Tag Archives: Pareto-Prinzip

Statt der unintelligenten Gebäudesanierungsstrategie der Regierung: Low hanging fruits first!

Dirk Löhr

Die energetische Sanierung im Gebäudebereich ist in den kommenden Dekaden eine zentrale Herausforderung. Bis zum Jahr 2050 möchte die EU CO2-neutral sein, Deutschland sogar bis 2045. Es stellt sich die Frage, ob das Ziel und die eingeschlagenen Wege zur Zielerreichung vernünftig sind.

Denn entgegen dem zur Schau gestellten Zweckoptimismus v.a. aus dem Hause Habeck dürfte die umfassende Sanierung des Gebäudebestands sehr teuer werden. Es droht eine massive Entwertung des Volksvermögens. Hierzu folgende überschlägige Berechnung: Der Wert der Immobilien in Deutschland machte ausweislich der Vermögensbilanzen von Deutscher Bundesbank und dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2021 ca. 10,6 Billionen Euro aus und stellt damit das wichtigste Asset in der Volkswirtschaft dar. Diese Zahl umfasst Wohn- wie Nichtwohngebäude. Gehen wir nun davon aus, dass der durchschnittliche Wohnflächenkonsum 47,6 qm / Person beträgt, rechnen wir mit 82 Millionen Menschen (die Flüchtlingsunterkünfte sollten nicht voll gezählt werden) und setzen wir moderat durchschnittliche Sanierungskosten von 500 Euro / qm Wohnfläche an, so erhalten wir allein für Wohngebäude einen Sanierungsaufwand i.H.v. 1,9 Billionen Euro, was 18% des Wertes des gesamten Gebäudebestandes ausmacht. Wohlgemerkt, die Nicht-Wohngebäude sind in den 1,9 Billionen Euro Sanierungsaufwand noch gar nicht enthalten. Die Sanierungsmaßnahmen führen angesichts des neuen rechtlichen Rahmens aber nicht zu einer Aufwertung der Gebäude, sondern verhindern nur eine Abwertung. M.a.W.: Es handelt sich um puren Aufwand, dem kaum ein einzelwirtschaftlicher Nutzen gegenübersteht. In dieses Bild passt, dass Immobilien mit einer schlechten Energieklasse schon heute in Vorwegnahme der neuen Anforderungen mit Wertabschlägen von bis zu einem Drittel gehandelt werden (mittlere Differenz).

Das heißt u.a., dass die Altersvorsorge, die viele Menschen in Form von Immobilien getroffen haben, zum Geldgrab wird. Selbst der duldsame deutsche Michel wird einer solchen Politik der kalten Enteignung früher oder später nicht mehr folgen wollen.

Eine neuere Studie des BDI (Klimapfade für Deutschland) besagt jedoch, dass ein 80%-Pfad durchaus noch mit vertretbaren Belastungen machbar ist. Die letzten 20% der klimapolitischen Ziele verursachen allerdings extrem hohe Vermeidungskosten. Goldman Sachs rechnet ebenfalls in einer Studie vor (Carbonomics), dass mit demselben Mitteleinsatz in Entwicklungs- und Schwellenländern deutlich höhere Vermeidungswirkungen zu erzielen wären als hierzulande, weil dort die “low hanging fruits” dort noch gar nicht geerntet sind (s. auch die Argumentation von Daniel Stelter hierzu).

Natürlich kann man – wie die Bundesregierung dies in ideologischer Weise tut – auf eine Vorbildfunktion setzen und mit mit einem 100%-Ziel den sozialen Frieden gefährden. Man kann sich aber auch – wie dies die Schweiz, Japan und Südkorea machen – auf Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens berufen und die letzten 20% der Vermeidungsinvestitionen nicht im Heimatland vornehmen, sondern in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dies entspricht auch dem Pareto-Prinzip, wonach 80% des Erfolges mit 20% der Anstrengungen zu verwirklichen sind und vice versa.