Tag Archives: Gebäudesanierung

Energetische Gebäudesanierung: Suffizienz wird schon gelebt!

Dirk Löhr

In diesem Blog wurde schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Bestrebungen der EU wie auch von Teilen der Bundesregierung zur energetischen Gebäudesanierung zu einem erheblichen Teil redundant und überflüssig sind. Der Emissionshandel, der im Rahmen des EU ETS 2 ab 2027 auch für Gebäude gelten wird, ist als Leitinstrument ausreichend. Auf dieser Basis können die Eigentümer von Gebäuden selbst entscheiden, ob und – wenn ja – welche Art von Sanierung sich lohnt. Administrative Vorgaben, die v.a. in peripheren Regionen leicht zu wirtschaftlichen Totalschäden führen könnten (wenn die Sanierungskosten in keinem Verhältnis zum Gebäuderestwert stehen) könnten so vermieden werden.

Die grundsätzliche Beschränkung auf das Leitinstrument Emissionshandel wäre im Übrigen auch ein Beitrag zu den ökologischen Strategien der Effizienz und Suffizienz. Bestätigt wird dies ein weiteres Mal durch einen Beitrag von Daniel Stelter im Handelsblatt vom 14.04.2024. Stelter bezieht sich dabei auf mehrere Studien (v.a. mit Bezug auf Großbritannien), nach denen sich der modellierte Energieverbrauch gemäß Energieeffizienzklasse erheblich vom tatsächlichen Energieverbrauch unterscheidet (zu den Studien s. den Anhang). Die am wenigsten energieeffizienten Häuser verbrauchen deutlich weniger, energieeffizientesten Häuser deutlich mehr Energie als von den Modellen behauptet.

Stelter: “Im Vereinigten Königreich haben Studien gezeigt, dass der gemessene Gasverbrauch über alle Energieeffizienzklassen hinweg fast immer innerhalb des für Klasse C unterstellten Bereichs liegt. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen modelliertem und tatsächlichem Verbrauch in der schlechtesten Energieklasse. Der tatsächliche Energieverbrauch der Klasse G liegt ungefähr auf dem Niveau der Klasse C und nur wenig höher als in den Klassen A und B. Erzwingt man hier also eine Sanierung, dürfte sich am Energieverbrauch wenig ändern.”

Mit anderen Worten: Die Bewohner wenig energieeffizienter Wohnungen verhalten sich schon heute suffizient. Sie ziehen sich einen Pullover an oder heizen bestimmte, wenig genutzte Räume nicht mehr.

Ein ernsthaft umgesetzter CO2-Handel auch für das Gebäudesegment würde die entsprechenden Anreize noch verstärken, das Klimageld gleichzeitig für einen sozialen Ausgleich sorgen. Dies umzusetzen wäre die Aufgabe der Politik, nicht kleinteiliges Mikromanagement!

Anhang: Bezugnahme auf Studien über den Energieverbrauch

J. Few et al. (2023): The over-prediction of energy use by EPCs in Great Britain: A comparison of EPC-modelled and metered primary energy use intensity. Energy and Buildings Vol. 288. https://doi.org/10.1016/j.enbuild.2023.113024

M. Lees (2023): Why misleading EPC ratings are a national scandal. The Times, 27.02. Online: https://www.thetimes.co.uk/article/why-misleading-epc-ratings-are-a-national-scandal-ztc5ss2b0

M. Kumar (2023): Behind the scenes: Our resonse. Medium, 4. März. Online: https://madhuban-kumar.medium.com/behind-the-scenes-our-response-453c7d7b82ec

Statt der unintelligenten Gebäudesanierungsstrategie der Regierung: Low hanging fruits first!

Dirk Löhr

Die energetische Sanierung im Gebäudebereich ist in den kommenden Dekaden eine zentrale Herausforderung. Bis zum Jahr 2050 möchte die EU CO2-neutral sein, Deutschland sogar bis 2045. Es stellt sich die Frage, ob das Ziel und die eingeschlagenen Wege zur Zielerreichung vernünftig sind.

Denn entgegen dem zur Schau gestellten Zweckoptimismus v.a. aus dem Hause Habeck dürfte die umfassende Sanierung des Gebäudebestands sehr teuer werden. Es droht eine massive Entwertung des Volksvermögens. Hierzu folgende überschlägige Berechnung: Der Wert der Immobilien in Deutschland machte ausweislich der Vermögensbilanzen von Deutscher Bundesbank und dem Bundesamt für Statistik im Jahr 2021 ca. 10,6 Billionen Euro aus und stellt damit das wichtigste Asset in der Volkswirtschaft dar. Diese Zahl umfasst Wohn- wie Nichtwohngebäude. Gehen wir nun davon aus, dass der durchschnittliche Wohnflächenkonsum 47,6 qm / Person beträgt, rechnen wir mit 82 Millionen Menschen (die Flüchtlingsunterkünfte sollten nicht voll gezählt werden) und setzen wir moderat durchschnittliche Sanierungskosten von 500 Euro / qm Wohnfläche an, so erhalten wir allein für Wohngebäude einen Sanierungsaufwand i.H.v. 1,9 Billionen Euro, was 18% des Wertes des gesamten Gebäudebestandes ausmacht. Wohlgemerkt, die Nicht-Wohngebäude sind in den 1,9 Billionen Euro Sanierungsaufwand noch gar nicht enthalten. Die Sanierungsmaßnahmen führen angesichts des neuen rechtlichen Rahmens aber nicht zu einer Aufwertung der Gebäude, sondern verhindern nur eine Abwertung. M.a.W.: Es handelt sich um puren Aufwand, dem kaum ein einzelwirtschaftlicher Nutzen gegenübersteht. In dieses Bild passt, dass Immobilien mit einer schlechten Energieklasse schon heute in Vorwegnahme der neuen Anforderungen mit Wertabschlägen von bis zu einem Drittel gehandelt werden (mittlere Differenz).

Das heißt u.a., dass die Altersvorsorge, die viele Menschen in Form von Immobilien getroffen haben, zum Geldgrab wird. Selbst der duldsame deutsche Michel wird einer solchen Politik der kalten Enteignung früher oder später nicht mehr folgen wollen.

Eine neuere Studie des BDI (Klimapfade für Deutschland) besagt jedoch, dass ein 80%-Pfad durchaus noch mit vertretbaren Belastungen machbar ist. Die letzten 20% der klimapolitischen Ziele verursachen allerdings extrem hohe Vermeidungskosten. Goldman Sachs rechnet ebenfalls in einer Studie vor (Carbonomics), dass mit demselben Mitteleinsatz in Entwicklungs- und Schwellenländern deutlich höhere Vermeidungswirkungen zu erzielen wären als hierzulande, weil dort die “low hanging fruits” dort noch gar nicht geerntet sind (s. auch die Argumentation von Daniel Stelter hierzu).

Natürlich kann man – wie die Bundesregierung dies in ideologischer Weise tut – auf eine Vorbildfunktion setzen und mit mit einem 100%-Ziel den sozialen Frieden gefährden. Man kann sich aber auch – wie dies die Schweiz, Japan und Südkorea machen – auf Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens berufen und die letzten 20% der Vermeidungsinvestitionen nicht im Heimatland vornehmen, sondern in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dies entspricht auch dem Pareto-Prinzip, wonach 80% des Erfolges mit 20% der Anstrengungen zu verwirklichen sind und vice versa.