Tag Archives: Hans-Werner Sinn

Wie sinnvoll ist die Förderung der Erneuerbaren Energien?

Dirk Löhr

Wenn Robert Habeck im Zug wieder einmal medienwirksame Selfies verbreitet, schlägt sein Herz mit jedem Windrad und jedem mit Solarpanels bedecktem Haus ein Stück höher. Die deutsche Förderpolitik allgemein und das Erneuerbare Energien Gesetz im Besonderen seien eine einzige Erfolgsgeschichte. (Umwelt-) Ökonomen wie Hans-Werner Sinn oder Joachim Weimann sehen hingegen in der deutschen Förderpolitik eine einzige Katastrophe. Warum? Immerhin kommen manchmal bis zu 60 Prozent der Elektrizität aus Erneuerbaren Energien. Bei 20-25 Prozent Stromanteil am Endenergieverbrauch schmilzt diese Zahl freilich auf 12 bis 15 Prozent des Endenergieverbrauchs. Immerhin wird dadurch doch schon eine Menge CO2 gespart, oder? Oder.

Die Energieversorgungsunternehmen, die noch Strom mit Kohle oder Gas produzieren, müssen für jede fossil Kilowattstunde Strom Emissionsrechte erwerben. Die Summe der Emissionsrechte ist im Europäischen Emissionshandel (EU ETS) gedeckelt (Cap). Der Ersatz von Kohlestrom durch Strom aus Erneuerbaren Energien bedeutet, dass bei den Energieversorgungsunternehmen Emissionsrechte frei werden. Diese werden nach Polen oder sonst wo hin innerhalb der EU veräußert, wo dann im Rahmen des Caps das CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen wird.

Die vernünftige Idee des Emissionshandels ist, dass dort Emissionen vermieden werden, wo dies günstig möglich ist. Hingegen sollen diejenigen Emittenten mit hohen Grenzvermeidungskosten weiterhin CO2 ausstoßen können. Die Verschneidung des Emissionshandelssystems mit der Förderung Erneuerbarer Energien führt aber dazu, dass die Vermeidung nicht dort stattfindet, wo die geringsten Grenzvermeidungskosten bestehen, sondern wo am höchsten subventioniert wird. Dies bewirkt Fehlallokationen und führt die eigentlich gute Idee des Emissionshandels ad absurdum:

Das eigentliche Problem ist nämlich, dass sich durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien an der insgesamt ausgestoßenen Menge CO2 in Europa nichts ändert – der Cap ist ja begrenzt. Zwar wird der Cap schrittweise zurückgeführt (in der aktuellen Handelsperiode, Phase 4, um 2,2 Prozent p.a.). Allerdings müsste dies – damit die Förderung der Erneuerbaren Energien Sinn ergibt, add up und im Gleichschritt mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien erfolgen. Dies ist jedoch bislang nicht der Fall; schon der damalige Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) biss sich in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder mit einem solchen Anliegen beim damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Zähne aus.

So, wie das System derzeit aufgestellt ist, vergleicht es der Umweltökonom Joachim Weimann mit einer Badewanne, in der am einen Ende (mit viel Aufwand) das Wasser abgeschöpft und am anderen Ende wieder das Wasser hineingegossen wird. Der Wasserspiegel der Badewanne kann so nicht absinken. Der Unsinn ist aber teuer: Die Summe aller künftigen Förderzusagen dürfte einen dreistelligen Milliardenbetrag ausmachen. Gut, dass der Bund die verdeckten Verbindlichkeiten nicht in einer Bilanz ausweist – die Bundesregierung wehrt sich nicht erst seit der Ampelkoalition gegen eine doppische Darstellung ihrer Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

Umweltökonomen fordern daher seit vielen Jahren einen Stopp des EEG. Damit ist jedoch nicht ein Stopp der Forschungsförderung gemeint – im Gegenteil. Die betreffende Forschung war immer eine Stärke Deutschlands, und hier kann das Land eine Vorreiterrolle sinnvoll ausfüllen. Eine Voraussetzung wäre freilich – anders als derzeit – Technologieoffenheit.

Sinnvoll wäre es jedoch auch, den CO2-Handelsmechanismus als Leitinstrument weiter zu entwickeln (bottom up statt top down, was hier nicht weiter erörtert werden kann) und auf diplomatischem Wege darauf hinzuwirken, dass sich auch andere wirtschaftliche Schwergewichte (wie China und die USA) diesem System anschließen (Klima-Club). Dies ist kein leichtes Unterfangen; es wird auch dadurch nicht einfacher, wenn die grüne Außenministerin den chinesischen Staatschef als “Diktator” bezeichnet. Die Erfolgsaussichten einer solchen Politik sind dennoch ungleich höher als die notorisch impotenten Klimakonferenzen mit fast 200 Teilnehmern.

Ceterum censeo: Bei der Fortentwicklung des CO2-Handels sollte die Rückverteilung der Einnahmen an die Bürger nicht vergessen werden. Ansonsten wird die Dekarbonisierung so teuer, dass die Bürger den Weg nicht mitgehen werden. Obwohl insbesondere die Grünen ein solches “Klimageld” durchaus auf dem Schirm hatten, ist dieser Punkt in der real existierenden Ampelkoalition leider wieder aufgrund der (durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im letzten Herbst) Finanznot des Klima- und Transformationsfonds in der Prioritätenliste ziemlich nach hinten gestellt worden.