die Gutachterausschüsse ausgeübt wird, Bewertungen systematisch nach unten zu verzerren. Entsprechende Probleme existieren z.B. in Taiwan und Estland, wo eine Bodenwertsteuer existiert. Dies beschädigt die Wirkung der Bodenwertsteuer nachhaltig.

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