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Mehr Land in öffentliche Hand!

Dirk Löhr

So langsam kämpft sich der Immobilienmarkt aus der Rezession heraus. Verantwortlich für diese waren v.a. ein hohes Zinsniveau und hohe Materialkosten. Hinzu kommen als längerfristig wirkende Hemmnisse überbordende Vorschriften, darunter speziell energetische Anforderungen, die relativ sinnfrei sind (in diesem Blog wurde wiederholt darüber berichtet).

Es dürfte nicht zuletzt der demographischen Entwicklung geschuldet sein (Migration), dass ungeachtet des Einbruchs in der Bautätigkeit die Wohnungsmieten nur eine Richtung kannten und weiterhin kennen: Steil nach oben. In einem funktionierenden Markt wäre als Reaktion mit einem höheren Angebot zu rechnen gewesen – tatsächlich wurde die Zielgröße der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr (davon 100.000 mit Sozialbindung) im letzten Jahr mit weniger als 300.000 neuen Wohnungen in den vergangenen zwei Jahren deutlich verfehlt – auch 2024 besteht keine Aussicht auf Besserung.

Der Hoffnungsschimmer besteht darin, dass die Spitzen von Zinsen und Baukostensteigerungen hinter uns zu liegen scheinen. Das Problem: Viele Bauunternehmen haben den Einbruch nicht überlebt, die Bautätigkeit hat gelitten. Die Kapazität für die notwendige Bautätigkeit ist nicht vorhanden.

Zudem wäre es eine Milchmädchenrechnung anzunehmen, dass die Erleichterungen bei den Finanzierungs- und Materialkosten sich 1:1 in einer höheren Rendite der Investoren abbilden, die dann stimulierend auf die Bautätigkeit wirkt.

Tatsächlich stellen die Bodenwerte eine Restgröße dar, die sich aus der Differenz zwischen den Erträgen aus der Immobilie und den Bau- und Finanzierungskosten ergibt. Eine geringere Belastung durch Bau- und Finanzierungskosten in der Zukunft bedeutet höhere Bodenwerte. Hinzu kommen in einigen Regionen Aufschläge auf die Bodenwerte, die nicht den Ertragserwartungen, sondern eher spekulativen Erwartungen geschuldet sind. Mit anderen Worten: Künftige Erleichterungen bei den Finanzierungs- und Materialkosten dürften in hohem Maße durch weitere Bodenwertsteigerungen aufgefressen werden.

Schließlich steigt latent die Rivalität bezüglich der Nutzungsansprüche mit Blick auf den Boden. Beispielsweise steht der Umwandlung von Agrar- in Bauland die nachhaltigkeitspolitische Zielsetzung der Bundesregierung von weniger als 30 Hektar pro Jahr hingegen. Durch den Klimawandel bedingte Erhitzungen der Städte, Starkregenereignissen etc. muss mit Frischluftschneiden, Grüngürteln und Wasserretentionsflächen begegnet werden. Auch Verdichtungen (z.B. durch Aufstockungen bestehender Gebäude) sind Grenzen gesetzt, z.B. durch die Infrastrukturausstattung.

Die beschriebenen und viele weiteren Nutzungskonflikte kann ein auf Privateigentum basierender Marktmechanismus alleine nicht lösen. Dieser alloziiert die Flächen allein nach Zahlungsfähigkeit (Ökonomen benutzen das ein wenig unglückliche Wort “Zahlungsbereitschaft”). In der Logik des Marktes ist der Park in einer hochpreisigen Umgebung erst einmal Ressourcenverschwendung (Opportunitätskosten), und die Schule hat der Bankfiliale zu weichen.

Hier schlägt die Stunde der Planung: Die Nutzungskonflikte müssen auch nach anderen Kriterien als denjenigen der Effizienz aufgelöst werden. Entsprechend der Leitwerttheorie von Hartmut Bossel (1998) sind beispielsweise auch Versorgung, Gerechtigkeit, Sicherheit, Adaptivität u.a. zu beachten. So sinnvoll der Marktmechanismus bei anderen Gütern ist: Mit Blick auf diese Allokationsaufgabe muss er auf sich gestellt versagen.

Planung alleine reicht aber nicht aus. Sie muss implementiert und nachhaltig abgesichert werden (Dransfeld 2023). Hier kommt das öffentliche – v.a. kommunale – Bodeneigentum ins Spiel. Dieses müsste gegenüber dem Stand heute deutlich erhöht werden. Hierbei könnten Bodenfonds auf Länderebene sowie in den Kommunen eine Schlüsselrolle spielen. All dem steht jedoch ein unzureichendes rechtliches Instrumentarium und fehlende finanzielle Mittel entgegen. Zudem gilt es, das Instrument des kommunalen Erbbaurechts zu stärken: Auf diese Weise können nicht nur die Nutzungen selbst (z.B. über langfristige Sozialbindungen), sondern auch Zwischen- und Nachnutzungen langfristig gesteuert werden. Das Problem: Kommunen wenden Erbbaurechte immer noch wie bei ihrer Einführung von gut 100 Jahren an. Für Investoren ist dies höchst unattraktiv.

Natürlich werden jetzt v.a. Ordnungspolitiker widersprechen. Der Staat soll nicht steuern, sondern v.a. einen Rahmen setzen, innerhalb dem sich die Akteure frei, aber unter der Befolgung der vorgegebenen Regeln bewegen können. Diese Sicht der Dinge gilt jedoch v.a. globale und volkswirtschaftlich. In den untergeordneten Einheiten des Staates (v.a. Kommunen) ist hingegen Maßnahmen- und Prozesspolitik unverzichtbar. So will das Schlagloch in der Straße (öffentliches Gut) repariert werden – die Kommune muss dies unmittelbar tun oder doch zumindest veranlassen. Ähnliches gilt auch für die Wohnungspolitik: Der Markt drängt auf Segregation. Will man Banlieus und Gates communities verhindern, muss die öffentliche Hand aktiv werden und die Durchmischung managen. Dabei muss sie den Marktkräften sogar ein Stück entgegenwirken (allerdings darf sie dabei nicht das Kind mit dem Bade ausschütten).

Die zuletzt genannten Aspekte können vorliegend nicht ausgebreitet werden – es bleibt mehr als genug Stoff für künftige Artikel in diesem Blog.

Literatur:

H. Bossel (1998): Globale Wende – Wege zu einem gesellschaftlichen und ökologischen Strukturwandel, München.

E. Dransfeld (2023): Kommunales Landmanagement als Voraussetzung für eine gemeinwohlorientierte Wohnungsbaupolitik. Zfv 148, S. 342-353